Rendili

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn, Elysa

In der Tat, Commodore.“ Mit der Linken deutete Elysa auf einen der Sessel und musterte Alynn nicht nur mit ihrem Blick, sondern auch ihren Machtsinnen. Aufgeplatzte Äderchen, verkrampfte Muskeln und eingeklemmte Nervenknoten verrieten ihr einiges über den Gesundheitszustand der Rothaarigen. Äußerlich überspielte sie diese Dinge gut, sie wirkte fast so engagiert und entschlossen wie am Tag, da man sich einander das erste Mal begegnet war. Wahrscheinlich hätte sie auch Elysa täuschen können, welche die Commodore schon seit einem Jahrzehnt kannte.

Jedoch geht es eher darum einige private Dinge zu besprechen, bevor wir zu geschäftlichen Angelegenheiten kommen, das kann eine ganze Weile in Anspruch nehmen.“ Alynn war nicht gerade dafür bekannt, persönliche Dinge von sich preiszugeben, und die Corellianerin hatte auch selten in die Richtung nachgefragt. Einige Details zur Schwester des verstorbenen Großadmirals konnte sie ab dem entsprechenden Rang in Erfahrung bringen, aber nachgeforscht hatte Elysa in die Richtung aktiv nie. Jedoch musste sie sich mit dem ein oder anderen Dossier herumschlagen, denn eigentlich hatte man ihr die Commodore nicht zuteilen wollen. „Falls du noch eine Kleinigkeit zu dir nehmen möchtest, oder ich dir eine Erfrischung anbieten kann ist nun der richtige Zeitpunkt dafür.“ Ein entspanntes Lächeln begleiteten die Worte der Flottenkommandantin und Alynn schien sich sichtbar zu entspannen.

„Ein Wein kann nicht schaden.“, gestand sie mit einem Nicken,

Elysa bediente das Interkom, das in ihrem Schreibtisch eingelassen war und kontaktierte, eine Person die für den Betrieb der dritten Flotte, zumindest in den Augen der Flottenkommandantin unabdingbar geworden war, ihren Steward, ohne den sie ihres Alltags kaum Herr werden könnte.„Mister Travis, wären sie so gut und bringen uns eine Flasche Smaragdwein, eine Kanne frischen Kaf, eine Kanne Bentaxbeerentee und eine Kleinigkeit zum Essen.“ Der Chief Steward bestätigte ihre Bitte umgehend und Elysa wandte sich wieder Alynn zu.

Seit wir bei Rendili ankern, habe ich das Gefühl du gehst mir mehr und mehr aus dem Weg. Deine Pflichten erfüllst du zwar weiterhin, begrenzt dabei jedoch den Kontakt auf ein Minimum und es gibt mittlerweile einige Gerüchte über deine Person. Dass du dich selbst von deiner Kommandocrew abkapselst ist noch das harmloseste. Das kann weder dir, noch deinem Kommando gut tun.“

Alynn stand hier aber auch gar nicht auf der Anklagebank, derzeit war es, wie die Admiral bestätigt hatte ein privates Gespräch. Elysa brachte hier somit ihre Beobachtungen und auch Sorgen bezüglich der rothaarigen Commodore an.
Ich will ehrlich sein, anfangs war es meine Hoffnung, dich frühzeitig in einer bedeutenderen Führungsposition zu sehen, als es derzeit der Fall ist. Der Posten für meinen Stellvertreter wäre es sicherlich zu hoch gegriffen, aber die Nummer drei wäre durchaus denkbar gewesen. Bedauerlichweise hast du dich selbst torpediert. Du erfüllst deine Pflicht, aber nicht mehr. Es ist als wäre dir seit geraumer Zeit der gesamte Antrieb genommen worden. Und es ist mein Verdacht, dass sich das auf deinen Bruder, Nereus bezieht. Die Konkurrenz zu ihm, dein Hass auf ihn, hat dir in der Vergangenheit Entschlossenheit und Wille gegeben, der dir heute fehlt. Du kapselst dich selbst in der Macht von mir ab. Das ist sicherlich dein gutes Recht, aber es ist auch alarmierend. Dein Körper ist aus dem Gleichgewicht und dein Verstand ist es ebenso. Ich vermute du bist unkonzentriert, leicht zu reizen und weißt nicht einmal warum. Vielleicht glaubst du es ist es die dunkle Seite die ihren Tribut einfordert.“

Die Worte selbst waren ungeschönt, die offene und ehrliche Sichtweise der Flottenkommandantin, aber es fehlte jegliche Anschuldigung in der Stimme der Corellianerin, vielmehr suchte sie den Zugang zur Rothaarigen.

Dein Bruder und dein Wunsch nach Rache war ein mächtiger Motivator für dich, und der ist nun weg. Seitdem lässt du dich nur noch treiben und weißt wenig mit dir anzufangen. Ich bedauere, dass ich es nicht früher bemerkt habe, aber ich werde nicht tatenlos zusehen wie du deine Fähigkeiten und Erfahrungen vergeudest.“

Eine Sith sollte sich nicht um meine Untergebene sorgen, aber Elysa war kaum mehr eine Sith und Alynn war für sie eine Vertraute, eine Freundin, von der sie lange nicht wusste, dass sie so jemanden überhaupt in ihrem Leben brauchte, geschweige den wollte. Aber sie konnte es kaum abstreiten. Alynn genoss ihr Vertrauen und auch die Gespräche mit der Rothaarigen wollte die Admiral nicht missen.

Zunächst einmal musst du dir klar werden, dass es nicht die Macht ist, die etwas von dir fordert. Die Macht hat keine dunkle Seite. Die Macht ist ein Werkzeug, sie hat keine eigene Agenda und keinen eigenen Willen.“

Eben jenes Vertrauen ermöglichte es Elysa hier frei heraus zu sprechen, würde das Vertrauen fehlen, wäre es nicht möglich sich so zu exponieren.

Wir selbst sind es die der Macht einen Zweck, eine Agenda geben. Wir Menschen, jedes intelligente Wesen hat eine helle und eine dunkle Seite. Die Sith fördern, dass wir uns unseren niederen Instinkten, unseren Machtgelüsten hingeben, das wir uns selbst zum Monster machen und als Monster sehen. Und wenn das der Fall ist, verändert wir uns durch die Macht. Dir raubt sie derzeit die Stärke und den Willen, weil du glaubst es wäre nur Rechtens, vielleicht siehst du dich selbst als Monster, oder zumindest als hassenswert und richtest diese Gefühle gegen dich.“

Gerne hätte sie dieses Wissen früher gehabt, aber die Corellianerin hatte einst, wie Alynn nun, einen Krieg in sich selbst ausgefochten.

