[Äußerer Rand | Cronese-Mandat | Argai-System | Argai || Sah Gosta | Stadtrand | Forschungseinrichtung für archaische Technologie || Drittes Stockwerk | Labor || Lieutenant Noak Fremyn, Etara, Slicer Spike und eine unheimliche, uralte Metallkugel; im Hintergrund zwei Wachleute sowie ein paar Drohnen in der Luft]
Die beiden Wachmänner, die gerade auf dem Dach standen, rauchten und die in Dunkelheit gehüllte Nachbarschaft betrachteten, waren zwar eine unschöne Überraschung, aber unüberwindbar schienen sie nicht zu sein. Während Etara und Spike mit gezückten Blasterpistolen die beiden Ahnungslosen im Auge behielten, beobachtete Noak weiterhin den klaren Sternhimmel. Denn der Blackout, den seine Leute zuvor als Ablenkung verursacht hatten, hatte inzwischen einige Überwachungsdrohnen angelockt. Zwar hatten sich diese kugelrunden, schwebenden Droiden noch nicht dieser Einrichtung angenommen, aber Dank der vorherrschenden Schwärze konnte man deutlich sehen wie sie nun ein Gebäude nach dem anderen scannten. In diesem Moment ruhte seine Hand mehr aus einer Intuition heraus auf dem Griff seiner Blasterpistole. Leise schlich er – seinen beiden Begleitern folgend – zu einem kleinen, auf das Dach montiertem Kühlgerät.
Sie hatten sich gerade in Position gebracht, da ertönte auf einmal ein Alarm und jene Scheinwerfer, die von dem Notstromgenerator versorgt wurden, sprangen synchron an. Verdutzt sah sich der junge Bakuraner um. Keine Spur von Maalraas! Keine Spur von Stellar Demeter Kosh! Bislang waren sie noch nicht zu ihnen gestoßen. ‚Sind sie nun doch noch erwischt worden?‘, fragte er sich und zückte dabei in einer flinken Handbewegung die Blasterpistole. Sein Blick ruhte währenddessen die ganze Zeit auf den beiden losrennenden Wachleuten. Sobald das Tröten der Sirene begonnen hatte, hatten sie hörbar nach Luft geschnappt, achtlos ihre noch glühenden Zigarettenstummel weggeworfen und waren dann gemeinsam in Richtung Tür gesprintet. Dass sich in diesem Augenblick drei Einbrecher ganz in ihrer Nähe befunden hatten – und sie daher dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen waren –, bemerkte keiner der beiden.
In seinem mit dem militärisch genutztem Funkgerät verbundenem Ohrstöpsel hörte er plötzlich die Stimme der Chiss. Sie dankte erst einer „Süßen“ – höchstwahrscheinlich Sinaesh; unter Umständen aber auch die Senatorin –, forderte dann sowohl den Slicer als auch ihn auf sich in Bewegung zu setzen und wandte sich anschließend an den rothäutigen Gehörnten (Jevan Vassic), der sich um die zweite Fluchtmöglichkeit zu kümmern hatte, dass nun der passende Zeitpunkt zum „Verschwinden“ sei. Noaks Herz, das eigentlich im Begriff gewesen war, wieder ruhiger zu werden, fing nun erneut an in einem wilden Tempo zu schlagen. Ein Fluch lag ihm auf der Zunge. Doch just in dem Moment als er der professionellen Kriminellen zum Rand des Daches folgen wollte, spürte er plötzlich wie Spike ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn zurückhielt. Sichtlich verwirrt drehte sich Noak zu dem fahlen Slicer. Dieser deutete jedoch bloß stumm auf sein Ohr.
Bevor er überhaupt realisieren konnte, was sein Gegenüber von ihm wollte, hörte er auf einmal die ziemlich stark verzerrte Stimme von Brennan Diar’mon in seinem Ohr. Der Geheimdienstler schien keine Zeit vertrödeln zu wollen. Ohne Umschweife – und in einem anmaßenden Befehlston – sagte er: [Junge, wir gehen zu Plan B über. Jetzt!]
