- Coruscant - Wohnung der Cortinas - Mädchenzimmer -
Seit sie von Zuhause ausgezogen war hatte sie nur noch dort übernachtet wenn die Not es verlangt hatte. Manchmal war es nach einem Besuch bei ihrem Vater zu spät gewesen um noch in ihre eigene Wohnung zurück zu fahren. Manchmal war sie zu betrunken gewesen. Heute hatte sie in ihrem alten Bett geschlafen weil es das einzige auf ganz Coruscant war das sie ihr eigenes nennen konnte, selbst wenn es das war in dem sie schon als Kind gelegen hatte. Das Zimmer das sie sich ihr halbes Leben lang mit Cloé geteilt hatte, hatte sich im Laufe der Jahre oft verändert. Die verrücktesten, peinlichsten Poster von jungen Männern mit lächerlichen Frisuren hatten die Wände geschmückt als sie in dem Alter gewesen waren sich fürs Küssen und Verliebtsein zu interessieren. Puppen und Stofftiere waren verbannt und wieder geholt worden. Zu einem Zeitpunkt den sie nicht mehr exakt benennen konnte hatte Cloé es für eine gute Idee befunden, den Raum mit künstlichen Blumen zu schmücken und in eine Oase zu verwandeln. Es hatte nicht ganz so funktioniert wie sie sich das vorgestellt hatte. Die jüngsten Veränderungen musste sie erst kürzlich vorgenommen haben. Noa bemerkte, das der gemeinsame Schreibtisch deutlich aufgeräumter und die Vorhänge vor dem Fenster ausgetauscht worden waren. Wochenlang zum Nichtstun verbannt gewesen zu sein hatte Cloé überall Hand anlegen lassen. Selbst die Magnetwand über der Kommode hatte sie neu sortiert und die dort angehefteten Fotos ausgetauscht. Noa entdeckte einen Schnappschuss von ihren Eltern, ein Bild das sie kannte aber lange nicht gesehen hatte. Es war eine alte Aufnahme die ihre Mutter schwanger zeigte, lachend an ihren Vater gelehnt, der die Hände in die Hosentaschen gesteckt hatte, so als habe er mit all dem nichts zu tun. Damals hatten sie nicht erahnen können wie ihr Leben verlaufen mochte, dass sie eines Tages fünf Kinder haben würden und dass ihre Zeit, so schön sie sein würde, am Ende doch sehr begrenzt gewesen wäre. Direkt daneben hing ein Bild von Cloé und Jesper, in ähnlicher Pose. Jespers Blick war von der Kamera abgewandt, Cloés Kopf ruhte auf seiner Schulter. Sie sah ihrer Mutter dort ähnlich, schon alleine von ihrer Haltung, und sie sah genau so glücklich aus.
Aus dem Wohnraum drangen Stimmen heraus als Noa aus dem Badezimmer kam. Sie hatte geduscht und dabei Musik gehört und möglicherweise sogar dazu gesungen, etwas das sie nur tat wenn sie absolut sicher war, dass niemand sie hören konnte. Ihr Vater zählte dabei nicht. Was sollte ihr vor ihm schon peinlich sein? In einer bequemen Kombination aus Hose und Sweatshirt, die nassen Haare zum Zopf zurück gebunden, kam Noa in den Wohnraum. Es überraschte sie nicht, Pablo dort zu sehen. Die durch die geschlossene Tür gedämpfte Stimme hatte nach ihm geklungen. Er saß mit ihrem Vater über einer Tasse Kaf, der Tisch noch vom Frühstück gedeckt. Offenbar hatten sie schon gegessen, aber für Noa noch alles stehen gelassen. Beide Männer sahen auf als sie das Zimmer betrat, das Gespräch das sie geführt hatten erstarb. Wie lange hatte sie Pablo nicht gesehen, fragte sich Noa. Noch nie zuvor war es so lange gewesen. Schweigend kamen sie aufeinander zu. Er sah gut aus - gesund - und als er beide Arme ausbreitete um sie zu empfangen, brach sie fast in Tränen aus. Er hatte einen Arm verloren, auf dem Höhepunkt des Widerstands im Untergrund, und es war das erste Mal, dass sie ihn mit seiner neuen Prothese sah. So, mit der Kleidung über dem künstlichen Arm, sah er wieder aus der Pablo von früher.
"Da ist jemand, den ich vermisst habe. Hallo Schwesterherz."