Wofür dienst du in der Flotte? Wofür kämpfst du? Was willst du durch deinen Dienst erlangen? Ich bin mir nicht sicher, ob du dir diese Fragen derzeit beantworten kannst.“

Der Türsummer betätigte sich und der ergraute Steward der Admiral trat ein, vor sich schob er einen Servierwagen ein. Die beiden Damen grüßte er mit einem „Admiral, Commodore.“ und positioniert den Erfrischungswagen an der Seite des Raums. Vier Tassen, zwei bauchige Weingläser, zwei Kannen, eine Flasche alderaanischen Smaragdweines, den er entkorkte, um den Korken der rothaarigen Offizierin hinzuhalten, die ihn nahm und erst mit deren Einverständnis füllte er ihr ein Glas ein, das er Alynn dann reichte. Der Admiral füllte er den heißen Bentaxbeerentee ein, tat wie immer zwei Stücke Zucker hinzu und stellte den Tee auf ihrem schweren Schreibtisch ab und hinzu einen Teller mit Gebäck. Auf dem Wagen war ein weiterer Teller mit Gebäck, als auch diverse Sandwiches.

„Darf es noch etwas sein?“

Nein Danke, George. Das wäre soweit alles.“

„Immer gerne, Ma'am.“

Mit einer angedeuteten Verbeugung verließ sich der Steward das Büro der Flottenkommandantin und sollte Alynn auch einiges an Zeit verschafft haben, um sich ihre Worte zurecht zu legen.

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn, Elysa
 
[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn

Es war eine Herausforderung – und noch dazu eine mit womöglich fruchtlosem Ergebnis – den Anschein von Gelassenheit und Distanziertheit zu bewahren, als Alynn der Einladung ihrer Vorgesetzten, Lehrmeisterin und… ja… im Grunde vertrautesten Person in dieser Galaxis folgte und sich in den dargebotenen Sessel sinken ließ, während Elysa selbst ihren Steward verständigte, mit Erfrischungen und einem kleinen Angebot an Verpflegung aufzuwarten. Bei der Auskunft, ihre Unterredung könnte sich „eine Weile“ hinziehen, handelte es sich also nicht lediglich um eine Floskel, was Alynns letzte Zweifel daran zerstreute, dass es hier um möglicherweise ranghöheren Offizieren vorbehaltene Details der Operation im Cygnus-Sternenimperium gehen könnte. Das, und die Tatsache, dass Elysa die private Natur der Unterhaltung explizit angekündigt und diese Ankündigung durch eine formlose Anrede noch untermauert hatte. Alynns scheinbare Gelassenheit wurde auf die Probe gestellt – sie schätzte es nicht, sich Situationen zu stellen, deren Parameter ihr nicht im Voraus bekannt gewesen waren, auch wenn ihre Gabe zur Improvisation sich bisher als ausreichend erwiesen hatte, diese ebenso zu meistern. Nun – immerhin stand ihr hier kein Gefecht bevor. Oder vielleicht doch?

Dass die folgenden Minuten sich nicht zum gemütlich-belanglosen Plausch entwickeln würden wurde schnell klar. Natürlich überraschte es Alynn nicht, dass gewisse Gerüchte und Erzählungen innerhalb der Flotte recht rasch auch das Ohr der Flottenkommandantin erreichen würden, wohl aber trafen die Konsequenzen, die sich nach Elysas Worten daraus bereits ergeben hatten, die Commodore dann doch unerwartet. Sie musste zugeben, dass sie ihre militärische Karriere in Bezug auf eine positive Veränderung des Status quo in der Tat vernachlässigt habe, also auch insofern, dass ihr niemals in den Sinn gekommen wäre, dass Elysa womöglich eine bedeutendere Position innerhalb der Dritten Flotte für sie beabsichtigt hatte. Die Enttäuschung Elysas über das Nichteintreffen dieser scheinbar geplanten Entwicklung, wenn schon nicht aus ihrem Tonfall, dann doch aus ihren Worten ersichtlich, hatte zunächst noch keinen äußeren Effekt auf Alynn, doch spätestens, als die Admiral ihn erwähnte spürte sie, wie sich ihr gesamter Körper in einem unbewussten Reflex versteifte.

Sie wusste nicht, welcher Umstand ihr unangenehmer war – der Umstand, dass Elysa diese Dinge derart schonungslos ansprach, oder aber die bittere Tatsache, dass die Flottenkommandantin ohne viel Mühe voll ins Schwarze getroffen hatte, fast so, als könnte sie in ihrer so um Verschlossenheit bemühten Untergebenen lesen wie in einem offenen Buch. Unglücklicherweise gehörte dazu auch die Entlarvung des Selbstbetrugs, mit dem Alynn sich ein Stück weit versucht hatte selbst zu beruhigen – der Glaube nämlich daran, dass die verstörenden Ereignisse der letzten Wochen und Monate auf einen mystischen, externen Einfluss zurückzuführen waren. So manch ein Mitglied des Sith-Ordens mochte Elysas Worte die Macht bezüglich nicht teilen, sie vermutlich als Ketzerei verurteilen, doch Alynns analytischer Verstand ließ ihr kaum eine andere Wahl, als die Worte der Anderen zu akzeptieren. Die Probleme waren schon immer ein Teil von ihr gewesen. Hass, Rachsucht, all das waren keine exogenen Komponenten, die durch die Nähe zur dunklen Seite nach deren Belieben aufflammten und arglose Machtnutzer in ihre Arme trieben. Sie schlummerten in einem – und erst entfesselt brauchten sie ein Ziel. Und wenn dieses Ziel verschwunden war, war es schwierig, sie wieder zu kontrollieren. Nicht die Macht hatte sie ins Chaos gestürzt. Sie selbst war es. Und obwohl sie es im Grunde von Beginn an gewusst hatte, bedurfte es der Worte einer anderen, um diese Erkenntnis voll und ganz zu akzeptieren.