Obwohl er in seiner bisherigen Karriere als imperialer Flottenoffizier schon etliche Raumgefechte – sowohl simuliert als auch real – erlebt hatte und demnach mental ziemlich robust war, überforderte ihn diese hektische, bizarre Situation im ersten Moment komplett. Und als sich mit einem Mal ein ohrenbetäubendes Maschinendröhnen jenseits des Daches zu dem allgegenwärtigen, lauten Tröten der Alarmsirene gesellte, wirkte der schwarzhaarige Bakuraner auf einen Schlag noch verlorener als zuvor. In diesem Moment registrierte allenfalls sein Unterbewusstsein, dass der neben ihm stehende Slicer nach seinem Rucksack griff, um kurz darauf das mit einem simplen Enterhaken versehene Seil herauszuholen. Folgende Dinge bemerkte ebenfalls nur sein Unterbewusstsein: Jene Drohnen, die bis zum Erwachen des Alarms bloß die benachbarten Gebäude in Augenschein genommen hatten, näherten sich nun aus verschiedensten Richtungen dem Institut, in der Ferne zeichneten sich ganz schwach erste Einsatzvehikel der hiesigen Sicherheitskräfte ab und Maalraas betrat – mit Stellar im Schlepptau – das Dach.
„Der Fluchtwagen ins dort drüben“, brüllte Noak in Richtung des rennenden Kriminellen als er sich endlich dessen Anwesenheit bewusst wurde. Eine klapprige Maschine, die schon bessere Tage gesehen hatte, erhob sich langsam – und weiterhin mit einem wirklich ohrenbetäubenden Dröhnen – über den Rand des Daches. „Etara ist schon drin!“
Eine Drohne, die dem Dach samt der in der Luft schwebenden Maschine offensichtlich zu „nah“ gekommen war, sprühte plötzlich von einem Schuss getroffen grelle Funken und stürzte kurz darauf in die Tiefe. Noak – noch immer mit dem Blasterpistole in der Hand – nickte knapp dem rennenden Kriminellen sowie dessen Begleiterin zu. Hätte der junge Bakuraner in diesem Augenblick keine anonymisierende Maske getragen, hätte man dessen ernste Miene sehen können. Allem Anschein nach hatte er sich allmählich wieder im Griff. Doch anstatt seinen beiden Miteinbrechern zu folgen, schloss er sich schweigend dem Slicer an, griff ebenfalls in eine Tasche seines Rucksacks und holte gezielt ein Seil nebst Enterhaken heraus. Eine robuste Antenne, die auf dem Dach stand, diente ihm als Widerstand zum Abseilen. Mit einer geübten Bewegung schleuderte er den Enterhaken um die Stange und begann dann – genauso wie Spike – die dem ganzen Geschehen abgewandte Seite hinab zu klettern.
„Und wie kommen wir nun an dem Energiezaun vorbei?“, fragte Noak den Slicer, nachdem sie das erste Stockwerk in Richtung Boden überwunden hatten. „Der Generator speist nun das Ding“
Begleitet von Schnaufen und Ächzen erwiderte Spike: „Der Lieutenant hat Plan B befohlen … also hat er auch eine Idee wie wir aus der Sache herauskommen, Junge.“
Säuerlich verzog der Imperiale das Gesicht. Als sie das Dach ohne jegliche Zwischenfälle erreicht hatten, hatte er eigentlich angenommen, dass sie in den nächsten Stunden diese Staubkugel würden verlassen und langsam in Richtung „Pourriture“ würden aufbrechen können. Der legendäre Schatz war Dank Etara und ihrer zwielichtigen Begleiter in jenem Augenblick tatsächlich zum Greifen nah gewesen! Erhobenen Hauptes und mit vor Stolz geschwellter Brust hätte er dann nach Cygnus B an den Königlichen Hof zurückkehren können. Womöglich hätte ihn nach diesem großen Erfolg sogar eine Beförderung zum Lieutenant Commander erwartet! ‚Was war hier bloß vorgefallen?‘, fragte er sich ein weiteres Mal, während er sich geübt die raue Fassade hinab abseilte. ‚Liegt es an meinem neuen Begleiter? Hat dessen „Erwachen“ einen stillen Alarm ausgelöst?‘ Er schluckte bei diesem Gedanken. Immerhin verpufften dadurch schlagartig sämtliche Träume von einer Beförderung.
