[Bastion | Bastion Center | Sith-Tempel | Domäne der Wissenden | Quartier von Janus | Janus
Als der Graf aus seinem erholsamen Schlaf erwachte, fühlte er sich deutlich besser. Die Ereignisse der Gala hatten an seinen Kräften gezehrt, und die aufregende Erkenntnis über seine neue, tiefer gehende und weitaus stärkere Verbindung zur dunklen Seite war mindestens ebenso überwältigend gewesen. Es hatte gut getan, seinem Körper und Geist danach erst einmal etwas Ruhe zu gönnen. Noch war er weder unbesiegbar noch waren seine Kraftreserven unerschöpflich, eine zwar unangenehme, aber eben nicht zu leugnende Tatsache. Es gab Sith, die sich voller Übermut angesichts ihrer Fähigkeiten blindlings in gefährliche Situationen stürzten, doch dafür hatte der schlanke Fastmensch nur Geringschätzung übrig.
Zufrieden gönnte er sich einen Schluck des kräftigen Tees, den ein Diener ihm an seinen geschmackvoll eingerichteten Schreibtisch in seinem Quartier gebracht hatte. Dieses Zimmer war im Vergleich zu den Räumen, in denen er sich auf Taris aufgehalten hatte, fast schon bescheiden, doch der gute Geschmack und das Stilempfinden des Aristokraten hatten es geschafft, dennoch eine vornehme, berückend elegante Atmosphäre zu schaffen. Entspannt lehnte sich der Halbechani zurück, schloss die Augen und lauschte den Klängen eines der bekanntesten Komponisten der klassischen Musik seiner Heimatwelt.
Ein dezentes Räuspern riss ihn aus der angenehmen Ruhe und fast schon widerwillig öffneten sich die grünen Augen des Grafen. Die Arbeit rief und war in Form von Marava in seinem Arbeitszimmer aufgetaucht.
„Bee Toven. Einer der Meister des prä-republikanischen Taris. Seine 9. Symphonie gilt als Meilenstein der Musikgeschichte. Wunderschön, nicht wahr?“
Erläuterte der Sith-Krieger im Ton eines Dozenten, und die hübsche Jüngerin nickte knapp, dann hob sie ihr Datapad.
„Der Tagesbericht, Mylord. Zudem eine Auflistung der Kandidaten, die ich ausgewählt habe, um die bei der Gala erlittenen Verluste wieder aufzufüllen.“
Janus nahm den Datenträger entgegen und warf einen schnellen, aber gründlichen Blick auf das, was die Gerüchteküche des Ordens den Ohren seiner Informanten zugetragen hatte, und auf die Profile der neuen Sicherheitsleute.
„Mehr ehemalige Militärs. Ausgezeichnet. Das sollte bei der Professionalisierung helfen. Auch wenn Ihr bei unehrenhaften Entlassungen und dem ein oder anderen Delikt ein Auge zugedrückt habt.“
Kommentierte Janus sachlich, seine Assistentin verzog kurz missmutig das Gesicht.
„Anders war die notwendige Zahl kaum zu erreichen. Ich habe selbstverständlich darauf geachtet, dass sie dennoch verlässlich sind.“
Antwortete die Frau mit dem kurzen braunen Haar rasch, und der Graf nickte leicht.
„Gut. Sorgt dafür, dass sie so schnell wie möglich bereit sind.“
Befahl er. Die Jüngerin verneigte sich, nahm das Datapad und verließ den Raum. Janus wollte gerade einen Schluck des köstlich riechenden Tees trinken, als sich der Türsummer meldete. Ein Besucher? Erstreckte seine Machtsinne aus, doch wer auch immer vor der Tür seines Quartiers wartete, verbarg seine Präsenz so gut, dass der Graf nichts erkennen konnte. Vorsichtig stellte er die Teetasse ab, erhob und stellte sicher, dass er sich mit der Macht oder dem Lichtschwert notfalls verteidigen konnte. Es war wohl besser, sich persönlich um diesen mysteriösen Unbekannten zu kümmern. Janus ging zu der Tür und aktivierte den Öffnungsknopf.
