[Shinbone-System | Weltraum | Am Rand des Systems | CC9 Ax] Joya No
Wie aus dem Nichts erschien die corellianische CC-9600-Fregatte im Normalraum und trieb dem Zentralgestirn des Shinbone-Systems entgegen. Sie hielt die Geschwindigkeit, die sie beim Eintritt in den Hyperraum gehabt hatte: Noch immer wirkte eine Beschleunigung, die Hunderte Lichtjahre von hier entfernt stattgefunden hatte, bevor mit der Masse der Ax auch ihre Energie aus der ›normalen‹ Realität verschwunden und hier wieder aufgetaucht war. Mit ihrer flachen, abgerundeten Form und den ausladenden Flossen am Bug wirkte das hellgraue Sternenschiff wie ein großes Meerestier, doch mit über 400 Metern Länge war es um ein Vielfaches größer, als solche Kreaturen für gewöhnlich wurden. Nicht besonders imposant im Vergleich mit vielen anderen Kriegsschiffen, aber doch vermutlich weit mächtiger als alles, was in den letzten Jahren dieses entlegene System am Rand zwischen dem Instrop-Sektor und dem Wilden Raum besucht haben mochte. Es sei denn, die Informationen des Flottenkommandos hatten Recht: In diesem Fall befand sich hier ein Raumfahrzeug, gegen das selbst ein imperialer Sternenzerstörer wie ein kleines Eskortschiff aussah. Oder es hatte sich hier befunden. Sie würden sehen.
»Commander, sollen wir die Bergbaukolonie auf Shinbone kontaktieren?« fragte Joya Nos Erster Offizier.
»Nein. Sie haben uns hier draußen sicherlich noch nicht bemerkt, da will ich keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Wir sehen uns zunächst in Ruhe um. Steuermann, setzen Sie Kurs auf das Zentralgestirn. Sensorstation, scannen Sie das gesamte System auf Raumschiffe, andere künstliche Objekte, Energiesignaturen und Antriebsrückstände!«
Eifrig machten sich die Offiziere an die Arbeit. Alle Stationen waren bemannt, die Sensorik sogar doppelt. Da der Kaminoaner nicht wusste was auf ihn zukam und ein sehr gründliches Wesen war, hielten sich im Hintergrund der Brücke außerdem zwei Reserveleute bereit, die zur Not überall einspringen konnten, wo sie gebraucht wurden. Für seine Mannschaft, die Brückenoffiziere eingeschlossen, schien die Suche nach der Subjugator so etwas wie ein spannendes Abenteuer zu sein, eine Art Schatzsuche. Immerhin jagten sie einem Schiff hinterher, um das sich zahllose Legenden rankten und das ihre Phantasie beflügelte. Viele vermuteten, dass es sie überhaupt nicht gab und sie nur einem Phantom nachjagten. No wusste nicht was er darüber denken sollte. Er fand aber auch nicht, dass ihm dazu ein Urteil zustand und verfrühte Spekulationen über den Ausgang ihrer Mission der Sache dienlich waren. Sie sollten die Fakten zusammentragen, nicht den Sagenschatz um das altrepublikanische Super-Schlachtschiff noch um ein paar Facetten erweitern.
Joya No interessierte sich für das Schiff selbst nur am Rande. Ihm war nur wichtig, die ihm übertragene Aufgabe - die erste, die er ganz eigenverantwortlich und ohne einen direkten Vorgesetzten in erreichbarer Nähe durchführen sollte - so gut wie möglich zu erledigen. Der Fund der Subjugator würde Prestige einbringen und positive Aufmerksamkeit auf seine Personalie ziehen, aber wenn es sich als Falschmeldung herausstellte, war es ihm genauso recht. Vorausgesetzt, das Ergebnis war eindeutig und bescheinigte ihm ein gründliches, effizientes Vorgehen, das ihn für weitere verantwortungsvolle Aufgaben qualifizierte.
