
Ich finde, seine Rückkehr nach den Ereignissen in ROTJ sowie seine Machenschaften in TROS setzen die Figur in ein neues Verhältnis zu uns. Was hat sich in euren Augen an Palpatines Charakterisierung geändert? Wie ist die Figur nun im Kontext von TROS zu interpretieren?
1. Die Regel der Zwei ist Palpatine egal
Palpatine bildete mindestens drei Schüler aus in seiner Laufbahn als Sith-Lord, von denen wir wissen: Darth Maul, Darth Tyranus und Darth Vader. Allerdings hatte Palpatine keineswegs vor, sich dem ewigen Kreislauf der "zwei Sith" zu ergeben und von seinem Nachkommen eines Tages gefällt zu werden. Die Anhängerschaft, die er auf Exegol um sich scharrt, sowie seine Aussagen in Bezug darauf, dass er die Verkörperung aller Sith sei, deuten darauf hin, dass Palpatine sich selbst als den ultimativen Sith-Lord sieht. Interessant ist hierbei, dass dies möglicherweise einem Sinneswandel entstammen könnte. Nehmen wir seine Worte in ROTS für bare Münze, so glaubt er bis zum Kampf mit Yoda, dass Darth Vader "viel mächtiger als jeder von uns beiden" werden wird. Anakins Status als Auserwählter und sein gewaltiges Potential machen also auf Palpatine scheinbar viel Eindruck und bringen ihn möglicherweise dazu, Darth Vader wirklich als seinen gebürtigen Sith-Erben zu betrachten. Doch als Anakin im Kampf gegen Obi-Wan unterliegt, wird auch das Potential seiner Zukunft stark beschnitten – und Palpatine scheint die Erkenntnis zu gewinnen, dass es nicht der Wille der Macht ist, dass Darth Vader ihn einst ablöst. Na, wenn das nicht ein kosmischer Wink mit dem Zaunpfahl ist, dass er das Alpha und Omega des Sith-Ordens darstellen soll, was dann?
2. Darth Plagueis der Weise hat den Tod womöglich nicht besiegt
"Den Tod zu hintergehen ist eine Macht, die nur einer erlangt hat... " - so spricht Palpatine in ROTS zu Darth Vader. Interessant hierbei ist: er sagt nicht ausdrücklich, dass es Darth Plagueis wäre. Als er Anakin sagt, sie könnten das Geheimnis gemeinsam lüften, lügt er natürlich, denn diese Absicht hatte er mit seinem Schüler niemals. Doch was ist mit dem Satz davor? Es passt gut zu Palpatines Charakter, dass er das Wissen, für das Darth Vader töten und alles geben würde, wie einen Hundekuchen vor seine Nase hält, nur um seine Aufmerksamkeit dann auf ein anderes, mysteriöses und nebulöses Ziel in Form von Darth Plagueis zu lenken - ihn auf eine Suche nach einem Geheimnis schickt, das dieser gar nie lüften kann. Und warum? Weil er am falschen Ort sucht - denn den Schlüssel, dem Tod zu entrinnen, besaß Plagueis niemals... sondern Palpatine.
3. Die Klone sind kein Zufall
Waren die Klonkriege bisher lediglich auf einen in ANH beiläufig gefallenen Nebensatz zurückzuführen, welcher als galaxisumspannendes Ereignis in der PT thematisiert wurde, so konnte man bisher davon ausgehen, dass die Inszenierung der Klonkriege als Klone vs. Droiden keine allzu tiefe Bedeutung hatte, bzw. einfach aufgrund der diskreten Realisierbarkeit in dieser Form passierte. Schließlich lässt sich nicht jede Armee so einfach und unentdeckt aus dem Ärmel schütteln wie ein Wurf Klontruppen und eine Fließband-Armee von Kampfdroiden. Doch TROS eröffnet uns nun den dazu absolut passenden Interpretationsspielraum, dass Palpatine sich ganz bewusst der Klon-Technologie der Kaminoaner bediente und sich diese Technik zugänglich machte in der Absicht, diese später zu seinen eigenen Zwecken weiterzugebrauchen. Offen gesagt: es war davor mehr als merkwürdig, dass dies nicht geschehen sein soll. Da werden erfolgreich ein paar Millionen Klone gezüchtet auf einem eigens darauf spezialisierten Planeten, und am Ende nach dem Krieg schmeißt man diese Technologie einfach auf den Müll? Nein - dass Palpatine an dieser Sache dranbleibt und sie mit großem Interesse verfolgt, passt zu seiner berechnenden Natur.
4. EDITS ("Ewig da, ich toter Sith")
Ich gebe zu, dieser Teil seiner Neucharakterisierung gefällt mir persönlich etwas weniger, aber es ist ein fast notwendiger Interpretationsansatz: in TROS lernen wir, dass Palpatine sich Rey nicht etwa ergeben will; er möchte, dass sie mit seiner Tötung ein Ritual der Sith vollzieht, das ihm erlaubt, seinen Geist in seiner Enkelin aufgehen zu lassen und durch sie weiterzuleben, weiterzuherrschen. Ich muss gestehen: es gefiel mir eigentlich immer gut in ROTJ, wie Palpatine Luke in eine scheinbar aussichtslose Lage bringt. Tut er nichts, sieht er mit an, wie seine Freunde sterben, und Palpatine gewinnt. Erschlägt er Palpatine, kann er seine Freunde retten, aber verfällt der Dunkelheit. Palpatine ist dann zwar tot, aber es wäre ihm diesen letzten Lacher wert in dem Wissen, dass sein Feind vom Weg abgekommen ist. Es ist schwer zu erklären, aber in gewisser Weise lag in Palpatines Bosheit hier ein gewisser Altruismus in seiner Ergebenheit der Dunklen Seite gegenüber. Er war selbst Diener einer größeren, mächtigeren Finsternis, der er sich opfern würde, wenn er nur sie damit weiter nähren und seine Feinde ins Straucheln bringen würde. Sowas hat Klasse.
TROS zeigt uns aber, dass hinter Palpatines boshafter Inszenierung der Thronsaal-Ereignisse noch mehr Kalkül steckt: selbst wenn Luke ihn niederstreckt, verliert Palpatine nicht, denn dann könnte er von Luke Besitz ergreifen und in ihm weiterleben. Das Einzige, was er dabei nicht einkalkulierte, war, dass Vader ihn aus Liebe zu seinem Sohn stürzen würde. Dennoch: Palpatine will hier möglichst wenig dem Zufall überlassen und enthüllt bis zum Schluss seinem Feind (und seinem Diener) nicht die wahre Natur der Umstände. Und das passt zu ihm.
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