- Mon Calamari – Hotel “Golden Republic” – Selbys Suite – Mit Cris –
Es dauerte nicht lange, bis Cris eingeschlafen war. Er hatte nicht direkt die Augen geschlossen, so wie Noa es ihm gesagt hatte, doch die Kraftlosigkeit hatte ihn schließlich mit Schlaf übermannen lassen. Noa starrte auf ihn herab, seine zuletzt nur noch gemurmelten Worte noch deutlich in ihren Ohren. Was sollte sie daraus machen? Wenn sie bisher an einem Mann interessiert gewesen war, hatte sich Noa von der großen Frage gejagt gefühlt, ob er auf sie stand oder nicht. Bei den meisten Männern war es unmöglich einzuschätzen, zumindest ihrer Erfahrung nach. Möglicherweise war sie auch einfach schlecht darin, die Zeichen zu lesen. Bei Cris Sheldon war das jedoch anders. Er verhielt sich nicht nur eindeutig, er artikulierte sich sogar dementsprechend. Nicht einmal wenn Noa blind und taub zugleich gewesen wäre, hätte sie seine Worte misinterpretieren können. Er lag auf dem Sofa in ihrer Wohnung und erzählte ihr im Fieberwahn, wie schön sie war. Er kaufte ihr bunte Marzipanfiguren zum Frühstück. Er versprach, alles für sie zu tun um sie zu beschützen. Und dann war da noch die nähesuchende Szene im Frachtraum der „Empress“. Hätte Noa in diesem Moment nicht Einspruch erhoben, hätte er sie wohl geküsst. Es war wirklich eindeutig: Cris hatte Gefühle für sie und allein der Gedanke ließ Noa ganz schwindelig werden. Sie brauchte sich nur neben ihn zu legen und sich an ihn zu kuscheln. Aber wollte sie das? Ja. Tat sie es? Nein.
Behutsam, um ihn nicht zu wecken, schob Noa seine Hand aus der ihren und stand leise auf. Er hatte gesagt, sie solle nicht gehen und sie hatte ihm versichert, bei ihm zu bleiben, aber jetzt wo er schlief zählte diese Abmachung kaum noch, oder? Sie konnte schlecht stundelang neben ihm sitzen und ihm beim Atmen zusehen. Das war dann doch eine Spur zu langweilig. Auf Zehenspitzen schlich sich Noa aus dem Schlafzimmer hinaus, dabei klopfte ihr Herz schneller als nötig gewesen wäre. Cris stand auf sie und nicht nur das. Entweder, es waren nur Sprüche um sie rum zu kriegen (aber das konnte sie sich bei ihm beim besten Willen nicht vorstellen), oder er meinte alles, was er sagte, absolut ernst. Es war fast zu gut um wahr zu sein und genau das machte Noa mistrauisch. Was, wenn sie sich doch irrte? Je größer ihre Hoffnungen in ihn waren, desto größer würde auch ihre Enttäuschung sein. Das war eine einfache Rechnung. Mit nagenden Gedanken tigerte Noa durch das große Wohnzimmer der Suite. Diese Räume, die man ihnen hier gemietet hatte, waren wirklich lächerlich groß. Wo war überhaupt Selby hin verschwunden? Nicht, dass sie ihn vermisste. Selby... hmm. Da war doch irgendwas. Noa begann dunkel, sich an ein Gespräch zu erinnern, ein Gespräch das Cris und Selby miteinander geführt hatten. Es war gewesen, bevor sie im „Jewel of the Core“ auf Coruscant gewesen waren, bevor Noa von den Massenhinrichtungen des Imperiums erfahren hatte. Selby und Cris hatten sich unterhalten. Sie hatten über eine Frau gesprochen und Selby hatte Noa, ohne dass sie überhaupt danach gefragt hätte, erklärt, dass Cris ihr das Herz gebrochen hatte. Was genau hatte das geheißen? Noa erinnerte sich jetzt wieder deutlicher. Sie hatte in diesem Moment nur Cris' Profil gesehen, doch er hatte niedergeschlagen gewirkt. Selby hingegen war fast ärgerlich gewesen. Natürlich machte eine gescheiterte Beziehung einen Mann noch längst nicht zu einem Herzensbrecher, doch es gab Noa zu denken. Sie hatte ihre Erfahrungen mit Männern, die nur an sich selbst dachten, gemacht. War Cris ein solcher Mann? Eigentlich nicht. Er war überhaupt nicht so. Aber wer war Noa, dass sie das vernünftig beurteilen konnte? Sie hatte bisher kein glückliches Händchen mit ihren Beziehungen bewiesen. Wieso sollte es jetzt anders sein? Sie sah auf, als sich die Tür zur Suite öffnete. Es war Selby. Wer sonst? Noa saß auf dem breiten Sofa, auf dem Cris gelegen hatte, bevor sie ihn ins Schlafzimmer verfrachtet hatte.
“Und, haben Sie was heraus gefunden?“
Wollte sie wissen.
“Cris ist in Ihrem Bett und schläft.“
Mit einer Geste wies sie in Richtung des Schlafzimmers. Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder Cris war ein Arsch und würde sie verletzen, oder er war so wie er sich gab: ehrlich, zuverlässig, zuvorkommend und romantisch. Und wenn das so war, dann verdiente er jede Frau, aber nicht Miss Oberzicke. Obwohl... im Augenblick war sie gar nicht so zickig. Eigentlich war sie gerade sogar recht fürsorglich.
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