Die Welt
Eine Kritik von Hanns-Georg Rodek
"Antreten zur Pflichterfüllung
Diese Woche läuft "Star Wars Episode 2 - Angriff der Klon-Krieger" im Kino an. Es ist der der bisher rechnerlastigste Film der Kinogeschichte
Eine Szene im neuen "Spiderman" findet sich fast als Kopie im neuen "Krieg der Sterne": Die Heldin stürzt von einem Balkon dem sicheren Tod entgegen - als der Spinnenmann auf seiner Liane angeschwungen kommt und sie im freien Fall fängt. Exakt denselben Stunt vollführen Anakin Skywalker und Obi-Wan Kenobi in "Episode 2 - Angriff der Klon-Krieger".
Was uns zur ersten von vielen nebensächlichen Fragen führt, welcher Film den Sommer mit dem dickeren Bankkonto beschließen wird. Das dürfte "Spiderman" sein; die "Star Wars"-Serie hat es vor drei Jahren mit der unsäglichen "Episode 1 - Die dunkle Bedrohung" verpasst, ihre Fan-Gemeinde zu erweitern. Sternenkrieger der ersten Stunde werden den bitteren Weg natürlich bis zur "Episode 3" gehen, doch das ist eine Art Pflichterfüllung wie der Gang zum Bundestagswahllokal - obwohl man den "Klonkriegern", anders als der "Bedrohung", nicht mehr vorwerfen kann, sie beleidigten die Intelligenz eines neunjährigen Kindes; die Toleranzgrenze ist auf zwölf, vielleicht gar auf 13 gestiegen, so dass "Klon-Krieger" in der Rangfolge der fünf "Star Wars"-Filme wohl auf Platz drei gehört.
Auch die Frage nach der Handlung ist müßig. Für die Eingeweihten ist sowieso klar, dass Anakin Skywalker sich in Darth Vader verwandeln wird, dass er und Padmé Amidala die künftigen Eltern von Luke Skywalker und Prinzessin Leia sind und Kanzler Palpatine sich als Erzschurke herausstellt; für "Star Wars"-Nichtadepten besitzt das soviel Reiz, wie jetzt in die "Lindenstraße" einzusteigen.
George Lucas gibt sich die ersten 40 seiner 140 Minuten ziemliche Mühe, die Zusammenhänge zwischen Föderation und Republik, Skywalkers und Jedis zu erklären, doch das sind bloß redende Köpfe und man fragt sich, wo der Lucas der Siebziger geblieben ist, der mit Bildern erzählen konnte.
Vermutlich ist dieses Talent in der Abgeschiedenheit seiner Skywalker Ranch verkümmert, wo ihn nichts aus seiner selbstgeschaffenen Weltraummärchenwelt aufschreckt. Kulturkritiker haben Lucas' Sternenkrieger derart zu modernen Mythen des 20. Jahrhunderts hochgeschrieben, dass ihr Schöpfer nun hoffnungslos im Mythennetz verfangen ist und nur noch Mythenklischees abliefert.
Dementsprechend haarsträubend sind wieder die Dialoge. Wenn sich Anakin und Padmé ihre Liebe versichern, klingt das so gestelzt wie aus "Die nackte Kanone"; aber es ist bitterernst gemeint, weil Mythen bitterernst genommen werden wollen und hier einer fortgeschrieben wird. Zum Glück läuft wenigstens Ewan McGregors Kenobi nicht mehr stocksteif herum; in einer Kneipe zeigt er soviel Ansätze zur Coolheit, dass ihn George Clooney als Schüler akzeptieren könnte.
Im Grunde führen jedoch all diese Fragestellungen am Kern vorbei. In der zweiten "Star Wars"-Dreierstaffel geht es nicht mehr um Geschichten, Charaktere oder Schauspielerleistungen. Es ist zum einen ein zweistündiger Werbeblock für Spielzeugfiguren und Videospiele und zum anderen ein Schaufenster für Fortschritte der digitalen Bildproduktion; man sollte erwägen, "Episode 3" nicht mehr auf der Kultur-, sondern auf der Technikseite zu besprechen.
"Episode 2 - Angriff der Klon-Krieger" ist der rechnerlastigste Film der Kinogeschichte; eigentlich darf er gar nicht mehr als "Film" bezeichnet werden, da er komplett mit Digitalkamera aufgezeichnet worden ist. Die Akteure hatten wenig zu tun, außer auf einer leeren Rampe Spiegelfechtereien mit imaginären Monstern zu treiben, die später ins Bild kopiert wurden; jene Art Arbeit, die Schauspieler nach Drehschluss auf echte Bühnen vor richtiges Publikum treibt.
Auch einige Akteure sind bereits Computerschimären; früher steckte noch Franz Oz im Yoda-Kostüm, heute ist der Ober-Jedi eine reine Ausgeburt digitalis. Samuel L. Jackson hat als Jedi-Ratsherr so wenig zu tun, dass auch ein digitaler Jackson-Klon genügt hätte, Natalie "Padmé" Portman spielt vor allem mit ihrem top-freien Bauchnabel, und Hayden Christensen als Anakin stehen keine Zornesfalten im Milchbubigesicht. Einzig Christopher Lees Graf Dooku besitzt Format, und wir wollen es dem bald 60-jährigen George Lucas zugute halten, dass er den Entscheidungskampf zwei Greisen gönnt, Dooku und Yoda, die Laserschwerter schwingen und Blitze schleudern und die Techno-Show kurzzeitig unterbrechen.
Computergenerierte Bilder sind es, die von "Episode 2" in Erinnerung bleiben dürften: eine Verfolgungsjagd durch die metropolisartigen Häuserschluchten, Kenobis Besuch auf dem Meeresplaneten, der Circus Maximus auf Geonosis. Es sind große Panoramen, die eigentlich auf einer großen Leinwand große Wirkung entfalten müssten - und es doch nur ansatzweise tun. Sie springen einen nicht an, sondern untergraben ihre potentielle Wirkung durch eine schwer definierbare Unschärfe.
Sieht man die gleichen Szenen im Trailer im Internet, erscheinen sie viel heller, farbiger, konturierter. Das führt zu der wirklich interessanten Fragestellung: Kann die Zwangsheirat zwischen Zelluloid und Video tatsächlich funktionieren? "Episode 2" wurde digital aufgenommen, bearbeitet, geschnitten und dann auf 35-Millimeter-Zelluloid kopiert - ein Material, das viel mehr Bildinformationen aufzunehmen gewohnt ist, als ihm vom Computer geliefert werden. Wahrscheinlich sieht "Episode 2" in den 19 Kinos in Amerika, die sie digital projizieren, besser aus, als in herkömmlichen Filmtheatern. Was zu der paradoxen Situation führen könnte, dass wir im Namen des technischen Fortschritts möglichst die Qualität der Bilder vergessen sollten, die das Kino schon erreicht hatte. "