Das kurze, durch das Eintreffen des Stewards verursachte Intermezzo verging, ohne dass es bleibenden Eindruck auf Alynn hinterließ – die Routine hatte sie gut genug im Griff, dass sie, wie von ihr erwartet wurde, kurz am Korken der geöffneten Weinflasche roch – irgendetwas in ihr erinnerte sie daran, dass es sich hierbei um bloßes Schauspiel handelte, eine Geste, die sich vermeintliche Weinkenner (wie man sie im imperialen Offizierkorps wohl zuhauf finden konnte) angewöhnt hatte, um ihre angebliche Kenntnis und guten Geschmack zu demonstrieren – und ihm dann mit einem knappen Nicken bedeutete, dass er mit dem Füllen des Glases beginnen konnte.

Dann hatte der Steward sich wieder mit der Diskretion seines Berufsstandes zurückgezogen und Alynn mit einem Glas gefüllt mir grünlich schimmernder Flüssigkeit zurückgelassen, die ein wenig an die Farbe ihrer eigenen Augen erinnerte – und an die Augen einer weiteren Person, die sich zwar nicht physisch, aber ideell ebenfalls in diesem Raum befand.

„Irgendetwas ist falsch“, sagte Alynn plötzlich, für sie selbst überraschend, fast, als hätte ihr Unbewusstsein unter Umgehung einer bewussten Überprüfung das Wort ergriffen.

„Das Kapitel sollte abgeschlossen sein. Es ist vorbei. Er ist tot.“

Welchen Beweis brauchte es schon, außer jenem Bild, dessen Zeuge Tausende und Abertausende imperiale Soldaten geworden waren? Die Intimidator, der Stolz der imperialen Flotte, geschlagen und in kurzlebigen Flammen aufgehend?

„Aber das ist es nicht…“

Ihre Worte waren wenig mehr als ein Flüstern und überraschten sie umso mehr, schließlich eröffneten sie einen Gedankengang, der ihr bis zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn gekommen war. War es das, was in ihr rumorte? Waren es die Zweifel an einem allgemein anerkannten Fakt?

„Ich habe nie eine Leiche gesehen…. nie einen Beweis…“

Langsam schüttelte sie mit dem Kopf.

„Ist es also die Gewissheit, die fehlt? Ich glaube nicht…“

Es war leicht, zu denken, dass es einfach die Genugtuung war, die fehlte, persönlich für das Ereignis verantwortlich zu sein, von dem sie denken sollte, dass es sie mehr als zufrieden stellte. Dass sie sich um ihre persönliche Abrechnung betrogen fühlte. Doch das war es nicht…

„Es ist nicht die fehlende Gewissheit, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist. Weil es sie nicht geben kann.“

Ihre Augen weiteten sich. War es das, was sie glaubte? Warum? Und warum jetzt?

„Weil das Kapitel nicht abgeschlossen ist…“

Doch was half dieses Hirngespinst in diesem Moment? Elysa hatte ihr Fragen gestellt, von der sie glaubte, dass Alynn sie nicht beantworten konnte. Konnte sie? Wofür kämpfte sie? Was waren ihre Ambitionen? Was bedeutete für sie die Uniform, die sie trug, die Uniform, die er getragen hatte?

„So oder so…“, murmelte sie.

„Ich muss mich mir selbst stellen und aufhören zu versuchen, das Unvermeidbare zu vermeiden.“

Die Körperhaltung der Commodore straffte sich.

„Dann finde ich meine Antworten. Doch ich darf darüber nicht die erste unter ihnen vergessen: wem folge ich?“

Eine kurze Pause entstand.

„Dir.“

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn
 
What it means to be Human.

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn, Elysa


Die äußerliche Ruhe die von Alynn Kratas ausging vermochte es nicht Elysa zu täuschen. Die ruckartigen Augenbewegungen während ihrer Worte und das Vergrößern der Iris war ihr nicht entgangen. Für einen Moment befürchtete die Corellianerin sie müsste gezielter nachfragen und somit möglicherweise Alynn erzürnen, doch die Rothaarige fand in ihrer eigenen Zeit ihre Worte. Und vielleicht auch eine Selbsterkenntnis die sie vorher nicht hatte.

Du hast dir nie erlaubt um ihn zu trauern.“

Die Admiral suchte in ihrem Tee nach den richtigen Worten. Alynn und sie hegten zwar großes Vertrauen zueinander, und es herrschte auch eine Freundschaft zueinander, aber man tat eigentlich nie das was Freunde so füreinander machten. Das Gespräch was sie hier suchte, war vielleicht die erste Prüfung dieser Freundschaft.

In all deinem Hass, war er dennoch immer eine Verbindung zu eurer gemeinsamen Vergangenheit und dabei müssen auch gute Erinnerungen gewesen sein. Er war das letzte lebende Mitglied deiner Familie. Möglicherweise befürchtest du mit ihm auch diese anderen Erinnerungen zu Grabe tragen zu müssen.“

Elysa sah zu Alynn auf.

Vielleicht hast du die Erinnerungen an deine Famlie auch immer irgendwie mit ihm in Zusammenhang gebracht.“

Es folgte ein nachdenkliches Schulterzucken.

Aber ich weiß es nicht.“

Mit der Andeutung eines Schmunzelns spricht Elysa nach einer kurzen Pause weiter.

So wie ich dich kenne, weiß es niemand außer dir.“

Schließlich nimmt der Blick aus ihren blauen Augen die Commodore in die Verantwortung, während sie mit bedächtigen Worten fragt:

Warum hasst du ihn so sehr?“

Lange stehen diese fünf Wörter zwischen den beiden Frauen.

Und warum kannst du mir folgen, wo ich doch den gleichen Weg bestreite wie er?“

Mit schonungsloser Ehrlichkeit, aber auch Verständnis und Akzeptanz, falls Alynn nicht antworten wollte, begegnete Elysa ihrer Vertrauten.

Sag nicht du wüsstest das nicht, dafür bist du zu klug. Wenn überhaupt willst du das vielleicht nicht wahr haben, aber es ist dir spätestens seit der zweiten Schlacht von Bastion bewusst.“

Der Blick der Admiral schweift in die Vergangenheit, während sie selbst jene schreckliche und offenbarende Momente noch einmal durchlebt.

Wäre ich die Sith, die dich einst fand und dir die Macht offenbarte, wäre es mein Thron. Allegious und all die anderen wären im Feuer vergangen. Du wärst meine rechte Hand gewesen bis zu dem Tag, an dem du mich wie es denn Sith so zueigen ist, hintergangen hättest, um entweder zu sterben, oder als neue Imperatorin den Kreislauf der Selbstzerstörung fortzuführen.“

Sachte schüttelt Elysa den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.