Zu diesem Zeitpunkt schien Noak zwei Details zu ignorieren: Zum einen hielt sich die Drohne, die er in dem Labor versehentlich aktiviert hatte, noch immer in seiner unmittelbaren Nähe auf. Selbst als er an dem Seil die Fassade hinab kraxelte, blieb sie – etwa auf Höhe des oberen Rückens – bei ihm. Zum anderen drang seit mehreren Minuten kein einziger Funkspruch der Kriminellen mehr zu ihm durch, da Ozuar, der Abhörspezialist im imperialen Team, auf Brennan Diar’mons Befehl hin extern diese Kanäle gesperrt hatte. Sollte die eine Seite versuchen die andere über die jeweiligen Kanäle zu erreichen, bekam sie als Antwort höchstens statisches Rauschen zu hören.
Die Sirenen der sich auf der anderen Seite dem Forschungsinstitut nähernden Einsatzvehikel waren zu hören als die beiden Imperialen den Boden erreichten. Fast schon synchron zückten beide jeweils ihre Blasterpistole und rannten dann auf den leuchtenden, surrenden Energiezaun zu. Über ihrer beider Köpfen kreisten – weiterhin mit lautem Maschinendröhnen – das ursprünglich angedachte Fluchtvehikel sowie mehrere Überwachungsdrohnen. Noch im Laufen schossen Spike, Noak und dessen neuster, kugelrunder Begleiter auf all jene Droiden, die ihre Aufmerksamkeit mit einem Mal auf sie richteten. Beide Imperiale waren noch etwa zwanzig Meter von der energetischen Barriere entfernt als auf einmal ein weiteres Maschinengeräusch zu hören war. Jenseits des Energiezauns tauchte plötzlich ein ziviler Landgleiter auf einer zum Institut führenden Straßen auf und raste mit seiner Maximalbeschleunigung kurz darauf in einen der aufgestellten Pfeiler. Eine grelle Explosion ging bloß Millisekunden nach dem Einschlag von dem einstmaligen Hindernis aus.
Die Druckwelle, die ihren Ursprung in der Explosion hatte, riss sowohl den Slicer als auch Noak jäh von den Beinen. Keuchend landete der junge Bakuraner auf seinen Rücken und im ersten Moment durchzuckten Schmerzen seinen gesamten Körper. Doch weil die alte Drohne, die er aktiviert hatte, im Bruchteil eines Wimpernschlages zwei, drei Schritte vorgestürmt war und dann einen schwachen Deflektorschild erzeugt hatte, blieb er – im Gegensatz zu dem schlanken Arkanier – von all jenen Schrapnellen verschont, die in ihre Richtung geflogen waren. Da sie trotz allem keine Zeit verlieren durften, rappelte er sich sogleich auf, obwohl er noch leicht benommen war, humpelte zu Spike und stützte ihn. Ächzend setzten sie gemeinsam ihren Weg in Richtung Straße fort.
Weil der explodierende Pfeiler zu einer jähen Überladung der energetischen Barriere geführt hatte, war der Boden genau an den Stellen aufgerissen, wo zuvor noch dieses Hindernis gewesen war. Der öde, steinige Grund, der eigentlich wie überall auf dieser Wüstenwelt eine rostige Färbung besaß, war darüber hinaus nun kohlrabenschwarz. Beiläufig registrierte Noak dieses Detail zwar als sie diese Schneise überquerten, aber sein Bewusstsein, das gerade mit ganz anderen, viel wichtigeren Dingen beschäftigt war, schob die Information einfach zur Seite. Immerhin war die Explosion nicht gerade dezent gewesen und eine Fluchtmöglichkeit, die auf der Hand lag, schien in diesem Moment weit und breit nicht in Sicht zu sein. Erneut kam dem Bakuraner ein unflätiger, unbedachter Flucht über die Lippen. Was war bloß passiert, dass die Sache so schief gegangen ist?
