[Ord Cantrell-System | Weltraum | Orbit von Ord Cantrell | TIE-Defender] Chett Nectu (Wolf 9) mit Aiden Thiuro (1), Jeremy Mengsk (2), Sakura Mitsumo (8), Hess'amin'nuruodo (10), Cain T. DéSkalz (11)
Als der Befehl kam, zu Phase II überzugehen, das den Angriff auf die Atmosphäre und schließlich die Bodenanlagen von Ord Cantrell bedeutete, brach Chett Nectu sofort seinen Angriff auf einen weiteren Satelliten ab. Er ignorierte das Ding, bei dem es sich um ein genormtes Gerät zum zivilen Datentransfer handelte, von einem Augenblick auf den anderen völlig, fast wie ein Droide, dessen Programmierung geändert worden war. Sein Computer wies ihm den Weg zu Drask. Während der Attacke auf das Satellitensystem hatte sich die Formation der beiden Rotten aufgelöst und über ein weites Gebiet verstreut, doch dank der hohen Geschwindigkeit fanden sich die Defenders rasch wieder. In steilem Winkel steuerten sie auf den Planeten zu, zusätzlich beschleunigt von dessen Anziehungskraft - ein Selbstmordkommando in einem schildlosen TIE, der dem Luftwiderstand und der Reibungshitze schutzlos ausgesetzt gewesen und nach Sekunden zerbrochen und verglüht wäre, in einem TIE/D aber machbar. Einer der großen Vorteile, wenn man diese Art von Schiff benutzte anstelle des massenproduzierten Schrotts, in dem man andere Piloten in die Schlacht schickte.
Doch noch bevor sie tief genug gekommen waren, um die Luft vor sich zum Glühen zu bringen, registrierten sie mehrere Raketen, die in ihre Richtung kamen. Das war eine gefährliche Situation, aber in Chetts Augen noch keine Katastrophe - schließlich waren ihre Schiffe bewaffnet. Rasch stellte er die Laserkanonen auf einen weiter entfernten Schnittpunkt ein, was höchstmögliche Schussgenauigkeit auf größere Distanzen ermöglichte, und schaltete außerdem die Ionenkanonen zu. Die Chance, dass es sechs Defenders gelang, vier anfliegende Raketen mit ihren zahlreichen Bordkanonen zu vernichten, war nicht eben schlecht, schließlich genügte bei solchen Flugkörpern meist schon ein Streifschuss, um sie entweder verfrüht zur Explosion zu bringen oder von ihrem Kurs abzulenken. Er wartete darauf, dass sein Zielerfassungscomputer die Objekte erfassen konnte. Aber er erhielt nicht die Gelegenheit zu einem Schuss. Denn noch bevor er abdrücken konnte, löste sich Sakura Mitsumo ohne Drasks Befehl aus der Formation und beschleunigte direkt auf die Raketen zu. Sie unternahm nicht einmal den Versuch, sie abzuschießen, sondern teilte über Funk mit, dass sie vorhatte, sich den Flugkörpern als Ziel anzubieten.
Nectu fragte sich, ob die kleine Frau nun völlig den Verstand verloren hatte. Mit dieser Aktion verstieß sie nicht nur gegen ihre Befehle und brachte sich völlig unnötig in Lebensgefahr, sie verhinderte auch, dass ihre Kameraden ihre Arbeit machten. Denn anstelle der Raketen hatte er nun Wolf 8 im Fadenkreuz. Kurz zuckte sein Finger, während er überlegte, trotzdem abzudrücken, doch er ließ es bleiben. Wenn sie sich unbedingt umbringen wollte (was er in Anbetracht ihres labilen Gemütszustands der letzten Tage tatsächlich für möglich hielt), dann sollte sie es gefälligst selbst und ohne seine Hilfe tun.