Needa und dein Bruder haben versucht diesen Kreislauf zu durchbrechen. Und auch ich habe es mir zur Aufgabe gemacht. Du weißt das. Du weißt, dass meine Worte gegenüber den Kommandanten und Offizieren nicht nur Wortklaubereien sind, sondern meine Überzeugung.“

Alynn wusste es mehr als jeder andere, das Band zwischen ihnen erlaubte ihr die Gefühle bei den Worten zu erspüren. Stolz, Anerkennung und der Wunsch etwas besseres zu hinterlassen.

Ich weiß, dass du deinem Bruder immer zeigen wolltest, dass du besser als er bist. Du wolltest es aus seinem Mund hören. Ich glaube, tief im inneren wolltest du seine Anerkennung. Erst dann hättest du ihn getötet, vielleicht wäre aber der Wunsch ihn tot zu sehen auch in diesem Moment erloschen. Und damals habe ich mir das zu nutzen gemacht.“

Die Admiral seufzt schwermütig aus und nimmt einen weiteren Schluck ihres Tees, bevor sie erneut Alynn anblickt.

Wenn du den Pfad der Vergangenheit fortführst, müsstest du dich mit einer toten Legende messen. Er ist ein Märtyrer, er ist für seine Überzeugung gestorben. So ist nie ein gerechter Vergleich möglich.“

Alles was die Rothaarige schaffen würde, wäre sich selbst aufzureiben, solange bis sich ihr Hass gegen sich selbst wandte. Und dann würde sie sich selbst zerstören. Das wollte Elysa nicht zulassen.

Ich bin deinem Bruder nicht gefolgt, weil ich ihn für den größten Strategen hielt, den das Imperium je gesehen hat. Sondern weil er die Integrität hatte zu wissen, dass das Imperium mit einem Sith an der Spitze niemals gerecht sein kann. Er empfand kein Neid auf Machtnutzer. Er selbst wusste wie verführerisch allein der Posten des Oberbefehlshabers ist und musste lange bearbeitet werden, bevor er ihn auf Drängen der Admiralität annahm. Er wollte das Beste für das Imperium, nicht für sich. Er konnte inspirieren und diesen Wunsch, diese Vision verbreiten. Man kann einen Soldaten dafür bezahlen, dass er eine Waffe abfeuert, man kann ihn bezahlen einen Hügel zu erstürmen, aber man kann ihn nicht dafür bezahlen an etwas zu glauben. Dein Bruder gab den Streitkräften den Glauben, dass man für etwas kämpfte, dass größer als man selbst war. Deshalb waren ihm Millionen bereit zu folgen.“

Elysas Wangenknochen traten hervor, die Zähne fest zusammengebissen, die Wut erwürgend die sich in ihr aufbaute. Die Augen andeutungsweise zusammengekniffen fuhr sie schließlich fort.

Und dafür musste er sterben.“

Hätte er den Tod nicht in der Schlacht gefunden, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen bis Allegious nach seinem Tod trachtete.

Dass ausgerechnet Allegious ihn zum Helden und Märtyrer ernannte und das Andenken an deinen Bruder für sich verwendet treibt mir die Galle hoch. Allegious steht für alles wogegen dein Bruder und andere vor ihm kämpften.“

Es war eine Perversion. Eine Perversion die so gut zu Allegious und den Sith passte.

Ich schätze diese Erklärung, warum ich Nereus folgte, bin ich dir schon lange schuldig. Es ist auch nicht meine Intention, dass du sie teilst, sondern dass du weißt, warum ich viel von ihm hielt und noch immer halte. Er war fürwahr nicht frei von Fehlern, aber das behauptete er auch nie. Er tat immer was er für richtig hielt und brachte schließlich das höchste Opfer für seine Überzeugung. Das ist es, was ich an ihm respektiere und anerkenne.“

Elysa rechnete sich sehr wohl eine eigene Schuld an Alynns derzeitigen Gemütszustand an. Sie hatte es nicht gesehen, was mit ihr Geschah, hatte sich in ihre Aufgaben gestürzt und Alynn immer als unbezwingbare Gigantin, als Fels in der Brandung gesehen. Aber Wasser trägt mir der Zeit den Fels ab. Es war eine andere Seite an Alynn, die sie nun wahrnahm. Ein Funke Menschlichkeit, ein Funke, der hoffentlich nicht versiegte, sondern auflebte.

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn und Elysa
 
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[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn

Trauern. Natürlich hatte sie sich nie erlaubt, um Nereus zu trauern. Denn warum sollte sie es auch – selbst, wenn er tatsächlich auf der Intimidator den Tod gefunden hatte? Natürlich war er das letzte Bindeglied zu ihrer Vergangenheit vor der imperialen Akademie gewesen, bevor man ihr den Kopf kahl geschoren und ihr die erbarmungslose Kaderschmiede der imperialen Streitkräfte gezeigt hatte, ohne einen Weg zurück. Doch das waren Erinnerungen, die sie nicht umsonst an den dunkelsten Ort ihres Bewusstseins verbannt hatte, Erinnerungen an Demütigung, Frustration… Wann hatte sie das letzte Mal an ihre Eltern gedacht? Oder an Fondor? Elysa zwang all diese Erinnerungen mit ihrer Hartnäckigkeit zurück an die Oberfläche, sodass Alynns Lippen sich zu einer schmalen, fast gänzlich weißen Linie zusammenpressten. Sie hatte gedacht, all das hinter sich gelassen zu haben. Zweimal. Zum ersten Mal, als sie ihr kahlköpfiges Selbst in einem Spiegel in einem der Waschräume der Akademie betrachtet hatte. Und ein zweites Mal, als Elysa ihr eine einfache Anweisung gegeben hatte: Erhebt Euch. Und sie hatte sich erhoben – und nicht nur die Erinnerungen an Fondor, sondern auch jene an die Akademie tief in ihrem Inneren vergraben. Mit dieser zweiten Begebenheit ließen sich im Grunde alle Fragen beantworten, die die Andere ihr gestellt hatte – und alle vermeintlichen Inkonsistenzen auflösen.

„Er hatte es immer recht einfach, nicht wahr?“, entfuhr es ihr plötzlich, eine als Frage verkleidete Feststellung, die ihr selbst ein zynisches Lachen entlockte.

