[Lianna | Lola Curich | Eiscafé] Nen-Axa, Tzun Suz, Cethra Jayne, Meredith Clay
Nen-Axa fand großen Gefallen an der kleinen Geschichte, die Meredith erzählte. Sie umschrieb sehr gut, wie schwierig es war, wirklich Großes zu bewegen - und wieviel man dennoch im Kleinen bewirken konnte. Er hatte das Gefühl, dieses Gleichnis irgendwann schon einmal gehört zu haben, wusste aber nicht, wann und wo das gewesen sein sollte. Jedenfalls traf es genau ins Schwarze. Wahrscheinlich konnte jeder Jedi in der Galaxis sich in der Geschichte wiederfinden, und ebenso auch unzählige andere Individuen, die sich für das Gemeinwohl einsetzten. Allerdings waren die Jedi im Gegensatz zu dem Kind in der Geschichte nicht allein, sondern hatten einen ganzen Orden auf ihrer Seite. Auf diese Weise konnten sie doch viel mehr bewirken; auch wenn sich ihr Wirkungsgebiet nicht nur auf einen Strand, sondern die gesamte bekannte Galaxie erstreckte. Ihre Aufgabe erforderte vollen Einsatz, viel Selbstlosigkeit und eine breite Palette von Fähigkeiten. Deshalb war eine fundierte Lehre ja so wichtig.
Mit seiner Ankündigung, künftig etwas wagemutiger an Cethras Ausbildung heranzugehen, hatte er seine Schülerin offenbar ein wenig überrumpelt. Zwar sagte sie, dass sie dazu bereit wäre, schien zugleich aber so etwas wie ein schlechtes Gewissen zu haben - aus Gründen, die ihrem Meister nicht ganz einleuchteten. Schließlich hatte sie ihn nicht zu etwas überredet, was ihm nicht behagte, sondern er hatte aus freien Stücken seine Ansicht geändert. Tzun Suz erwiderte beschwichtigend, dass die Lehrpläne nichts Feststehendes waren, sondern sich nach den Bedürfnissen des Schülers und Einschätzungen des Lehrers richteten.
»Das ist richtig: Wir richten uns beim Ablauf der Ausbildung nicht nach einem festen Anforderungskatalog wie das Schulsystem von Lianna, sondern es liegt in unserem Ermessen, was wann auf die Tagesordnung kommt. Welchen Verlauf sie nehmen wird, kann man jetzt noch nicht wissen, das werden wir gemeinsam herausfinden müssen. Wir werden uns weiterhin Mühe geben, dich nicht zu überfordern, und erwarten, dass du bescheid sagst, wenn es dir zuviel wird. Umgekehrt aber auch, wenn du etwas lernen möchtest, das von unseren Lektionen nicht abgedeckt wird. Wir werden dann sehen, was sich machen lässt. Das letzte Wort behalte ich mir auch in Zukunft vor: Es gibt Techniken und Kenntnisse, die erst im späteren Verlauf deiner Lehre behandelt werden können, weil sie solide Grundlagen erfordern. Und andere, die man vielleicht gar nicht erlernen sollte, weil sie zu nah an die dunkle Seite der Macht führen. Doch wenn so etwas der Fall sein sollte, werden wir dir das erklären; falls du Wünsche hast, scheue dich also nicht, sie zu äußern.«
Die Miraluka hatte tatsächlich ein Anliegen, doch ging es dabei zunächst nicht um das Erlernen bestimmter Machtfähigkeiten, sondern um seine Meinung in Bezug auf einen Stein, den sie auf dem namenlosen Planeten gefunden hatte. Ein kleiner, durchscheinender Kristall, der in einem blassen Grün schimmerte. Zwar sah Nen-Axa nicht scharf genug, um die Facetten des Steins klar zu erkennen, aber er fühlte sich nicht ganz symmetrisch und deshalb wohl nicht künstlich geschliffen an. Da er sich in Cethras Tasche befunden hatte, leuchtete er in derselben infraroten Farbe wie sie.
»Dein Gefühl trügt dich nicht«, sagte er. »Es ist ein Kristall von der Art, wie sie auch in Lichtschwertern Verwendung finden. Ich bin kein Experte und wir können nicht sagen woher er stammt, aber abgesehen von der Farbe ähnelt er dem, den ich auf unserer ersten Kristallsuche auf Ossus fand. Dass dir so einer einfach in die Hände fällt, ist ein bemerkenswerter Zufall; allerdings werden dir viele Jedi sagen, dass es Zufälle nicht gibt, sondern alle Ereignisse entweder die Folge von Entscheidungen sind oder dem Willen der Macht folgen. Man kann es also auch als eine Fügung oder ein Zeichen sehen. Wir sind jedoch nicht weise genug, um zu wissen, was es zu bedeuten hat. Verwahre den Stein gut, er ist von großem Wert. Auch wenn es wohl nicht wahrscheinlich ist, könnte es sein, dass du ihn für den Bau deines ersten eigenen Lichtschwertes verwenden kannst. Mein Kristall hat ebenfalls auf scheinbar zufällige Weise zu uns gefunden.«
Damit schien die Aufarbeitung der Vergangenheit ihr vorläufiges Ende zu finden und der Blick richtete sich auf die Zukunft. Am Rande erfuhr der Arcona nun, dass seine Schülerin sich offenbar doch entschieden hatte, ihren Wohnsitz von ihrem Schiff in die Basis zu verlegen; ein Entschluss, über den er sich freute. Es unterstrich ihre Bereitschaft für einen Neuanfang und mit Meredith als Mitbewohnerin war sie wohl in sehr guter Gesellschaft.