Ihm stand eine Fremder gegenüber, der selbst in den Hallen des Sith-Ordens, in denen man so manche wunderliche Gestalt zu Gesicht bekam, ungewöhnlich wirkte. Der Mann war groß, fast zwei Meter, und seine blasse Haut, verbunden mit dem silber-grauen Haar, ließ Janus für einen Moment vermuten, es mit einem Echani zu tun zu haben. Doch nein, dem Unbekannten fehlten die dafür typischen Gesichtszüge. Ein Mensch mit diesem Aussehen war insofern ungewöhnlich, als dass viele bereits die Zeichen der Auszehrung durch die dunkle Seite deutlich zeigten, dieser hier jedoch nicht.
Der groß gewachsene Sith kam gleich zum Punkt und erklärte, dass er auf die sonst üblichen Förmlichkeiten beim Umgang mit Adligen verzichten wollte, er stellte sich als Darth Hybris vor. Der ehemalige Meister von Saphenus, hier und jetzt? Das konnte doch kein Zufall sein. Hatte der Zabrak ihn hintergangen? Misstrauisch und wachsam hörte Janus zu. Der andere Sith musste einen hohen Rang bekleiden, wenn er bereits einen ehemaligen Schüler im Rang eines Kriegers vorweisen konnte, und seine meisterhafte Abschirmung sprach ebenfalls dafür. Der Graf würde vorsichtig sein müssen.
„Wie Ihr wünscht, Lord Hybris. Wir können sofort aufbrechen.“
Stimmte der Sith-Krieger zu und deutete eine leichte Verbeugung, so viel Etikette mussten sein. Ebenso unternahm er Anstrengungen, seine Gedanken und Gefühle so gut wie nur irgendwie möglich zu verbergen und vor neugierigem Zugriff zu schützen. Darin war er nicht schlecht, gut genug, dass der andere Sith wohl so viel Macht einsetzen müsste, dass Janus es bemerken würde. Die Katakomben waren also das Ziel, und dieses Ziel, in Verbindung mit dem Wort Chance, ließ die Schlussfolgerung zu, dass es womöglich um seine Erhebung in den nächsten Rang der Ordenshierarchie ging. Oder dass er mit genau dieser Aussicht in eine tödliche Falle gelockt wurde.
Die beiden Sith machten sich auf den Weg und Hybris begann eine Unterhaltung, er erklärte, dass er auf der Gala gewesen war und sich mit Saphenus unterhalten hatte. Daher also die zeitweilige Abwesenheit des Zabrak. Nur zu gerne hätte Janus erfahren, worüber sie sich unterhalten hatten, doch Fragen in diese Richtung waren nun wirklich zu plump. Der andere Sith sprach zudem kurz den Angriff auf die Gala an, was der Graf mit einem knappen Nicken kommentierte, seine Stimme war ruhig und seine Haltung von vornehmer Würde und Kontrolle.
„Das ist korrekt. Erfreulicherweise konnten die Verursacher dieser Probleme gefasst werden.Ihr Schicksal wird der Schwere ihres Vergehens entsprechen. Euer ehemaliger Schüler war bei dieser Gelegenheit eine große Hilfe.“
Erwiderte Janus kühl, aber höflich. Bei den nächsten Worten des großen Sith schrillten allerdings sämtliche Alarmglocken. Die Art und Weise, wie Hybris sich ausdrückte, ließen keinen Zweifel daran, dass er nicht von Voth sprach. Also war Leto tatsächlich am Leben! Der Graf hatte seine Diener darauf angesetzt und in letzter Zeit hatten sich Gerüchte gehäuft, dass sein ehemaliger Schüler im Tempel gesehen worden war, angeblich in Begleitung einer jungen Frau und schwer verunstaltet. Nun ja, noch schwerer verunstaltet als ohnehin schon. Doch woher wusste Hybris davon?
