[Mon Calamari | Coral City | Schlechtes Viertel | Gasthaus ›Travelers' Home‹ | Bar | Spieltisch] Omyush, Nutaki, weitere Gäste
Es hätte so ein schönes Spiel werden können. Ein Kontrahent schied aus und Omyush hatte echte Gewinner-Karten. Als dann noch der Zufallsgenerator ansprang und ihm ein paar Extra-Punkte bescherte, hätte er jubeln können, wenn er nicht so ein erfahrener Sabacc-Spieler wäre. Mit diesem Blatt konnte er die Einsätze fast unendlich hochtreiben und dann ordentlich absahnen. Schon nach dieser Runde hätte er wieder genug Kapital, um in einen ernsthaften Wettstreit gegen die anderen zu gehen. Er fühlte sich jedem Mitspieler überlegen. Nur was der Chadra-Fan draufhatte, wusste er natürlich noch nicht. Aber es käme seinen Plänen sehr gelegen, wenn sie beide als letzte übrig blieben. Sollte sich herausstellen, dass der kleine Fremdling sich übernahm, könnte er ihn ja einfach ein oder zwei Runden gewinnen lassen und ihn so über Wasser halten, bis die übrigen Teilnehmer aufgegeben hatten oder pleite waren. Allerdings kam es zur Umsetzung dieser Pläne nicht mehr. Eine Polizeistreife betrat das Lokal. Sechs Mann - war das nicht etwas übertrieben für die kleinen Fische, die sich üblicherweise im Travelers' Home herumtrieben? Der Gotal wusste, dass der Wirt keine Erlaubnis hatte, hier Glücksspiele zu veranstalten. Das würde eine hohe Strafe kosten - es war ja nicht das erste Mal, dass man ihn bei diesem und ähnlichen Verstößen ertappte. Auch die Überprüfung seiner Schanklizenz und Hygienekontrollen hatten schon zu Schwierigkeiten geführt. Sie alle mussten sich nun darauf einstellen, dass ihre Personalien überprüft wurden; vielleicht nahm man sie sogar mit aufs Quartier. Für Omyush gab es Schlimmeres. Er war sauber. Auf Mon Calamari konnte man ihm nichts zur Last legen - gesucht wurde er im Imperium und auf mehreren neutralen Welten, das galt hier nichts. Er war lizenzierter Kopfgeldjäger und hätte als solcher sogar eine leichte Blasterwaffe tragen dürfen, tat es aber nicht. Bei ihm würde man nichts Illegales finden bis auf die Jetons, also würde er wohl mit einer Verwarnung oder einer kleinen Geldstrafe davonkommen. Wenn alle cool blieben und die Sache ruhig über die Bühne gehen ließen. Doch davon konnte nicht die Rede sein. Der Sabacc-Dealer verschwand augenblicklich, ein paar andere Mitspieler wirkten überaus nervös. Sie hatten vermutlich Dreck am Stecken und konnten einer Kontrolle nicht so gelassen entgegensehen wie der Gotal. Doch es war nicht der grimmig aussehende Beluganer oder die zwielichtige Menschenfrau, die die Lage eskalieren ließ. Es war ausgerechnet der Barmann. Omyush konnte nicht einmal mutmaßen, warum dieser sich zu einer so übertriebenen Reaktion hinreißen ließ. Vielleicht hatte er einfach schlechte Laune. Oder er hatte nebenbei Geschäfte laufen, deren Vertuschung es wert war, sich mit einem halben Dutzend bewaffneter Polizisten anzulegen. Drei von ihnen packte er einfach mit den Fäusten. Gewalt gegen die Sicherheitsbehörden, das war nicht gut - und als er dann noch eine Waffe zog, war auch dem Gotal klar, dass er hier verschwinden musste. Reflexhaft griff er nach seinen Spielmarken. Sie waren immerhin fast so gut wie Bargeld; so etwas ließ man nicht auf dem Tisch liegen. Zwei kleine, pelzige Hände waren noch ein wenig flinker gewesen als er: Der Chadra-Fan hatte sich bereits bedient und dabei wohl etwas mehr eingesteckt, als er investiert hatte. Da wollte wohl jemand zu den Gewinnern des Abends gehören! Allerdings tat er dann etwas, das ihn auch zum größten Verlierer machen konnte: Er zog eine Waffe unter seiner Kleidung hervor.