»Ich werde beim Transport deiner Sachen gerne helfen«, bot er an. »Noch bleibt genug Zeit, bevor unsere Familie mich wieder in unserer Wohnung erwartet. Wenn alles in der Basis ist, verabschieden wir uns für heute. Aber alles zu seiner Zeit. Jetzt ist noch das Eis an der Reihe. Möchte noch jemand einen Nachschlag?«
Gesagt, getan. Nachdem sie genussvoll ihre Eisbecher und Getränke geleert hatten, verabschiedete Nen-Axa sich von Tzun Suz, der zum Tempel zurückkehrte, und half dann den beiden Mädchen beim Umzug in die Basis. Wirklich notwendig wäre seine Unterstützung wohl nicht gewesen, denn Cethra hatte keinen großen Hausrat zu transportieren, aber er machte es gern. Anschließend überließ er die beiden Mitbewohnerinnen sich selbst. Zuhause warteten Las Eru und die Kinder, die ihn sowieso nur unter Murren noch einmal aus dem Haus gelassen hatten. Dass die Jedi Eis essen waren, verriet er den Kleinen sicherheitshalber nicht, um sie nicht neidisch zu machen; andernfalls wären sie mit dem Abendessen, das der alte Las kochte, wohl nicht zufrieden gewesen. Wenn er nach hause kam, freute sich der Jediritter aber immer, wenn etwas Traditionelles auf den Tisch kam: Bodenständige arconische Hausmannskost, soweit die auf Lianna erhältlichen Gewürze es zuließen, war ihm noch immer das liebste. Nach dem Essen wurde noch lange gespielt, bevor die Kinder ins Bett mussten. Zum Einschlafen erzählte ihr Vater ihnen eine Geschichte über einen kleinen Jungen, der nach einer stürmischen Nacht an den Strand ging und anfing, angeschwemmte Seesterne wieder ins Wasser zu werfen...
Üblicherweise saßen die beiden Männer an einem solchen Abend noch eine ganze Weile beisammen, um sich zu unterhalten. Las Eru nahm üblicherweise großen Anteil daran, was Nen-Axa auf seinen Reisen erlebt hatte, und dieser wollte wissen, was sich in der Zwischenzeit zuhause ereignet hatte. Diesmal allerdings war der Jedi einfach zu müde. Schon kurz nach den Kindern zog er sich ebenfalls zurück, um sich im eigenen Bett wieder einmal richtig auszuschlafen. Dafür war er am nächsten Morgen recht früh wieder auf den Beinen, und während die beiden Arcona ein wenig sauber machten und das Frühstück vorbereiteten, holten sie das Versäumte nach. Besonders froh war Nen-Axa über die Gelegenheit, über die Salz-Sache mit jemandem reden zu können, dem die Problematik voll bewusst war. Mit Menschen und anderen Humanoiden, für die Natriumchlorid ein Grundnahrungsmittel war, konnte man nicht so darüber sprechen wie mit einem anderen Arcona. Der Jedi beschrieb, wie er die leichte Kochsalzvergiftung erlebt hatte, und äußerte seine Sorge, sich dabei Schaden zugefügt zu haben - auch wenn er keine körperlichen Auswirkungen mehr spürte.
