[Bastion | Bastion Center | Tempel der Sith | Thronsaal] Darth Allegious, Darth Sting; Taral
Der Lamproid hörte dem Medi-Droiden kaum zu, der Mutmaßungen über seinen Zustand anstellte und sich verwundert zeigte, dass er überhaupt noch bei Besinnung war. Die Maschine hatte doch keine Ahnung. Natürlich hatte er Schmerzen, ganz gewaltige sogar, aber er erlaubte ihnen nicht, ihn zu überwältigen. Heute hatte er über sich selbst und von einem gewissen Standpunkt aus sogar über den Imperator gesiegt, da sollte es ihm doch auch gelingen, die Schmerzen und die Schwäche zu überwinden! Die Dunkle Seite der Macht gab ihm die Möglichkeit dazu, und diese wurde von den starken Emotionen genährt, die sich von dem Kampf erhalten hatten und hernach noch dazu gekommen waren. Auch Stolz war ein machtvolles Gefühl. Trotzdem sehnte er sich nun nach dem angekündigten Bacta-Bad. Es war lange her, dass er zuletzt in einem Tank gelegen hatte. Als angenehm empfand er die Maßnahme nicht, aber sie half, das wusste er. Auf narbenfreie Schönheit legte er keinen Wert - im Gegenteil empfand er die äußeren Zeichen seiner vergangenen Kämpfe als Auszeichnungen, und mit oder ohne Narben, empfanden Humanoide ihn mindestens als ebenso hässlich wie er sie. Aber er hatte das Bedürfnis, seine Kräfte und damit seine Kampftauglichkeit möglichst bald wiederherzustellen. Zu hundert Prozent. Er würde sie brauchen für das, was er vorhatte, sofern die Berichte über die Yevethaner nicht massiv übertrieben waren.
Für die Reise nach Koornacht erteilte Darth Allegious ihm die Genehmigung und sprach ihm zusätzlich eine Art Freibrief für die Zukunft aus. Der Wurm brauchte keine Erlaubnis seines Meisters mehr, um etwas zu unternehmen. Er war nun tatsächlich sein eigener Herr, der seine eigenen Entscheidungen fällte und selbst für sich verantwortlich war. Die Ketten waren zersprengt. Natürlich wäre komplette Unabhängigkeit eine Illusion: Nach wie vor war er auf die Gunst des Imperators und anderer mächtiger Individuen angewiesen, denn allzu viele waren in der Lage, ihn zu zerschmettern, wenn sie es für richtig hielten - noch. Mit der Zeit würden es weniger werden. Eines Tages würde vielleicht nur noch Allegious selbst mächtiger sein als er. Und dann... wer konnte schon sagen, ob nicht auch der Imperator bezwungen werden konnte. Aber erst wenn dieser Tag kam, erst dann würde Chiffith wirklich frei sein. Bis dahin aber würde er die Freiheiten genießen, die er sich jetzt errungen hatte: Selbst über seine Zeit, seine Ziele und seine Vorgehensweise entscheiden, sich ungehemmt im Tempel bewegen, sich der Ressourcen bedienen, die einem Krieger des Ordens zur Verfügung standen. Vielleicht würde er bald auch selbst einen Schüler annehmen, wenn es ihm nützlich erschien. Die Möglichkeiten, die sich ihm nun eröffneten, waren mit denen, die er zuvor gehabt hatte, überhaupt nicht vergleichbar. Trotzdem fühlte er deshalb keine Dankbarkeit gegenüber Darth Allegious. Denn dieser hatte ihm nichts geschenkt. Er hatte ihm viel beigebracht, dafür aber auch viel gefordert - vor allem die Loyalität seines Schülers, die dieser ihm gern entgegengebracht hatte. Die Art der Prüfung hatte noch einmal klargemacht, dass der Imperator den Lamproiden als absolut entbehrlich ansah und dessen Wert an nichts anderem als seinen Erfolgen bemaß. Der junge, aufstrebende Sith, der den Thronsaal als Chiffith betreten hatte und nun als Darth Sting verließ, würde nie vergessen, wieviel er dem Imperator verdankte. Er respektierte und fürchtete ihn. Doch ihr Verhältnis würde wohl niemals tiefer gehen als dieser Respekt und stets überschattet sein von der Möglichkeit, dass sie sich auch als erbitterte Feinde wieder begegnen könnten und dieser Kampf auf Leben und Tod womöglich nicht ihr letzter gewesen war. Daran dachte Sting, als er sich mit einer etwas müden Verbeugung vom Obersten des Ordens verabschiedete und mit den Droiden den Thronsaal verließ. Jedes Wesen in diesen Mauern war ein Konkurrent, ein möglicher Widersacher. Und so sollte es auch sein. Das war der Weg der Sith.
