Fresia (Fre'ji-System)

- Fresia – Fingers Mark – Rings Island – Mon Calamari Dorf – Hütte –

Endlich die Augen zu schließen tat gut. Giselle lag auf dem Boden, auf einem Nachtlager, das aus Palmenblättern und einer dünnen Decke bestand. Die Hütte besaß, wie alle anderen auch, keine Fenster, sodass es angenehm dunkel war. Von draußen war kaum noch ein Geräusch zu vernehmen. Das Dorf fiel allmählich in den Schlaf. Der Tag war lang gewesen, lang und ereignisreich und es dauerte, bis die Vahla endlich ihre Gedanken beruhigen konnte. Den Abend hatten sie ruhig verbracht, bei einem gemeinsamen Essen und vielen Gesprächen. Es war üblich, dass man sich zuerst miteinander austauschte und eine gute Zeit genoss, bevor man über ernste Dinge sprach, wie zum Beispiel das Anliegen, wegen dem sie und Exodus hier waren. Sofort mit der Tür ins Haus zu fallen wäre unhöflich gewesen. Sie würden warten, bis Haiur ihnen anbot, über ihr Problem zu sprechen. Haiur hatte von Giselle wissen wollen, was sie die letzten Wochen erlebt hatte und sie hatte ihm erzählt, wie sie kurz in Hill City gearbeitet und schließlich Exodus getroffen hatte. Sie hatte ihm auch berichtet, dass sie nun für ihn auf Palm Island arbeitete, war aber nicht in zu sehr ausgeprägte Details gegangen. Die Atmosphäre im Dorf war allgemein sehr locker gewesen und Giselle hatte das Gefühl gehabt, dass sich die meisten Bewohner gefreut hatten, sie wieder zu sehen. Trotz ihrer noch recht limitierten Kenntnisse in der Sprache der Mon Calamari gelangen ihr Unterhaltungen recht gut. Wenn sie Worte nicht kannte, war sie geschickt darin, sie zu beschreiben, manchmal sogar mit Hilfe ihrer Hände. Exodus hatte es da schwieriger gehabt, was Giselle Leid getan hatte, doch mehr als zu versuchen, ihn einzubinden, hatte sie nicht tun können.

Der nächste Morgen begann in kleinen Schritten, nach und nach. Im Gegensatz zum Abendessen, das man in einer großen Runde im Dorf gemeinsam eingenommen hatte,um den Ausklang des Tages zu celebrieren, fanden sich die Familien nicht zum gemeinsamen Frühstück zusammen. Man blieb für sich, nahm eine Kleinigkeit in seiner Hütte zu sich. Jeder begann den Tag auf seine Weise, mit den Aufgaben, die auf einen warteten. Giselle war früh auf, um Laufen zu gehen. Sie mochte die Anstrengungen am Morgen, gleich nach dem Aufstehen, und fühlte sich um einige Monate zurück versetzt, als sie zum ersten Mal auf Rings Island gewesen war. In der kurzen Zeit hatte sich hier nichts verändert, für Giselle selbst und ihr Leben allerdings schon. Sie schwamm ein paar Runden in dem Teich, der nicht weit entfernt vom Dorf lag, als Haiur sie fand. Er stand am Ufer und winkte ihr zu. Giselle winkte zurück, tauchte zu ihm und stieg triefend nass aus dem Wasser. Ihre Unterwäsche war alles was sie trug und klebte ihr am Körper.


“Es ist schön, wieder hier zu sein.“

Sagte sie und spürte Haiurs Nicken, während sie sich mit einem Handtuch trocken rieb.

“Hast du Exodus heute Morgen schon gesehen?“

Sie hatte kein Chrono dabei und wusste nicht, wie spät es war. Es war gut möglich, dass Exodus bereits im Dorf unterwegs war oder sich auf die Suche nach ihr gemacht hatte. Doch Haiur verneinte.

“Nein, habe ich nicht. Gehen wir zusammen und sehen nach ihm, dann könnt ihr mir erzählen, weswegen ihr hier seid.“

Das klang nach einem vernünftigten Vorschlag. Giselle schlang sich ihr Handtuch um die Schultern und klemmte sich ihre Klamotten, die sie vor dem Schwimmengehen ins Gras gelegt hatte, unter den Arm. Gemeinsam gingen sie zurück zum Dorf. Dort waren die meisten Mon Calamari bereits wach. Eines der Kinder zerrte an Giselles Arm, weil es ihr etwas zeigen wollte, doch Giselle musste bedauernd ablehnen, versprach jedoch sich später Zeit zu nehmen.

“Ich ziehe mir schnell was Trockenes an.“

Sagte sie, als sie die Hütte ihrer Gastgeber erreichten hatten und Haiur weiter den Weg hinunter ging.

“Gut. Ich sehe in der Zeit nach deinem Freund. Wir warten auf dich.“

Im Inneren der Hütte beeilte Giselle sich, ihre Wäsche zu wechseln und schlüpfte wieder in ihre Shorts und ihr Shirt. Für den Ausflug hatte sie nicht viel Kleidung zum Wechseln mit gebracht und nur praktische Dinge eingepackt. Schnell war sie wieder zu Haiur aufgeschlossen, der gerade Exodus' Gasthütte erreichte.

- Fresia – Fingers Mark – Rings Island – Mon Calamari Dorf – Mit Haiur–
 
[ Fresia – Fingers Mark – Rings Island – Mon Calamari Dorf | allein ]

Das Klopfen an der Tür weckte ihn nicht. Exodus war schon wach, seit einer ganzen Weile. Streng genommen hatte er fast gar nicht geschlafen. Nur die Meditationstechniken der Jedi hatten ihm ermöglicht, sich in einen Zustand des Schlafes zu versetzen und sorgten nun dafür, dass die Ringe unter seinen Augen zwar erkennbar waren, sich aber nicht tiefdunkel abzeichneten. Exodus stand in einer fließenden Bewegung auf und öffnete die Tür der beschaulichen Hütte. Das Mon Calamari Paar schlief noch im angrenzenden Zimmer, während man ihm eine Liege im Hauptraum aufgebaut hatte. Für einen Menschen wie Exodus, der von früh auf die Regeln der Höflichkeit gelernt hatte, war es höchstpeinlich, sich nicht einmal bei ihnen bedanken zu können, selbst wenn die Hütte weit unter dem Standard lag, den er gewöhnt war. Er würde Haiur danach fragen und später zu ihnen zurückkkommen müssen. Vor der Tür wartete der Mon Calamari Lehrer und – für Exodus nicht überraschend – auch Giselle. Es war ihre Präsenz gewesen, die ihn aus der Meditation geweckt hatte. Ihre Strahlkraft, die sich seiner Hütte genähert hatte. Giselles Aura erschien ihm wie eine gleißende Lichtquelle – und Exodus konnte nicht anders, als immerzu hinzusehen. Die Vorahnung, dass er sich an ihr verbrennen konnte, schwang zwar immer mit, doch hatte er diese Stimme schon längst in die Tiefen seines Hinterkopfes verbannt. Es war einfach ein unsinniges, ein irrationales Gefühl. Dass er bei ihrem Anblick lächelte, konnte einfach nichts Schlechtes bedeuten. Er schob den Gedanken – wie so oft – bei Seite und dachte über seinen eigenen Anblick nach. Ungewaschen, unrasiert und leicht zerknautscht. Es war fast ein Glück, dass das Mon Calamari Paar keinen Spiegel besaß. Nun, es würde reichen müssen. Niemand erwartete von ihm, tadellos auszusehen. Und vielleicht fand Giselle diesen Natur-Look ja sogar attraktiv.

„Guten Morgen.“

Sein Blick ruhte zuerst auf der Vahla. Sie schien besser geschlafen zu haben als er oder zumindest ließ sie sich ihren schlechten Schlaf nicht ansehen. Haiurs Miene war wie immer undeutbar, seine Aura hingegen sprach für gleichmütige Freundlichkeit.

„Guten Morgen, Exodus von Coruscant.“

sagte der Mon Calamari mit bassiger Stimme und auch Giselle erwiderte seinen Gruß. Mit einer auslandenden Geste wies der Mon Calamari Giselle und Exodus an, ihm zu folgen. Gemeinsam durchquerten sie das Dorf, passierten Haiurs eigene Hütte und wurden nur kurz von spielenden Kindern aufgehalten, denen Haiur mit einer wortlosen Geste klar machte, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, mit ihnen herumzutollen. Der Mon Calamari Lehrer führte sie erneut zu den Steinkreisen, bei denen sie auch schon zu am Abend zuvor gegessen hatten. Er ließ sich auf einer der massiven Sitzgelegenheiten in einer kleineren Runde nieder und nickte ihnen zu, sich ebenfalls zu setzen. Exodus konnte sich gut vorstellen, dass der Lehrer hier auch Unterrichtsstunden durchführte. Der Mon Calamari nahm alles sehr förmlich – vielleicht war es auch einfach seine innere Ordnung – Schritt für Schritt, nichts überstürzen. Es passte zu ihm, für das anstehende Gespräch den passenden Ort und Rahmen aufzusuchen. Haiur ließ einige Sekunden verstreichen, nachdem sich Giselle und Exodus ebenfalls niedergelassen hatten.

„Wie kann ich euch helfen?“

fragte er schließlich gedehnt und sah vor allem Exodus, aber auch Giselle an. Der Geschäftsführer begann nach kurzem Blickkontakt mit seiner Assistentin zu erzählen:

„Die Wingston Corporation, das Unternehmen meiner Familie, hat sich hier auf Fresia niedergelassen, genauer gesagt auf Fingers Mark. Wir produzieren Raumschiffe, vornehmlich Frachter und Yachten im Luxussegment. Hier auf Fresia wollen wir Lumium abbauen, es soll als Highlight einer neuen Raumschiff-Serie dienen. Mit der Regierung ist alles geklärt – wir haben genaue Vorgaben bekommen, wieviel des Gesteins wir abbauen dürfen und daran halten wir uns auch.“

Es war ihm wichtig, das zu betonen. Vermutlich würde der Mon Calamari ebenfalls ungern sehen, wie die Wingstons das wertvolle Lumium von hier fortschafften. Aber es war alles legal. Sein Blick huschte für einen Sekundenbruchteil zu Giselle hinüber. Sie hatte vor kurzem festgestellt, dass die Vorgaben eben nicht genau eingehalten worden waren – woraufhin sie ihre Arbeiter angewiesen hatten, stärker darauf zu achten.

„Aber mit dem Lumium hat unser eigentliches Problem nichts zu tun. Meine Mitarbeiter – vorweigend Nautolaner – sind mit den Bewohnern von Palm Island aneinander geraten. Der plötzliche Einbruch der Regenzeit hatte uns überrascht und wir brauchten Holz, um unser Lager zu sichern. Also schickte ich meine Leute in den Wald, sie sollten einige Bäume fällen. Die Mon Calamari waren nicht zufrieden damit – sie schickten Krieger um meine Leute davon abzuhalten. Dank Giselle …“

Wieder sah er kurz zu Giselle und ließ seinen Blick für einen Moment auf ihr ruhen.

„… haben wir die Situation noch in den Griff bekommen. Wir durften einige Bäume fällen, so viele wie eben nötig waren, um das Lager zu sichern. Aber sie wollten uns beobachten – und das taten sie. Meine Mitarbeiter waren allerdings auch nicht besonders umsichtig … ohne es zu wissen und aus Versehen, begab sich eine kleine Gruppe von ihnen zu einer heiligen Stätte der Einwohner. Es kam zu einem Kampf, die Mon Calamari fühlten sich angegriffen durch die Schändung des Ortes. Giselle und ich versuchten den Streit zu schlichten und sind den Kriegern hinterher – doch sie wollten nicht mit uns reden. Sie haben uns angeklagt, bedrohnt und schließlich weggeschickt.“

Er machte eine kurze Pause. Bei beiden Vorfällen klang es tatsächlich sehr danach, als hätten sich die Mon Calamari nur verteidigt – und als wäre jede Aggression nur von den Nautolanern und der Wingston Corporation ausgegangen. So fühlte es sich hingegen nicht an, wenn er an die Situationen zurückdachte. Jedes Mal hatten sie in finstere Mienen und erhobene Speere geblickt.

„Unsere Mitarbeiter sind stark verunsichert. Sie werden von den Kriegern auf Schritt und Tritt beobachtet, sie fürchten weitere Angriffe. Wir wissen nicht mehr weiter – die Lage kann jederzeit eskalieren und dann passiert vielleicht etwas noch viel Schlimmeres. Deshalb sind wir hier, wir … hatten gehofft, ihr könntet uns helfen zu vermitteln und die Wogen zu glätten.“

Haiur hatte die ganze Zeit, während Exodus gesprochen hatte, geschwiegen. Jetzt, nach dessen Ausführung über die Situation, lag sein Blick lag auf Exodus. Der Mon Calamari wirkte bedächtig und nachdenklich. Er ließ sich Zeit damit, eine Reaktion zu zeigen oder zu äußern. Dann fixierten seine riesigen Augen die Vahla.

„Giselle, wie ist deine Einschätzung der Lage?“

[ Fresia – Fingers Mark – Rings Island – Mon Calamari Dorf | mit Giselle und Haiur ]
 
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- Fresia – Rings Island – Mon Calamari Dorf – Mit Haiur und Exodus –

Während Exodus von der Situation auf Palm Island erzählte, hörte Hair aufmerksam zu. Er sah den Geschäftsführer der Wingston Corporation unentwegt an, während dieser sprach, und auch Giselles Blick war auf den Mann gerichtet, mit dem sie in den letzten Wochen mehr Zeit verbracht hatte als mit irgendjemandem sonst. In seiner Stimme lag der Ernst, den Giselle sich bei ihrem Gespräch auf den Felsen von Alquola gewünscht hätte. Dies lag zweifellos an der ernsten Situation und den möglichen Problemen, die dies noch für seine Firma und seine Mitarbeiter bedeuten mochte. Zwischen ihm und Giselle hingegen war nichts ernst. Er war der Boss, sie die Assistentin und auch wenn er nett zu ihr war, mit ihr flirtete oder sich hin und wieder tiefgründige Gesprächsthemen zwischen ihnen ergaben, bedeutete das nicht, dass er im Sinne hatte, mehr daraus zu machen. Exodus Wingstons Priorität galt der Firma, die er zu leiten hatte und den Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze er sicherte und für deren Wohlergehen er sorgte.

“Exodus hat bereits alles ganz gut erklärt.“

Wandte sich Giselle an Haiur, als dieser sie nach ihrer Einschätzung der Lage fragte.