„Nun, er hätte es wohl einfacher haben können, hätte er sich mit all seiner… Ehre nicht mehr als einmal mit den falschen Personen überworfen.“

Eine öffentliche Auspeitschung, das musste wehtun – und nicht nur körperlich. War sie am Ende sogar bereit, einzugestehen, dass ihr Bruder nicht immer den Weg des geringsten Widerstands gegangen war, den seine Privilegien ihm zweifelsohne geebnet hatten?

„Aber ich glaube nicht, dass er auf der Akademie je von fünf Mitkadetten in die Ecke getrieben wurde, die ihm seine…“

Sie schluckte mühsam und spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen.

„Die ihm seine Würde nehmen wollten.“

Alynns Stimme war furchtbar heiser. Sie hatte sich geschworen, nie über dieses Kapitel ein Wort zu verlieren. Zu niemandem. Absolut niemandem. Jedes Wort, auch nur jede Andeutung war zu viel, zu viel der Offenbarung jener qualvollen Minuten, in denen sie sich so verletzlich und ohnmächtig gefühlt hatte wie nie zuvor.

„Ich glaube nicht, dass er sich von ranghöheren Offizieren zweideutige Offerten hat anhören müssen… oder Drohungen. Und ich glaube nicht, dass er auf einer veralteten Korvette im Zolldienst versauert wäre, hätte ihm das Schicksal nicht eine bis dahin unbekannte Tür geöffnet.“

Ein wenig erhellten sich ihre Züge.

„Wobei es ja nicht das Schicksal war, das diese Tür geöffnet hat.“

All das, wofür er gestanden hatte, was er versucht hatte, für die Flotte und das Imperium zu erreichen, all das hatte tatsächlich nie eine Rolle gespielt für die Gefühle, die sie angesichts ihres Bruders empfand. War er am Ende für sie trotzdem nur ein Symbol gewesen – ein Symbol für ein System, das sie verachtete, nachdem sie aus dessen ketten befreit worden war? Eine Gallionsfigur, die sie stellvertretend für alle anderen bezahlen lassen wollte? War sie wirklich so irrational? Sie hatte nie den Anlass dazu gesehen, das alles zu reflektieren – zu nützlich war ihr die daraus erwachsende Entschlossenheit erschienen, die unnötige Skrupel erstickte und ihr den Weg nach vorne bereitete. Sie hatte allen ihren Wert beweisen wollen – auch ihm – um in Anschluss mit ihnen zu verfahren, wie immer es ihr gelüstete.

Der Wandel der Flotte, der Konflikt zwischen den Sith – der Institution – und Offizieren wie Needa und Nereus, all das hatte für sie keine Rolle gespielt. Natürlich wusste sie, dass es dieses Ideal war, dem auch Elysa sich verschrieben hatte und natürlich erkannte sie die Sinnhaftigkeit dahinter – und hatte sich längst unwiderruflich einer Seite in diesem Konflikt verschrieben. Doch war es nicht ironischerweise das, was sie von Nereus und Needa unterschied – was sie und Elysa von diesen beiden Männern unterschied – das es ihr überhaupt erst ermöglicht hatte, in eine Position zu gelangen, in dem sie die Welt um sie herum aktiv formen konnte?

„Es hat mich nie wirklich gekümmert, wer auf dem Thron sitzt. Oder ob ich einst selbst dort sitzen würde. Doch dass solche Überlegungen nicht vollkommen absurd sind… dass ich mich zur Herrin meines eigenen Schicksals erhoben habe… das alles habe ich einem Umstand zu verdanken. Und einer Person.“

Langsam, sehr langsam, entspannten sich ihre Muskeln, die sich wie unter unsichtbaren Schlägen verkrampft hatten mit jeder Sekunde, die ihre Erinnerungen auf sie eingeprasselt waren.

„Und die Feinde dieser Person werde ich bis zum letzten Atemzug bekämpfen, was es auch bedeuten mag. Und wenn es bedeutet, gewisse Dinge… anzuerkennen oder zu überdenken…“

Sie schüttelte langsam mit dem Kopf. War da plötzlich diese Last verschwunden, weil sie die Rolle ihres Bruders neu überdacht hatte – oder weil sie Elysa gegenüber Dinge zumindest andeutungsweise offenbart hatte, die nie eine Person hätte hören sollen?

„Dann sei es so.“


[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn
 
[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn und Elysa

Es lag tatsächlich ein neues Kapital vor Alynn Kratas. Ein Kapital dass sie zwang mit sich selbst und ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Einer schmerzvollen Vergangenheit. Und dem Eingeständnis, dass auch sie eine verwundbare, menschliche Seite hatte, unter dem eisigen Panzer den sie vor langem anlegte und wie eine zweite, unverletzliche Haut für sie geworden war. Aber so funktionierte das Leben und die eigene Gefühlswelt nun einmal nicht.

Elysa fragte sich schon lange, was die rothaarige Commodore zu einer so harten Frau hatte werden lassen. Aber was Alynn schilderte schockierte die Corellianerin gehörig und in ihren Zügen zeichnete sich Mitgefühl, nicht zu verwechseln mit Mitleid, ab.

Nein. Nein, das wurde er sicherlich nicht. Aber er war nicht die Person solche Dinge zu veranlassen oder einfach zuzusehen, dass seiner Schwester so etwas widerfährt, wenn sie es ihm erzählt hätte.“

Alynn Kratas war eine starke Frau, aber genau diese eigene Stärke hatte sie zum Opfer ihres eigenen Stolzes werden lassen. Sich selbst Vorwürfe zu machen, ihren Zorn und Hass konzentriert auf ein Ziel: Ihren Bruder aufzuzeigen, dass sie besser als er war, entgegen aller Widrigkeiten die das Universum für sie bereit hielt. Und mit Nereus Tod gab es für ihre Wut kein Ventil mehr. Der Druck staute sich auf und führte zu den ersten Rissen. Die Signale waren schon länger da und vielleicht hätte Elysa es früher erkennen sollen, aber sie war in ihrer eigenen Arbeit vertieft und hatte darüber hinaus den Blick für Alynn verloren.