»Lasst mich rufen, wenn Ihr mich braucht«, zischte er noch, dann schloss sich hinter ihm die Tür.
Für zwei Tage verschwand Darth Sting völlig von der Bildfläche. Die Krankenstation, in die man ihn brachte, lag in den oberen Ebenen des Tempels, wo Sith seines Ranges für gewöhnlich gar keinen freien Zutritt hatten; dementsprechend war sie großzügig gestaltet und bot weit mehr Privatsphäre und Diskretion als die vergleichbaren Anlagen weiter unten. Der Bactatank, in dem er hing, befand sich in einer abgetrennten, halbdunklen Kammer, die nur vom (meist künstlichen) medizinischen Personal betreten wurde. Als man ihn nach rund zweiundfünfzig Stunden entließ, war er körperlich voll wiederhergestellt. Muskeln, Knochen, Nerven und Haut hatten sich von dem Kampf erholt, durch das nahezu wunderkräftige Bacta ebenso wie durch die heilsame Ruhe. Auch seine psychischen und metaphysischen Kraftreserven hatten sich wieder aufgefüllt. Nach der langen Untätigkeit fühlte er sich nun um so tatkräftiger. Und er hatte Zeit gehabt, über seine nächsten Schritte nachzudenken. Der nächste musste es sein, sich für kommende Auseinandersetzungen zu wappnen. Er brauchte wieder eine Lichtwaffe, ohne die er sich nicht auf einen offenen Kampf gegen andere Sith oder gegen Jedi einlassen durfte und die auch in vielen anderen Situationen eine große Hilfe sein konnte. Die Lanze, die er unter Janus Sturns Anleitung nach der Taris-Reise gebaut hatte, war möglicherweise reparabel, wenn man ein paar kaputte Komponenten ersetzte; doch Sting hatte etwas anderes im Sinn. Für seinen Körperbau hatte sich die speerartige Konstruktion mit dem langen Schaft bewährt, weit besser als das kurze Schwert von Darth Baal, das er während seiner Prüfung benutzt hatte. Aber er glaubte, dass sich der Entwurf noch verbessern ließ. Von Korriban hatte er eine Idee mitgebracht: Eine Waffe aus Lord Hadrianous' Trophäenkammer hatte ihn inspiriert. Seine neue Waffe sollte ein Dreizack sein; drei kurze Lichtklingen anstatt einer, in einer Reihe angeordnet. Schwerer zu parieren als ein einfacher Speer und seinerseits auch besser zur Abwehr gegnerischer Klingen geeignet. Er glaubte, dass es nicht schwer sein würde, so etwas zu bauen - zumal er nicht vorhatte, das alleine zu tun.