“Es liegt der Wingston Corporation fern, Probleme zu bereiten oder für Ärger zu sorgen. Sie sind nur hier, um ihre Arbeit zu verrichten. Leider wurde nichts davon im Vorfeld mit den Einheimischen geklärt und ich denke, dass das ein Fehler war.“

Sie sah den Mon Calamari an, der sie jetzt ebenso abwartend studierte wie zuvor noch Exodus.

“Niemand hat ihnen gesagt, warum plötzlich diese Leute am Strand von Palm Island aufgetaucht sind oder was sie hier tun. Ich kann verstehen, dass die Mon Calamari das verunsichert. Aus diesem Grund haben wir – Exodus und ich – versucht mit ihnen zu sprechen, doch zu diesem Zeitpunkt war der Schaden längst angerichtet und sie lehnten ab, uns auch nur zuzuhören.“

Nur all zu lebhaft erinnerte sich Giselle an ihre Begegnung mit dem feindlichen Stamm, im Dschungel von Palm Island. Exodus und sie waren von den Mon Calamari überrascht worden, obwohl sie sie gesucht hatten. Jeder Versuch der Beschwichtigung und der Diplomatie war gescheitert, weshalb es Giselles Hoffnung war, dass einer von ihnen – Haiur – mehr Erfolg haben würde, Gehör zu finden.

“Ich denke, dass sie besorgt sind: um die Insel, ihre Heimat und auch um die Sicherheit ihrer Familien. Diese Sorgen sollten wir versuchen ihnen zu nehmen.“

Giselle überlegte und sah Haiur fragend an.

“Ich weiß nicht, ob die Auflagen der Regierung, an die sich Exodus und seine Männer halten, in euren Augen etwas wert sind. Wir könnten euch – und auch den anderen – zeigen, wie das Lumium abgebaut wird und dass die Natur dabei nicht geschädigt wird. Denkst du, das würde helfen?“

Es war zumindest einen Versuch, dachte sie. Haiurs große Augen bewegten sich nur minimal.

“Vielleicht.“ Sagte er wage. “Ihr müsst verstehen, dass wir Fremde hier nicht gewohnt sind. Bisher wurde sich nie von außerhalb für die Inseln interessiert, abgesehen von einigen wenigen kleineren Ausnahmen.“

Er sah speziell zu Giselle hinüber und sie konnte die Andeutung eines Schmunzelns erkennen.

“Unsere Brüder auf Palm Island haben jedes Recht, misstrauisch zu sein.“

“Ich weiß.“

Nickte sie ernst. Einst war ihrem Volk, vor tausenden von Jahren, die Heimat genommen worden. Seither zogen die Vahla als Nomaden durch die Galaxis. Sie konnte verstehen, dass die Mon Calamari den Eindringlingen in ihrer Heimat kritisch gegenüber standen. Haiur folgte ihrem Nicken.

“Wir wollen Gewalt vermeiden.“

Sagte er.

“Ich komme mit euch, um zu vermitteln. Doch seid euch darüber im Klaren, dass das Wohl der Inseln hier Priorität hat. Ihr seid Gäste auf Fingers Mark und wir und unsere Brüder werden erwarten, dass ihr euch so verhaltet.“

Seiner tiefen Stimme war deutlich anzuhören, wie ernst er seine Worte meinte. Er wollte versuchen zu helfen, doch am Ende lag seine Loyalität bei den Mon Calamari und seiner Heimat. Giselle nickte abermals.

“Danke, Haiur.“

Erwiderte sie.

“Wir wissen deine Hilfe zu schätzen.“

- Fresia – Rings Island – Mon Calamari Dorf – Mit Haiur und Exodus –
 
[ Fresia – Fingers Mark – Wassergleiter | mit Giselle, Fleetfire, Haiur und Jhelor ]

Der Wind blies Exodus stark ins Gesicht, die Gischt des Meeres spritzte unkontrolliert aufs Deck und benetzte in winzigen Tropfen Stirn und Wangen. Jost Fleetfire trieb den Wassergleiter auf dem Weg zurück nach Palm Island zu neuen Höchstleistungen. Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ Exodus seinen Blick über das Deck des Gleiters schweifen. Giselle unterhielt sich mit ihren beiden Gästen und Helfern: Haiur und Jhelor. Die Mon Calamari hatten sie schlussendlich begleitet, aber wirklich glücklich war Exodus mit der Situation nicht. Der Aufenthalt auf Rings Island war anders verlaufen, als er sich vorgestellt hatte. Haiur, der Lehrer der Mon Calamari, hatte in ihrem Gespräch erklärt, er werde versuchen zwischen der Wingston Corporation und dem Stamm von Palm Island zu vermitteln, doch hatte er auch klar gemacht, dass seine Loyalität im Zweifelsfall nicht Exodus und seinen Mitarbeitern galt. Die Mon Calamari von Fingers Mark waren nicht verfeindet – Haiur hatte sie als Brüder bezeichnet und vermutlich, so dachte Exodus jetzt, war das nicht einmal eine allzu bildliche Darstellung. Es war wahrscheinlich, dass zwischen den Stämmen Kontakt herrschte und es auch viel verwandtschaftliche Beziehungen gab. Immerhin hatte er in Jhelor einen weiteren Mann des Stammes zur Unterstützung mitgebracht. Aber wirklich positiv stimmte Exodus auch diese Tatsache nicht.
Eine weitere Enttäuschung des Besuchs der kleinen Insel waren die Entwicklungen mit Giselle gewesen. Eine gemeinsame Nacht mit ihr im Dschungel hatte er sich erhofft und ihre Planung möglicherweise vier Tage auf Rings Island zu bleiben, hatten diese Fantasie nur angefacht. Tatsächlich waren sie nur zwei Tage geblieben. Vielleicht waren seine Überlegungen aber gar nicht so falsch gewesen. Sie hätten keine vier Tage auf Rings Island benötigt und vermutlich hatte Giselle das von Anfang an gewusst. Vielleicht hatte sie tatsächlich geplant, noch etwas intimere Zeit mit ihm zu verbringen. Nach ihrer kleinen Auseinandersetzung schien sie die Lust an solchen Möglichkeiten allerdings verloren zu haben. Zu ärgerlich aber auch.


„Mister Wingston – Sir!“

Exodus’ Kopf ruckte zu dem Piloten des Gleiters und der Quelle des Rufens herüber: Fleetfire. Unwillkürlich verengten sich seine Augen zu Schlitzen. Jedes Wort, das dieser Typ ihm gegenüber in den Mund nahm, kam ihm vor wie eine Verhöhnung. Die leicht übertriebene Erregung in seiner Stimme hätte Exodus bei anderen als natürliche Nervosität seiner Autorität gegenüber interpretiert – nicht so bei Fleetfire. Der Vizepräsident stieß sich von dem Geländer, an das er gelehnt hatte, ab und schloss mit bedächtigen Schritten zu Fleetfire auf. Der Pilot, schwer vertieft in seine Anzeigen, schenkte ihm kaum einen Blick. Das weite T-Shirt flatterte ihm um die lächerlich dürren Arme.

„Ich hatte ganz vergessen ...“

erklärte er nebulös und sprach dabei viel lauter als nötig gewesen wäre. Offenbar schien er darauf zu achten, dass auch Giselle mitbekam, was er zu sagen hatte. Fleetfires Augen blitzten kurz zu ihr hinüber.

„Haben Sie schon von den Neuigkeiten gehört?“

Aha, eine kleine Vorführung also. Exodus hatte von keinen Neuigkeiten gehört. Während der zwei Tage ihrer Abwesenheit hatte sein Comlink nicht ein einziges Mal gepiept. Man war glänzend ohne sie ausgekommen – und eigentlich war ihm das sogar ganz Recht gewesen. Jetzt hingegen bedauerte er, dass Dan’el nicht zu den gesprächigsten seiner Spezies gehörte und ihm nichts von irgenwelchen Neuigkeiten geschrieben hatte.

„Nein.“

gab Exodus knapp zu und versuchte optimistische Neugier in seine Stimme zu legen und den Ärger daraus zu verbannen. Auch er warf einen kurzen Blick über seine Schulter hin zu Giselle. Die Vahla sah aufmerksam in ihre Richtung.

„Achso. Ich dachte ...“

Stoisch betrachtete Exodus das Profil des Piloten. Was ging in dessen Kopf eigentlich vor? War das hier immer noch ein Wettstreit um Giselle? Bei ihrer Abfahrt hatte sich Fleetfire ganz ruhig verhalten und Exodus hatte sich schon längst als Sieger in diesem Duell gefühlt. Aber jetzt schien Fleetfire zu spüren, dass etwas schief gelaufen war und instinktiv sah er seine Chance gekommen. Oder nicht? Vielleicht, ermahnte Exodus sich selbst, sponn er sich das auch alles nur zusammen. Der Wunsch endlich Giselles Nähe zu bekommen, wurde manchmal fast übermächtig und beherrschte jeden seiner Gedanken. Fleetfire deutete das Schweigen immerhin richtig und rückte endlich mit der Sprache heraus.

„Unsere Jungs haben eine neue Lumium-Höhle gefunden. Genauso groß wie Big Pearl. Genauer gesagt war es Jak, der sie fand. Kennen Sie Jak?“

„Natürlich kenne ich Jak.“

sagte Exodus etwas zu schnell und ärgerte sich im gleichen Moment darüber. Noch so eine Spitze. Fleetfire wusste offenbar um seine Probleme sich alle Namen der Nautolaner zu merken und Exodus vermutete, dass es ihm selbst nicht viel anders gehen konnte. Gerade deshalb hätte er sich nicht darauf einlassen sollen. Jak also. Jak, der sich so gut mit Giselle verstand, der ihr einen Kosenamen gegeben hatte: Gis. Wieso hatte er noch keinen Kosenamen für die Vahla? Exodus legte die Stirn in Falten. Was hatte Fleetfire jetzt eigentlich gesagt? Sie hatten eine weitere Höhle gefunden? So groß wie Big Pearl?

„Das ist ja ... großartig.“

brachte er schließlich hervor und ein zufriedenes Lächeln breitete sich langsam auf seinen Lippen aus, während er alle Gedanken an Jak, Fleetfire und Giselle versuchte in seinen Hinterkopf zu verbannen. Es war tatsächlich eine gute Nachricht. Wenn sie weitere Lumium-Felder erschlossen, würde die Operation ertragreicher und das war genau das, was der Wingston Corporation gegenüber Mitbewerbern einen Vorteil einbringen würde. Der Wassergleiter verlor langsam an Tempo und Exodus sah die Bucht von Palm Island vor ihnen auftauchen.

„Hast du das gehört, Giselle?“

Er drehte sich vollends zu seiner Assistentin um und blickte dabei auch in die riesigen Augen von Haiur und Jhelor. Die beiden Mon Calamari würden vielleicht weniger begeistert über diese Entwicklung sein, doch verspürte er wenig Lust, sie jetzt gleich über ihre Meinung dazu zu befragen. Exodus ließ Fleetfire stehen und versuchte sich nicht darüber zu ärgern, dass der Pilot ihm diese Information bewusst bis kurz vor ihrer Ankunft vorenthalten hatte. Beruflicher Erfolg – das war ein Grund zum Feiern. Für die letzten Meter ihrer Reise ließ er sich neben Giselle nieder. Die letzten Tage hätten auch das Potential zu privatem Erfolg gehabt. Er hatte es nur nicht genutzt.

[ Fresia – Fingers Mark – Wassergleiter | mit Giselle, Fleetfire, Haiur und Jhelor ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Wassergleiter – Mit Exodus, Jost Fleetfire - Haiur und Jhelor –

Der Wind blies Giselle durch die offenen Haare, eine angenehme Kühlung nach der Hitze des letzten Tages. Am Vortag war es ungewöhnlich heiß gewesen, fast so als wolle sich die Sonne noch einmal aufbäumen, bevor sie vom Himmel vertrieben werden würde. Haiur hatte Giselle seine Berechnung dar gelegt: bereits heute Abend würde die Sonne untergehen und Fresia würde sich für mehrere Tage in Dunkelheit wieder finden. Giselle hatte nicht gedacht, dass es heute schon so weit sein würde. Sie hatte damit gerechnet, noch zwei oder drei Tage Zeit zu haben, doch offensichtlich hatte sie sich verschätzt. Es war leicht, auf Fresia jedes Zeitgefühl zu verlieren. Der Gleiter brachte sie zurück zur Hauptinsel von Fingers Mark und Giselles Blick war auf das immer näher kommende Ufer und den größer werdenden Strand von Palm Island gerichtet, während die Stimmen von Exodus und Jost Fleetfire, die so gar nicht miteinander harmonierten, zu ihr herüber getragen wurden. Jost Fleetfire berichtete von einer Entdeckung der Nautolaner, oder besser gesagt von Jaks Entdeckung: er hatte eine neue Lumiumhöhle gefunden. Giselles Mundwinkel hoben sich, obwohl ihr Blick die nahende Küste nicht los ließ. Eine neue Lumiumhöhle bedeutete für die Wingston Corporation einen erhöhten Absatz, nachdem man den Abbau bei Big Pearl aufgrund der Auflagen der Regierung hatten reduzieren müssen. Eine neue Rohstoffquelle des begehrten Materials würde die Rückschläge wieder wett machen, die sie bisher hier auf Fresia hatten hinnehmen müssen. Und Jak hatte die Höhle gefunden. Für ihren Freund freute Giselle sich besonders. Jak strengte sich jeden Tag an, sein Bestes zu geben und war damit der engagierteste aller Nautolaner im Team. Giselle wusste, wieso. Er hatte eine Frau und ein kleines Kind auf Coruscant. Die Verhältnisse, in denen sie lebten, waren nicht rosig und er war froh und dankbar über den Job auf Fresia, auch wenn dies bedeutete, dass er für längere Zeit von seiner Familie getrennt war. Die Credits, die er hier verdiente, ermöglichten seinem Jungen jedoch eine schulische Ausbildung und sorgten dafür, dass er nicht Hunger leiden musste. Jak hoffte, es bei der Wingston Corporation zu etwas zu bringen, wenn er sich nur anstrengte.

“Das sind gute Neuigkeiten.“

Bestätigte Giselle, als Exodus zu ihr herüber sah um zu sehen, ob sie mitbekommen hatte, worüber er mit dem Piloten gesprochen hatte. Die Vahla hatte einen Arm über die Reling des Wassergleiters gelegt. Neben ihr saßen die beiden Mon Calamari, die sie nach Palm Island begleiteten, doch sie vermied es, sie anzusehen. Wie gut die Nachrichten in Haiurs Augen tatsächlich waren, war schwer abzuschätzen. Je mehr Lumiumvorkommen die Leute der Wingston Corporation entdeckten, umso länger würden sie in der Gegend bleiben. Auf der anderen Seite war es aber auch positiv zu wissen, dass es in den Tiefen des Ozeans genügend Vorräte des begehrten Rohstoffes gab und somit nicht gleich Fresias naturelles Gleichgewicht auf dem Spiel stand, nur weil die Wingston Corporation ein paar Adern anzapfte.