"Und ich dich erst."
Sie ließ sich von ihm drücken. Es war eine lange, feste Umarmung, in der sie sich für Sekunden nicht bewegten.
"Willkommen zurück."
"Danke."
Noa berührte seinen künstlichen Arm.
"Wie fühlt es sich an?"
Sie glitt in ihren Stuhl am Frühstückstisch und Pablo zog den Ärmel seines Pullovers hoch.
"Okay. Ich gewöhne mich dran."
"Noch ein bisschen Übung und du kannst wieder alles machen."
Schaltete sich ihr Vater ein. Noa grinste.
"Voll funktionsfähig."
Die Prothese sah nicht so mechanisch aus wie sie erwartet hatte. Das Metallkonstrukt war von fleischfarbenem Kunststoff umhüllt, eine Hülle die aufbereitet war wie ein echter Arm. Selbst die Hand und die Finger waren modelliert wie bei einer Schaufensterpuppe. Auf den ersten oder sogar auf den zweiten Blick würde niemand sehen was mit Pablo los war. Er war nicht der böse einarmige Pirat mit einem Haken Hand.
"Wie geht's dir?"
Wollte er wissen. Pablo war seit jeher Noas erste Anlaufstelle gewesen. Bei Problemen hatte sie sich immer an ihm gewandt, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte, hatte er es garantiert als erster erfahren. Sie musste plötzlich an Naboo denken und an die Dinge, die sie bisher nicht geteilt hatte. Aus ihrer Familie wusste bisher niemand was passiert war und Noa tendierte dazu, es dabei auch zu belassen. Welchen Unterschied machte es schon, ihnen davon zu erzählen? Es konnte ja doch niemand rückgängig machen. Wenn es allerdings eine Person gab, der sie sich anvertrauen konnte, dann war das Pablo.
"Gut."
Nicht hier, nicht jetzt. Sie sah zu ihrem Vater, mit dem sie gestern Abend gesprochen hatte über Entscheidung zurück zu kommen und auch über Cris. Vor allem über Cris. Sie hatte ihm gestern noch geschrieben, dass sie auf Coruscant angekommen war, aber zuerst ihren Vater sehen und bei ihm übernachten würden.
"Sehr gut sogar. Wir haben gewonnen."
"Und du hast es verpasst."
Sie schüttelte den Kopf, weil es sich für sie immer noch etwas surreal anfühlte: ein Coruscant ohne das Imperium. Sie wollte hinaus gehen und es erleben. So richtig, vermutete sie, hatte es noch niemand auskosten können.
"Wie schlimm war der Virus?"
Fragte sie. Pablo antwortete mit einer Gegenfrage:
"Wie viel hast du mitbekommen?"
Die Zeitungen hatten jeden Tag die Zahlen der Toten gedruckt. Jeden Tag hatte es neue Opfer gegeben. Leid ließ sich gut in Zahlen ausdrücken.
"Wir waren hier eingesperrt. Gesehen haben wir auch nur was in den Nachrichten kam oder vor unserem Fenster passiert ist. Am Anfang hörte man noch oft Sirenen. Später gar nicht mehr. Rámon hat viel erlebt. Aber er erzählt nur wenig."
Noa wusste, dass ihr Bruder mit Jedi-Rätin ChesaraSyonette in die Unteren Ebenen gegangen war um dort zu versuchen zu helfen. Sie fragte sich auf welche Weise, er war schließlich Chirurg.
"Weiss man inzwischen woher der Virus kam?"
Beide Männer schüttelten den Kopf.
"Die Nachrichten sind voll mit Theorien, aber offiziell ist nichts."
Natürlich nicht, dachte Noa sarkastisch. Es gab schließlich einen Friedensvertrag.
"Noch Kaf?"
Matteo Cortina goss seinem Sohn noch eine Tasse aus. Sie hatten alle überlebt, dachte Noa. Ihre Familie hatte den Virus unversehrt überstanden, das war ihr wichtigster Gedanke gewesen während sie auf Lianna gewesen war. Jetzt erst fragte sie sich, ob vielleicht dennoch jemand gestorben war den sie kannte. Unweigerlich musste sie an Amata denken und schob die Frage auf. Sie wollte nicht daran denken, nicht jetzt wo sie doch gerade erst zurück gekommen war, nach Hause.
- Coruscant - Wohnung der
Cortinas - mit Pablo und Matteo -