[Coruscant, untere Ebenen]- Cris
Das Blue Velvet lag in einer ähnlichen Gegend wie das Honey House, definitiv in einem Bereich Coruscants, den der normale Bürger der oberen Ebenen niemals besuchen würde, und dennoch mit einer gewissen Distanz zu Armut, Verzweiflung und totalem Verfall ausgestattet. Der Verfall, der dieses Gebiet heimgesucht hatte, war mehr unsichtbarer Natur… verborgen unter falscher und glitzernder Fassade.
Fast beruhigend wirkendes, bläuliches Licht erhellte den Eingangsbereich der Bar, deren Name in ebenso gefärbten Lettern sporadisch aufflackerte und so die beiden bulligen, menschlichen Türsteher lange Schatten werfen ließ. Beide Männer trugen sichtbar Schockstäbe, wie sie einige Gefängniswärter benutzten, doch der ehemalige Sturmtruppler war sich vollkommen sicher, dass sie zudem Blaster mit sich führten. Welche Arrangements Vekker mit den imperialen Behörden auch immer in der Vergangenheit getroffen hatte, sein Metier war durchsetzt mit Konkurrenz, die versuchte, sich gegenseitig an Skrupellosigkeit zu überbieten, entweder im Auftrag eines einflussreichen Verbrecherlords oder aus eigenem Antrieb. Diese Geschäfte waren lukrativ – und die praktische Abwesenheit des Imperiums war eine deutliche Einladung dazu, diese Rivalitäten gewaltsam auszutragen. Wen kümmerten schon zivile Opfer? Die Wesen hier unten waren vom Imperium ausgesaugt worden und hatten nichts mehr, was im Eigeninteresse zu schützen lohnte…
Der Haupteingang der Bar schied aus. Eine kurze Beobachtung aus den Schatten eines benachbarten Wolkenkratzers hatte Cris genügt, um zu erkennen, dass die beiden Türsteher jeden Neuankömmling sehr effektiv auf Waffen untersuchten, effektiv genug, dass ihnen auch das verborgene Holster auffallen würde, welches bestenfalls einer oberflächlichen Sichtkontrolle entgehen konnte.
Neben der Bar jedoch verlief eine schmale, unbeleuchtete Gasse und verschwand in der Dunkelheit – die Wahrscheinlichkeit sprach dafür, dass sich dort ein Nebeneingang befand, eine Möglichkeit für Vekker also, unbemerkt zu verschwinden oder Geschäfte abzuwickeln, die selbst für die die Art an Öffentlichkeit, die man hier finden konnte, gänzlich ungeeignet waren. Zweifelsohne bedeutete dies jedoch, dass der vermutete Hintereingang mit einer Reihe unsichtbarer Sicherheitsvorkehrungen versehen war. Dennoch… unter Umständen brachte er Cris eher ans Ziel, als das unbewaffnete Hereinspazieren durch den Haupteingang. Er hatte nicht vor, ein zweites Mal als Vekkers Fang der Woche zu enden.
Niemanden interessierte die Gestalt des ehemaligen Sturmtrupplers, die sich durch den Schatten in die Gasse stahl, obwohl Cris mittlerweile seine Waffe gezogen hatte. Selbst wenn ihn jemand zufällig sehen sollte – hier unten wusste jedes Lebewesen, dass es sich besser um seine eigenen Anliegen kümmern sollte. Ein falscher Blick, eine falsch interpretierte Frage konnte in Coruscants Unteren Ebenen bereits mit einem qualvollen Tod enden.
Pfützen schmutzigen Abwassers hatten sich am Boden der Gasse gesammelt und plätscherten bei jedem seiner Schritte leise, ein Geräusch jedoch, dass im allgemeinen Gemurmel des Planeten vollkommen unterging. Es roch muffig, nach langsam dahin rottendem Tod, der Hoffnungslosigkeit einer ganzen Population unterschiedlichster Vernunftwesen… aber diese Erwägungen waren es nicht, die Cris hierher trieben.