“Jak ist einer unserer besten Männer.“

Wandte sich Giselle nun doch an die beiden diplomatischen Vermittler neben ihr.

“Er hätte bestimmt nichts dagegen, euch mit hinunter zu Big Pearl zu nehmen und euch zu zeigen, wie die Abbauarbeiten von statten gehen, wenn ihr euch das ansehen möchtet.“

Dies hielt sie für einen wichtigen Schritt. Das Vertrauen der Mon Calamari zu gewinnen und ihnen zu demonstrieren, dass sie nichts Unrechtes taten, hatte oberste Priorität in ihren Bemühungen, die Anfeindungen beizulegen. Exodus hatte sich neben sie gesetzt und Haiur nickte ihr zu.

“Das würde ich mir sehr gerne ansehen.“

Sagte er. Die Gestalt der Küste, auf die sie zuhielten, nahm immer stärkere Konturen an und inzwischen konnte Giselle sogar einige Gestalten am Strand erkennen. Ob Exodus noch daran dachte, dass der Vorschlag, sich den Sonnenuntergang gemeinsam anzusehen, von ihm gekommen war? Ob er überhaupt noch daran dachte? Mit Haiur und Jhelor, die mit gekommen waren um ihnen zu helfen, würde er sicher sehr beschäftigt sein. Vielleicht wollte er sich sogar noch heute die neue Lumiumhöhle gemeinsam mit ihnen ansehen. Jost Fleetfire steuerte den Wassergleiter in die Bucht hinein und legte am Steg an, den die Felsen für sie geformt hatten. Giselle war die Erste, die ausstieg.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Mit Exodus, Jost Fleetfire - Haiur und Jhelor –
 
[ Fresia – Fingers Mark – Wassergleiter | mit Giselle, Fleetfire, Haiur und Jhelor ]

Kurz nach Giselle verließ auch Exodus den Wassergleiter, der sie zurück nach Palm Island gebracht hatte, und betrat den steinigen Boden der Bucht, ihrer natürlichen Anlegestelle. Ihre Reise war ganz offiziell beendet – die Reise, die er mit Giselle unternommen und von der er sich so viel versprochen hatte. In vielerlei Hinsicht. Sein Blick ruhte kurz auf seiner Assistentin, ehe er sich umdrehte und zu den Mon Calamari sah. Haiur und Jhelor sahen die meiste Zeit ausdruckslos aus, zumindest in Exodus‘ Augen, und er vermochte nicht zu sagen, was sie tatsächlich dachten. Giselle hatte ihnen angeboten, sich die neu entdeckte Lumium-Höhle mit eigenen Augen anzusehen. Ein kluger Schachzug, um ihr Vertrauen zu gewinnen und zu demonstrieren, dass ihre Arbeit hier auf Fresia rechtmäßig war. Ein Risiko war es aber auch. Wenn den Mon Calamari nicht gefiel, was sie zu sehen bekamen, konnten sie jegliche Bemühungen Frieden mit dem Stamm von Palm Island zu schließen, begraben. Im Zweifelsfall würden Haiur und Jhelor zu ihren Brüdern der Hauptinsel von Fingers Mark stehen, das hatten sie deutlich gemacht. Es würde einige Anstrengung nötig sein, um sie zu überzeugen. Keine Arbeit, auf die er sich unbedingt freute. Er lächelte die beiden Mon Calamari an, ohne zu wissen, ob es irgendeine Wirkung haben würde.

„Das klingt spannend.“

klinkte er sich in ihr Gespräch mit Giselle ein.

„Jak wird das sicher gerne übernehmen. Ich fürchte nur, ich selbst muss passen.“

Im Grunde hatte er vor allem keine Lust noch einmal bis hinunter nach Big Pearl zu schwimmen. Es war beeindruckend gewesen, aber auch zeitaufwendig und auf eine weitere Reise mit Jost Fleetfire konnte er ohnehin verzichten.

„Es gibt sicher viel im Camp zu tun, was in unserer Abwesenheit liegen geblieben ist. Diesen Dingen werde ich mich dann widmen. Aber bei Jak und unserer ganzen Nautolaner Crew seid ihr in besten Händen.“

Unbeabsichtigt fiel sein Blick wieder auf Giselle. Bei ihr wäre er sich nicht so sicher, ob Jaks Hände die besten für sie wären. Da hatte er ganz andere im Sinn.

„Wollen wir?“

fragte er noch, nachdem Haiur gutmütig genickt hatte und zeigte zum All-Terrain-Gefährt, das am Fuße der Bucht auf sie wartete. Dan’el war bereits ausgestiegen und wartete geduldig. Auch Fleetfire hatte mittlerweile den Gleiter verlassen und gesichert. Exodus marschierte voraus, den natürlichen Steg hinunter und gab dem anderen Piloten, der kurzzeitig die Leitung des Camps übernommen hatte, zum Gruß die Hand. Dan’el schien erfreut ihn zu sehen, vielleicht auch ein bisschen erleichtert.

„Mister Wingston, Sir. Wie war die Reise?“

Bei Dan’el klang das „Sir“ nie so lächerlich wie bei Fleetfire. Es hatte einen angenehmen Klang. Den Klang von Respekt.

„Erfolgreich.“

antwortete Exodus knapp, obwohl das nicht stimmte. Weder die Situation mit Haiur stellte ihn wirklich zufrieden, noch sein Stand mit Giselle.

„Es gibt gute Neuigkeiten!“

verkündete Dan’el mit einem Hauch von Freude in seiner sonst so nüchternen Stimme, während er die Türen des Gefährts für die anderen Anwesenden öffnete und ihnen jetzt der Reihe nach ebenfalls die Hand schüttelte. Exodus wartete ab, bis die beiden Mon Calamari eingestiegen waren, danach Fleetfire und schließlich Giselle, bis nur noch er und der Pilot vor dem Wagen standen.

„Ich habe es schon von Fleetfire gehört – die Crew hat eine neue Höhle entdeckt. Gute Arbeit.“

Ein winziger Schatten huschte über Dan’els Gesicht, doch Exodus zeigte ihm ein zufriedenes Lächeln. Wenn Dan’el die Erfolgsnachricht selbst hätte überbringen wollen, hätte er eine Com-Nachricht schicken müssen. Andererseits war Exodus froh, dass er es nicht getan hatte – auch wenn sich zwischen ihm und Giselle nie die intime Atmosphäre entwickelt hatte, in der er gerne ungestört geblieben wäre. Mit beiden Händen umschloss er die an der Außenhülle des Wagens angebrachten Griffe und zog sich die kleine Leiter hoch, um ins Innere des Gefährts zu gelangen. Dan’el nahm auf der Fahrerbank Platz. Sein Kollege Jost Fleetfire hingegen war offenbar der Meinung gewesen, es sich hinten bei den anderen Passagieren gemütlich machen zu müssen. Während Haiur und Jhelor sich am hinteren Ende der einen Sitzbank niedergelassen hatten, machte sich Fleetfire auf der gegenüberliegenden Bank breit. Die Arme hatte er auf die Lehnen gelegt und seine Storchenbeine weit ausgestreckt. Vermutlich hatte er gehofft, Giselle würde sich so neben ihn setzen, doch die Vahla hatte den Platz neben den beiden Mon Calamari gewählt. Exodus zögerte nicht lange. Die Augenbrauen hochziehend, stieg er über Fleetfires Beine hinweg – der keine Anstalten machte, sie zu sich heranzuziehen – und setzte sich ebenfalls neben Giselle. Eine unsinnige Verteilung auf die zwei Bänke, aber das war ihm egal.

„Giselle, ich hatte da so eine Idee.

Das Gefährt hatte sich in Bewegung gesetzt und ein Zittern und Zucken begleitete sie fortan, während Dan’el sie zurück zum Camp brachte. Exodus‘ Augen hefteten sich an Giselle. Er ahnte, das auch Fleetfire sie beobachtete, doch er ignorierte ihn.

„Was hälst du davon, wenn wir die Crew für ihren Erfolg mit einer kleinen Feier belohnen? Wir können in den nächsten Tagen zusätzliche Nahrungsrationen vom Festland holen und heute Abend etwas großzügiger damit sein. Heute soll mal jeder auf seine Kosten kommen.“

Exodus hatte am Rande mitbekommen, wie Haiur und Giselle auf dem Gleiter über die bevorstehenden Dunkelzeit gesprochen hatten. Viel Sonne würde ihnen nicht mehr bleiben. Eine Feier zur Belohnung von Erfolgen kam bei Mitarbeitern immer positiv an und war eine gute Möglichkeit Kredit bei ihnen zurückzugewinnen. Die Gerüchte um ihn und seine Assistentin hatten seinem Ansehen sicher nicht genützt.

„Wir sollten die letzten Sonnenstrahlen nutzen.“

Erst jetzt fiel ihm wieder das Gespräch kurz nach ihrer Ankunft auf Rings Island ein: Giselle hatte von dem Sonnenuntergang geschwärmt, der auf Fingers Mark ein so seltenes Schauspiel war. Sie hatte gesagt, sie würde die Sonne gerne im Meer versinken sehen, von einer Klippe aus betrachtet. Er selbst hatte den Vorschlag gemacht, diesen Anblick gemeinsam zu teilen. Nun standen die Dinge nach ihrer kleinen Auseinandersetzung vielleicht anders, als am Anfang ihrer Reise geplant. Und trotzdem wollte er sein Glück versuchen. Eine Feier würde ihnen erlauben, unbemerkt zu verschwinden. Für eine Stunde vielleicht. Oder auch für länger.

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – All-Terrain-Gefährt | mit Giselle, Da’nel, Fleetfire, Haiur und Jhelor ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Mit Exodus, Jost Fleetfire, Haiur, Jhelor, Da'nel -

Es war eng auf der Bank des All-Terrain Gefährts, mit dem sie von der Anlegestelle aus zurück zum Camp fuhren. Sie saßen zu viert auf einer Ban, während Jost Fleetfire ihnen alleine gegenüber saß. Warum Exodus sich entschieden hatte, sich trotzdem noch neben Giselle zu quetschen, anstatt sich neben den Piloten zu setzen, wollte er Vahla nicht wirklich einleuchten. Es war ein wenig albern, egal ob er es getan hatte, um ihr näher zu sein – was unsinnig war, schließlich hatten sie gerade erst viel Zeit auf Rings Island miteinander verbrecht – oder um Fleetfire zu meiden und sie hätte sich beinahe selbst umgesetzt. Sie tat es jedoch nicht, weil sie nicht wollte, dass irgendjemand, sei es Exodus oder Haiur, der zu ihrer anderen Seite saß, ihren Wechsel falsch auffasste und wartete stattdessen geduldig, bis sie das Camp erreicht hatten und dort aussteigen konnten. Kurz bevor sie dort waren, rückte Exodus mit einem Vorschlag heraus, der Giselles Augen erstaunt den Kopf in seine Richtung drehen und ihre Augen begeistert aufleuchten ließ.

“Eine Feier?“

Wiederholte sie seine Worte, fast so als wolle sie sich versichern, sich nicht verhört zu haben.

“Exodus, das ist eine wundervolle Idee! Es ist genau, was alle brauchen.“

Die Stimmung war angespannt gewesen, schon bevor sie nach Rings Island aufgebrochen waren. Während sie fort gewesen waren, schien es zwar keine weiteren Zwischenfälle gegeben zu haben, doch Giselle glaubte auch nicht, dass sich die Lage großartig verbessert hatte.

“Wenn heute Abend die Sonne untergeht können wir in die Nacht hinein feiern.“

Freute sie sich.

“Wir machen ein großes Feuer am Strand, mit Musik und Tanz und einem wundervollen Buffet! Ich glaube, da werden sich alle freuen.“

Giselle lächelte. Der Vorschlag war ungewöhnlich für Exodus gewesen und sie hatte nicht damit gerechnet, aber gerade deswegen freute er sie umso mehr. Sie wandte sich nach rechts, zu den beiden Mon Calamari, die neben ihr saßen.

“Meinst du, wir könnten gemeinsam musizieren, Haiur? Die Musik von Mon Calamari und Nautolanern miteinander vermischen?“

Fragte sie. Haiur nickte abwägend den Kopf.

“In der Kunst ist alles möglich, Giselle, und wir können alle voneinander lernen. Ich freue mich darauf.“

Sagte er, bevor er seinem Gefährten, dem schweigsam Jehlor, in seiner Sprache übersetzte, was Giselle und Exodus gesagt hatten. Auch Fleetfire, der beide Arme lässig über die Lehne der Sitzbank gelegt hatte, wirkte zufrieden. Sein schmales Gesicht, das von ettlichen beim Rasieren vergessenen Barstoppeln geziert wurde, grinste in Giselles Richtung.

“Wenn es Musik gibt, müssen wir aber auch zusammen tanzen, Giselle.“

Sagte er, nahm seine Arme von den Lehnen und vollführte einige seltsame Bewegungen mit den Händen.

“Ich kann dir ein paar coole Moves beibringen.“

Giselle musste sich Mühe geben, nicht in Lachen auszubrechen. Jost Fleetfire war so groß und dabei so dünn, dass er praktisch nur aus Armen und Beinen bestand. Wenn er dazu auch noch die Arme in unkontrollierten Bewegungen hin und her schlenkern ließ, sah er einfach zu komisch aus.

“Wir werden sehen.“

Antwortete sie, ohne sich festzulegen.

“Zuerst einmal müssen wir das alles vorbereiten.“

Sie drehte sich um und sah, dass sie das Camp erreicht hatten. Just in dem Moment brachte Da'nel das All-Terrain Gefährt zum Stehen. Eine Gruppe von Nautolanern erwartete bereits ihre Ankunft, als sie alle nacheinander ausstiegen. Sie alle wussten, warum Exodus und Giselle fort gewesen waren und ganz sicherlich war die Anwesenheit der beiden Mon Calamari keine Überraschung. Trotzdem wurden sie beide mit neugierigen und leicht distanzierten Blicken betrachtet. Dies war kein Vergleich zu dem freundlichen Empfang, den man Exodus und Giselle auf Rings Island beschert hatte, andererseits war diese Reaktion verständlich. Man war vorsichtig geworden. Giselle zog ihren Rucksack aus dem All-Terrain Gefährt, nachdem alle ausgestiegen waren und sah sich nach Jak um. Sie wollte ihm als allererstes für seinen Fund gratulieren. Eine neue Lumiumhöhle aufgetan zu haben war keine Kleinigkeit. Sie sah ihn, als er sich gerade an drei anderen Nautolanern vorbei schob, die neugierig herum standen um die Heimkehrer zu begrüßen und um zu hören, ob Exodus Wingston vielleicht etwas zu sagen hatte. Giselle winkte Jak zu und er kam in ihre Richtung. Breit lächelnd streckte sie die Arme nach ihm aus, ließ sich von ihm umarmen und für ein paar Sekunden in die Luft heben.