Ihr Plan war in seinen Augen sinnlos und wahnsinnig, aber immerhin ging er auf. Es gelang der Pilotin, die vier Flugkörper von der Formation wegzulocken. Sie hatte sie nun im Heck - dort, wo ein Defender keine Waffen hatte. Nun musste sie sehen, wie sie die Dinger wieder los wurde. Über so viel Leichtsinn konnte der Yaga-Minoer wirklich nur den Kopf schütteln, soweit der voluminöse schwarze Helm das zuließ. Wahrscheinlich würden sich nun alle anderen Jäger der beiden Rotten ebenfalls an die Verfolgung machen müssen, um sie aus dem Schlamassel wieder herauszuholen. Der Lieutenant machte ihr auch ein diesbezügliches Angebot, doch in einem weiteren Anflug von übersteigertem Selbstbewusstsein lehnte sie ab. In der Stimme des Chiss war kein Ärger zu hören: Wie meistens klang er völlig gefühllos, wie man es seiner Spezies ohnehin nachsagte. Aber Chett konnte sich in etwa vorstellen, was in ihm vorging, denn so wie er Drask einschätze, legte dieser viel Wert auf Gehorsam und Disziplin. Dementsprechend flogen die anderen fünf Jäger einfach weiter, überließen ihre eigenwillige Kameradin ihrem eigenen Schicksal. Chett Nectu rechnete nicht damit, sie wiederzusehen. Es war ihm aber auch ziemlich egal. Er war nun um so froher darüber, dass er sich nicht auf die Versuche seiner Staffelkameraden eingelassen hatte, persönliche Kontakte zu knüpfen. So würde Sakura mit ihrer unsinnigen Selbstzerstörung vielleicht allen anderen Schmerzen zufügen, ihm aber nicht.
»Neun, Sie bleiben an meinem Flügel!« befahl Pra’dras’keloni nun.
»Verstanden, Sieben. Bleibe in Formation.« Er verspürte nicht den geringsten Drang, es seiner zierlichen Kameradin gleichzutun.
Zusammen mit der zweiten Rotte flog das Flügelpaar, das bis eben noch ein Trio gewesen war, in die Atmosphäre von Ord Cantrell hinein. Sie hatten das Tempo von Meteoriten und sahen von der Planetenoberfläche betrachtet wohl auch so aus, da vor ihren Schilden die Luft zu glühen und erst gelb, dann weiß zu leuchten begann. Chett konnte nicht nach hinten blicken, doch er wusste, dass sie helle Schweife hinter sich her zogen. Die von den Schilden komprimierte und zugleich durch die Hitze expandierende Luft verursachte ein Donnern, das wie der Start einer überdimensionalen Feststoffrakete klang und die Geräusche der Zwillingsionentriebwerke übertönte. Trotz der Trägheitskompensatoren und der Schilde begann die Maschine zu vibrieren und der Pilot benötigte all seine Kraft, um den Steuerknüppel stillzuhalten. Sie wurde wieder besser beherrschbar und die Sicht klarte sich auf, als sie nach ein paar Minuten ihr Tempo zügelten. Sie befanden sich nun in der Nähe des Gebietes, in dem laut Einsatzplan die Wiedervereinigung des Wolves' Squad geplant war. Von hier aus sollten sie gemeinsam ihre Angriffsflüge starten. Ein Blick auf die Bildschirme zeigte, dass sie die ersten waren. Die Rotten Eins und Vier waren noch nicht eingetroffen und auch von Sakura fehlte jede Spur.
