[Korporationssektor, Mytus-System, Rand, Sternengaleone Precious Commodity, Frachtraum 2]- Nereus, Auditor-General Moriera
Für einen Moment sprachlos starrte Nereus das anscheinend untrennbar am Baumstamm befestigte Echsenwesen an, das man je nach persönlicher Disposition derartigen Tieren gegenüber als hässlich oder putzig würde bezeichnen können, während sein Verstand darum kämpfte, die Worte des Auditor-General der Corporate Sector Authority zu verarbeiten. Ein Teil von ihm weigerte sich schlicht, diese zu glauben – es konnte unmöglich so einfach sein! Die Beantwortung all seiner Fragen, die Neutralisierung der gefährlichsten Plage, die diese Galaxis jemals gesehen hatte, die vermutlich für mehr Tote verantwortlich war als die Profitgier und Ambitionen aller „gewöhnlichen“ Individuen zusammengenommen. Und die Lösung der großen Frage sollte ihm jetzt einfach so in den Schoß gefallen sein? In Gestalt eines bräunlichen Tieres, das nicht einmal über ausreichend Intelligenz verfügte, um überhaupt zu begreifen, was seine Eigenschaften für das Imperium, die Republik, für jeden Planeten bedeuten konnten?
„Und diese Tiere erzeugen also eine Blase in der die Macht… nicht existiert?“, fragte er schließlich.
Moriera zuckte lediglich mit den Achseln, nachdem er seine das Ysalamir liebkosende Hand zurückgezogen hatte.
„Eine recht philosophische Frage, denken Sie nicht?“
Der Auditor-General lachte.
„Ich habe glaube ich mal in irgendeiner Abhandlung gelesen, dass die Macht allgegenwärtig ist… oder sein soll. In jedem Lebewesen, also auch in den Ysalamiri. Für wahrscheinlicher halte ich es, dass sie es irgendwie schaffen, den Zugriff machtsensitiver Individuen – oder Raubtiere, wie eben die Vronskr – in einem gewissen Radius zu blockieren. Wie groß dieser Radius ist… nun, der Korporationssektor bekommt nur selten Besuch von Jedi oder Sith, also hatten wir keine Möglichkeiten für ausgedehnte Feldversuche. Die Quellen, die wir mit einigen Mühen auffinden konnten, sprechen von bis zu 10 Metern Durchmesser und der Vermutung, dass mehrere Exemplare diesen Effekt exponentiell steigern können.“
Unbeeindruckt von der Konversation der beiden Menschen gab das Ysalamir ein leises Zirpen von sich. Nereus musterte das Tier argwöhnisch – er selbst fühlte in seiner Gegenwart jedenfalls keinerlei Unterschied, aber er war schließlich nicht machtsensitiv – anders als seine Schwester. Bei diesem Gedanken fiel ihm auf, dass er sich nie wirklich über die genetische Erblichkeit der Machtbegabung Gedanken gemacht hatten. Waren seine Eltern machtsensitiv gewesen? Sein Vater, seine Mutter? Oder hatten sie diese Begabung lediglich als rezessives Gen in ihrem Erbgut getragen, sodass es sich schließlich in Alynn hatte im Phänotyp manifestieren können? Oder hatte genetische Vererbung nichts damit zu tun – und das Ganze war eine Art perverse galaktische Lotterie?
„Ich möchte Ihnen nicht zu viel Hoffnung machen, Kratas“, holten Morieras nüchterne Worte Nereus in die Gegenwart zurück.
„Sehen Sie, diese Olbio-Bäume…“
Er deutete auf den Stamm, an dem das Tier zu kleben schien.
„… sind nicht nur der natürliche Lebensraum der Ysalamiri, sie sind offenbar ihr einziger Lebensraum. Die meisten Versuche, sie von ihnen zu trennen, resultierten im sofortigen Tod der Tiere. Auch der Versuch, die Bäume auf ein Raumschiff zu verfrachten, verlief eher… enttäuschend. Trotz der Herdenschiff-Technologie, die wir hier auf der Precious Commodity verwenden, verendeten fast 80 Prozent der Bäume und mit ihnen ihre Ysalamiri.“
Nereus‘ Kiefernmuskulatur verspannte sich. Das war in der Tat ein großes Aber – ein sehr großes. Welchen Nutzen konnten die mirakulösen Eigenschaften der Ysalamiri liefern, wenn sie sich auf den Planeten Myrkr beschränkten? Die Welt in ein Refugium umwandeln für all jene, die sich dem Terror der Sith widersetzen wollten – die aber dann ein sehr sichtbares Ziel für jede Form der konventionellen Kriegsführung lieferten?