„Man erzählt sich, dass Leto Fel in den Orden zurückgekehrt sein soll. Eine...interessante Entwicklung, wenn die Gerüchte denn zutreffen. Es wäre mir ein Vergnügen, die Fortschritte meines ehemaligen Schülers persönlich beurteilen zu können. Schließlich wurde seine Ausbildung so...abrupt unterbrochen. Ihr scheint gut informiert zu sein, Mylord.“
Der Gedanke, dass sein missratener, verräterischer Halbbruder hier im Sith-Tempel hause, erfüllte den Grafen mit blankem Hass und dem Wunsch nach langsamer, qualvoller Vergeltung, doch er hielt sich zurück. Inzwischen hatten sie die Katakomben, jene monströse Mischung aus uralter, verfallener Technik und modernsten Anlagen, erreicht, und der andere Sith bestätigte nun eindeutig, dass es hier um seine Beförderung ging. Die Kammern von Korriban...man sprach in ehrfürchtigem Ton von ihnen und viele Krieger konnten es kaum erwarten, eines Tages diesen Ort zu betreten, um die nächste Stufe zu erklimmen. Entsprechend bekannt waren zumindest die Grundzüge des Rituals, doch was genau einen erwartete, konnte man an diesem Ort nie genau wissen.
„Dann ist der Moment also gekommen.“
Murmelte Janus leise, seine grünen Augen funkelten in goldenem Glanz. Die Chance für den Aufstieg, für die Ernennung zum Vollstrecker! Endlich war es soweit. Endlich würden sich all seine Mühen, all die Opfer, all die Verluste und Pläne bezahlt machen. Sie waren dort, vor ihnen ruhten das gewaltige, aus schwarzem Marmor gefertigten Tor der Kammer. Die dunkle Seite schien mit jedem Schritt stärker zu werden, intensiver. Es war, als rufe sie nach ihm.
Hybris hielt inne und blickte ihn an, der Sith verkündete, dass man davon überzeugt war, dass er Erfolg haben würde. Im Falle seines Scheiterns jedoch war sein Leben verwirkt. Kaum hatte der große Sith-Fürst gesprochen, da fühlte Janus ungeheure Energie von ihm ausgehen und wie ein gewaltiger schwarzer Sturm fegte die Präsenz durch den Raum. Das war die wahre Macht des Sith, wie der Graf nicht ohne eine gewisse Ehrfurcht feststellte. Diese Macht konnte auch er besitzen, wenn er denn die Prüfung meisterte.
Von unsichtbarer Hand aktiviert öffneten sich das Tor zu der Kammer und Hybris wies feierlich auf den Zugang. Seinen Wert beweisen...Langsam nickte Janus und sammelte sich, rief die dunkle Seite zu sich und richtete den Blick auf den Eingang. Dann, gemessenen Schrittes, aber ohne Zögern oder Furcht, betrat er die Kammer. So begann es also...
Dunkelheit erwartete ihn, als sich das Tor hinter ihm wieder schloss. Neugierig und doch von der Atmosphäre des Ortes fast schon überwältigt sah sich der Graf um, sobald seine Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten. Der Boden und Wände waren aus dem selben nachtschwarzen Marmor gefertigt wie das Tor und trotz seiner Schlichtheit entfaltete der Raum eine größere Wirkung als mancher Palast. Man konnte die dunkle Seite hier überall spüren, in jedem Winkel, ja selbst die Luft schien zu tanzen.
Der Blick des Sith-Kriegers fiel auf das Zentrum des Raumes, das gerade soweit beleuchtet war, dass man erkennen konnte, was sich dort befand. Brocken von Ruinen, die hunderte, wenn nicht tausende von Jahren alt sein mussten, umgaben eine auf einem Sockel stehende Statue, die kein Gesicht hatte, doch Janus hätte schwören können, aus den Augenwinkeln eine Art Fratze erkennen zu können. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Hier befand sich wahre Macht.
Vor der Statue schwebte ungefähr auf Bauchhöhe eine schwarze Kiste, auf der er bei genauerer Betrachtung einige silberne Rune erkennen konnte. Die Kiste wurde von einer Art Strahl mit der Statue verbunden und so wohl in der Luft gehalten. Davon hatte Janus in Gerüchten und Erzählungen gehört, soweit man munkelte, bestand der nächste Schritt darin, seine Hand in die Kiste zu legen. Doch was dann geschah, wurde stets mit düsterer Miene verschwiegen.
Es war soweit. Der blasse Fastmensch sammelte seine Entschlossenheit und versenkte sich in seiner Verbindung zur dunklen Seite, rief sie zu sich, um sich an ihr zu laben und zu stärken. Seine grünen Augen leuchteten in gelbem Schein und Kraft durchströmte seinen Körper. All seine Bemühungen hatten ihn hier her geführt. Ein letzter Schritt, dann stand er vor der Kiste, streckte seine rechte Hand aus und legte sie hinein. Einige Sekunden vergingen und nichts geschah, doch dann spürte Janus eine Präsenz in der Kiste, eine Art Aura, die...