»Uns nähern sich Schiffe«, meldete Amon Synn, Wolf 5. »Im Moment hundertzwanzig Kilometer westlich von uns; eine Halbstaffel Jagdmaschinen, schätze ich.«
»Bestätige.« Das war die Stimme seines Rottenführers Kam Leven. »Ich orte außerdem im Nordosten ein einzelnes Schiff, das von der Oberfläche aufsteigt. Könnte ein Shuttle sein, vielleicht Lambda-Klasse.«
Die Entscheidung, wie mit dieser Situation umzugehen war, fällte der Chiss:
»Kümmern Sie sich um die Jäger. Ich und Neun nehmen uns das Shuttle vor.«
Nach einer kurzen Bestätigung drehte die Rotte Zwei nach links ab und Chett Nectu folgte seinem Anführer in die Gegenrichtung. Sie näherten sich dem Signal. Shuttles der Lambda-Klasse waren schwer bewaffnet und konnten Sternenjägern gefährlich werden; dass dieses hier feindselige Absichten verfolgte, konnte man daran erkennen, dass es auf sie zu hielt. Doch noch bevor der Feind in Sichtweite war, empfingen sie eine Nachricht von ihm.
»Imperiale Jägerstaffel, hier spricht Senior Operative Allan Twillics vom imperialen Geheimdienst«, sagte eine männliche, vermutlich menschliche Stimme. »Wir gehören zu den Teams, die Ihren Angriff hier ermöglicht haben. Jetzt sind wir zu Ihrer Unterstützung hier. Weisen Sie uns eine Aufgabe zu!«
Zu keinem Zeitpunkt war während der Einsatzbesprechungen dieser Name gefallen und niemand hatte auf die Möglichkeit hingewiesen, dass sie vor Ort Unterstützung durch den Geheimdienst oder sonstige Verbündete bekommen könnten. Dass das Shuttle sich nur mündlich und nicht durch passende Codes identifizierte und man Klartext sprach, anstatt die aktuellen Verschlüsselungen zu benutzen, machte die Täuschung offensichtlich.
»Eine Finte«, teilte Chett seine Vermutungen über den Staffelkanal mit.
»Keine gute. Hatten wohl keine Zeit, sich etwas Besseres zu überlegen. Kurs beibehalten, Angriff wie geplant ausführen!«
Kurz darauf kam das Shuttle in Sicht. Es handelte sich nicht um die Lambda-Klasse, wie zunächst vermutet, sondern um die ähnlich geformte, aber deutlich ältere Nu-Klasse. Auch diese war bewaffnet, wie der Gegner unmissverständlich klarmachte, als er das Feuer aus mehreren Laserkanonen eröffnete. Auch die beiden Defenders feuerten. Doch bei der extremen Geschwindigkeit, in der die Feinde aufeinander zu flogen, hatten sie sich schon nach einem kurzen Augenblick passiert, ohne dass einer von ihnen ernsthaften Schaden genommen hatte. Nun begann der eigentliche Luftkampf. Die Jäger drehten eng nach Steuerbord, um eine Schleife zu fliegen und hinter den Feind zu kommen. Das Shuttle schlug seinerseits einen Bogen, um genau das zu verindern und ebenfalls ein Ziel vor die Mündungen zu bekommen. Zwar war das Nu-Shuttle stärker gepanzert als die Sternenjäger und seine Waffen waren so montiert, dass es auch dann auf die Wolves feuer konnte, wenn sie nicht direkt vor ihm waren; aber es war einfach zu langsam, um den Dogfight durchzuhalten. Pra'dras'keloni versuchte gar nicht, den Laserschüssen von den Bordgeschützen auszuweichen, sondern verließ sich auf die Geschwindigkeit seines Jägers, die Schilde und das Glück. Chett flog unruhig, um ein schwerer zu treffendes Ziel zu bieten, blieb aber an seinem Anführer dran. Bald hatten sie drei Viertel eines Kreises beendet, während das Shuttle kaum mehr als die Hälfte geschafft hatte. Der Yaga-Minoer machte einen Protonentorpedo klar zum Abschuss.