»Nicht, lass stecken!« rief Omyush ihm zu. »Komm lieber mit - ich kenne einen Ausweg!«
Das Chaos in der Kneipe war längst perfekt. Ein Polizist war mit rauchender Brust zu Boden gegangen. Die übrigen suchten Deckung hinter den Kneipentischen und in den Türrahmen. Sie zogen ihre Waffen, um das Feuer zu erwidern. Dabei brüllten sie mit den Gästen um die Wette. Auch sie suchten Schutz oder bemühten sich, das Lokal zu verlassen. Der Beluganer wollte zur Tür sprinten und geriet dabei zwischen die Fronten. Ein verirrter (oder gezielter?) Blasterschuss traf ihn und ließ ihn mit einem unmännlich schrillen Aufschrei zu Boden gehen. Nein, damit wollte der Kopfgeldjäger wirklich nichts zu tun haben. Zeit, zu verschwinden. Er verließ seinen Platz hinter dem Sabacc-Tisch, stieg über einen zusammengekauerten Mitspieler und pirschte sich geduckt an der Wand entlang. Er achtete nicht darauf, ob der Chadra-Fan ihm folgte: Er war ja nicht dessen Mami. Ein gelber Blasterstrahl schlug neben ihm in die Wand ein und ließ ein buntes Filmplakat als Ascheflöckchen zu Boden rieseln. Omyush ließ sich davon nicht großartig aus der Ruhe bringen: Er war Feuergefechte gewöhnt und wusste, dass man starb, wenn man die Nerven verlor. So schnell wie möglich, zugleich aber so vorsichtig wie nötig, arbeitete er sich bis zur anderen Seite des Raums durch. Ein Polizist bemerkte ihn und für einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte der auf ihn schießen, aber dann erkannte der Mon Calamari wohl, dass von dem unbewaffneten Mann keine Gefahr ausging und er sich nur in Sicherheit bringen wollte. Schließlich verschwand er durch die schmale Tür, die zu den Toiletten führte. Eigentlich eine Sackgasse. Aber nur eigentlich.
Omyush kannte das Travelers' Home wie seine Westentasche. Es war sein Stammlokal - obwohl das Essen kalt, das Bier warm und der Service lausig war. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Er hatte hier schon ganze Wochenenden durchgezecht, wenn er mit vollen Taschen von einem erfolgreichen Auftrag zurückgekehrt war oder aus sonst einem Grund etwas zu feiern hatte. Bei der Gelegenheit hatte er auch viel Zeit im Hygienebereich (der diesen Namen nur teilweise verdiente) zugebracht: Was rein ging, musste ja auch wieder raus. Dabei war er einmal Zeuge geworden, wie der Besalisk eine Ladung unverzollten Aargauer Port bekommen hatte. Wo das hereingekommen war, dort kam man auch hinaus. Der Gotal lief an der Tür der Männertoilette vorbei. Neben den Räumlichkeiten der Damen stand ein alter, rostiger Blechspind. Das Türschloss war offenbar irgendwann einmal aufgebrochen worden, seither wurde hier nichts mehr gelagert. Wer flüchtig hineinschaute, bemerkte nichts Besonderes. Aber da war doch etwas. Der Kopfgeldjäger hob das lose Bodenblech hoch - darunter gähnte ein Schacht. Hier hindurch hatte man dem Wirt damals das Fässchen hochgereicht. Der Besalisk selbst würde sich niemals hindurch zwängen können, aber Omyush war schmaler und der Chadra-Fan sowieso. Jetzt erst sah der Gotal sich um, ob dieser ihm überhaupt gefolgt war.
»Da durch!« sagte er und deutete auf das Loch im Boden. »Dann sind wir gleich über alle Berge. Selbst wenn das Gebäude umstellt sein sollte.«
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