„Ein paar haben allerdings überlebt“, stellte der ehemalige Großadmiral schließlich fest und nickte in Richtung des Exemplars vor ihnen.
„Das ist richtig“, räumte Moriera ein.
„Und mit der Zeit ist es uns tatsächlich gelungen, eine gewisse Ahnung davon zu entwickeln, wie die Tiere unbeschadet von ihren Bäumen zu lösen sind. Das letzte Hindernis war dann aber die Frage, wie man sie am Leben erhalten kann – denn ohne die Nährstoffe, die die Ysalamiri aus den Bäumen beziehen, verhungern sie schlussendlich.“
Der Auditor-General setzte sich an den hinteren Rand des kleinen Gewächshauses in Bewegung und Nereus folgte ihm unaufgefordert, bis sie beide das Biotop verließen und durch eine weitere Schleuse einen Raum betraten, der wie eine Mischung aus Werkstatt und Labor auf Nereus wirkte. In seinem Zentrum befand sich ein Tisch, auf dem ein metallenes Gerüst stand – und in ihm ein Ysalamir, offenbar lebendig.
„Es hat Zeit und Credits gekostet, doch am Ende konnten unsere Ingenieure, Biologen und Chemiker diesen Prototypen entwickeln. Was Sie hier sehen, ist ein Nährgerüst – es erlaubt dem Ysalamir, eine Nährflüssigkeit zu sich zu nehmen, die seine natürliche Nahrung aus den Olbio-Bäumen imitiert. Das Gerüst lässt sich relativ einfach durch einen halbwegs kräftigen Menschen transportieren, außerdem kann das Tier für einen kurzen Zeitraum aus ihm entfernt werden.“
Schweigend umrundete Nereus das gänzlich unscheinbare Nährgerüst mit dem ebenso unscheinbaren Lebewesen darin. Kombiniert wirkten sie so profan – wie das Gehege eines x-beliebigen Haustiers – dass es fast schon lächerlich war.
„Die Verpflanzung eines Tieres auf das Gerüst ist allerdings kein automatischer Erfolg“, fuhr Moriera fort.
„Selbst dann nicht, wenn das Tier erfolgreich vom Baum gelöst wurde. Was Sie hier sehen, ist der einzige Prototyp – und das einzige Ysalamir, das ihn akzeptiert hat.“
Der Auditor-General legte eine kurze Kunstpause ein.
„Und ich möchte sie Ihnen geben.“
Nereus blinzelte – nur halbwegs überrascht, da diese ganze Demonstration schließlich irgendeinen Zweck gehabt haben musste, doch nichtsdestotrotz von der schnellen Entwicklung der Ereignisse ein wenig überfordert.
„Mir?“
Moriera lächelte freudlos.
„Wie ich bereits sagte, der Korporationssektor bekommt selten Besuch von Jedi und Sith… und auch meine Mittel sind nicht unerschöpflich, sodass wir derzeit an einem toten Punkt angekommen sind. Ich könnte dieses Projekt natürlich dem Direx-Board vorstellen und größere Summen anfordern, doch das würde zwangsläufig bedeuten, dass aus den Ysalamiri ein kommerzielles Gut würde… ein Schutz gegen Machtbegabte für jeden, der ihn sich leisten kann. Ich denke, Sie wissen, was dann passieren wird – die Sith würden alles daran setzen, das alles aus der Welt zu schaffen. Das Projekt, die Forschungsdaten, vielleicht sogar den gesamten Planeten Myrkr.“
Der rotuniformierte Mann schüttelte mit dem Kopf.
„Nein, ich denke, es ist ganz gut, dass es derzeit nur diesen einen Prototypen gibt… und nur wenige Personen über unsere Forschungen und ihre Ergebnisse informiert sind. Und Sie werden da, wo Sie hingehen, bedeutend mehr Nutzen aus einem dieser Tiere ziehen können als ich.“
Jetzt war es an Nereus, bedächtig zu nicken.
„Den Prototypen, das Tier, einen Vorrat der Nährflüssigkeit und die Koordinaten des Planeten… das bekommen Sie von mir. Und das muss reichen.“
„Das tut es“, erwiderte der Mann in der Uniform des Vilius Trayn leise.
Morieras Mimik erhellte sich wieder ein wenig.
„Gut. Dann schlage ich vor, dass Sie nach Cygnus aufbrechen.“
Die Augen des Auditor-General funkelten.
„Und vielleicht zahlt sich so manche Investition dann schon bald aus.“
[Korporationssektor, Mytus-System, Rand, Sternengaleone Precious Commodity, Frachtraum 2]- Nereus, Auditor-General Moriera