Wo steht bitte, das es jedem gleich gut/schlecht gehen sollte, egal, welchen gesellschaftsproduktiven Beitrag er bisher geleistet hat. Mit Verlaub, das haben wir doch schon. Von der Sozialhilfe kann man zwar keine großen Sprünge machen, aber man kann durchaus von ihr Leben.
Aber geht hier denn genau darum? Meiner Ansicht nach nein. Hier geht es um unser Verständnis gegenüber anderen Menschen, egal wie absurd oder andersartig sie in unseren Augen auch leben und existieren mögen.
Oh, vermutlich verstehe ich jetzt wieder alles falsch, nicht wahr. Vermutlich ist mir gar nicht klar, was es für jemanden bedeutet, der jahrelang arbeitet und schuftet und Steuern zahlt und dann erfahren muss, daß andere Menschen davon auch OHNE Arbeit überleben können. Nun, das macht sicherlich wütend. (Komisch, irgendwie dachte ich immer, daß ich Politiker wähle, die eben dieses Sozialsystem aufrecht erhalten, auch für den Fall, das mich mal die Arbeitslosigkeit trifft, es mir RICHTIG DRECKIG geht und ich nichts mehr auf den Schirm kriege!!!)
Aber hast Du Dich eigentlich mal gefragt, welche Versprechungen es früher gegeben hat. Hast Du Dich mal gefragt, weshalb manche Menschen dieses, andere jenes und wieder andere solches glauben? Gemeinhin ist ein langzeitarbeitsloser Sozialhilfeempfänger doch nichts weiter als ein Sozialschmarotzer und ein "fauler Sack"!!!
Nun denn, dann erkundige Dich mal in Arbeitsvermittlungsagenturen, wie leicht und einfach es doch (Deiner Ansicht nach) ist, einen Langzeitarbeitslosen, der über dreißig ist, in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern.
Aber nein, Du gehörst garantiert nicht zu den Menschen, die zehn oder fünfzehn Jahre in einem Unternehmen arbeiten, steuern zahlen und dieses Unternehmen, welches vielleicht sogar eine über hundertjährige Tradition hat, Wirtschaftkriesen und Kriege überstanden hat, plötzlich sein Insolvenzverfahren anmeldet, Du auf der Strasse stehst und Deine Freundin dir nach einigen Wochen den Laufpass gibt (Aus welchen Gründen sie nun auch immer einen anderen plötzlich nach fünf oder mehr Jahren attraktiver findet.)
Oh nein, Du gehörst nicht zu den Menschen, die plötzlich und vor allem dann, wenn Du schon sicher bist: "Geil, jetzt habe ich fast das Schlimmste hinter mir!!!" in ein noch tieferes Loch fallen, weil ihm der Boden unter den Füssen weggezogen wird und er selbst NICHT DAS GERINGSTE DAGEGEN TUN KANN!!!
Bist Du Dir so sicher? Wann hast Du Dich das letzte mal in einem Raum zurückgezogen, ohne jemand hören oder sehen zu wollen, ohne daran denken zu wollen, das da noch so etwas banales wie ein Abwasch auf Dich wartet, oder die Wäsche noch gewaschen werden muss, Du Dir Nahrungsmittel kaufen müßtest...U.s.w.
Fast bin ich versucht, Dichnzu fragen, ob wir uns mal auf ein Bier oder was auch immer treffen. Denn einen solch tollen Menschen mit einem derartigem Selbstvertrauen muss ich einfach mal kennen lernen. Einen Menschen, den nicht das Geringste aus der Bahn werfen kann.
Aber, nein danke.
Hier geht es mir nur darum, darauf aufmerksam zu machen, wieviel man oder auch einfach ICH weiß. Und wenn Reamonn mir erzählen würde, was er in Afrika erkebt und gesehen hat, würde ich schweigend dasitzen und zuhören.
Ich maße mir nicht das Recht an, beurteilen zu können, welche Leistung ein selbst körperlich gesunder Mensch in der Lage ist, zu erbringen.
Ich weiß nur, an welche Versprechungen ich in meinem Leben schon fest geglaubt habe und welche davon auch tatsächlich so intelligent formuliert waren, daß sie auch irgendwann auf mich zutrafen. Doch ich weiß auch, wie oft diese Versprechungen leer waren und sie sich in der Wirklichkeit in Null und Nichts auflösten.
Bevor man begreift, wie frei man wirklich ist, sollte man vielleicht auch begreifen, wie viele Menschen es gibt, die "freier" sind und uns unsere Freiheit deshalb begrenzen, damit sie sich ihre Freiheit erhalten können.
Klingt böse, nicht wahr? Ist es aber nicht. Keiner von uns würde es anders machen, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Das Leben ist dazu zu kurz. Doch dann einfach plakativ zu sagen, das der eine verrückt ist, damit ich mir nicht die MÜhe machen muss, seine Motive und Gründe nachvollziehen zu müssen, egal ob sich sie für falsch oder richtig halte, ist nichts weiter als "strunzdumme" Ignoranz in meinen Augen. Damit spreche ich diesem Menschen, egal was er auch getan hat, ab, daß er ein empfindsames Wesen ist, der ebenso Erfahrungen in seinem Leben gemacht hat, wie man selbst. Ich spreche ihm also ab, menschlich zu sein.
Wenn ich das tue, kann ich auch gleich in mein Glashaus setzen und bei mir selbst aufräumen. Und wenn ich dann dabei tatsächlich EHRLICH bin, könnte es sein, daß ich in meinen eigenen Augen plötzlich nicht mehr als Mensch dastehe.
Zum Abschluss etwas mal ganz kurz: Man sollte zumindest verstanden haben, wann jemand bemüht ist, Verständnis für eine (Übel-)TAT aufzubringen und wann er bemüht ist, die Gründe zu verstehen, die dazu führten. Es kann helfen, diesen kleinen Unterschied zu verstehen!
Vielen Dank!