Plötzlich und ohne Vorwarnung schoss ungeheurer Schmerz durch seine Hand, Schmerz von einer Art, die er noch nie zuvor gefühlt hatte. Es war, als würde er gleichzeitig verbrannt und tödlichem Frost ausgesetzt, jede Faser, jede Nervenbahn schien vor Leid zu glühen. Dem Grafen versagte für einen Moment die Atmung und sein Aufschrei blieb ihm im Hals stecken. Seine grünen Augen weiteten sich und die Fingernägel seiner zur Faust geballten linken Hand gruben sich in sein Fleisch. Es fehlte nicht viel, und er wäre zu Boden gestürzt.
Nichts hätte ihn auf diesen Schmerz vorbereiten können, und für einen Augenblick war die Versuchung, die Hand zurückzuziehen, schier unglaublich. Doch Janus widerstand, vergrub sich in der dunklen Seite und wandelte seinen Schmerz in Kraft, zog Energie aus dem Leid und bot seine ganze Willenskraft, seine ganze Entschlossenheit auf. Er würde nicht versagen! Sein Aufstieg war hier! Die vor Schmerzen weiten Augen des Grafen richteten sich auf die Statue und mit Schrecken sah er dort sein eigenes Gesicht, alt und zerfallen, das Gesicht einer Leiche. Der Anblick erfüllte ihn mit Wut. Nein! Er würde hier nicht scheitern! Niemals! Sekunden schienen sich zur Ewigkeit zu dehnen und der Schmerz wurde stärker und stärker und dann...
War es vorbei. So plötzlich, wie der Schmerz gekommen war, so unvermittelt verschwand er auch wieder. Das plötzliche Ende seines Leids war fast so intensiv wie ein Peitschenhieb und erst nach einigen Herzschlägen konnte Janus wieder atmen. Langsam nahm er seine Hand aus der Kiste. Auf der blassen Haut prangte das Symbol des Sith-Ordens, das sogenannte Sith-Taith, zeichnete ihn als einen der ihren aus. Und auch innerlich war der Graf gezeichnet worden. Er konnte spüren, wie die dunkle Seite, derer er sich so intensiv bedient hatte, ihre Form in ihm verändert hatte, stärker geworden war, hungriger. Allumfassender.
Der Sith-Krieger hielt einen Moment inne, dann trat er vorsichtig einen Schritt zurück. Sein Körper und Geist fühlten sich wie berauscht an, tosend vor Energie und dem Gefühl von Stolz, von Macht und Stärke. Er hatte es geschafft! Triumphierend streckte Janus die Arme aus, betrachtete das Mal an seiner Hand mit funkelnden Augen und seine Lippen formten ein hungriges Lächeln. Dann lachte er, die ganze Anspannung brach sich erst in einem leisen, fast verstohlenen Kichern, dann lauter werdendem Lachen und schließlich purem manischen Gelächter Bahn, das von den Wänden widerhallte.
Schließlich, als der Rausch des Erfolgs etwas abgeklungen war, drehte sich der Graf um, warf der Statue einen letzten Blick zu und trat an das Tor. Mit seiner neu gewonnen Macht griff er hinaus, ließ die Energie, die in ihm floss, auf das Tor zugreifen, und füllte es damit. Der schwarze Marmor wich zurück und gab den Weg frei. Langsam, mit feierlich erhobenem Haupt, trat Janus hinaus, die Hand mit dem Sith-Taith gehoben und noch immer lächelnd. Janus Sturn, der Sith-Krieger, hatte diese Kammer betreten, und Janus Sturn, der Sith-Vollstrecker, sie wieder verlassen. Ein neues Zeitalter brach an, die Stunde seines Aufstiegs war gekommen. Ein Leben endete, ein anderes begann...
[Bastion | Bastion Center | Sith-Tempel | Katakomben, vor den Kammern von Korrriban Janus, Darth Hybris
[SPOILER="OP"]Da hat mich der Schreibvirus vor dem Bett doch noch erwischt...
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