»Zwölf große Gravitationsquellen«, meldete die Sensorikstation nach kurzer Zeit. »Ein Stern Typ Thesh, vier Planeten, sieben Monde. Nur ein Orbit in der habitablen Zone. Datailscans laufen.«
Das konnte eine Weile dauern. Die Ax war kein Forschungsschiff und hatte auch keine Aufklärer in den Hangars. Ihre Sensoren waren nicht zum Vermessen von Sternensystemen ausgelegt wie beispielsweise die der Astrogator-Klasse, deren trivialer Beiname ›Flunder‹ nicht über ihre Effizienz hinwegtäuschen konnte. Sie waren eher für die Belange eines Raumkampfes ausgelegt. Also eigentlich auch zum Aufspüren eines versteckten Kriegsschiffs - und darauf setzte der Kaminoaner.
»Entdecken mehrere kleinere Objekte: Zirka 2.000 Asteroiden und Kometen im Scanbereich, hochgerechnet auf das gesamte...«
»Halt, Lieutenant!« fiel der Commander der Ferroanerin harsch ins Wort. »Der Befehl lautete ausdrücklich, nach künstlichen Objekten zu scannen. Ich will einen Überblick über die Aktivitäten im System und eine Positionsangabe unseres Zielbojektes; nicht dem astrographischen Institut die Arbeit abnehmen!«
»Ja, Sir«, sagte sie.
Falls sie sich ärgerte oder die Zurechtweisung ihr peinlich war, verbarg sie es gut. Ganz wie Commander No es von seinen Untergebenen erwartete. Offen zur Schau gestellte Emotionen und Kritik an seinem Kommandostil hatten auf seiner Brücke nichts verloren. Die Sensorik machte nun vorläufig keine überflüssige Meldung mehr, sondern konzentrierte sich auf ihre Instrumente. Der Kaminoaner hoffte, dass man erst wieder sprechen würde, wenn man etwas vorzuweisen hatte.
Das dauerte eine geraume Weile. Die vor den Brückenfenstern nur als Lichtpunkte erkennbaren Himmelskörper des Planeten änderten deutlich ihre Position vor dem Sternenhimmel, als die Ax Lichtsekunde um Lichtsekunde näher kam. Der Planet Shinbone mit seiner kleinen, unbedeutenden Minenkolonie kam in Scanweite, als sie noch etwa 12 Astronomische Einheiten von dessen Sonne entfernt waren und diese alle anderen Himmelskörper längst deutlich überstrahlte. Erst jetzt meldete sich die menschliche Kollegin der Ferroanerin zu Wort.
»Sir, es gibt im gesamten System kaum messbare Antriebsrückstände. Im Orbit über der uns zugewandten Hemisphäre von Shinbone befinden sich nicht mehr als ein Dutzend Satelliten. Kein Schiffsverkehr außerhalb der Atmosphäre zu beobachten.«
Das entsprach in etwa dem, was No erwartet hatte. Mit regem Treiben durfte man hier nicht rechnen. Wahrscheinlich kam nur alle paar Wochen ein Versorgungsschiff oder Händler hier vorbei, um Lebensmittel oder Ausrüstung gegen die Erträge der Bergleute zu tauschen. Da der Abbau auf dem Planeten selbst stattfand und nicht beispielsweise auf Asteroiden oder einem benachbarten Mond, gab es auch keinen regen Austausch mit anderen Himmelskörpern des Systems, die allesamt unbewohnt waren. Der Kommandant konnte sich gut vorstellen, dass selbst ein Schiff von der Größe der Subjugator hier jahrelang durchs All treiben konnte, ohne jemandem aufzufallen.