“Herzlichen Glückwunsch! Ich habe es schon gehört!“

Gratulierte sie ihm. Jak grinste höchst zufrieden.

“Danke! Ich hoffe, es hilft uns. Wie geht es dir? Alles gut gelaufen?“

Der Nautolaner stellte Giselle wieder auf dem Boden ab und hob ihren Rucksack für sie auf, den sie in den Sand hatte fallen lassen. Giselle nickte.

“Ich denke schon. Wir haben zwei Freunde mit gebracht.“

Sagte sie und nickte in Haiurs Richtung.

“Und heute Abend gibt es ein Fest. Zu Ehren deiner Lumiumhöhle.“

Grinsend boxte sie ihn in den Oberarm. Jak trug, wie die meisten anderen Nautolaner auch, lediglich eine Hose, und lief am Strand barfuß. Unter den Nautolanern war nicht einer, der nicht gut gebaut war. Sie trieben alle viel Sport und Krafttraining, zumindest wenn sie nicht gerade Wasserball spielten, was nach wie vor ihre Lieblingsbeschäftigung war. Jak konnte seine Überraschuung nicht verbergen.

"Ein Fest? Wie groß?"

Wollte er wissen. Kurz glitt Giselles Blick zurück zu Exodus.

"Ganz groß."

Versicherte sie ihrem Freund.

"Mit Musik, einem großen Lagerfeuer und mit dem besten Essen, das unsere Vorräte zu bieten haben. Es war Mr. Wingstons Idee."

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Mit Exodus, Jost Fleetfire, Haiur, Jhelor, Da'nel, Jak und andere -
 
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – All-Terrain-Gefährt | mit Giselle, Da’nel, Fleetfire, Haiur und Jhelor ]

Das Gespräch, das auf seinen Vorschlag hin im Inneren des Gefährts entstand, verfolgte Exodus weitgehend wortlos. Ihm gefielen Giselles spontane Ideen und ihm gefiel, dass der Vorschlag sie so begeisterte. Ein großes Feuer am Strand, Musik und Tanz, ein Buffet. Soweit hatte er noch gar nicht gedacht, doch als die Vahla vor seinem inneren Auge den Strand entlang tanzte und er sich an ihre erstes Treffen im Red Square erinnerte, konnte er nicht anders als zufrieden zu nicken.

„Sehr gute Ideen. Das wird sicher gut.“

Sie würde am Strand für ihn tanzen und dann entführte er sie an einen geheimen Ort, irgendwohin, wo sie nur zu zweit wären. Diesmal würde er die Sache ernster angehen müssen, andernfalls lief er Gefahr eine erneute Schlappe zu kassieren. Auch die Idee Nautolaner und Mon Calamari gemeinsam musizieren zu lassen, gefiel ihm gut. Mehr Ablenkung. Das passte hervorragend in seinen Plan.
Fleetfire schien allerdings ähnliche Gedanken zu verfolgen. Er forderte Giselle sofort zum Tanz auf und wollte ihr seine Moves beibringen. Exodus verdrehte die Augen und musste ein hämisches Lachen unterdrücken. Der Typ hatte es echt nötig. Giselle erteilte ihm eine Abfuhr und Exodus konnte nicht verhindern, dass sich schließlich doch noch ein spöttisches Grinsen in seine Mundwinkel stahl. So einfach war das nicht, Fleetfire. Was für ein Amateur.

Das Empfangskomitee bestand größtenteils aus Nautolanern, was kein Wunder war, da schon zwei ihrer wenigen menschlichen Mitarbeiter mit ihnen im All-Terrain-Gefährt saßen. Der Reihe nach verließen sie den Wagen und Exodus blickte in viele erwartungsvolle, aber auch skeptische, Gesichter. Er baute sich am Fuß der Ein- und Ausstiegsleiter auf und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen.


„Ich hoffe Sie haben den Aufenthalt ohne den Chef alle genossen.“

Sein Grinsen war breit und er fixierte die dunklen Augenpaare der Nautolaner der Reihe nach. Ein kleiner Scherz, um die Stimmung zu lockern. So richtig kam er allerdings nicht an. Nun gut, er hatte mit der geplanten Feier noch ein Ass im Ärmel.

„Ich habe schon gehört, dass es trotzdem erfolgreiche Tage waren. Der Fund der neuen Lumium-Höhle ist großartig und wird unser Projekt hier langfristig sichern.“

Und damit auch die Arbeitsplätze. Ein Grunde zu Freude, doch nach wie vor tauten die Nautolaner nicht richtig auf. Immer wieder schienen ihre Blicke zu Haiur und Jhelor zu wandern, die sich ebenfalls wartend vor dem Gefährt aufgebaut hatten. Die Crew wollte wissen, was los war – verständlich nach all den Vorkommnissen.

„Unsere beiden Gästen sind …“

Plötzlich bemerkte Exodus aus den Augenwinkeln eine Bewegung, die ihn inne halten ließ. Giselle stand etwas abseits der Gruppe, bei einem der Nautolaner. Genauer gesagt: Sie lag in seinen Armen. Er hob sie hoch und drückte sie an sich. War das Jak? Na der ließ sich ja feiern. In Exodus‘ Hals bildete sich ein Kloß und er blinzelte irritiert zu den beiden Turteltäubchen hinüber.

„Unsere beiden Gäste …“

setzte er erneut an und versuchte Haltung zu bewahren.

„… sind Haiur und Jhelor. Sie werden versuchen eine Einigung mit den Mon Calamari zu erzielen und wollen zwischen beiden Parteien vermitteln.“

Ohne, dass er es hätte kontrollieren können, huschte sein Blick erneut zu Giselle hinüber. Jak hatte sie wieder heruntergelassen, doch sie unterhielten sich immer noch angeregt. Was hatte dieser Typ, das er nicht hatte? Stand Giselle etwa auf die Tentakeltypen?

„Haiur spricht sehr gut Basic. Er hat lange auf dem Festland gewohnt.“

ergänzte er nach einer viel zu langen Pause.

„Ich denke, Gespräche mit ihm können für jeden von uns eine Hilfe sein, die Probleme hier auf der Insel zu lösen.“

Giselle hingegen schien die Gespräche mit Jak viel hilfreicher zu finden. Sein Blick wanderte ihre Schulterblätter entlang, als sie sich plötzlich umdrehte und ihn ansah. Seine Augen zuckten weg von ihr. Er konnte selbst nicht genau sagen, wieso. Vielleicht, um sich überhaupt konzentrieren zu können. Er hielt immer noch eine Rede, verdammt!

„Um noch einmal auf den großen Erfolg zurück zu kommen. Wir werden diesen Meilenstein heute Abend gebührend feiern. Dieser Tag wird der letzte der Sonnenperiode sein und ich finde, das sollten wir ausnutzen – mit Lagerfeuer am Strand und großem Buffet. Heute Abend soll niemand zu kurz kommen – Vorräte können wir immer noch auffüllen. Einen Abend wie diesen gibt es nur einmal.“

Er lächelte, doch er spürte, dass es gezwungen wirken musste. Trotzdem schien seine Ansprache ihre Wirkung schlussendlich nicht zu verfehlen. Eine Feier – darauf sprangen auch die skeptischen Nautolaner an. Sie waren eine feierwütige Truppe, das hatte Bas Goarland ihm schon bei der Übergabe der Projektleitung anvertraut. Eine solche Meldung würde sie zumindest für einen Abend auf andere Gedanken bringen. Das würde der ganzen Crew gut tun.
Exodus selbst hatte allerdings nur noch einen einzigen Gedanken. Mit großen Schritten verließ er seinen Redeplatz vor dem Gefährt, umkreiste die Gruppe Nautolaner und ging zielstrebig auf Jak und Giselle zu.


„Giselle?“

rief er ihr zu, was sie augenblicklich dazu veranlasste, sich zu ihm umzudrehen. Auch Jak sah ihn an. Achja, Jak. Der Held.

„Ah, Jak. Gute Arbeit, das mit der Höhle. Wirklich eine große Sache.“

Sein Ton klang weniger freundlich und euphorisch, als es angemessen gewesen wäre. Hoffentlich bemerkte Jak das nicht. Oder Giselle. Er klopfte dem Nautolaner väterlich auf die Schulter, um wenigstens etwas Freundlichkeit zu heucheln. Klar war er ihm dankbar für diesen Fund. Aber andererseits bezahlte er ihn auch dafür. Und musste er deswegen gleich hier mit Giselle rummachen?

„Giselle, kann ich dich mal sprechen?“

Es war eigentlich keine Frage, sondern eine Aufforderung mit ihm zu kommen – und weg von Jak. Wirklich, was fand sie nur an diesem Typen?

„Ich würde mir gerne mit dir unsere Vorräte ansehen, damit wir einen Plan aufstellen können, was wir bei der nächsten Tour vom Festland brauchen – und natürlich um den Abend planen zu können.“

Exodus Wingston war nicht eifersüchtig. Andere Männer waren keine Konkurrenz für ihn, deshalb brauchte er es nicht zu sein. Er konnte sich zurücklehnen, seinen Charme spielen lassen und die Frauen für sich begeistern. Eifersucht, das war kein Gefühl, das er verspürte, hatte er immer gedacht. So konnte man sich täuschen.

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp | mit Giselle und Jak ]
 
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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island - Camp– Mit Exodus und Jak -

Die Nautolaner streuten wieder auseinander, als Exodus seine kleine Rede beendet hatte und der Geräuschpegel um sie herum veränderte sich zu einem aufgeregten Tuscheln. Ein Fest, das war etwas, mit dem hier jeder etwas anfangen konnte. Für gewöhnlich brachte die Mannschaft ihrem Projektleiter distanzierten Respekt entgegen, doch heute würden sie ihm mit Sympathie begegnen. Giselle und Jak standen noch beeinander, als Exodus zu ihnen aufschloss und er dem Nautolaner zu seinem Erfolg gratulierte. Hoch erfreut und dankend nahm Jak das Lob an. Die Anerkennung des Chefs bedeutete ihm viel, denn er hoffte es zu etwas zu bringen. Giselles Blick legte sich auf Exodus' Gesicht. Für einen Moment war es ihr so vorgekommen, als kostete es ihn Überwindung, Jak zu gratulieren, doch dieser winzige Augenblick war bereits wieder vorbei. Exodus lächelte freundlich und klopfte Jak auf die Schulter, bevor er Giselle bat, sich mit ihm die Vorräte anzusehen. Pflichtbewusst nickte sie.

“Natürlich, gute Idee.“

Stimmte sie zu und wandte sich an Jak.

“Tust du mir einen Gefallen und nimmst meinen Rucksack schon mal mit?“

Fragte sie den Nautolaner, von dem sie annahm, dass er hinüber zu den Schlafzelten zurück gehen würde.

“Klar, soll ich ihn einfach in euer Zelt werfen?“

“Ja, das wäre lieb. Bis später.“

Sich gemeinsam mit Exodus abwendend steuerte Giselle das Versorgungszelt an. Noch keine zwei Schritte gelaufen, hörte sie wieder Jaks Stimme hinter sich:

“Hey, Gis?“

Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte sich Giselle herum. Was war jetzt wieder?

“Wenn es heute Abend Musik gibt, reservierst du mir dann einen Tanz?“

Ihren Rucksack noch immer in seiner rechten Hand haltend, breitete Jak die Arme aus. Lachend verdrehte Giselle die Augen in Richtung Himmel.

“Vielleicht!“

Rief sie zurück und begann bereits rückwärts weiter zu laufen, um Exodus durch ihren Wortwechsel mit Jak nicht aufzuhalten.

“Vielleicht??“

Gab sich Jak empört. Wage zuckte sie mit den Schultern, bis Jak grinsend abwinkte und davon zog. Giselle grinste ebenfalls und wandte sich wieder ihrem Vorgesetzten zu. Sie war noch immer erstaunt über seinen Vorschlag, ein Fest zu feiern. Das war keine typische Exodus-Idee, aber es gefiel ihr, dass er die Gelegenheit nutzte um seinen Mitarbeitern etwas Gutes zu tun. Giselle betrachtete ihn von der Seite, als sie das Versorgungszelt erreichten. Die Plane am Eingang war herunter gelassen und Exodus klappte sie nach oben, um sie am oberen Rand des Türbogens zu befestigen. Die Luft drinnen war stickig, da die Sonne permanent auf das Zelt schien. Heute Abend würde sich dies ändern.

“Ich glaube, du hast gerade einige Punkte bei der Mannschaft gesammelt.“

Bemerkte Giselle gut gelaunt, als sie das Licht angeschaltet hatten, um in den Kühlbehältern und Vorratskisten alles genau erkennen zu können. So hell es draußen auch war, die dunkeln Zeltwände verschluckten den Großteil des Lichts hier drinnen. Sie öffnete eine der Metallkisten, deren Deckel zum Schutz vor einer Plünderung durch neugierige Wildtiere gut gesichert war.