»Meine Sorge ist, dass ich in Zukunft anfälliger sein könnte. Schon eine Dosis kann süchtig machen, heißt es...«
»Das ist wohl etwas übertrieben«, erwiderte der Alte. »Es mag Fälle geben, in denen Leute schon nach einem Mal nicht mehr davon wegkommen, aber dann nur deshalb, weil sie so viel Gefallen an dem Rauschzustand finden. Für eine körperliche Abhängigkeit braucht es mehr. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, warst du gar nicht richtig berauscht, und fandest den Zustand ganz furchtbar. Da sollten wir uns keine Sorgen machen. Wusstest du, dass wir es in unserer Jugend auch einmal ausprobiert haben?«
»Nein... das hast du nie erwähnt!«
»Eine Freundin hat uns dazu angestiftet, mich und meinen Bruder. Wir haben zwei- oder dreimal heimlich Salz gegessen, im Wald hinter unserem Nest, und später nochmal gelegentlich auf Partys einen Löffel voll in die Getränke getan. Aber das war nicht mehr als eine Jugendsünde. Süchtig geworden ist keiner von uns und als Erwachsene haben wir ganz die Finger davon gelassen.«
»Du brauchst die Gefahr nicht kleinzureden«, antwortete Nen-Axa, der nicht wusste, ob er sich über die Offenheit ärgern oder Las dafür bewundern sollte. »Immerhin weißt du ganz genau, dass das Salz den Kindern ihre Mutter genommen hat!«
»Natürlich. Das ist eine schlimme Sache und wir würden es niemals verharmlosen wollen! Aber es war nicht die erste Prise Salz, die sie zu Grunde gerichtet hat, sondern dass sie nicht damit aufgehört hat, solange es noch ging. Du bist von deinem ganzen Wesen her nicht der Typ für sowas. Der Vorfall war absolut harmlos.«
»Wahrscheinlich. Aber doch ein Anlass zum Nachdenken. Die Kinder wachsen in einer Welt auf, in der an jeder Straßenecke salzhaltige Leckereien angeboten werden. Für jeden ihrer Freunde ist es eine Selbstverständlichkeit. Ist das nicht eigentlich viel zu riskant?«
»Hm... das ist jetzt entweder der beste oder der schlechteste Zeitpunkt, um dir zu erzählen, dass Jem in einem unüberlegten Moment von einem seiner Freunde einen salzhaltigen Keks angenommen hat. - Nun mach nicht so ein schockiertes Gesicht, es ist nichts passiert! Wir habe seine Ammoniumzufuhr leicht erhöht und die Sache ist ganz ohne Folgen geblieben. Dem Jungen geht es gut, das hast du ja gesehen. Er ist übrigens mächtig erschrocken und wird in Zukunft bestimmt besser aufpassen. Das Ganze war nur ein Versehen.«
Diese Neuigkeit nahm Nen-Axa nicht gut auf. Er ärgerte sich sehr darüber, dass es dazu gekommen war. Das Timing war wirklich schlecht. Aber er wusste auch, dass er Las dafür keinen Vorwurf machen durfte, selbst wenn es schwerfiel, trotz der väterlichen Sorge rational und fair zu bleiben. So etwas hätte auch passieren können, wenn er daheim gewesen wäre; Kinder konnten nicht rund um die Uhr beaufsichtigt werden, und das war auch überhaupt nicht wünschenswert. Zum Glück war ja auch nichts passiert. Aber es war ein schwieriges Thema für den Witwer, was er auch eingestand.
»Am liebsten würde ich die beiden irgendwo hin bringen, wo es kein Salz gibt. Aber so einen Ort gibt es nicht. Der einzige mir bekannte Planet, auf dem nicht mit Salz gekocht wird, ist Cona, und dort verkaufen Dealer es in den Seitengassen, gestreckt mit wer-weiß-was. Kann man seine Kinder denn gar nicht vor sowas schützen?«
»Vor Drogen und ähnlichen Versuchungen? Nein, wahrscheinlich nicht. Man kann ihnen nur beibringen, dass sie vorsichtig sein müssen, und auf ihre Vernunft vertrauen. Die beiden sind klug und anständig. Für wilde Experimente sind sie ohnehin noch zu jung. Das kommt dann, wenn überhaupt, erst in der Pubertät.«
»Na toll. Da haben wir ja schon etwas, worauf wir uns freuen können.«
Das Gespräch endete an diesem Punkt, weil Noi aufgewacht war und in die Küche kam. Während des Frühstücks und auf dem Weg zur Schule sprachen sie natürlich über andere Themen. Und danach musste sich Nen-Axa langsam wieder auf dem Weg zur Basis machen, wo er mit seiner Schülerin verabredet war. Er hatte ihr am Vortag gesagt, um welche Zeit sie sich treffen würden, um mit ihrer Ausbildung fortzufahren. Nun musste er sich schon beeilen. Zum Glück schien die Sonne und er musste nicht nachhelfen, um auf eine geeignete Körpertemperatur zu kommen. In schneller Gangart legte er den Weg zur Jedi-Basis wie gewohnt zu Fuß zurück. Die Miraluka fand er in der Kantine des Ordensgebäudes, wo sie gerade ihr Frühstück beendet hatte und das Tablett wegräumte.
»Guten Morgen, Cethra«, grüßte er. »Wie war deine erste Nacht in der Basis? Und was machen deine Rippen heute?«
Insbesondere die Frage, wie gut die Bactapräparate anschlugen und ihre Heilung voranschritt, würde darüber entscheiden, womit sie diesen Vormittag verbringen würden.
[Lianna | Lola Curich | Jedi-Basis | Kantine] Nen-Axa, Cethra Jayne