- Naboo - Theed - Vorort - Jules Werkstatt - Lagerraum – Mit Al –
Ob sie eine Ahnung hatte, was das hier alles sollte? Oh ja, die hatte sie. Die Antwort auf die der Kernfragen blieb natürlich noch immer ungeklärt: warum war Jules Agathon ein Massenmörder, warum tötete er unschuldige Familien und Kinder und warum versuchte er seine Taten so aussehen zu lassen, als wären sie das Werk eines Jedi? Abgesehen von diesen grundlegenden Löchern im Netz des Falles hatte Noa jedoch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was hier los war.
“Deine Mutter arbeitet an einem großen Fall: Serienkiller, brutal ermordet und verstümmelte junge Familien. Erwachsene und Kinder.“
Brachte Noa Aldridge auf den aktuellen Stand der Dinge. Er hatte ja wirklich rein gar nichts mitbekommen. Wo hatte er die letzten Wochen gelebt, unter einem Stein? Ihr war schon klar, dass Deanna Trineer wohl kaum abends am Küchentisch von ihrem Tag erzählte (das tat man in anderen Berufen, aber nicht wenn man bei der Polizei war), doch die Story war in jeder Zeitung und in jeder Nachrichtensendung Theeds zu lesen. Aldridge hätte etwas davon mitbekommen müssen, ob er nun der Sohn der führenden Ermittlerin war oder nicht. Noa konnte nicht verstehen, wie sich manche Leute überhaupt nicht für das zeitliche Geschehen interessieren konnten. Man musste wissen, was um einen herum geschah! Politik, Wirtschaft, Forschung, Entwicklung und natürlich leider auch Krieg waren wichtige Themen. Es ging darum, aufgeklärt zu sein, zu wissen was man tun konnte und sollte und was Regierungs- und Staatschefs ihrem Volk erzählten, gerade damit man selbst einschätzen konnte, was davon wahr und was nur erstunken und erlogen war. Aber vielleicht war das auf Naboo anders. Die Menschen hier galten als friedliebend, sanft und artistisch veranlagt. Sie vertrauten ihrer Königin, lasen die Boulevard-Nachrichten und trafen sich sonntags nachmittags zum Blumen pflücken. Kein Wunder also, dass Aldrige Trineer keinen blassen Schimmer hatte, was um ihn herum abging.
“Um es kurz zu machen, Agathon ist ein Mörder und weil deine Mutter ihm mit ihren Ermittlungen auf die Pelle rückt, versucht er sie aus dem Fall abzuziehen, indem er die Geschichte persönlich werden lässt. Er hat dich entführt, damit ihre Gefühle sie kompromittieren und ihre Vorgesetzten sie beurlauben.“
Die Erklärung kam ganz natürlich über Noas Lippen. Es war die einzige Herangehensweise, die Sinn machte.
“Du sitzt hier also, ohne dass du was dafür kannst.“
Und genau da fingen ihre Gemeinsamkeiten an.
“Genau so wie ich. Ich habe Agathon erwischt, als er mit deinem Ausweis herum gespielt hat. Ich glaube nicht, dass er bis zu dem Zeitpunkt vor hatte, mir etwas zu tun, dazu war ich zu unwichtig. Jetzt bin ich allerdings eine unbequeme Zeugin.“
Die Handschellen um Noas Handgelenke klapperten, als sie die Hände hob, um sich die Augen zu reiben. Abgesehen von dieser Einschränkung konnte sie sich wenigstens ansonsten normal bewegen, auch wenn ihr das in der kleinen Abstellkammer wenig nutzt. Aldridge war umständlich – und ziemlich unbequem – an das Regal gefesselt, von dem der Werkzeugkoffer hinunter gefallen war. Bei seiner Statur war es logisch, dass Agathon und sein Sohn auf Nummer sicher gingen und ihn ordentlich fesselten. Noa hingegen hielt man wohl wenig für eine Gefahr. Das Gewicht des Hydroschraubenschlüssels fühlte sich beruhigend an ihrer linken Seite an. Fast schon wünschte sich Noa, dass dieser Donnie endlich wieder kam, damit sie ihn mit ihrer provisorischen Waffe verprügeln konnte. Sie war nicht besonders stark, aber wenn sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatte, hatte sie eine realistische Chance gegen ihn.
“Du siehst also, wir sitzen im selben Boot.“
Und das gefiel Noa nicht besonders. Sie sah sich um, beugte sich vor und zog den am Boden liegenden Werkzeugkoffer zu sich heran.
“Wir müssen erst mal sehen, dass wir dich frei bekommen.“
Entschied sie. Das musste der Auftakt ihres Schlachtplans sein. Wenn sich Aldrige mehr bewegen konnte, oder sogar beide Hände frei hätte, könnte er Donnie Agathon im Handumdrehen erledigen. Jules Agathons Sohn war absolut kein Gegner für den muskulösen Aldrige. Noa durchstöberte den Werkzeugkoffer, größtenteils mit dem Tastsinn ihrer gefesselten Hände, und wünschte sich mehr Licht. Es war jedoch ein sinnloses Unterfangen, wie sich bald heraus stellte. Die Handstellen waren aus hartem Stahl gefertigt, vermutlich aus Durastahl, und ließ sich mit keiner Zange der Galaxis verbiegen. Es waren auch keine altmodischen Schellen mit manuellen Schlössern, sondern elektronische Handfesseln, die über einen Magnetimpuls und eine Fernsteuerung bedient wurden. Noa hockte vor Aldridges Nase und versuchte, die schmale Kante eines Spachtels in den Öffnungsspalt der stählernen Fesseln zu schieben, doch diese bewegten sich keinen Millimeter.
“Okay, das funktioniert schon mal nicht.“
Sie stand auf und wackelte an dem Regal. Hätte sie eine Säge oder eine Axt, hätte die die Stäbe dort durchtrennen können, wo Aldrige an das Mobiliar gefesselt war, doch solche gefährlichen Waffen hatte man hier natürlich nicht in ihrer Reichweite gelassen. Umkippen konnten sie das Regal auch nicht, da Aldrige sonst darunter begraben werden würde, abgesehen davon, dass ihnen das ohnehin nichts nutzen würde. Für’s erste gingen Noa die Ideen damit aus. Sie würde diesen Donnie-Typ wohl alleine überwältigen müssen, sich die Fernbedienung von ihm nehmen und dann ihrer beider Fesseln lösen. Das war alles. Klang doch kinderleicht.
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