“Oh, hast du ein Datapad dabei, damit wir notieren können, was wir brauchen? Ich habe meins in meinem Rucksack gelassen.“

Sagte sie, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und band sie mit einem Band, das sie die ganze Zeit über um ihr Handgelenk getragen hatte, zu einem lockeren Knoten zusammen. In wenigen Stunden würde sie endlich wieder eine Nacht erleben, wie sie sie kannten, nur, dass diese erheblich länger dauern würde als gewöhnlich. Dies war eine der vielen Besonderheiten von Fresia.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island - Camp – Versorgungszelt - Mit Exodus -
 
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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp | mit Giselle ]

Das wäre auch fast zu leicht gewesen. Exodus hatte Giselle kinderleicht von Jak getrennt und dazu bewegt, mit ihm gemeinsam die Vorräte zu überprüfen, allein und zu zweit. Vor allem aber ohne Jak. Doch Jak hatte entschieden, es nicht ganz so leicht werden zu lassen. Der Nautolaner schien Giselle gar nicht gehen lassen zu wollen und setzte sogar noch einen drauf, indem er die Vahla zum Tanz bei der Feier aufforderte, obwohl sie eigentlich schon längst weg gewesen waren. Und er nannte sie wieder bei ihrem Kosenamen – Gis. Augenblicklich begann Exodus die Idee eine Feier zu veranstalten, zu bereuen. Erst Fleetfire und jetzt Jak. Mussten die denn alle so um Giselle herum scharwenzeln?! Es war nicht nur so, dass sie mit ihm hinsichtlich einer intimen Nacht mit ihr konkurrierten – Jak konkurrierte mit ihm als Giselles Freund. Er hatte den Eindruck gewonnen, in der Vahla eine Freundin gefunden zu haben, doch ihm gefiel nicht, dass Jak ihr noch näher zu stehen schien. Oder täuschte er sich?
Denn sie sagte ihm nicht zu, beantwortete seine Frage nach einem Tanz nur vage. Genau wie bei Fleetfire, wollte sie sich nicht festlegen. Entweder aus Höflichkeit oder weil sie sich tatsächlich noch unsicher war. Jak reagierte enttäuscht. überspielte das ganze aber mit einem Grinsen, ähnlich wie Exodus es auch getan hätte. Sie bissen sich alle die Zähne an Giselle aus, immer und immer wieder. Nur einer nicht, einer würde am Ende triumphieren. Exodus lächelte in sich hinein. Natürlich würde er das sein.

Das Versorgungszelt war stickig und kaum hatten sie es betreten, hätte Exodus am liebsten wieder kehrt gemacht. Doch das hier war eine gute Gelegenheit, für ... bevor er seine Gedanken in klare Worte formulierte hatte, nahm Giselle das Gespräch wieder auf und sah sich geschäftig im Vorratszelt um.


„Nunja … man sollte seine Mitarbeiter belohnen, wenn sie gute Arbeit geleistet haben.“

erklärte er vage auf ihre Feststellung, er habe Punkte bei der Crew gesammelt.

„Wenn das meine Beliebtheit steigt – umso besser.“

Er lächelte und betrachtete sie aufmerksam, während sie über eine der Metallkisten gebeugt stand und ihre aktuelle Vorratslage zu analysieren begann.

„Ein Datapad? Ja, ich habe eins dabei.“

Während er das kleine Gerät aus seiner Hosentasche zog, machte er einen Schritt auf sie zu, um ebenfalls einen Blick in die große Kiste zu werfen. Doch die geschickte Bewegung, mit der sie sich die Haare zu einem Knoten zusammenband, ließ ihn noch einmal zu ihr aufsehen. Ihr Nacken war freigelegt und Exodus‘ Blick blieb irritiert an ihrer nackten Haut hängen. Sie trug eine Tätowierung! Wie konnte er das bisher nicht bemerkt haben ...? Er beugte sich ein Stück weiter vor, um es unauffällig genauer in Augenschein zu nehmen. Das Motiv bestand aus zwei Elementen: Eines war schwungvoll geführt und zeichnete einen Bogen. Das zweite war ein breiter Strich über der geschwungenen Linie positioniert. Ein Schriftzeichen oder ähnliches. Für ihn jedenfalls nicht zu entschlüsseln.

„Datapad ist startklar.“

sagte er überflüssigerweise und wandte seinen Blick von dem mysteriösen Symbol in ihrem Nacken ab. Was es wohl zu bedeuten hatte? Und wann hatte sie es stechen lassen? Konnte er sie so ohne weiteres fragen? Nein, jetzt nicht, beschloss er instinktiv. Sein Plan war ein anderer und diesen wollte er zuerst in die Tat umsetzen. Denn auch wenn Giselle sein Angebot, sie über den Fluss zu tragen zurückgewiesen hatte und sie auf Rings Island ebenfalls eher auf Distanz zu ihm gegangen war, als sich näher zu kommen: Aufgegeben hatte er noch lange nicht. Er konnte nicht. Und er würde nicht. Dort wo Jak und Fleetfire gescheitert waren, würde er Erfolg haben.

„Weißt du was ich einmal gelesen habe?“

Mit neugierigem Blick sah sie von der Kiste auf, leicht nach vorne gebeugt zwar noch, aber doch mit Aufmerksamkeit bei ihm. Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen, als er zufrieden lächelte.

„Es gibt da so eine Regel … für Feierlichkeiten in Unternehmen.“

Jetzt kam der Spannungsbogen. Das war seine Lieblingsdisziplin. Sein Gegenüber neugierig machen, die Sache langsam aufbauen, auf die Pointe hinarbeiten, damit sie größtmögliche Wirkung entfaltete. Er strich sich die kurzen Haare aus der Stirn.

„Ein Chef muss seine Assistentin zum Tanz auffordern, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.“

Unschuldig lächelte er sie an und zuckte mit den Schultern. Sein Blick tanzte über ihr Gesicht, versuchte jede Regung von ihr wahrzunehmen und einzuschätzen.

„Uraltes Wissen, von Führungspersonen an Führungspersonen weitergegeben.“

Na wenn das mal nicht überzeugend war! Er musste fast über sich selbst lachen, riss sich jedoch zusammen. Ehe er ihr die Gelegenheit zur Antwort geben konnte, musste er die Geschichte möglichst effektreich vollenden. Er trat als Geschichtenerzähler auf – denn natürlich hatte er sich das alles eben erst ausgedacht, wie auch Giselle zweifellos schon erkannt hatte – und versuchte sie damit in seinen Bann zu ziehen. Das konnte hemmungslos scheitern, so wie ihr zuletzt sehr negativ aufgestoßen war, wenn er Witze machte und die Dinge nicht ernst nahm. Aber er konnte auch Erfolg haben. Und für diese kleine Chance lohnte es sich schon, es zu versuchen.

„Und es gibt noch so eine Regel – und guck mich jetzt nicht schräg an, ich habe das schließlich nicht erfunden.“

Abwehrend hob er die Hände und versuchte den gespielten Ernst zu bewahren. Das Grinsen auf seinen Lippen wurde breiter, während er möglichst unschuldig auf sein Datapad schielte, sich wahllos durch die Menüs klickte und geheimnisvoll die Stimme senkte.

„Nun … die Assistentin darf nicht ablehnen.“

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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island - Camp– Versorgungszelt – Mit Exodus -

Was war es mit Männern, dass sie diesen Zwang verspürten, Frauen ein Versprechen um einen Tanz abzuringen? Es konnte keine menschliche Angewohnheit sein, denn Jak hatte es ebenso versucht wie zuvor Fleetfire und jetzt Exodus, wobei letzterer eindeutig der Kreativste von den Dreien gewesen war. Giselle konnte nicht anders, als über seine unsinnige Geschichte zu lächeln. Es war also eine Regel, dass er sie, als ihr Chef, zum Tanzen auffordern musste und es war ebenso Regel, dass sie auf keinen Fall ablehnen durfte? Giselle lehnte sich gegen eine Wand aus aufeinander gestapelten Metallkisten.

“Davon habe ich ja noch nie gehört.“

Antwortete sie, darum bemüht den amüsierten Ausdruck in ihrem Gesicht zumindest halbwegs unter Kontrolle zu bekommen.

“Wie gut, dass du da viel besser informiert bist.“

Aber jetzt erwartete er eine Antwort, nicht wahr? Giselle hatte weder Jost Fleetfire, noch Jak eine konkrete Zusage gegeben. Die Sache war, sie wusste nicht wie der Abend verlaufen würde. Ursprünglich hatte Exodus ihr vorgeschlagen, sich den Sonnenuntergang gemeinsam anzusehen und sie hatte sich bereits darauf gefreut. Sie hatte gedacht, sie könnten sich irgendwo auf den hohen Klippen niederlassen und von dort aus zusehen, wie die Sonne im Meer verschwand. Jetzt war ihnen jedoch die Feier dazwischen gekommen und sie wusste nicht, ob der ursprüngliche Plan noch stand oder nicht und wie er sich überhaupt mit dem Fest vereinbaren ließ. Und was sie ebenfalls nicht wusste war, ob Exodus überhaupt noch an ihre Verabredung dachte, so oder so. Das Bild, wie sie beide zusammen über dem Meer sitzen würden und ihre Blicke im Sonnenuntergang gefangen waren, hatte sich bereits in ihrem Kopf manifestiert. Es war schwierig, sich wieder davon zu lösen. Es war überhaupt schwierig, sich von Exodus Wingston zu lösen – oder ihm zu widerstehen.

“Na, wenn das so ist, kann ich schwerlich Nein sagen, oder?“

Fragte sie zurück.

“Laut deiner Regel ist es mir wohl ohnehin nicht gestattet.“

Giselle lächelte. Exodus konnte sehr charmant sein, wenn er wollte. Es war das erste Mal, dass er es war, seit jenem Moment der Zwietracht auf den Felsen von Alquola. Seit sie dort auf Rings Island kurz aneinander geraten waren, hatten sie kein persönliches Gespräch mehr geführt. Den Weg zum Dorf der Mon Calamari hatten sie weitestgehend schweigend zurück gelegt und danach waren sie nicht mehr unter sich gewesen. Aber jetzt war er wieder der selbstsichere, charismatische Geschäftsmann, als den sie ihn kennen gelernt hatte. Er war der, der nichts abrennen ließ, aber auch der, der ernste Gespräche führen konnte, der manchmal nachdenklich war und sich die Fehler eingestand, die er in der Vergangenheit gemacht hatte. Er war der, der Giselle zum Lachen brachte, so wie jetzt.

“Tja, ich schätze Regel ist Regel, vor allem wenn sie seit so langer Zeit von Führungsperson zu Führungsperson weiter gereicht wurde. Dagegen kann ich wohl kaum angehen.“

Stellte sie fest und blinzelte. Sie konnte Jak eine Absage erteilen, oder Fleetfire, aber nicht Exodus. Sie wollte es nicht.

“Einverstanden, sollte es zur allgemeinen Tanzstimmung kommen, reserviere ich dir einen Tanz.“

Giselle lachte.

“Zufrieden?“

Sie drückte sich von dem Stapel Kisten ab, gegen den sie gelehnt hatte und griff nach dem Datapad, das Exodus locker in der Hand gehalten hatte. Geschäftig beugte sie sich wieder über die Kiste, die sie zuvor schon geöffnet hatte und zählte die Rationen an Ceralien, die sie noch übrig hatten. Mittendrin hielt sie inne und sah nachdenklich wieder zu Exodus hoch.

“Allerdings frage ich mich, wenn ich ohnehin nicht ablehnen durfte, wie viel ist meine Zusage dann wohl überhaupt wert?“

Sie konnte das leichte Zucken ihrer Mundwinkel nicht verhindern, beugte sich wieder über die Kiste und fuhr mit der Zählung fort. Sie freute sich auf den Abend, was auch immer er bringen mochte. Vielleicht hatte Exodus ihre Verabredung zum Verabschieden der Sonne vergessen. Wenn dem so war, würde sie alleine zu den Klippen gehen und sich dem Fest später anschließen.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp | mit Giselle ]

Erfolg war der Zustand, in dem sich Exodus Wingston am wohlsten fühlte. Wenn er Erfolg hatte, öffnete die Welt ihm Tür und Tor. Jede Möglichkeit stand ihm offen, er wusste dann: Er konnte alles erreichen, was er nur wollte. Und er würde Giselle kriegen, das spürte er in diesem Moment auch. Sie hatte angebissen, hatte ihn diesmal nicht für sein Verhalten abgestraft, sondern war fröhlich darauf eingangen und hatte zugesagt. Sie gewährte ihm den Tanz, den sie Jak und Fleetfire noch verwehrt hatte. Exodus befand sich zurück auf der Siegerstraße. Er spürte förmlich, wie sich sein Körper mit neuer Lebensenergie füllte. Nur ein kleiner Teil von ihm bedauerte, dass ihm das nicht schon auf Rings Island gelungen war.

„Ja, ich bin zufrieden.“

quittierte er ihre Frage grinsend und stellte fest, dass auch seine Assistentin nicht unzufrieden aussah. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ein kleines Funkeln schien in ihren Augen zu liegen. Eben noch hatte sie in Jaks Armen gelegen und jetzt war sie zufrieden damit, die Zeit mit ihm zu verbringen und seine Tanzeinladung anzunehmen. Ihre kleine Einschränkung – nur wenn tatsächlich Tanzstimmung aufkam, würden sie tanzen – überging er in Gedanken einfach, auch wenn eine leise Stimme sagte, dass sie sich damit eine Hintertür offen halten konnte. Mit ihrem abschließenden Einwand hatte Giselle allerdings nicht Unrecht. Was war ihre Zusage wert, wenn sie ohnehin nicht hatte ablehnen können?
Wobei … moment mal! Diese Regel, dass sie nicht ablehnen durfte, die gab es doch gar nicht! Das hatte er sich eben ausgedacht, ermahnte er sich streng, und entsprechend hatte die Vahla sehr wohl eine Wahl gehabt. Sie hätte nicht auf seine Geschichte eingehen müssen, hätte ihn auflaufen und dumm dastehen lassen können. Nichts dergleichen hatte sie getan.


„Am Ende zählt nur der Erfolg.“

gab Exodus sich großspurig und zwinkerte ihr zu. Trotz des Scherzes - er glaubte durchaus an die Wahrheit seiner Worte. Am Ende zählte vor allem der Erfolg, ob sie tatsächlich mit ihm tanzte oder nicht. Was brachte es ihm schon, wenn sie es wollte, aber nicht tat? Unschlüssig sah er an Giselle vorbei zu den weiteren Metallkisten mit Vorräten. Die Variante, dass sie mit ihm tanzte, obwohl sie nicht wollte, gefiel ihm allerdings auch nicht so Recht. Wenn er sie hätte zwingen wollen, gab es ganz andere Möglichkeiten - und dann hätte er sich mehr genommen, als nur einen Tanz. Aber damit würde er sich wieder zurück in die Vergangenheit katapultieren. Das war der alte Exodus Wingston. Der, den er zurückgelassen hatte.
Mit einem Mal schob er den Gedanken bei Seite. Sie hatte zugesagt und sie hatte sich gefreut. Da gab es nichts hinzuzufügen.


„Was haben wir denn hier?“

murmelte er belanglos und öffnete eine weitere der Metallkisten, während Giselle sich schon daran gemacht hatte, die Nahrungsmittel zu zählen, die ihnen für den Abend zur Verfügung standen. Noch einmal sah er zu ihr hoch und sein Blick wanderte wieder zu dem mysteriösen Symbol in ihrem Nacken. Bei Gelegenheit würde er sie nach der Bedeutung der Tätowierung fragen müssen. Die Schwierigkeit bei Giselle war nur, die richtigen Gelegenheiten zu erkennen.