Plötzlich presste er sich in eine enge Nische an der glitschigen Wand neben ihm, als erste Fetzen eines Gespräches zu ihm vordrangen. Der schwache Lichtschein voraus verriet, dass er besagten Hintereingang gefunden hatte und offenbarte ihm zwei Gestalten, die sich unterhielten – aus dem Kopf desjenigen, der eher im Türrahmen zu stehen schien, ragten die Hörner eines Devaronianers, der andere schien eine Art Uniform zu tragen. Ob Mensch oder humanoider Nichtmensch war nicht zu erkennen.
„Wir hatten unsere Abmachungen…“ Eindeutig die Stimme des Devaronianers.
„Vier Razzien in einer Woche? So etwas verprellt die Kunden… wofür bezahlen wir Sie?“
„Im Gouverneurspalast wird man unruhig.“
Jedwede weitere Identifizierung des Gesprächspartners war nunmehr überflüssig – Cris hatte diesen Tonfall, diese Art zu sprechen lange genug hören müssen. Die arrogante, selbstgefällige Art eines typischen Offiziers des Imperiums.
„Mein Captain macht Druck. Vielleicht sind Ihre Argumente einfach nicht gut genug?“
„Vielleicht sollte man Sie und Ihren Captain daran erinnern, wer hier unten das sagen hat?“, fauchte der andere zurück.
„Reden Sie nicht so mit mir, Travlok…“
Die Stimme des vermeintlichen Imperialen klang gefährlich ruhig.
„Ich habe gehört, dass bald sehr viel mehr Truppen hier unten eingesetzt werden. Möglicherweise sind Sie und Ihr Boss eines Tages dankbar, sich meines Wohlwollens gewiss sein zu können.“
„Ihres Wohlwollens…“
Der Devaronianer schwieg für einen Moment.
„Ich werde Vekker informieren. Wir lassen Sie unsere Antwort über die üblichen Kanäle wissen. Bis dahin lassen Sie sich hier nicht mehr sehen… in unser beider Interesse.“
Das Gespräch schien beendet. Cris drückte sich noch stärker in die Nische, da regelmäßige, platschende Geräusche in seine Richtung führten – der imperiale Offizier. Einzig seine Abzeichen – Lieutenant – glänzten leicht in der Dunkelheit, irgendeine diffuse Lichtquelle reflektierend, während er sich gemächlich näherte. Anscheinend fühlte er sich absolut sicher und vertraute auf die Abkommen, die er scheinbar mit dem Abschaum dieses Viertels getroffen hatte und die zu brechen für jenen eine kleine Apokalypse bedeuten würde. Sein Pech wart, dass diese Abmachungen für Cris nicht zählten und jene Befürchtungen nicht die seinen waren…
Vollkommen lautlos, wie er es gelernt hatte, glitt er aus der Nische, nachdem der Offizier diese passiert hatte, und näherte sich ihm mit einem schnellen Schritt. Es dauerte nicht lange. Nur noch in der Lage, ein überraschtes Grunzen auszustoßen, geriet der Andere in den Würgegriff des ehemaligen Sturmtrupplers, doch sein Strampeln wurde jäh beendet, als das Genick des Imperialen mit einem feuchten Knirschen brach. Nur ein wenig schwerer atmend schleifte Cris die leblose Gestalt zurück in seine Nische. Ein Toter mehr, welchen Unterschied machte das schon? Und dieser Tote besaß etwas, was ihm in seinem Unterfangen von unschätzbarem Dienst sein sollte…
Minuten hektischen Arbeitens später trat Cris wieder aus der Nische heraus und zog sorgsam die schwarzen Offiziershandschuhe straff, bevor der die zur Uniform gehörende Mütze so gut es in absoluter Finsternis ging geradezog. Die Stiefel des Mannes schienen eine Nummer zu klein geraten, doch der Rest seiner Uniform passte Cris wie für ihn geschneidert, wenngleich ihn ein promptes Gefühl des Unwohlseins ereilt hatte, kaum dass er in den olivgrünen Stoff geschlüpft war.