Du solltest dir erlauben das aufzuarbeiten. Ich bin gerne da um zuzuhören, aber ich kann dir nicht im gleichen Umfang helfen wie das bei professioneller Hilfe möglich ist. Wenn du willst kann ich diskret mit Major Jez sprechen, sie hat die medizinische Leitung der Avenger inne und nimmt die ärztliche Schweigepflicht äußerst ernst. Aber wenn du lieber mit mir reden willst finden wir auch dazu die Zeit.“

Die Corellianerin zeigte ein zuversichtliches Schmunzeln und nickte freundlich, bevor sie schließlich einen weiteren Punkt aufgriff. Denn Elysa sah in der rothaarigen Commodore weit mehr als jemand der schlicht folgte. Alynn Kratas hatte sehr wohl das Talent und die Fähigkeit zu führen, aber sie stellte sich bereitwillig in ihren Schatten. Etwas, dass Elysa weder verlangte, noch wollte, wenngleich es sie ehrte.

Alynn du warst schon immer deine eigene Person. Du hat alles in deinem Leben selbst erreicht, durch dein Können, deine Entschlossenheit und Intelligenz. Nicht etwa im Fahrtwasser einer anderen Person, weder Nereus noch meines. Du hast mein ursprüngliches Interesse geweckt, weil du ein Schiff mit Effizienz und Entschlossenheit geführt hast, entgegen aller Hindernisse diese Position errungen hast. Allein das Kommando über ein Schiff zu führen, ganz gleich wie bedeutend, in einer Flotte die Abermillionen von Offizieren hat, ist eine außergewöhnliche Leistung.“

Elysa lehnte sich zurück und zog die Tasse Tee näher an.

Die Flotte ist ein Herrenklub, da muss man nicht drumherum reden. Als Frau muss man weit mehr leisten als ein Mann, um in eine vergleichbare Position zu rücken. Eine objektive Beurteilung gibt es nur in den wenigsten Fällen, und bürokratische Missverständnisse, wie Beispielsweise die Gültigkeit deiner Beförderung zur Commodore, finden auch statistisch bei Frauen öfter statt. Wer da an Zufall glaub, ist weit mehr als naiv.“

Ja, es war schon ein starkes Stück gewesen, dass man ihre Beförderung zwei Jahre stillschweigend ausgelassen hatte, obwohl Darth Phollow selbst sie auf Corellia verfügte. Angeblich war es ein Bürokratiefehler und Alynn Kratas hatte sich nie beklagt, erst im Gespräch mit dem Oberkommando selbst, war der Punkt herausgekommen. Die Dienstjahre wurden Alynn zwar gutgeschrieben und auch die finanziellen Aspekte kompensiert, aber die Erfahrung in der Position und die somit einhergehenden Karriereaussichten konnte ihr niemand ersetzen.

Aber genauso gut muss man anerkennen, dass sich die Zeiten wandeln. Es gibt Kommandanten die viel mehr an Leistungen interessiert sind, denn als Geschlecht, Rasse oder Familienherkunft. Es gibt Offiziere die im Imperium eine Meritokratie sehen und dieses Gedankengut in der Flotte verbreiten und umsetzen. Nereus war einer davon. Und auch heute gibt es im Oberkommando mindestens zwei Offiziere die es so sehen und halten. Nicht zuletzt haben wir in der dritten Flotte die Möglichkeit eine ganze Generation an Offizieren entsprechend zu prägen. Wie heißt es so schön, man muss vorleben, was man predigt. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir dabei hilfst.“

Die Frage war auch, ob Alynn ihren Kommandostil so weiterführen konnte und würde, oder ob sie sich in dem Bereich nicht auch verändern müsste.

[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Alynn und Elysa
 
[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn

Nachdenklich starrte Alynn in die funkelnd-grüne Flüssigkeit, die ihr an die Lippen geführtes Trinkgefäß füllte, bevor sie selbiges mit einem kräftigen Zug leerte. Es amüsierte sie fast ein wenig, dass wohl jede andere Person in dieser Galaxis, hätte sie ihr professionelle Beratung in Bezug auf ihren inneren Zustand nahegelegt, wohl um ihr Leben, auf jeden Fall aber um ihre Unversehrtheit hätte fürchten müssen. Hier, in diesem Moment, konnte sie stattdessen nicht anders, als diese Worte zu akzeptieren wie einen jeden anderen Vorschlag in einer rein sachorientierten Debatte, das Für und Wider abzuwägen, auch wenn sie nicht sofort zu einem Entschluss kam. In anderen Aspekten jedenfalls waren Elysas Worte ohne jeden Zweifel überzeugend – auch wenn sie sich bewusst war, dass es ihr weiterhin leichter fallen würde, den Kurs, den ihre Mentorin mit der dritten Flotte zu verfolgen gedachte, als deren ureigenes Projekt zu betrachten, ohne irgendeine Verbindung zum Vermächtnis ihres Bruders. Dafür war die Zeit noch nicht reif genug. Und dann war da auch noch dieses seltsame… Gefühl, diese kaum greifbare Ahnung, dass irgendetwas nicht so war, wie es schien.

Die Hauptsache erschien ihr in diesem Moment, dass sie weiterhin bereit war, Elysa in ihrem Anliegen zu unterstützen – nicht, dass daran jemals Zweifel bestanden hätten – und folglich jene Mängel abstellen musste, die ihre eigene Stellung innerhalb der dritten Flotte unterminierten – und damit mittelbar auch die Position der Befehlshaberin. Dass sie beide ein Vertrauensverhältnis verband durfte wenig mehr sein als ein offenes Geheimnis und natürlich bedeutete das, dass ehrgeizige oder einer entschieden anderen Doktrin anhängende Offiziere dies durch die Diskreditierung eines, des schwächeren Endes dieser Verbindung zu nutzen machen konnte. Dies implizierte in ihren Augen allerdings nicht gewisse philosophische Unterschiede zwischen ihnen beiden, was die Führung ihrer jeweiligen Schiffe anbelangte. Zumindest nicht vollständig.

„Wenn das Ziel eine nachhaltige Veränderung von Strukturen und Konzepten ist, dann liegt ein langer Weg vor uns“, bemerkte sie schließlich trocken.

Dies machte alleine der teilweise nahezu komödiantisch aussichtlose Kampf gegen die Ignoranz gewisser Offiziere deutlich, die die Vorzüge eines bewussten und informierten Einsatzes von Sternenjäger nicht akzeptieren wollten. Den Führungsoffizieren der dritten Flotte hatte Elysa spätestens im Rahmen der großen Gefechtsübung eine gehörige Lektion erteilt, aber ob ihre Überzeugungen dadurch vollends hatten getilgt werden können, würde womöglich frühestens die Operation der Flotte bei Cygnus offenbaren, mit potentiell ungünstigen Konsequenzen. Eines war klar: einen Fehlschlag im Sternenimperium konnten sie sich im doppelten Sinne nicht leisten. Erstens würde ein solcher Elysas Ansehen in der Flotte schaden und ihren Gegnern reihenweise Argumente liefern und zweites wäre ein Verlust der im Sternenimperium hergestellten Jägerfabrikate fast gleichbedeutend mit einem Todesstoß für jedwede Modernisierung des Umgangs der imperialen Flotte mit Sternenjägern. Viel stand auf dem Spiel – und Alynn hatte Elysas und ihre eigene Zeit mit ihren eigenen Dämonen vergeudet.