Die Nahrungsvorräte zu zählen, auf den heutigen Abend, sowie den nächsten Morgen zu verteilen und eine Liste anzufertigen, was alles aufgestockt werden müsste, dauerte länger, als Exodus eingeschätzt hatte. Sie hatten geschäftig nebeneinander gestanden, waren von Kiste zu Kiste gegangen, hatten alles notiert und sich in ihren Einschätzungen des Verbrauchs ausgetauscht. Zeit für Privates war nicht mehr geblieben, aber der Gedanke an die abendliche Feier hatte Exodus‘ Laune dennoch hoch gehalten. In der Zwischenzeit war Dan’el zu ihnen herangetreten und hatte nach weiteren Anweisungen gefragt, die Exodus und Giselle ihm in gemeinschaftlichen Überlegungen erteilten. Der Rest des Lagers musste ebenfalls ans Arbeiten kommen, wenn ihre Feier rechtzeitig starten sollte. Für Haiur und Jhelor hatte Exodus in diesem Moment wenig Zeit – und wollte sie sich auch nicht nehmen, auch wenn es unvernünftig war. Als sie schließlich endlich mit einer fertigen Liste das stickige Zelt verließen, herrschte um sie herum schon geschäftiges Treiben. Die Aussicht auf ein gelungenes Fest trieb offenbar nicht nur ihn an.


[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp | mit Giselle ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp– Zelt von Giselle, Sou und Zera -

Erwartung lag in der Luft. Jeder unter den Männern und Frauen, die für die Wingston Corporation auf Fresia arbeiteten, fieberte der Dunkelphase entgegen. Sie waren das kontinuierliche Tageslicht alle Leid. Sie wollten wieder Nächte, die wirklich Nächte waren. Leider kam das nicht ohne einen Preis. Innerhalb der Dunkelphase waren nicht nur die Nächte dunkel, sondern auch die Tage. Was das anging, war Fresia wirklich ein ganz sonderbarer Planet. Nach den Vorbereitungen für die Feier hatte Giselle sich zurück gezogen um sich zu waschen und für den Abend zurecht zu machen. Aus den Vorräten, die sie zusammen mit Exodus heraus gesucht hatte, würde der Koch des Camps ein fantastisches Buffet zaubern. Am offenen Feuer würde man Fleisch zubereiten, es gab mehrere Salate und dazu Fruchtbowlen. Jeder würde auf seine Kosten kommen. Giselles Haare waren noch feucht, als sie sie mit einer Bürste kämmte. Die Zelte verfügten nicht über Strom und sie besaß weder einen Haartrockner noch einen Lockenstab, daher kämmte sie lediglich die gröbste Nässe heraus und ließ den Rest von der Luft trocknen, so wie sie es immer tat. Neben ihr rätselten Sou und Zera laut, was sie anziehen sollten. Giselle wusste es bereits, auch wenn sie ihre Tasche erst nach dem Kleid durchforsten musste.

“Welches findest du besser? Schwarz oder rot?“

Sou hielt zwei knapp geschnittene Oberteile in die Luft und Zera betrachtete beide Kleidungsstücke eingehend.

“Das Schwarze.“

Entschied sie sicher.

“Da ist der Ausschnitt größer.“

“Hm, stimmt. Aber bei dem Roten gefallen mir die Schnürbänder am Rücken so gut.“

Argumentierte Sou. Zera schaute noch einmal nachdenklich, doch ihre Entscheidung war längst gefallen.

“Schwarz. Großer Ausschnitt. Du solltest zeigen was du hast.“

Riet sie. Sou antwortete mit einem unsicheren Schweigen und drehte sich schließlich zu Giselle herum. Offenbar war ihr die Argumentation ihrer Freundin nicht ganz geheuer. So gut Zera es auch meinte, möglicherweise war ihre Sichtweise ein kleines bisschen zu einseitig.

“Giselle, was meinst du?“

Die Vahla war gerade dabei gewesen ihre Bürste weg zu legen und nach ihrem Schminkbeutel zu greifen. Die beiden Shirts, die Sou zur Auswahl gestellt hatte, unterschieden sich nicht all zu sehr von denen, die sie ohnehin immer im Alltag trug.

“Ich würde das Rote nehmen.“

Widersprach Giselle Zeras Ratschlag.

“Eine Feier kann immer ein wenig Farbe gebrauchen.“

Ihr war bewusst, dass sie Sou damit in ein Dilemma stürzte. Es wäre einfacher gewesen, Zera einfach zuzustimmen. Entschuldigend lächelnd zuckte sie mit den Schultern. Wer hatte behauptet, dass es leicht war, das richtige Outfit für ein Fest zu finden? Aber genau das machte den Spaß daran aus. Giselle cremte ihr Gesicht ein und trug zartes Rouge auf ihre Wangen auf. Eine leichte Schicht Glanzpuder verlieh ihrem ohnehin bereits gebräunten Gesicht einen sonnengeküssten Schimmer. Für den perfekten schwarzen Lidstrich, brauchte sie mehrere Anläufe. Sie zog ihn dicker als gewöhnlich, auf dem beweglichen Augenlid und beließ es dabei. Danach tuschte sie lediglich noch ihre Wimpern. Das war alles an Make-Up, das sie für diesen Abend benötigte. Sou und Zera debattierten noch, während Giselle in ihren bequemen Maxi-Dress stieg. Das Kleid mit dem langen Rock, der ihre Füße komplett verdeckte und über den weißen Sand schleifen würde, war eine fröhliche Mischung aus Sonnengelb, weiß und einem lieblichen Rosé. Giselle steckte lang, fast bis zu ihren Schultern fallende Ohrringe an und schmückte ihre Hangelenkte mit Armreifen. Die Prozedur erinnerte sie an früher. Es war lange her, lange, lange, dass sie sich für eine Feier so zurecht gemacht hatte. Exodus hatte nichts mehr über den Sonnenuntergang gesagt und Giselle würde das Thema nicht von sich aus ansprechen. Sie überlegte, wohin sie gehen würde, um das Schauspiel zu bewundern. Die Klippen, von denen aus sie und Exodus zusammen ins Meer gesprungen waren, waren zu weit entfernt. Sie konnte dem Camp nicht zu lange fern bleiben, ohne dass man sich wundern würde, wo sie war und sie wollte auch gar nicht die Feier versäumen. Vielleicht würde sie zu den Felsen am Strand gehen, dort wo Exodus ihr von seinem Sohn und seiner gescheiterten Ehe erzählt hatte. Interessant, dachte Giselle, als sie sich in einem kleinen Handspiegel betrachtete, wie fast jeder Ort auf Palm Island mit einer Erinnerung an Exodus Wingston zusammen hing.

Es war sehr später Nachmittag, als sie ihr Zelt verließ. Wie so häufig war sie barfuß und wie erwartet glitt der lange Rock bei jedem Schritt über den Boden. Giselles Kleid hatte keine Träger und keine Ärmel, sondern wurde über der Brust durch ein eingenähtes Gummiband an Ort und Stelle gehalten. Gleich neben dem Zeltplatz hatte die Crew begonnen trockene Äste für ein großes Feuer aufzuschichten und irgendjemand hatte eine Lichterreihe im Versorgungszelt gefunden, die man zwischen einem der Leuchtstrahler und einem Baum am naheliegenden Waldrand aufgehangen hatte. Giselles Blick wanderte zum Himmel. Noch stand die Sonne hoch, doch sie gab ihr nicht mehr viel länger als eine gute Standardstunde. Eine Gruppe Nautolaner schob sich zwischen ihr und einem der Zelte vorbei und Giselle hörte sie aufgeregt reden. Die Luft war voller Spannung und voller großer Erwartungen.


- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp– Zelt von Giselle, Sou und Zera -
 
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Was tat man, wenn man sich auf einer Welle des Erfolgs befand? Für Exodus war die Antwort ganz einfach: Darauf surfen. Oben bleiben. Versuchen das bestmögliche rauszuholen. Und genau das wollte er tun. Giselles Zusage hatte seine Laune gehoben und ihm neue Zuversicht eingeflößt. Natürlich konnte es passieren, dass sie seine nächsten Avancen wieder abschmetterte – aber wenn er es jetzt nicht versuchte, würde er sich den aktuellen Stand wieder neu aufbauen müssen. Doch um sein Vorhaben durchzuführen, musste er sich beeilen. Die Zeit wurde knapp. Die Vorbereitungen hatten lange gedauert und nach der Ewigkeit, die die Sonne am Himmel gestanden hatte, fiel sofort auf, dass sie sich jetzt schneller dem Boden entgegen reckte. Der Sonnenuntergang stand kurz bevor.

Exodus hatte das Zepter der Vorbereitungen bereitwillig an Dan’el abgegeben, um sich für den Abend umzuziehen. Die meisten Instruktionen waren ohnehin schon verteilt. Das geschäftige Treiben hatte nicht aufgehört und würde auch durch Exodus‘ Abwesenheit nicht ins Stocken geraten. Die Köche waren damit beschäftigt, das Buffet vorzubereiten und viele der Nautolaner errichteten noch das Lagerfeuer am Strand, sowie Sitzgelegenheiten und Tische für alle Anwesenden.
Giselle und er hatten noch immer in den Klamotten gesteckt, die sie beide auf Rings Island getragen hatten und nachdem seine Assistentin sich zum Umziehen verabschiedet hatte, war auch Exodus zu seiner Hütte gelaufen, um sich frisch zu machen. Dem feierlichen Anlass angemessen, trug er ein weißes Hemd, dessen Ärmel er allerdings lässig bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte und eine lockere Stoffhose. Eine kurze Dusche hatte er sich ebenfalls gegönnt. Ihm war zwar danach gewesen, sich angesichts ihrer Tage auf Rings Island mehr Zeit dabei zu lassen, doch er wollte es nicht versäumen, Giselle vor dem Sonnenuntergang abzupassen.

Mit strammen, aber nicht gehetzten, Schritten durchquerte er das Camp und sah zufrieden, wie die Stimmung bei allen gestiegen war. Es war eine Vorfreude spürbar, mit der er nicht gerechnet hatte. Die Sonne machte ihm zwar einen kleinen Strich durch die Rechnung, indem sie es plötzlich so eilig zu haben schien, sich zu verabschieden – ursprünglich hatte er überlegt, Giselle von der Feier zu entführen – doch im Endeffekt machte es keinen großen Unterschied. Entweder ihr Fehlen würde bemerkt werden oder nicht. Und wenn es bemerkt würde, dann wäre es auf der Feier sogar noch verdächtiger. Wenn ein Mann und eine Frau auf einer Feier in die Dunkelheit verschwanden … da würden sie klatschträchtigen Nautolaner schnell auf die falschen – oder, wenn es nach Exodus ging, auch richtigen – Ideen kommen.

Es hatte sich gelohnt, keine allzu ausführliche Dusche zu nehmen: Giselle trat gerade aus ihrem Zelt heraus, fertig für das Fest – und hoffentlich für einen kleinen Spaziergang mit ihm. Grüßend hob er die Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wenn sie zu ihm sah, gab ihm das immer ein gutes Gefühl. Er fühlte sich wie elektrisiert, auch wenn er selten entschlüsseln konnte, was in ihrem hübschen Kopf vor sich ging. Er musste sie ausgiebig. Ihr langes Kleid verbarg zwar die goldene Haut ihrer grazilen Beine, doch ihre nackten Schultern glichen einem Versprechen, das Exodus nur allzu gerne eingelöst hätte. Die großen Ohrringe lenkten seinen Blick nach oben. Ihre Augen waren dezent aber effektvoll geschminkt.


„Hey. Du siehst gut aus.“

begrüßte er sie knapp und lächelnd mit einem Kompliment. Sein ursprünglicher Plan war gewesen, sie unter einem Vorwand aus dem Camp zu lotsen, irgendeine Aufgabe, die noch zu erledigen sei, irgendetwas, das in den Ohren von Neugierigen rein geschäftlich klang. Bei ihrem Anblick verwarf er diese Idee. So wie sie dort hübsch zurecht gemacht vor ihrem Zelt stand, konnte er nicht anders, als an ein Rendezvouz zu denken. In seiner Vorstellung war sie die Verabredung, die er für den großen Abend abholte und ausführte. Und genau das würde er tun. Wenn Giselle nicht spontan beschloss, ihn auflaufen zu lassen.

Nur einen kurzen Blick schenkte er seiner Umgebung, um auf mögliche Mithörer zu achten, dann schloss er zu ihr auf. Seine Hände behielt er bei sich, doch seine Füßen schoben ihn ein Stück näher, als nötig gewesen wäre, um sich mit ihr zu unterhalten. Das Lächeln zierte noch immer seine Lippen. Dann beugte er sich langsam zu ihr hinüber und senkte verschwörerisch die Stimme. Sie war ihm jetzt ganz nah.


„Ich glaube, wir zwei haben ein Date.“

Ein Spiel mit Risiko. Exodus sprang ins kalte Wasser, mit dem Kopf voran. Natürlich konnte er scheitern. Diese Möglichkeit musste er immer in Betracht ziehen. Und manchmal musste er sie mit einem Lächeln auf den Lippen ignorieren.

„Die Sonne wird nicht auf uns warten.“

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Sie hatte keine Ahnung gehabt, wo Exodus gewesen war, bis er auf einmal vor ihr stand. Auch er hatte sich umgezogen und sich den Staub ihrer Reise abgewaschen, genau wie Giselle. Dabei fiel es ihr schwer zu entscheiden, wie er ihr besser gefiel: in einem frischen Hemd, nach Seife duftend, oder leicht verschwitzt, mit nachlässigen Barstoppeln und der Anstrengung eines weiten Fußmarschs im Gesicht. So wie er in diesem Moment aussah war er der Mann, den sie in der Red Square Bar kennen gelernt hatte und von dem sie zuerst nicht gewusst hatte, was sie von ihm halten sollte. Heute kannte sie ihn etwas besser. Sie wusste mehr über ihn und trotzdem war sie noch immer nicht sicher, ob sie sich besser von ihm fern halten oder ihre Gefühle zulassen sollte.