Der Blaster des Offiziers befand sich im normalen Holster am Uniformgürtel, wobei Cris sein zweites Holster unter der Uniformjacke verborgen hatte. So gerüstet folgte er dem Weg, den sein glückloses Opfer gekommen war, und fand schließlich die ohne sichtbare Öffnungsmechanismen oder ein Fenster ausgestattete Tür. Nachdem er jedoch mit einer behandschuhten Faust gegen das blanke Metall gepocht hatte, entstand umgehend im Raum dahinter Bewegung und die hässliche Fratze des Devaronianers erschien.
„Verdammt, Cabble… ich hab Ihnen gesagt, dass Sie…“
Die kalte Blastermündung direkt vor seiner Nase unterband die beginnende Tirade des Nichtmenschen und ließ ihn sichtlich schockiert zurückweichen.
“Ich fürchte, Sie werden Lieutenant Cabble hier nie wieder sehen, Travlok…“ Ein humorloses Grinsen umspielte Cris Lippen, doch sein Mund fühlte sich wie ausgedörrt an.
“Ich suche Vekker.“
Kurze Zeit schien es, als würden dem Devaronianer die Augen aus dem Kopf fallen.
„Sind Sie wahnsinnig? Vekker wird sie wie eine faule Sonnenfrucht zerquetschen…“
“Das wird Ihnen aber kaum helfen…“
Seine letzten Schritte brachten Cris endgültig durch die Tür und drängten den Devaronianer weiter in die Defensive. Die dämonische Fratze des Nichtmenschen verriet, dass er sich der von Cris genannten Umstände durchaus bewusst war…
“Also los, führen Sie mich zu Ihnen… und seien Sie gewarnt: ich würde es merken, wenn sie etwas versuchen… vorwärts!“
Das Glück blieb Cris hold. Der Devaronianer fügte sich und führte den ehemaligen Sturmtruppler hinaus aus dem Zwischenraum hinter der Tür – in dem sich im Grunde lediglich ein Monitor der offenbar versteckt draußen installierten Nachtsichtkamera befunden hatte –ähnlich, wie Cris vermutet hatte – in einen leeren Korridor, der anscheinend zu einem abgesicherten Bereich des Blue Velvet gehörte, wie auch das Honey House über einen verfügte. Cris verdrängte die Frage, was sich wohl hinter den Türen, die er und Travlok passierten, abspielen mochte, mit Gewalt aus seinem Bewusstsein. Er hatte ein Ziel: Sarah zu finden und sie aus Quinn Tellex’ Fängen zu befreien. Vekker war der Schlüssel.
Im Grunde hätte Cris die Führung durch den Devaronianer nicht benötigt – der Korridor war schnurgerade auf eine spezielle Tür zu, deren prunkvolle Verzierungen mehr als deutlich machten, wer sich wohl hinter ihr verbergen mochte. Die Lippen des ehemaligen Sturmtrupplers kräuselten sich angewidert. Was hatte der Twi’lek auch hier, im Zentrum seines Netzes, bewacht von seinen Sklavenjägern, auch zu befürchten? Weder die machtlose Konkurrenz, noch das durch regelmäßige Zahlungen gewogen gehaltene Imperium…
„Sie sind tot… wer immer Sie auch sein mögen…“, knurrte der Devaronianer, nachdem er vor der Tür stehen geblieben war. Dumpfe Geräusche drangen aus dem hinter ihr liegenden Raum vor.
“Mag sein…“, stimmte Cris ihm gelassen zu, bevor der dem Anderen ohne Vorwarnung den Kolben seiner Waffe über den gehörnten Schädel zog. Lautlos brach Travlok vor der Tür seines Herrn zusammen.
Diese Tür selbst war mit einem einfachen Schloss gesichert, und als Cris – in Ermangelung einer besseren Idee – selbiges mit zwei Schüssen aus dem Blaster des Offiziers in seine Einzelteile zerlegte, öffnete sie sich problemlos.
Das sich Cris bietende Bild war auf widerwärtige Weise typisch und vorhersehbar. Den Raum dominierte ein ausladendes, mit teurer Zeydtuchwäsche verkleidetes Bett – und auf diesem befand Vekker sich, jedoch nicht alleine. Cris wusste nicht, welcher sehr grazilen Spezies das offensichtlich weibliche Wesen bei ihm angehörte, doch die Tatsache, dass sie an das Bett gefesselt war und einen Hauch von Nichts am Leibe trug, ließ die Situation mehr als durchschaubar erscheinen…
Vekker kreischte überrascht, als sein Blick erst zur beschädigten Tür und dann auf die Uniform glitt, bevor schließlich langsames Verstehen in seinen Augen aufglomm.
