[Adumar | Nördlich von Cartann City | Gebirge | verschneite Bergstraße | in Sichtweite zur Küste | unterwegs in Richtung Hauptstadt] Chett Nectu (Wolf 9)
Weiterhin folgte Chett Nectu der Straße. Diese entfernte sich nach einer Weile von der Küste; vielleicht nicht weit, doch das Meer geriet außer Sicht. Er war verunsichert: Befand er sich noch auf der richtigen Route oder hatte er sich schon wieder verfahren? Solange sich niemand bemühte, die Straßen von dem dicken Schnee zu befreien - was wohl erst die imperialen Pioniere erledigen würden, wenn die Schlacht um die Hauptstadt zu Ende war und man daran ging, das Umland zu sichern - war das schwer zu beurteilen. Aber ihm blieb keine Wahl, als sich von Markierung zu Markierung zu tasten, sofern diese zu sehen waren, und zu hoffen, dass er irgendwann und irgendwie ankommen würde. Dieser Alptraum musste ein Ende finden, auf die eine oder andere Weise!
Dann bog er um eine Kurve und hinter dem Berghang tauchte abermals der Ozean in seinem Blickfeld auf. Grau und trüb. Anstatt sich vom Meer zu entfernen, wie er befürchtet hatte, war er ihm sogar noch ein gutes Stück näher gekommen: Die Straße lief nun direkt an der Steilküste entlang. Links von dem erbeuteten Halftrack ging es in gähnende Tiefen. Man konnte weit blicken. Und Chett sah auch die Stadt. Cartann City, zumindest Teile davon.
»Na also, es geht doch!« murmelte er erleichtert.
Er stieg aus, um besser sehen zu können. Die Stadt war noch viele Kilometer entfernt und man konnte nicht viele Details ausmachen. Was man aber auch aus großer Ferne schon erkennen konnte, waren gewaltige Rauchschwaden. Die Hauptstadt von Adumar stand in Flammen. Hin und wieder konnte der Pilot sogar Lichtblitze von Explosionen erkennen und er glaubte sogar kleine Punkte durch die Luft schwirren zu sehen: Bomber oder Landungsboote. Aber das tödliche Licht von Flugabwehrfeuer war nur ganz spärlich auszumachen. Die Zerstörungen waren zu groß, um nur von den ersten Jägerangriffen zu stammen. Er erhielt nun durch seine eigenen Augen die Bestätigung für das, was er bereits aus dem örtlichen Datennetz erfahren hatte: Die Bodeninvasion hatte begonnen. So wie hier sah es derzeit wohl auch an vielen anderen Orten des Planeten aus. Das Imperium nahm sich, was ihm zustand. Die Adumari bekamen die Quittung für ihre Dummheit, die Aufmerksamkeit des Reiches auf ihre Heimat gezogen zu haben.
Chett bemerkte noch etwas: Teile der Stadt waren überflutet. Und als seine müden, rot geäderten Augen das Meer absuchten, entdeckte er auch die Ursache. Nicht weit von den Resten der Hafenanlagen entfernt ragte etwas aus dem Wasser, das wie ein Fremdkörper wirkte und vor einigen Stunden, als er zusammen mit den Wolves diese Wasser überflogen hatte, noch nicht da gewesen war. Auf den zweiten Blick erkannte er, worum es sich handelte. Das hintere Ende eines Acclamator-Kreuzers ragte aus dem Wasser. Nur das charakterische, spitz zulaufende Heck und Teile der oberen Aufbauten; der Brückenturm fehlte. Er konnte die Insignien nicht erkennen und dementsprechend nicht mit Sicherheit sagen, für welche Seite das Schiff bis zu diesem tragischen Ende gekämpft hatte. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass hier Tausende von Verbündeten gestorben waren. Tod hatte auch beim Imperium eine reiche Ernte eingefahren. Das tat er immer. Es lag in seiner Natur.
»Los jetzt, genug geglotzt. ein paar Kilometer noch...« ermahnte er sich selbst, löste sich von dem schaurig-schönen Anblick und wandte sich wieder dem Halftrack zu. Doch gerade als er wieder eingestiegen war, hörte er ein kurzes, donnerndes Geräusch, das sich rasch noch einmal wiederholte. Begleitet wurde es von einem metallischen Ächzen. Chett Nectu fragte sich noch, was das zu bedeuten hatte, als plötzlich ein riesiges Objekt zwischen den hochgewachsenen Bäumen auftauchte und einen von ihnen abknickte wie ein Streichholz. Der Yaga-Minoer erlebte nun einen Anblick, der sonst nur den Feinden des Imperiums vergönnt war und ihn mehr entsetzte als alle anderen Erlebnisse dieses Tages: Er schaute einem AT-AT ins tierhafte Angesicht!
Seinem Überlebensinstinkt folgend hechtete er sich aus der Fahrerkabine. Dass er noch nicht angeschnallt gewesen war, rettete ihm das Leben. Denn hinter ihm explodierte das Halbkettenfahrzeug in einer Hölle aus Laserfeuer und dem Inhalt des geborstenen Wasserstofftanks. Trümmer regneten um ihn herum in den Schnee, wo sie dampfend und rauchend einsanken. Chett sprang auf. Seine Beine wollten fliehen, doch er tat stattdessen etwas, das nur die wenigsten machten, die sich einem solchen Stahlmonstrum gegenübersahen: Er blieb stehen, winkte mit beiden Armen und rief. Die Waffen richteten sich auf ihn aus und für einen Moment sah es so aus, als würde ihn gleich ein mörderischer Energiestrahl verdampfen wollen. Doch dann erklang stattdessen eine Stimme aus einem überlaut eingestellten Lautsprecher und hallte trotz der Vegetation und der isolierenden Schneeschicht von den Berghängen wider.
»HINLEGEN UND HÄNDE AUF DEN RÜCKEN!« lautete der Befehl.
Chett leistete ihm augenblicklich Folge. Er warf sich bäuchlings in den Schnee, wo er so tief einsank, dass er das kalte Weiß auch in Kragen, Nase und Augen bekam. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht aufblicken können, um zu beobachten, was geschah. Nur die Geräusche verrieten ihm, das sich wohl die Luke am unteren Ende öffnete und sich Insassen abseilten. Normalerweise transportierten diese Fahrzeuge Sturmtruppen ins Kampfgebiet. Es dauerte nicht lange, bis feste Hände ihn packten und auf die Füße zerrten. Die Arme wurden ihm schmerzhaft auf den Rücken gedreht und grob riss man ihm die Waffen vom Gürtel. Er spuckte den Schnee aus und blinzelte dann durch die Kristalle und Tropfen, die an seinen Lidern klebten. Er sah die weiße Gesichtsmaske eines Sturmtrupplers, der sein Kinn gepackt hatte, um ihn sich aus nächster Nähe anzusehen.
Und Chett Nectu lächelte erleichtert. Eine Gefangennahme durch Sturmtruppen - was für andere der Inhalt von Alpträumen war, kam ihm nun einer Erlösung gleich. Es war gelungen: Er hatte seinen Absturz in den Bergen überlebt und sich erfolgreich bis zu befreundeten Truppen durchgeschlagen. Damit fand die Schlacht für ihn ein Ende!
[Adumar | Nördlich von Cartann City | Gebirge | verschneite Bergstraße | in Sichtweite zur Hauptstadt | befreundete Einheiten] Chett Nectu (Wolf 9)