“Danke, du siehst selbst gar nicht so übel aus.“

Erwiderte sie sein Kompliment. Es stimmte, er sah blendend aus. An einem anderen Ort, mit einem größeren weiblichen Publikum, hätten sich die Frauen die Hälse nach ihm verdreht. Giselle fragte sich, ob er an einen solchen Ort besser gepasst hätte als hierher an den Strand, mitten im Nirgendwo. Exodus kam von Coruscant, aber er hatte selbst zugegeben, dass dies nicht unbedingt sein favorisierter Ort in der Galaxis war. Der Gedanke, dass er vielleicht viel lieber hier auf Fresia war, mit Giselle, gefiel ihr. Ebenfalls gefiel ihr, dass er gut gelaunt war. Die leicht angespannte Stimmung, die auf Rings Island noch zwischen ihnen geherrscht hatte, war verschwunden, seit sie wieder zurück auf der Hauptinsel waren, seit Exodus von Jaks Fund erfahren und seit er den Einfall gehabt hatte, ein Fest zu veranstalten. Jetzt, nachdem sie den Nachmittag mit Vorbereitungen verbracht und endlich auch Gelegenheit gehabt hatten sich kurz auszuruhen und frisch zu machen, war merklich die Vorfreude auf den Abend zu spüren, bei ihnen beiden.

Exodus war ein aufmerksamer Mann, der wusste, wie wirkungsvoll es war, wenn man einer Frau Komplimente machte und Giselle genoss seine Worte sehr. Sie hatte sich nicht endlose Mühen mit ihrem Aussehen gemacht, sondern nur notdürftig das getan, was in kurzer Zeit und mit beschränkten Hilfsmitteln in einem Zelt möglich war, doch natürlich hatte sie insgeheim gehofft, das Ergebnis möge ihm gefallen und war entsprechend froh, dass dem anscheinend so war. Aber es war nicht nur das, das ihre Laune schlagartig noch ein Stück weiter nach oben schraubte. Exodus machte ihr nicht bloß ein Kompliment wie es jeder Mann hätte tun können, er erinnerte sich auch an ihre lose ausgesprochene Verabredung. Die Sonne wartete nicht auf sie, sagte er. Giselles Augen begannen zu strahlen. Nachdem sie nicht mehr davon gesprochen hatten, hätte es sie nicht überrascht wenn er sie vergessen hätte. Aber das hatte er nicht. Dazu war er viel zu aufmerksam.


“Du hast daran gedacht.“

Stellte sie fest und machte damit deutlich, dass sie auf ein Wort von ihm gewartet hatte, ohne seine Initiative selbst jedoch nichts gesagt hätte. Hätte er es vergessen oder aus anderen Gründen keinen Schritt auf sie zu getan, hätte dies eines dieser großen Missverständnisse werden können, die oft zwischen Männern und Frauen standen. Zum Glück war es hier nicht so weit gekommen.

“Wir könnten hinüber zu den Felsen gehen.“

Schlug sie vor und nickte in die entsprechende Richtung. Es waren jene Felsen, auf die sie bei ihrem ersten gemeinsamen Sparziergang gestoßen waren und auf denen sie gesessen hatten, als Giselle Exodus den Traumfänger geschenkt hatte, den sie zuvor aus einem Stück Lumium für ihn gebastelt hatte. Ein „Date“ hatte Exodus ihre Verabredung genannt, doch es blieb ungeklärt, ob dies nur lediglich wieder einer seiner Scherze gewesen war. Giselle vermutete es stark. Wäre es tatsächlich ein Date gewesen, hätte sie sich munter bei ihm eingehakt, doch so ging sie lediglich in angemessenem Abstand neben ihm her, als sie an den Zelten vorbei liefen, die dem Meer am nächsten waren. Es war unmöglich, nicht vom Rest der Crew gesehen zu werden und noch ehe sie das letzte Zelt hinter sich gelassen hatten, fing sie Jaks Blick auf, der sie ebenfalls bemerkt hatte. Jak stand drüben bei den Bäumen und war gerade dabei einen Insektenfänger aufzuhängen, die überall rund um das Camp herum verteilt wurden, um Moskitos fern zu halten, die in der Dunkelheit von den Lichtquellen der Zelte angezogen werden würden. Der Nautolaner mochte sich seinen Teil denken und Giselle erinnerte sich an das, was er zu ihr gesagt hatte, als sie vor einigen Tagen über Exodus gesprochen hatten. Für sie spielten Gerüchte keine Rolle, doch sie konnte nicht verdrängen, dass der Eindruck, den sie persönlich von ihrem Chef hatte, das Getuschel hinter seinem Rücken bestätigte. Womöglich war ihre Verabredung sogar tatsächlich ein Date für ihn - ein Date jedoch, mit dem er andere Erwartungen verband als Giselle. Bevor sie ihren Blick abwandte, zwinkerte Jak ihr zu, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er ihren Beteuerungen, zwischen ihr und Exodus liefe nichts, keinen Glauben schenkte.

“Ich hoffe, sie fangen nicht ohne uns an.“

Sagte Giselle leichthin, während sie in Richtung Wasser gingen, nur wenige Schritte entfernt von den Ausläufern des Meeres, das sich in seichten Wellen im Sand wälzte. Sie hob ihr Kleid, damit es nicht nass wurde und lief mit ihren nackten Füßen durch das kühle Nass.

“Aber vermutlich trauen sie sich gar nicht, ohne dich los zu legen. Sie erwarten sicherlich, dass du ein paar Worte sagst.“

Sie Sonne stand jetzt sehr tief und die Umgebung war bereits getaucht in einen herrlich goldenen Schimmer, der sich auch in Giselles Haaren wieder fand. Ein solches Licht konnte kein Maler dieser Galaxis, kein Künstler zwischen Utapau und Dantooine einfangen. Dies war ein Wunder, das nur die Natur zu zeichnen im Stande war.

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Scheitern war gestern, heute war Erfolg angesagt. Dabei blieb es, wie Exodus hochzufrieden feststellte. Giselle wehrte sich nicht gegen seine Offerte, nein ganz im Gegenteil: Sie freute sich offenkundig über seinen Besuch und ihr kleines Date. Sogar sein Kompliment gab sie dankend zurück. Gar nicht übel sah er aus? Exodus rieb sich schmunzelnd das Kinn.

„Danke.“

Das Lächeln dieser Frau war so entwaffnend, dass er nichts weiter darauf zu sagen vermochte. Seine Augenbrauen skeptisch herausfordernd hochgezogenen Augenbrauen ließ er wieder sinken, als Giselle seinen Worten folgte und auf den Sonnenuntergang zu sprechen kam – und auf ihre vorher getroffene Verabredung. Exodus versuchte sich selbst an einem entwaffnenden Lächeln.

„Natürlich habe ich daran gedacht.“

Zumindest hatte er es nicht wirklich vergessen. Er hatte sich gedanklich nur zwischenzeitlich mit anderen Dingen beschäftigt, weniger schönen Dingen allerdings. Der Konflikt mit den Mon Calamari, Haiurs Einwirkungen in diese Geschichte, wie sie hier auf Palm Island weitermachen mussten und die Stagnation seiner Beziehung zu Giselle. Irgendwie war er instinktiv auch davon ausgegangen, sie hätte gar kein Interesse mehr an dem gemeinschaftlichen Verabschieden der Sonne. Doch vielleicht hatte er auf Rings Island tatsächlich überreagiert, so wie sie es ihm attestiert hatte. Vielleicht war das alles gar nicht so schlimm gewesen, vielleicht hatte sie den Konflikt nie als Bruch zwischen ihnen interpretiert. Nur woher war dann die unterkühlte Stimmung gekommen? Hatte der Konflikt mit den Eingeborenen Giselle vielleicht doch so stark beschäftigt, dass sie sich nicht auf Witze und Flirts hatte einlassen wollen?
Egal. Hauptsache jetzt war wieder alles im Lot. Er lächelte bei ihrem Vorschlag, zu den Felsen am Meer zu gehen.


„Du meinst du zu unserem Felsen?“

Sie waren schon mehrmals dort gewesen und meistens hatten sich bedeutsame Dinge abgespielt. Es war ihr Felsen, Exodus empfand jedenfalls so. Nachdenklich hob er die Schultern, während sie nebeneinenander her gehend, das Camp durchquerten. Das geschäftige Treiben um sie herum riss nicht ab.

„Ich meine – ich habe zumindest noch nie jemand anderen dort sitzen sehen.“

Dann hatten sie die Zelte hinter sich gelassen und Exodus spürte, wie eine gewisse Anspannung von ihm abfiel. Er hatte bewusst vermieden, sich im Camp allzu sehr nach seinen geschäftigen Mitarbeitern umzusehen. Er hatte die Ahnung, dass ihm neugierige, skeptische oder hämische Blicke der restlichen Crew die Laune verdorben hätten. Sollten sie doch reden. Sollten sie sich ihre Mäuler zerreissen, sollten sie sich doch fragen, ob er wirklich der ideale Chef für sie war. Er gab ihnen ein Fest, also wieso durfte er nicht auch ein bisschen seine Zeit hier genießen?!

„Ich denke nicht, dass sie ohne uns anfangen werden.“

sagte er leichthin auf ihr Überlegungen und sah Giselle dabei zu, wie sie mit den Füßen durch das Meer watete. Ihre Vermutung, die anderen würden sich nicht trauen ohne ihn anzufangen, ließ ihn nachdenklich die Augenbrauen zusammen ziehen. Er hatte so etwas schon lange nicht mehr gehört. Das man Angst vor ihm hatte. Natürlich waren ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung gegangen … und dennoch.

„Aber bin ich wirklich so furchteinflößend?“

Während die Worte in seinen Ohren widerhallten, bemerkte er, dass seine Stimme ernster geklungen hatte, als beabsichtigt. Er schob ein lässiges Grinsen nach, das seinen Satz als Scherz auszeichnen sollte. Mit großen Schritten schloss er zu Giselle auf, streifte sich die Schuhe von den Füßen und ließ seine Zehen ebenfalls von dem kühlen Wasser umspülen.

„Ich muss gestehen: Ich freue mich darauf, wenn wir endlich wieder Nacht haben. Mir fehlt die Dunkelheit. Ich glaube, ich werde dann besser schlafen können.“

Exodus zuckte mit den Schultern. Es war eigentlich paradox. Auf seinem Heimatplaneten, auf Coruscant, gab es auch keine richtigen Nächte, keine richtige Dunkelheit. Und trotzdem sehnte er sie herbei.

„Obwohl ich befürchte, dass ich diesen Wunsch bald bereuen werde.“

Wieder hob er unschlüssig die Schultern. Seine Füße bildeten bei jedem Schritt größer werdende Kreise im Wasser und er sah aufmerksam nach unten.

„Aber manchmal muss man Dinge wohl verlieren, bevor man sie zu schätzen weiß.“

Unwillkürlich dachte er an Yuna. Er hatte sie verloren, genau wie er die Sonne heute Abend verlieren würde – für eine Zeit lang. Doch war diese Metapher überhaupt angebracht? Wenn Yuna die Sonne war, die ihn verlassen hatte, war Giselle dann die Nacht? Sein Gefühl sagte ihm, das sie etwas Dunkles an sich hatte, etwas Verbotenes, auch wenn er diese Stimme schon seit einer Weile schlichtweg ignorierte. Aber wie konnte eine solch charmante, strahlende und herzliche Person wie Giselle die Dunkelheit der Nacht verkörpern? Und würde er die Sonne wirklich vermissen, wenn diese Nacht erst einmal angebrochen war?

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Ihr Felsen, ihr gemeinsamer Felsen. Das klang schön. Es suggerierte, dass Giselle und Exodus etwas miteinander teilten, wovon alle anderen ausgeschlossen waren, etwas, das nur ihnen gehörte, weil sie etwas besonderes waren. Das klang schön. Giselle hob eine Muschel auf und ließ das Meer die Sandkörner von ihrer Schale waschen.

“Du bist zumindest nicht furchteinflößend genug, als dass ich mich nicht trauen würde, mit dir alleine durch den Dschungel zu streifen.“

Sagte sie, noch während sie die nächste Muschel aufhob. Diese war noch vollkommen intakt. Beide Hälften hingen noch immer aneinander, sodass sie perfekt aufeinander passten und man sie schließen konnte. Sie näherten sich den Felsen, auf denen tatsächlich niemand saß. Insofern hatte Exodus Recht, auch Giselle hatte hier noch nie jemand anderes gesehen.

“Ich freue mich auch auf den Wechsel.“

Bestätigte sie Exodus' Vorfreude auf die kommende Dunkelphase.

“Aber ich wusste nicht, dass du Probleme mit dem Schlafen hast. Man sieht es dir zumindest nicht an.“

Meinte sie mit einem Lächeln. Ihr selbst machte die Helligkeit längst nichts mehr aus. Es war zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, doch mittlerweile war sie lange genug hier um diese Phase hinter sich gebracht zu haben. Die Sterne waren, was sie vermisste und sie freute sich darauf, sie in wenigen Stunden endlich wieder zu sehen. Ihr Blick bewegte sich von den Muscheln in ihrer Hand zu Exodus' Gesicht, dessen Stimme jetzt wieder nachdenklicher klang und sie dachte, dass von den Felsen besondere Schwingungen ausgehen mussten, die sie dazu anregten, wann immer sie hier waren, über tiefgründige Dinge zu reden, die sie an einem anderen Ort vielleicht nicht aussprechen würden.

“Ich hatte mal eine Freundin, in Belleau-a-Lir.“

Erzählte sie.

“Sie war eine unabhängige kleine Persönlichkeit, sehr selbstbewusst und zielstrebig. Sie wusste genau, was sie wollte und war bereit, alles für ihre Träume zu tun. Sie sollte die Hauptrolle in einem wichtigen Stück tanzen und ihr männlicher Gegenpart wurde passend zu ihr besetzt. Ihr Freund, mit dem sie seit Jahren zusammen war, stand in der engeren Auswahl. Er hatte mindestens so hart an dieser Chance gearbeitet wie sie.“

Nur noch wenige Meter vor ihnen türmten sich die Felsen auf. Wellen brachen sich laut klatschend an den Steinen. Vor ihrem inneren Auge sah Giselle jedoch die weißen Mauern des Collosseums.

“Meine Freundin probte mit allen Kandidaten, die für die männliche Hauptrolle in Frage kamen und sollte ihrer Leiterin ihre persönliche Einschätzung geben, bei welchem Kandidaten sie sich am sichersten fühlte und wo die Chemie stimmte. Natürlich wusste man über ihre Beziehung zu ihrem Freund Bescheid und warnte sie, eine ehrliche Bewertung abzugeben und nicht parteiisch zu sein.“

Da waren sie, ihre Felsen. Giselle blieb stehen und lehnte sich gegen einen der Steine. Ihre Geschichte war fast am Ende.