„Du!“
Vipernartig bewegte der Twi’lek sich in Richtung des Schranks neben dem Bett, auf dessen Anrichte ein verzierter, schartiger Dolch – mit Sicherheit primär nicht für den Kampf erdacht – im Licht glänzte, doch es war zu spät. Eine rote Lanze aus Licht durchbohrte die rechte Hand des Sklavenhändlers und ließ ihn aufheulen, bevor ein zweiter Schuss in sein linkes Bein fuhr und ihn neben seinem Bett zusammenbrechen ließ.
Betont langsam schritt Cris auf den sich windenden Körper zu. Vekkers gelbliche Augen starrten ihn hasserfüllt an, doch noch etwas anderes schien in ihnen zu liegen – Furcht.
„Was willst du? Rache?“
Unbarmherzig griff Cris nach einem der Hirnfortsätze des Twi’lek und zog seinen Kopf daran empor, während er sich selbst neben den absolut Wehrlosen kniete. Vekker bemühte sich, den Schmerz, den dieser Umgang mit seinem Kopftentakel bedeuten musste, zu ignorieren, doch es gelang ihm nicht.
“Ich suche Quinn Tellex.“
„Und deswegen kommst du zu mir? Meine Kunden sind sehr auf Vertraulichkeit bedacht, ich weiß nicht wo…“
“Lüg mich nicht an!“
Ein harter Ruck an Vekkers Kopf, dann rammte Cris dem Twi’lek die Mündung des imperialen Blasters förmlich in den Rachen, seinen Finger um den Abzug gespannt. Das würgende Angststöhnen Vekkers war kaum zu hören.
“Wer, wenn nicht du, wird ihm regelmäßig die Opfer für seine Spielchen verschafft haben?“
Der Finger spannte sich weiter, bis Vekkers Würgen schließlich lebhafter wurde und Cris ihm durch leichtes Zurückweichen die Gelegenheit gab, zu sprechen.
„Ich… ich weiß nur, dass er eine ganze Etage des Imperial City Luxury Ressorts besitzt… dort ist auch sein Appartement… dorthin werden seine… seine Einkäufe gebracht…“
Mit einem dumpfen Krachen fiel der Kopf des Sklavenhändlers auf den Boden, als Cris seine Waffe vollends zurückzog und dessen Fortsatz losließ. Nachdem er sich erhoben hatte, ruhte sein Blick kurz auf dem nun erbärmlich wimmernden Nichtmenschen, dann auf seiner Gefangenen, die dieses Schauspiel absolut ruhig und fast ein wenig fasziniert verfolgt hatte.
„Und jetzt… wirst du mich töten?“
“Nein.“
Cris beugte sich zur Anrichte vor, von der Vekker den Dolch hatte erlangen wollen, da er dort einen zweiten, kleineren Gegensand erspäht hatte. Der winzige Codeschlüssel war es, der es ihm ermöglichte, die Handschellen der Gefangenen zu lösen. Kurz erfasste ihn ihr Blick – eine Mischung aus Staunen, Furcht und mühsam beherrschtem Zorn – ehe die Handschellen mit einem Klicken auf das Bett fielen. Sofort hatten ihre Augen sich in Richtung des Dolches orientiert. Vekker versuchte bereits, sich gen Tür zu bewegen, doch die Wunden hinderten ihn sichtlich daran.
“Ich nicht.“
Ohne den Sklavenhändler eines weiteren Blickes zu würdigen verließ Cris den Raum, über Travloks bewusstlosen Körper, und sah sich kurz um. Niemand war gekommen, um den Ursprung der Schüsse zu untersuchen – trotzdem musste er sich beeilen, auf dem Weg zu verschwinden, über den er gekommen war.
Die plötzlich beginnenden, gequälten Schreie Vekkers verfolgten ihn.
[Coruscant, Untere Ebenen, das Blue Velvet]- Cris (imperiale Uniform)