Sie kreisten weiter umeinander. Die Besatzung des Shuttles tat sein Bestes, sich der Wolves zu erwehren, und traf sie sogar. Zweimal den Anführer, einmal seinen Flügelmann. Gegen schildlose Maschinen hätte das genügt: Sie hätten durch die Treffer ihre Solarpaneele oder die Triebwerke verloren oder die Männer wären verwundet beziehungsweise getötet worden. Aber die kräftigen Schilde der Defenders schützten Schiff und Pilot gleichermaßen. Der Gegner hatte seine Chance gehabt, er hatte sie nicht genutzt. Nun waren die Imperialen am Zug. Die überlegene Geschwindigkeit und Wendigkeit brachte sie ins Heck des Shuttles, das nun vom Schraubenflug in Richtung der Planetenoberfläche zu wilden Ausweichbewegungen überging. Aber es konnte nicht entrinnen. Drasks Laser- und Ionenkanonen hämmerten auf die Heckschilde ein und ließen sie rasch zusammenbrechen. Dann traf Chetts Torpedo. Für einen kurzen Moment war das Nu-Shuttle nicht mehr zu sehen, weil ein weißer Feuerball es vollkommen einhüllte. Dann kam es wieder in Sicht. Es trudelte unkontrolliert auf die Planetenoberfläche zu und zog dabei eine korkenzieherförmige Rauchfahne hinter sich her. Seinen linken Flügel hatte es eingebüßt. Unwahrscheinlich, dass irgend etwas seinen Absturz bremsen würde. Doch der Pilot Officer setzte nach. Mit starkem Druck gegen den Steuerknüppel ließ er den Defender rasch nach unten stürzen, dem fallenden Schiff hinterher. Er war ihm so nah, dass er keine Zielerfassung mehr benötigte. Zweimal schnitten die grünen Laserstrahlen durch den Rumpf, dann brach es einfach auseinander und setzte seinen Absturz in zahlreichen Stücken fort. Nectu glaubte, zwischen den Trümmern auch eine Person zu erkennen, die - verzweifelt mit den Armen rudernd - der zwei Kilometer entfernte Berglandschaft unter ihnen entgegenstrebte. Er verspürte weder Mitleid noch Schuldgefühle. Nun erst war er der Ansicht, dass sie hier ganze Arbeit geleistet hatten, und zog wieder nach oben, um sich Pra'dras'keloni anzuschließen.
»Wir teilen uns diesen Abschuss«, sagte der Chiss. Man hörte ihm noch immer nicht an, dass er von den Ereignissen irgendwie in Aufregung versetzt worden war. »Zurück zum Treffpunkt.«
Das war er also: Chetts erster bestätigter Abschuss. Nun durfte er sich eine Abschussmarke in Form eines halben Shuttles der Nu-Klasse auf den Rumpf seines Jägers malen, wenn er das wollte. Er sah nicht den mindesten Sinn darin. Die Zeiten, in denen er Wert auf so etwas gelegt hatte (und in denen er sich maßlos darüber aufgeregt hatte, dass ihm Abschüsse nicht anerkannt und angerechnet worden waren), waren längst vorbei. Er bestätigte nur mit einem »Aye, Sir!«, dass er die Anweisung zur Kenntnis genommen hatte, und folgte dem Lieutenant zu dem Punkt, an dem sie das Shuttle bemerkt hatten. Mittlerweile waren dort auch die Staffeln Vier und Eins eingetroffen und mit ihnen - zu seiner Überraschung - Sakura Mitsumo, die ihren kleinen Ausflug mit den vier Boden-Raum-Raketen offenbar gut überstanden hatte. Und soeben kehrten auch Leven, Synn und Vitaan zurück. Sie vermeldeten die Zerstörung von vier Eta-2-Abfangjägern. Bisher hatte die Staffel keine eigenen Verluste erlitten, aber schon eine ganze Reihe von Abschüssen erzielt und eine Menge Schaden im planetaren Satellitennetz angerichtet. Der Einsatz verlief also mustergültig.
Chett Nectu hegte aber nicht einen Funken Hoffnung, dass das auch so bleiben würde. Einfache Einsätze gab es seiner Erfahrung nach nicht. Letztlich musste man immer bezahlen. Immer mit Schweiß, meistens mit Blut.
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