“Meine Freundin und ihr Freund waren ein schönes Paar und sie ergänzten sich gut. Sie war spritzig und sehr jung, er war ruhiger und hat sie mit nachahmenswerter Sicherheit geführt. Als sie ihre Beurteilung abgegeben hat, hat sie sich gegen ihn ausgesprochen. Er wurde nicht weiter berücksichtigt, nicht einmal als Zweitbesetzung. Jedenfalls... ihre Beziehung ging in die Brüche. Er verließ sie und erst als er fort war, wurde ihr so richtig bewusst, wofür sie sich entschieden und was sie dabei aufs Spiel gesetzt und verloren hatte.“

Giselle erinnerte sich an lange Nächte, die sie zusammen gesessen und geredet hatten. Mehr als einmal hätten sie früh zu Bett gehen sollen, waren jedoch spät auf gewesen, weil die Tränen nicht hatten aufhören wollen zu fließen. Die Tage danach waren die Hölle gewesen und auf der Bühne war Liara wegen ihrer dunklen Augenringe gescholten worden. Ihr Tanz war nach der Trennung melancholisch gewesen, zu melancholisch für die Rolle, die sie zu spielen hatte, und man hätte sie beinahe kurz vor der Premiere des Stückes noch einmal ausgewechselt. Bis zu diesem Tag hatte sie immer geglaubt, ihre Karierre wäre alles was sie wollte. Doch es war nicht das Wichtigste.

“Sie haben nie wieder zusammen gefunden, leider.“

Schloss Giselle und hob bedauernd die Schultern. Sie hatte die beiden als Paar gemocht, aber Liara war noch jung gewesen und hatte Fehler gemacht, die sie nicht hatte korrigieren können – ähnlich wie Giselle selbst. Jetzt war es fast so weit. Die Sonne begann bereits, tiefer zu sinken. Giselle drehte sich herum, ging ein paar Schritte und erklomm einen der kleineren Felsen, um von dort aus über die Steine von einem zum nächsten zu springen. Vor ihnen nahm das Meer bereits den bronzenen Ton des Himmels an und die Umrisse der Bäume, weit hinter ihnen, begannen dunkler zu werden.

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Gleichsam mit dem Takt des Meeres ließ Exodus seine Füße gemächlich durch das Meer gleiten. Er hörte Giselles Geschichte zu, über Alderaan und eine befreundete Tänzerin. Sie hatte sein Thema aufgegriffen – dass man Dinge manchmal erst zu schätzen wusste, wenn man sie verlor – doch irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass ihre Geschichte in eine andere Richtung ging. Oder dass sie ihm etwas anderes damit sagen wollte. Giselles Freundin hatte ihren eigenen Freund nicht als Tanzpartner für ein wichtiges Stück ausgewählt, obwohl die beiden nach ihrer Aussage sehr gut miteinander harmoniert hatten. Die Leitung des Stücks hatte sich an ihre Auswahl gehalten, der Freund war nicht für die Rolle berücksichtigt worden und die Beziehung daran gescheitert. So konnte es gehen, natürlich. Das passierte immer wieder. Und Giselles Freundin hatte ihren Verlust erst später wirklich begriffen – die Tragweite ihrer Entscheidung. Aber gab es da nicht noch eine Ebene? War das ganze nicht viel mehr eine Anspielung auf sie beide – auf Giselle und Exodus? Sie harmonierten ebenfalls gut, kamen hervorragend miteinander aus. Von Exodus‘ Seite aus hätte sich schon längst mehr entwickeln können, zumindest was die nächtliche Gestaltung ihres Aufenthalts auf Fresia anging. Aber auch so umgab er sich gerne mit Giselle. Sie war eine angenehme Gesprächspartnerin, eine fröhliche, charmante Frau und eine hervorragende Assistentin. Aber genau hier lag der Knackpunkt. Sie war seine Assistentin und er ihr Vorgesetzter. Sie arbeiteten zusammen, genau wie das Paar in Giselles Geschichte. Bei den Beiden hatte die Beziehung die harten Entscheidungen der Berufswelt nicht überstanden. Wie würde das bei ihnen sein? Spielte Giselle darauf an? Wollte sie ihm sagen, dass sie Abstand halten mussten, damit sie weiter ordentlich zusammen arbeiten konnten? Für sich selbst hatte er die Frage nach der Vermischung von Arbeit und Privatem schon längst beantwortet: Es war ihm egal. Er mochte Giselle und er mochte den Umgang mit ihr und nichts daran änderte sich dadurch, dass sie seine Assistentin war. Nur wenn sie das ganz anders sah …

„Das ist schade.“

kommentierte Exodus in Ermangelung einer besseren Antwort und folgte der Vahla in größeren Schritten die flacheren Felsen hinauf. Unschlüssig rieb er sich mit den Fingerspitzen über den Nasenrücken. Wenn es Giselle wirklich um die Verbindung von Arbeit und Privatem ging – war es dann nicht klug, ein Gegenbeispiel anzuführen? Eine Geschichte, bei der sich beides gut hatte vereinbaren lassen. Intuitiv dachte er an seine eigene Vergangenheit: Yuna hatte er bei den Jedi kennengelernt und Arica im Sith-Orden. Auf eine Art war das beides im Berufsleben gewesen. Und beide Beziehungen hatten gehalten – eine Zeit lang. Ärgerlicherweise waren auch beide an seinem Beruf gescheitert, wenn man die Angehörigkeit zu den Orden denn so bezeichnen wollte. Aber vielleicht war das sowieso der ganz falsche Ansatz. Er hatte einmal gehört, man solle in Gegenwart einer Frau, an der man interessiert war, nicht über andere Frauen sprechen – sozusagen als Teil des Flirt-Ein-mal-Eins. Streng genommen hatte er diese Regel bei Giselle schon etliche Mal gebrochen. Aber andererseits war Yuna in diesen Geschichten nie besonders gut weggekommen, insofern zählte das wohl nicht so richtig. Wenn er jetzt allerdings davon schwärmte, wie gut es mit Arica ‚auf der Arbeit‘ geklappt hatte. Nein, das würde nicht funktionieren.

„Manchmal ist es schwer, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren.“

gestand er ein und beschloss intuitiv eine ganz andere Taktik zu fahren: Offenheit. Für einen Moment hielt er in der Bewegung inne und sah dabei zu, wie das Wasser die flachen Felsen umfloss und kleine Wirbel bildete. Dann sah er wieder hoch zu Giselle. Wieso nicht offen ansprechen, was er davon hielt? Das war doch viel besser, als diese verschlüsselten Geschichten, die geheimen Botschaften, das Unausgesprochene zwischen ihnen, das nur wieder Ärger heraufbeschwören würde.

„Ich denke aber, man kann es auch hinbekommen.“

Die tiefer stehende Sonne schien ihr hell ins Gesicht und ließ ihre Haare golden leuchten. Exodus betrachtete sie einen Moment lang nachdenklich.

„Was denkst du?“

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Giselle arbeitete sich die Felsen entlang vor bis zum Rand, dort wo direkt unter ihnen das Meer wühlte. Es war recht windstill und die Wellen waren nicht hoch. Nur leichtes Sprühwasser benetzte ihren Rock, als sie sich setzte, und sie zog ihn hoch, die Beine frei legend, um zu vermeiden dass der Stoff feucht wurde. Exodus war direkt neben ihr.

“Sicher kann es auch funktionieren.“

Beantwortete sie seine Frage nach Beziehungen am Arbeitsplatz und stützte beide Hände auf dem Felsen, auf dem sie saß, auf.

“Es kommt auf die Personen und die Umstände an. Sich jeden Tag rund um die Uhr zu sehen ist nicht für jeden einfach, aber für andere kann es genau das Richtige sein.“

Sagte sie und wusste, dass es für sie in der Vergangenheit bereits funktioniert hatte. Morten und Giselle waren beinahe vom ersten Moment an unzertrennlich gewesen. Je öfter sie sich gesehen hatte, desto besser. Sie wären sich niemals leid geworden, doch dann hatte Giselle diesen einen großen Fehler begangen. Sie sah zu Exodus. Es könnte auch mit ihnen funktionieren. Sie beide arbeiteten ebenfalls miteinander. War er sich dessen bewusst gewesen, als er seine Frage gestellt hatte? Giselle war unsicher, ob er an das Gleiche dachte wie sie, doch vermutlich hatte er einfach nur auf ihre Geschichte reagiert. Exodus dachte nicht wie sie. Er war nicht auf der Suche nach einer Beziehung, er kam gerade aus einer, die gescheitert war. Seine Wunde war noch frisch, nicht wie Giselles, von der inzwischen nur noch Narben übrig waren, auch wenn diese noch so gut sichtbar waren. Vor ihnen verwandelte sich eine strahlend gelbe Sonne in einen roten Feuerball, der den ganzen Himmel in Flammen setzte. Giselle ließ ihren Blick über den Horizont wandern, gefangen von der Schönheit.

“Ist das nicht umwerfend schön?“

Fragte sie leise, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, die Szenerie nicht mit lauten Worten stören zu dürfen.

“Es ist, als hätte Fresia seine schönsten Farben eigens für diesen einen Abend heraus geholt.“

Sie zog die Knie an und schlang ihre Arme um die Beine. Um nichts in der Galaxis hätte sie diesen Augenblick verpassen wollen. Es gab Dinge, an denen man sich niemals satt sehen konnte. Sonnenuntergänge gehörten dazu. Sie erinnerten sie an früher, als sie noch ein Kind gewesen war. Wenn der Himmel von sattem Blau oder tristem Grau zu leuchtendem Orange und Pink gewechselt hatte, hatten sie und Qing'dao sich vorgestellt, die Welt stünde in Flammen. Sie waren gelaufen, geflohen vor dem Feuer und hatten sich schreiend auf den Boden geworfen und im trockenen Gras gewälzt, wenn die imaginären Flammen nach ihnen gegriffen und ihre Haare in Brand gesteckt hatten. Natürlich hatten sie sich geholfen, schließlich waren sie Schwestern und am Ende hatten sie über das Feuer gesiegt, auch wenn sie dabei ihr Heim verloren hatten, so wie sie in Wirklichkeit keine Heimat besaßen.

Es waren Momente wie dieser, in denen die Erinnerung übermächtig wurde, in denen Giselle sich einsam fühlte. Manchmal musste man Dinge erst verlieren, hatte Exodus gesagt, bevor man sie zu schätzen wusste. Er hatte Recht. Manchmal war es tatsächlich so. Giselle widerum hatte nie an ihrer Liebe gezweifelt, weder zu ihrer Familie, noch zu Morten. Sie hatte von ganzem Herzen geliebt und doch hatte es nicht gereicht. Es war nie genug gewesen, um sie vor den Fehlern zu bewahren, die sie gemacht hatte und am Ende hatte sie alles verloren. Sie saß auf den Felsen, im Angesicht der schwindenden Sonne, doch die Flammen griffen nicht nach ihr. Sie hatten nicht mehr nach ihr gegriffen, seit sie Kashyyyk verlassen hatte.


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Gemeinsam saßen sie am Rande der Welt. Exodus und Giselle bestaunten von ihrem Felsen aus andächtig den gleißend roten Himmel. Die Sonne tauchte alles in ihre Farbe, nichts war vor ihr sicher. Gleich musste die Welt untergehen, dachte Exodus bei sich. Er sah von der Feuerkugel, die sich dem Meer stetig näherte, zu Giselle. Ihre Haare wurden rot angeleuchtet und wirkten, als stünden sie in Flammen. Das Meer unter ihnen war so ruhig, als würde es ebenfalls den bevorstehenden Untergang ahnen, als ergäbe es sich seinem Schicksal. Dabei würde es der gleißenden Sonne trotzen. Die Sonne würde sich im Meer versinken und dann für eine Weile verschwinden, doch das Meer, das blieb.

„Es ist wirklich wunderschön.“

Er hatte die Stimme gesenkt, fast geflüstert, genau wie sie selbst. Mit jeder Sekunde verlor die mächtige Sonne an Kraft, berührte jetzt schon das Wasser und wurde langsam kleiner. Es war ein schöner und ein trauriger Moment. Es war ein Abschied und schon jetzt spürte Exodus, dass er die Sonne vermissen würde. Sie tauchte Giselle in ein Licht, das keine künstliche Lampe nachahmen konnte. Die Sonne betonte ihre Schönheit auf die beste Art und Weise. Das würde ihm fehlen. Giselle ohne Sonne – für einen Moment fragte sich Exodus, wie das überhaupt funktionieren konnte. Aber sie wirkte nicht unglücklich.

„Das hier ist einer dieser Momente …“

flüsterte Exodus leise und blinzelte wieder in Giselles Richtung.

„… die man sich einprägen und aufheben muss. Für dunklere Zeiten.“

Die Sonne hatte sich schon zur Hälfte hinter dem Horizont versteckt. Es wirkte, als wollte sie überhaupt nicht gehen. Denn obwohl sie sich jetzt erstaunlich schnell bewegte, verschwand sie doch nicht mit einem Mal, so wie Menschen es taten. Menschen traten in ein Leben – und dann wieder heraus. Die Sonne war gnädiger. Sie bereitete ihren Abschied langsam vor. Man wusste, wenn sie ging und konnte ihr dabei zusehen. Sich verabschieden. Yuna hatte ihm diese Möglichkeit nie gegeben. Aus einem Impuls heraus, hob Exodus die rechte Hand und winkte dem schwindenden Himmelskörper sachte zu. Er lächelte und kam sich blöd dabei vor. Und doch ließ er seine Hand nicht wieder sofort sinken. Die letzten Sekunden verstrichen wie in Zeitlupe. Exodus saß neben Giselle und verabschiedete die Sonne auf seine Weise, bis sie schließlich ganz verschwunden war. Das Licht würde noch für einen Moment bleiben und die Insel tiefrot färben. Auf anderen Planeten gab es das Ritual einen Sonnenuntergang mit einem Applaus zu bedenken. Doch wie konnten sie jetzt lautstark lärmen? Das Fest stand ihnen noch bevor, aber zu diesem Moment hier gehörte die Ruhe. Exodus stützte sich mit seiner Hand auf dem Felsen ab und drehte sich halb zu der Vahla. Auch diesen Anblick musste er sich einprägen, ehe sie sich für die nächste Zeit in tiefste Dunkelheit begeben würden.

„Hast du auch diese Erinnerungen, die du hervorholst, wenn es dir schlecht geht?“

Sein sinnierender Blick löste sich nicht von ihren Zügen, auch wenn er den Impuls verspürte, noch einmal der verschwundenen Sonne hinterher zu sehen. Er lächelte sie offen an und er konnte nicht einmal genau sagen, woher dieses Lächeln gerade kam.

„Für mich ist eines dieser Bilder der erste Anblick meiner beiden Kinder. Sie waren winzig klein und haben geschrien und mehr als ihre roten Köpfe konnte man nicht sehen. Aber daran zu denken heitert mich jedes Mal auf, trotz der Umstände, die jetzt zwischen uns herrschen …“

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