Bevor die ersten Einsatzvehikel der planetaren Sicherheitskräfte den zerstörten Pfeiler erreichten, hielt ein anderer, bulliger Landgleiter vor den beiden ratlosen Imperialen. Eine Seitentür wurde mit einer raschen Bewegung geöffnet und die beiden maskierten Einbrecher blickten mit einem Mal in Corporal Martanos grimmiges Gesicht. Der Mensch, den man aus den Reihen des Flottenregiments für diese Geheimoperation rekrutiert hatte, schulterte sein schweres Blastergewehr und reichte dem verletzten Slicer die Hand. Während der Arkanier ächzend einstieg, sicherte Noak mit seiner Pistole – sowie der um ihn kreisenden Drohne – die Umgebung. Da das LAAT inzwischen geflüchtet war, beobachteten die verbliebenen Überwachungsdrohnen nun sie aus sicherer Entfernung. Kein Schuss schien sie auf diese Distanz treffen zu können. Trotz allem leerte der Imperiale auf diese Weise in kürzester Zeit. Er hörte erst mit dem Schießen auf und stieg in den Gleiter als ihm der Soldat kurz auf die Schulter tippte.
Sobald Noak ins Innere gestiegen war und irgendeinen Griff zum Festhalten gefunden hatte, setzte sich der Gleiter nach einem kräftigen Ruck in Bewegung. Während das bullige Fluchtvehikel rasant an Geschwindigkeit zunahm, behielt Martano die Tür noch einen Augenblick lang offen, lehnte sich mit seinem breitschultrigen Oberkörper samt schwerem Blastergewehr hinaus und feuerte dann mit der lauten Waffe auf die ihnen folgenden Überwachungsdrohnen. Innerhalb der ersten Minuten landete er auf diese Weise zwei, drei ordentliche Glückstreffer, sodass die anderen Droiden rasch die Verfolgung abbrachen. Ein ziemlich zufriedenes Grinsen war auf dem sehr kantigen Gesicht des kampferprobten Flottensoldaten kurzzeitig zu sehen als er seinen Oberkörper wieder ins Innere des Gleiters schwang, die Seitentür geräuschvoll schloss, das Gewehr abstellt und sich setzte.
Sein Blick ruhte auf Noak als er sagte: „Da habt ihr zum Schluss ja allerhand Mist verzapft, was?“
Der Bakuraner, der sich in der Zwischenzeit ebenfalls erschöpft auf einen Sitz hatte fallen lassen und die anonymisierende Maske von seinem verschwitzten Gesicht genommen hatte, starrte seinen Gegenüber im ersten Moment ausdruckslos an, während sich die alte Drohne, die ihm anscheinend keine Sekunde mehr von der Seite wich, mit einem Mal leise trillernd und pfeifend in seinen Schoß „kuschelte“. Was war da drin bloß geschehen? Mehr aus einem Reflex heraus fuhr Noak mit einer Hand streichelnd über deren zerkratzte, kühle Metalloberfläche. Langsam, ganz langsam fiel jene Anspannung von ihm, die sich in den letzten Minuten aufgebaut hatte. Sie machte einer unheimlich starken Müdigkeit Platz. Seufzend lehnte sich der junge Imperiale zurück und schloss die Augen.
„Ich habe keine Ahnung…“, murmelte er erschöpft. „Es hieß plötzlich ‚Plan B‘ … also setzten Spike und ich ‚Plan B‘ in die Tat um.“
Martano grunzte. „Dann geht es also euch wie uns…“ Mit seinem Kinn deutete er in Richtung des Fahrers. „Schließlich hat selbst der Major keine Ahnung.“
„Mir reicht es zu wissen, wo ich den nächsten Gleiter geparkt habe“, brummte auf der Stelle Major Crix „Pappy“ Sinaan, der hinterm Steuer saß. „Hoffen wir, dass fliegende Rostlaube der anderen, die um die Einrichtung gekreist war, mehr Aufmerksamkeit erregt als diese lahme Mühle hier.“
[Äußerer Rand | Cronese-Mandat | Argai-System | Argai || Sah Gosta | irgendwo || bulliger Fluchtgleiter || Lieutenant Noak Fremyn, Slicer Spike und Corporal Martano; hinterm Steuer Major Sinaan]