„Ich weiß, was bei Cygnus auf dem Spiel steht“, sagte sie daher schließlich.

„Nicht nur für ein geschwächtes Imperium. Und ich weiß, was von mir erwartet wird. Ich werde dich nicht enttäuschen.“

Alynns Körperhaltung straffte sich sichtlich und tatsächlich hatte sie ein wenig das Gefühl, dass zumindest ein Teil der Last von ihr gewichen war- Zumindest genug, um einen Pfad in eine ermunternde Richtung erkennen zu lassen.

„Admiral. Ich denke, die Dritte Flotte ist bereit.“


[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn
 
[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Flaggbrücke]- Elysa, Stabsoffiziere und Besatzungsmitglieder

Die dritte Flotte formierte sich zum Auslaufen und um nichts in der Galaxie hätte Elysa das verpassen wollen. Die sechs Sternenzerstörer hatten bereits die Oktaederformation eingenommen, jede der sechs Ecken wurde durch eines der mächtigen Kriegsschiffe gedeckt. Auch wenn dreidimensionale Formationen in der Raumkriegsführung eher unüblich waren, hatte sie sich doch dafür entschieden. Gerade da Piraten und andere irreguläre Streitkräfte sich nicht dazu berufen fühlten konventionelle Methodiken zu verwenden. Den Luxus hatten sie schlicht und ergreifend nicht. Den Oktaeder hatte Elysa gewählt, da es ihr erlaubte, im Ernstfall, allen Außenbereichen Unterstützung durch die schweren Geschütze der Schlachtschiffe zukommen zu lassen. Ebenso bot der Innenraum des Oktaeder einiges an Volumen, so dass sich die vierzehn Unterstützungsschiffe der dritten Flotte anordneten und über einen hervorragenden Schutz verfügten. Bei einem andauernden Einsatz, wie man es bei den Ereignissen im Cygnus Sternenimperium erwartete, würden die Unterstützungsschiffe ein elementarer Bestandteil für einen erfolgreichen Verlauf der Operation darstellen. Dennoch hatte die dritte Flotte wenig Spielraum im Bezug auf Nachschub und so galt es ein Argusauge auf die wertvollen, aber kampfschwachen Schiffe zu haben.
Die Auflistung verdeutlichte es nochmal: Vier Modulare Task Force- Kreuzer, zwei davon für Reparatur und Wartung ausgerüstet und die Materialbunker dementsprechend vollgepackt mit Rohmaterialien um ggfs. entsprechende Ersatzteile zu fertigen. Einer der MTCs war als Hospizschiff deklariert und erkennbar und der letzte MTC als Observationsplattform, dazu kammen die beiden gewaltigen Transporter der ICS-Klasse, einer davon in der Variante des Tankers, die vier Sternengaleonen als Flottentender und abschließend zwei Fregatten der MedStar-Klasse. Sie alle fanden Schutz im inneren der Fromation, begleitet von sechszehn Korvetten.


Außerhalb des Oktaeder ordneten sich die verbliebenen Schiffe in Divisionsstärke, dreidimensional um den Kern der Formation an, vierzehn Kreuzer, zwanzig Fregatten und nochmals sechszehn Korvetten. Mit dem bloßen Auge konnte man meist nur die Triebwerkssektionen der Schiffe erkennen, dennoch wurde der gewaltige Aufwand ersichtlich. Vierundachtzig Schiffe, die getrieben von der gemeinsamen Pflicht im Gleichtakt agierten. Ein beeindruckender Anblick, auch wenn der dritten Flotte im Vergleich zu den anderen Gefechtsflotten des galaktischen Imperiums die schweren Schiffe fehlten. In diesem Moment war sich Elysa dennoch sicher, dass sie ihre Streitmacht gegen jede der anderen Gefechtsflotten bestehen könnte. Der Schwerpunkt ihrer Flotte lag auf strategischer und taktischer Flexibilität, es ging nicht darum Entscheidungsschlachten zu forcieren, sondern die Kontrolle über das Schlachtfeld, sei es Sektor oder System, gleichermaßen ausüben zu können. Im Vergleich zu dem was vermeintliche Kriegslords oder unabhängige Systeme oder Sternennationen aufboten konnten, war es dennoch eine gewaltige Streitmacht. Ein Symbol für die Stärke und Entschlossenheit des Imperiums. Genau so würde man wahrgenommen werden: Als verlängerter Arm des Imperiums.




Die Handlung der dritten Flotte würde somit auf das Imperium zurückfallen. Vielerorts würde man die Aktionen der Dritten insbeondereals ihre Handlungen und Entscheidungen betrachten. Erfolg oder Versagen würden an der Flottenkommandantin haften bleiben wie Mynocks an einem Raumschiff. Aber nicht deshalb hatte Elysa ein flaues Gefühl im Magen, sondern wegen der massiven Verantwortung über hunderttausende von Leben. Das war noch einmal eine ganz andere Größenordnung als bei der Evakuierung von Corellia, nur bei der zweiten Schlacht von Bastion hatte sie eine noch größere Anzahl an Schiffen und Soldaten befehligt, nachdem Großadmiral Nereus Kratas verstorben war. Aber es war ein Unterschied, diese Verantwortung aus der Situation heraus zu erhalten, wo es kein Zögern geben durfte oder gezielt daraufhin zu arbeiten und die Verantwortung eines Tages tatsächlich zu erhalten. Im Wissen, dass nicht alle Besatzungsmitglieder die hier ausliefen wieder zurückkehren würden. Dass diese Wesen in sie vertrauten, dass ihr Tod niemals vergebens sein würde.