Ein paar Minuten später gab es die nächsten Neuigkeiten. Die Zahl der Satelliten wurde korrigiert und die Ionenspuren der Antriebe einer genaueren Betrachtung unterzogen, die aber nichts weiter ergab, als dass im Lauf der letzten Tage mindestens ein kleineres Schiff den Planeten angesteuert hatte. Nichts deutete jedoch darauf hin, dass jemand das System gezielt nach etwas durchsucht hatte. Es schien nicht so, als hätten No und die Ax Konkurrenz. Aber bisher gab es ja auch nichts, worum sich ein Streit gelohnt hätte.
Doch plötzlich fiel die Ferroanierin der Menschenfrau mitten in deren Bericht ins Wort.
»Commander No, ich habe hier etwas!« verkündete sie aufgeregt. »Ein auffälliger metallischer Körper. Die Masse stimmt mit der Subjugator überein!«
»Keine Spekulationen!« befahl No. »Wir wissen noch nicht ob es sich bei dem gesuchten Objekt tatsächlich um die Subjugator oder überhaupt um ein Schiff handelt. Bis zur Identifikation bleibt es bei der Bezeichnung ›Zielobjekt‹!«
Die blauhäutige Offizierin bestätigte, ließ sich diesmal jedoch nicht bremsen. Eine Art Schatzfieber schien sie gepackt zu haben. Sie beschrieb die Lage des Objektes, das sich auf einer sonnennahen Bahn bewegte, dichter dran als der erste Planet. Joyabefahl der Navigationsstation, diesen Punkt mit Höchstgeschwindigkeit anzusteuern.
»Aber halten Sie einen Sicherheitsabstand ein. Die dreifache effiziente Reichweite aller uns bekannten Schiffsgeschütze. Ausgenommen den Superlaser des Todessterns.«
Doch so weit mussten sie sich dem ›metallischen Körper‹ nicht nähern. Es zeigte sich schnell, dass er zu klein und zu dicht für ein Raumschiff war. Es handelte sich offenbar um einen massiven Asteroiden mit hohem Eisen- oder Nickelanteil. Eine erste Enttäuschung, aber mit so etwas musste man rechnen. Joya No befahl einen neuen Kurs und die Sensoren wurden wieder auf ein größeres Gebiet gerichtet.
Fast vier weitere Stunden vergingen ohne einen vielversprechenden Fund. In dieser Zeit ereignete sich überhaupt nichts Interessantes. Auch die Bewohner Shinbones stellten keinen Kontakt zur Ax her: Wahrscheinlich hatten sie gar nicht die Ausrüstung um sie aus großer Distanz zu orten oder sie interessierten sich nicht ausreichend für die Vorgänge in ihrem System.
»Sir, ein weiteres metallisches Objekt innerhalb der Suchkriterien«, meldete die Menschin. Dieser zweite Fund ging mit wesentlich weniger Euphorie einher. »Es befindet sich in den Ringen von Shinbones äußerem Nachbarplaneten.«
»Gibt es irgendwelche Energieabstrahlungen? Oder Gravitationsanomalien?«
»Keine, die wir aus dieser Distanz wahrnehmen können.«
»Wir können also nicht ausschließen, dass es sich abermals um ein natürliches Objekt handelt?«
»Nicht mit Sicherheit. Aber es ist größer als alle anderen Partikel des Ringsystems und weist einen weit höheren Metallanteil auf. Es ist auf jeden Fall kein ursprünglicher Bestandteil der Ringe. Vielleicht ein eingefangener Asteroid, ähnlich dem auf dem sonnennahen Orbit. Vielleicht aber auch etwas künstliches.«
»Steuermann, setzen Sie den Kurs! Abermals mit Sicherheitsabstand!« befahl der Kaminoaner.
Je näher sie dem Ziel kamen, um so eindeutiger wurden die Messwerte. Das Objekt war trotz ähnlicher Masse deutlich größer als der Metallasteroid, hatte also eine geringere Dichte - was auf Hohlräume hindeutete, durchaus ein Hinweis auf ein Schiff oder eine Raumstation. Die Zuversicht wuchs. In Begeisterung wandelte sie sich aber erst, als das erste Bild hereinkam. Da sie sich - dank ihrer vergeblichen Suche in Sonnennähe - aus Richtung des Sterns näherten, blickten sie auf die erleuchtete Seite des Gasplaneten und seiner Ringe. Die Abbildung war zunächst noch sehr grob und unscharf, aber die Form stimmte mit der Abbildung aus Admiral Stazis geheimer Quelle zu gut überein, um Zufall sein zu können.
