[Mittlerer Rand, Esaga-Sektor, Cygnus-System, ISD Avenger, Admiralsbüro]- Elysa, Alynn, Jahanna Tebelon
Schweigend betrachtete Alynn die Agentin des Diplomatischen Korps, während diese – hauptsächlich natürlich an Elysa als Flottenkommandantin gerichtet – ihren Bericht über die politische Lage auf Cygnus ablieferte. Die grünen Augen der machtsensitiven Commodore hatten sich zu wachsamen Schlitzen verengt und man konnte nicht behaupten, dass ihr Blick freundlich oder gar aufmunternd gewirkt hätte. Viele waren unter diesem Blick in sich zusammengesunken, hatten stotternd nach Erklärungen für vermeintliches oder tatsächliches Versagen gesucht, doch an Tebelon schien das alles abzuprallen wie Handblasterfeuer an den Schilden eines Sternenzerstörers.
Alynn hatte noch nicht viele Erfahrungen mit Angehörigen des Diplomatischen Korps gemacht – weder mit Offiziere, die schließlich diese Laufbahn eingeschlagen hatten, noch mit „waschechten“ Diplomaten. Die Konsularagentin der Gladius war aalglatt, undurchsichtig, gleichzeitig allen äußeren Anzeichen nach zu urteilen auf geradezu vorbildliche Weise auf die Ausübung ihrer Pflichten konzentriert. Alynn misstraute dieser Anmutung von Perfektion, auch wenn sie gleichzeitig von ihren Untergebenen nichts anderes erwartete. Jahanna Tebelon jedoch war nicht ihre Untergebene, befand sich nahezu gänzlich außerhalb ihrer Kontrolle. Vielleicht war das das Problem.
Sie hatte darauf verzichtet, während sie dem Bericht über die innerpolitischen Verwicklungen des cygnischen Sternenimperiums lauschte, die Agentin in der Macht zu sondieren. Elysas Fertigkeiten in diesem Gebiet waren deutlich ausgeprägter als ihre eigenen und es wäre ihrer Mentorin natürlich aufgefallen, hätte sie derartiges versucht. Es stand Alynn schlicht und ergreifend nicht zu, auch wenn sie einiges dafür gegeben hätte, herauszufinden, was hinter dieser unbekümmerten und selbst von der Admiral der dritten Gefechtsflotte gänzlich unbeeindruckten Fassade vorging.
Der Inhalt des Berichts an sich war, was Cygnus anbelangte, ernüchternd. Alynn war für sich bereits zu dem Schluss gekommen, dass die Idee demokratischer Willensbildung nur in einem heillosen Chaos enden konnte, doch die eigentümliche Mischung aus demokratischer Partizipation und dem nicht weniger grotesken Konzept einer inzestuösen Erbmonarchie schien das noch einmal gründlich zu überflügeln. Dazu ein System aus zwei sich gegenseitig blockierenden Kammern… unter diesen Umständen war es ein Wunder, dass Cygnus überhaupt in der Lage war, hochwertige Produkte wie die Jagdmaschinen herzustellen, denen das besondere Interesse der dritten Flotte galt. Wenig überraschend, dass es externen wie internen Gegnern der bestehenden cygnischen „Ordnung“ – falls man das überhaupt so nennen konnte – leicht gefallen war, dort Fuß zu fassen. Alynn war kurz davor, zu kommentieren, dass man dem Sternenimperium nicht weniger als den größten Gefallen seiner Geschichte tat, wenn man es als imperiales Protektorat annektierte und Königshaus wie Regierung durch einen imperialen Moff ersetzte.
Dann kam Tebelon zu einem Teil ihres Berichts, der Alynn zu ihrem Verdruss kalt erwischte. Ihr war nicht klar gewesen, dass die Kronprinzessin nicht nur glücklich von Selgorias‘ Korvettendivision gerettet worden war, sondern dass sie sich zudem auf einer Mission befunden hatte, ein offizielles Hilfsersuchen an das Imperium zu richten – unter Umgehung des Botschafters, wie Elysa korrekterweise kommentierte. Entweder war dieser Umstand ihr im Wust der Berichte schlicht und ergreifend entgangen, oder sie war nicht explizit darauf hingewiesen worden. Sie bemühte sich darum, sich ihre leichte Frustration nicht anmerken zu lassen – beide Erklärungen brachten ihre eigenen Probleme mit sich – und versuchte, den weiteren Ausführungen Tebelons zu von Milaris aufmerksam zu lauschen.
Wenn sie gehofft hatte, dass die Ausführungen Tebelons konkreter ausfallen würden als die Selgorias‘, dann wurde Alynn enttäuscht – das musste die Berufskrankheit von Leuten sein, die zu viel Zeit in diplomatischen Kreisen verbrachten. Zwar wurden einige Vorschriften und Statuten zitiert, gegen die der Baron angeblich verstoßen hatte, doch wie genau blieb im Unklaren, wenngleich Tebelon in Aussicht stellte, bei Bedarf ins Detail zu gehen. Elysas unmittelbare Reaktion jedenfalls ließ anklingen, dass sie einer Ersetzung des Botschafters mitnichten abgeneigt war – wenngleich die Prämisse eines möglichst geringen Aufsehens Alynn nicht unmittelbar einleuchten wollte.
„Die gegen den Botschafter vorgebrachten Anschuldigungen rechtfertigen meiner Meinung nach eine vorläufige Festnahme“, mischte sie sich daher ein.
„Außerdem erscheinen mir… adäquate Methoden der Wahrheitsfindung angebracht. Ein Tiefenverhör beispielsweise. Wir können es uns nicht leisten, von einem möglicherweise in die eigene Tasche oder die dritter wirtschaftenden Botschafter an der Nase herumgeführt zu werden.“
Ihre Mimik war bei diesen Worten gänzlich ausdruckslos geblieben, ihr Blick jedoch verharrte für einen Moment auf der Konsularagentin. Tebelon sollte ruhig wissen, dass sie der Vorstellung nicht abgeneigt war, Informationen unter Zuhilfenahme aller möglichen und nötigen Mittel zu extrahieren.
„Was die Außenwirkung einer solchen Maßnahme angeht, so signalisiert sie unseren potentiellen Verbündeten, die anscheinend bereits das Vertrauen in den Botschafter verloren haben, dass wir bereit sind, Missständen in den eigenen Reihen konsequent zu begegnen. Was uns weniger wohlgesonnene Fraktionen angeht… wenn einige davon vielleicht tatsächlich mit dem Botschafter paktieren, könnte seine Festnahme sie nervös machen. Und nervöse Personen begehen Fehler, handeln überhastet, exponieren sich.“
Ihr Blick richtete sich auf Elysa, von der sie sich vorstellen konnte, dass ihr Alynns Vorschlag nicht zwingend behagte.
„Ich kann kurzfristig ein Einsatzteam zu diesem Zweck zusammenstellen lassen, Admiral.“
[Mittlerer Rand, Esaga-Sektor, Cygnus-System, ISD Avenger, Admiralsbüro]- Elysa, Alynn, Jahanna Tebelon