Demut war das Gefühl was sie empfand als alle Schiffe vermeldeten, dass ihre Position in der Formation eingenommen hatten und man den Sprungpunkt in zwei Stunden erreichen würde. Dass vier Korvetten schon vor einigen Wochen aufgebrochen war, hatte für Spekulation gesorgt. Offiziell waren die Schiffe auf einer Trainingsmission, aber sie waren längst vor Ort, ein Umstand den die Flottenkommandantin bisher nur mit ihrem Vizeadmiral besprochen hatte, ebenso dass noch vier weitere Schiffe, vor zwei Tagen aufgebrochen waren. Der Schiffstypus war im bisherigen Krieg noch nicht eingesetzt worden und vermutlich würde die dritte Flotte nicht darüber verfügen, wenn Elysa nicht einst Teil des Oberkommandos gewesen wäre und gezielt danach gefragt hatte. Die Viper-Klasse würde sich erst noch beweisen müssen. Sie war eigentlich als Handelsstörer konzipiert und verfügte über ausgezeichnete aktive, als auch passive Sensoren. Ihre Sensormaske machte es nahezu unmöglich diesen Schiffstypen auf große Distanz zu entdecken, genau genommen hatte kein Schiff der dritten Gefechtsflotte die Viper-Klasse auch nur bei den Manöverübungen entdeckt. Ein weiterer Punkt, weshalb Elysa dem ehemaligen Verantwortlichen der Forschung&Entwicklung von Kriegsmaterial zustimmte, dass sich diese Schiffe auch hervorragend als verdeckte Aufklärer eigneten. Genau in dieser Rolle waren sie nun tätig, so dass die dritte Flotte bei keinem der Sprungpunkte eine Überraschung erfahren sollte.



Dennoch lag ein langer und steiniger Weg vor einem, wie sie Alynn vor dem Ende des Gespräches nochmals bekräftigte. Aber Cygnus wäre ein wichtiger Schritt, nicht nur für das Imperium, sondern insbesondere die dritte Flotte. Dort könnte man das Makel Corellias hinter sich lassen und einen ehrenvollen Neuanfang erwirken.


[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Flaggbrücke]- Elysa, Stabsoffiziere und Besatzungsmitglieder
 
[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD II Accuser, Brücke]- Alynn, Captain Asakawa, Lieutenant Commander Devila, Brückenbesatzung

Auf der Brücke der Accuser herrschte arbeitsames Schweigen, ein Umstand, der möglicherweise auch auf die Präsenz des Flaggoffiziers zurückzuführen war. Nach ihrer Rückkehr von der Avenger hatte Alynn unverzüglich die Brücke ihres Flaggschiffes aufgesucht, um die Vorbereitungen für den Sprung ins Cygnus-Sternenimperium zu überwachen. Seinen Platz in der zu wählenden Formation hatte der majestätische Sternenzerstörer problemlos eingenommen, doch trotzdem fiel der Commodore mit einem leichten Schmunzeln auf, dass insbesondere Commander Devila nervös von Station zu Station schritt und sich zuletzt in ein längeres Gespräch mit dem Navigationsoffizier vertiefte, wohl, um sicher zu gehen, dass die Berechnungen der bevorstehenden Hyperraumsprünge absolut reibungslos und im Einvernehmen mit dem Rest der Flotte durchgeführt.

Captain Asakawa wirkte da deutlich gelassener. Alynns Flaggkommandantin schien die letzten Wochen dazu genutzt zu haben, eine ordentliche Portion Selbstvertrauen zu tanken, was nicht nur ihre Wortergreifung auf der Flottenkonferenz bewies. Ohne jegliche Scheu begegnete sie dem musternden Blick ihrer Vorgesetzten und genehmigte sich in aller Seelenruhe einen kleinen Schluck aus ihrer Tasse Tee, die sie sich von ihrem Steward angesichts ihrer schätzungsweise langen Aufenthaltszeit auf der Brücke hatte bringen lassen. Der Blick, den sie ihrem ersten Offizier zuwarf, als dieser sein Gespräch schließlich beendet hatte, hatte beinahe etwas Großmütterliches.

„Die Berechnungen für die Sprungabfolge sind abgeschlossen“, meldete Devila mit leicht verkniffenem Gesichtsausdruck.

„Wir warten nur noch auf die Einleitung des Countdown durch das Flaggschiff.“

Alynn sparte sich jedweden Kommentar darüber, dass auch mehr als genug Zeit zur Verfügung gestanden hatte, um die Berechnungen abzuschließen – fast zwei Stunden hatte es gedauert, bis die Flotte ihren vereinbarten Sprungpunkt am Rande des Systems, außerhalb aller störenden Schwerefelder und ziviler Verkehrsströme, eingenommen hatte, um den ersten Sprung einzuleiten. Umbara war ihr erstes Ziel, ironischerweise eben jene Welt, auf der der Friedensvertrag zwischen Imperium und Republik zustande gekommen war und deren Regierung sich als verlässlicher Partner des Imperiums erwiesen hatte – das zumindest ging aus den Dossiers hervor, die man Alynn zur Verfügung gestellt hatte. Mehr wussten vermutlich Elysa und vielleicht ihr Stellvertreter, Vizeadmiral Vanwyk. Zum Zeitpunkt der Friedensverhandlungen jedenfalls hatte Umbara noch nicht zum Imperium gehört, aber wenn die Dritte Flotte die Welt als ihren ersten Transitpunkt auf dem Weg nach Cygnus ausgewählt hatte, war das womöglich mittlerweile anders – wenn nicht de iure, dann doch zumindest de facto.

„Das Flaggschiff signalisiert: Sprungbereitschaft herstellen.“

Die Meldung des Kommunikationsoffiziers erstickte dann auch das letzte Flüstern auf der Brücke der Accuser. Captain Asakawa warf Alynn einen flüchtigen Blick zu, erntete ein leichtes Nicken und erwiderte dann:

„Bestätigen Sie. Navigation. bereithalten und auf Initialisierung des Countdown warten.“

„Im Standby!“

„Countdown eingeleitet!“

„Sprung in 10… 9… 8… 7… 6… 5… 4… 3… 2… 1…“

Ein wenig bedauerte Alynn, dass sie sich in diesem Moment auf der Brücke eines der Schiffe befand, die Rendili durch ihren Sprung in den Hyperraum verließen. Für einen Betrachter wäre das Bild der perfekt in Formation praktisch verschwindenden Schiffe gewiss ein Bild für die Ewigkeit gewesen…

[Hyperraum, ISD II Accuser, Brücke]- Alynn, Captain Asakawa, Lieutenant Commander Devila, Brückenbesatzung
 
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