»Wir haben das Zielbojekt also gefunden. Nun müssen wir es noch identifizieren.«
Als es endlich scharfe Bilder gab, auf denen man einzelne Details erinnern konnte, war die Sache ziemlich klar.
»Kommunikation, machen Sie Meldung an das Flottenkommando: Zielobjekt gefunden, Identifikation positiv; Status wird überprüft; Bergungsteams in Bewegung setzen. Schicken Sie unsere Sensordaten und die genauen Koordinaten mit. Alles verschlüsselt, selbstverständlich!«
Mehr als über den Erfolg selbst freute Joya No sich über die Gelegenheit, nach kaum einem Tag im System eine Erfolgsmeldung an den Admiral absenden zu können.
Weiterhin näherte die Ax sich dem zweifellos künstlich geschaffenen Körper. Die Sensoren bestätigten, dass seine Außenhülle metallisch war, soch auf den Bildern unterschied sie sich farblich nicht von dem umliegenden, beige-grauen Material der Sternenringe. Ein Offizier äußerte die Vermutung, dass die Subjugator (nach wie vor wurde die Bezeichnung ›Zielbojekt‹ verwendet) Staubpartikel und größere Brocken der Ringe angezogen hatte, die den Rumpf komplett bedeckten. Eine effiziente Tarnung, die es sich in vielen Jahren angeeignet haben musste. Trotz dieser Kruste aus Staub, Fels und Eis war die Grundform klar erkennbar und man konnte so auffällige Merkmale wie den zweispitzigen Bug, den Brückenturm und die Triebwerksmündungen ausmachen.
»Üblicherweise verlange ich Fakten, keine Spekulationen,« warf No in den Raum, »doch hier haben wir es mit einem völlig fremden Schiff und vielleicht einem unbekannten Waffensystem zu tun. Sie sind also ausdrücklich angehalten, Ihre Vermutungen auszusprechen. Wofür halten Sie die runde Vertiefung in der Mitte?«
»Ein Einschlagkrater?« äußerte jemand.
»Negativ«, erwiderte Tai'oki. »Der Einschlag eines größeren Objektes hätte auf einem Hohlkörper wie einem Raumschiff keinen Krater hinterlassen, sondern ein Loch. Oder es ganz in Stücke gerissen. Möglicherweise ist das die Mündung der experimentellen Waffe, über die die Subjugator angeblich verfügen soll.«
»Es hat die Form einer Schüssel«, tat auch No seine Gedanken kund. »Möglicherweise ist es eine gewaltige Sensoranlage. Das vermeintliche Superschlachtschiff könnte nichts anderes sein als eine übergroße Sensorplattform. Der größte Aufklärer der Galaxis.«
»Oder eine Abhöranlage für Hyperkommunikation.«
»Aber Empfänger haben oft die gleiche Form wie Sender«, warf der sullustanische Feuerleitoffizier Nonga Joon ein. »Vielleicht ist es eine Art Projektor. Für Gravitationswellen zum Beispiel. In der damaligen Zeit wäre Abfangtechnik tatsächlich ziemlich neuartig und möglicherweise kriegsentscheidend gewesen.«
»Sie meinen, das könnte eine Art Interdiktionsfeldgenerator sein wie bei einem Abfangkreuzer oder einer CC-7700?« Das erschien dem Commander durchaus plausibel. »Wir werden all diese Möglichkeiten prüfen. Verringern Sie unseren Abstand vorsichtig um zwanzig Prozent. Wir brauchen genauere Messdaten.«
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