Sein Weg führte ihn in die Werkstätten der unteren Domäne. Dort gab es zahlreiche technisch versierte Jünger, deren Daseinsberechtigung im Orden es war, die Gerätschaften des Tempels zu warten: Sicherheitsanlagen, Fahrzeuge, Waffen, Klimakontrolle und vieles mehr. Sie verstanden sich auf den Umgang mit den Materialien und Werkzeugen. Lediglich die Fähigkeit, einen Lichtschwertkristall einzupassen, fehlte ihnen, doch dazu fühlte Darth Sting sich selbst in der Lage - er hatte es schon einmal vollbracht. Es kostete ihn nicht viel Mühe, Arbeitskräfte zu rektrutieren, die in der Lage waren, das Gehäuse der Waffe nach seinen Vorstellungen anzufertigen. Er gab ihnen Anweisungen, welche Proportionen der Dreizack haben sollte und wie die Griffe und Armaturen beschaffen sein mussten; den Rest überließ er ihnen. Es kostete ihn nicht mehr als das Versprechen, dass er sich in Zukunft an ihren Dienst erinnern würde, wenn er einmal in die Situation kam, über ihren Wert für ihn persönlich oder den Orden zu urteilen. Die Gunst eines schülerlosen Sith war für sie wohl verlockend genug, um sich sogleich mit vollem Eifer an die Arbeit zu machen. Nicht ganz so leicht zu beschaffen waren aber die Komponenten für die drei integrierten Lichtschwerter. Letztes Mal hatte Janus Sturn sich darum gekümmert, das Material zu organisieren, doch diesmal musste er das selbst tun. Hierzu musste er nicht an unbedarfte Jünger, sondern an andere Sith herantreten, denn einige Bauteile, darunter auch geeignete Kristalle, waren nicht frei verfügbar und diejenigen, die sie hatten, verschenkten sie nicht. Erfolg hatte er bei einem Mann namens Darth Halberd: Dieser versorgte ihn mit allem, was Chiffith benötigte, forderte dafür aber einen Gefallen ein. Der Lamproid würde jemanden für ihn töten müssen - wen, das würde Halberd bei Bedarf entscheiden. Diese Bedingung akzeptierte er bereitwillig. Sollte der Sith ihm irgendwann einen Namen nennen, stünde ihm ja immernoch frei, sein Wort zu halten oder zu brechen, danz wie es ihm beliebte.
Abermals vergingen zwei Tage. So lange dauerte es, bis alle Bauteile angefertigt und zusammengefügt waren. Es kostete Darth Sting einige Mühe, die drei menschenblutroten Steine mit Hilfe der Macht in ihre Fassungen einzusetzen, doch es gelang. Schließlich hielt er den Dreizack in den Händen - eine Waffe, wie sie noch keiner, der daran gearbeitet hatte, bisher zu Gesicht bekommen hatte. Der Sith berührte mit den Krallen die Schaltflächen am Schaft und drei rote Klingen sprangen an. Sie brannten hell und laut; jede verursachte ein Brummen in einer eigenen Tonlage, zusammen war das Geräusch ziemlich hässlich und verstörend. Sting testete sie an einer dicken Holzplatte, die nach einem kräftigen Hieb in vier glimmenden Teilen zu Boden polterte. Er war absolut zufrieden mit sich und seinem Werk. Er deutete einen Angriff auf einen seiner Gehilfen an und genoss für ein paar Augenblicke das unbändige Entsetzen in dessen Augen, bevor er die Waffe wieder deaktivierte. Dann befahl er den Jüngern noch, die Werkstatt wieder in Ordnung zu bringen, und entließ sie aus seinem Dienst.
Er war nun angemessen bewaffnet, für eventuelle Auseinandersetzungen im Orden ebenso wie für die Reise nach Koornacht. Für diese Unternehmung fehlte ihm nur noch eines: Reisegefährten. Denn der Lamproid war sich nicht nur seiner Stärken, sondern auch seiner Schwächen bewusst. Auf Coruscant, Taris, Korriban und anderen Planeten, die er mit seinen Meistern oder anderen Sith bereist hatte, hatte er gelernt, wie zweckdienlich es war, wenn mehrere Spezialisten ihre Talente kombinierten. Er wollte ein kleines Team zusammenstellen, wenn sich andere fanden, die bereit waren, ihn zu begleiten. Eine Jagdgesellschaft oder, wenn man so wollte, ein Mordkommando. An Leuten mit der passenden Grundqualifikation mangelte es im Orden tatsächlich nicht. Und er kannte sogar jemanden, der früher sehr erfolgreich als Mörder ›gearbeitet‹ hatte... was wohl aus Leto Fel geworden war? Er hatte lange nichts mehr von dem rothaarigen Menschen gehört. Vielleicht sollte er sich einmal nach ihm umsehen. Denn die Hatz auf Fel war mühsam und gefährlich gewesen; genau solche Leute konnte er jetzt gut an seiner Seite gebrauchen!
[Bastion | Bastion Center | Tempel der Sith | Werkstätten] Darth Sting