[Japrael-System | Dxun | Dschungel | Zwischen Flussufer und Waldbrand] Sliff Quori und der Basilisk; Mol und Silar in der Nähe
Dass Sliff Quori wegrannte, war reiner Überlebensinstinkt. Hätte sein Kopf anstelle seines Rückenmarks die Entscheidung gefällt, hätte er sich das erspart, wäre einfach stehen geblieben und hätte einen kurzen, hoffentlich schmerzlosen Tod durch einen sauberen Schuss des Basilisken akzeptiert. Denn er hatte das Gefühl, dass er durch die Flucht die Sache nur unnötig hinauszögerte. Er stand an der Schwelle zum Tod, davon war er überzeugt. Man sagte, dass man in den letzten Augenblicken noch einmal sein Leben vor dem inneren Auge vorbeiziehen sah. Doch was Sliff erlebte, war ganz anders. Wer er war und was er in der Vergangenheit erlebt hatte, schien nun überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Stattdessen erlebte er die Gegenwart so intensiv wie noch nie zuvor. Alle Sinne schienen geschärft zu wein, während sich seine Wahrnehmung der Wirklichkeit auf merkwürdige Weise verschob. Den Schmerz in seinen Beinen und anderen Körperteilen nahm er kaum noch wahr. Das Waffenfeuer hörte und sah er nicht mehr und auch die Rauchschwaden des nahen Waldbrandes waren gänzlich aus seiner Wahrnehmung verschwunden. Stattdessen wurde er sich der Umwelt um ihn herum bewusst. Er spürte Zweige und Grashalme über seine Chitinhülle streichen, den moos- und pilzbewachsenen Boden unter seinen Füßen nachgeben. Er roch die harzigen und modrigen Aromen des Waldes und den süßen Duft großer Blumen, an denen er vorbei lief. Er hörte Insekten summen und Wasser von großen Blättern tropfen. Er bemerkte eine Schlange mit geschecktem Pelz, die sich mit eleganter Bewegung auf einen höheren Ast flüchtete. Ein kleiner Schwarm vogelähnlicher Wesen stieg aus einem Dickicht auf, als er sich näherte. Er konnte die schwarz-blaue Musterung ihres Gefieders genauestens erkennen und, was noch merkwürdiger war, sich über ihren hübschen Anblick freuen. Sein Rundumblick offenbarte ihm eine Schönheit von Dxuns Wäldern, die ihm in viel ruhigeren, entspannteren Situationen niemals aufgefallen war; eine Seite dieser Welt, für die er keinen Blick gehabt hatte. Ausgerechnet jetzt, als jeder Herzschlag sein letzter sein sollte, konnte er die üppige Natur genießen. Als ihn eine Druckwelle fasste und von den Beinen riss, als Himmel und Erdboden sich plötzlich um ihn drehten und sein Blick sich trübte, fühlte er sich so gelassen und ausgeglichen wie seit Jahren nicht mehr. [khaki]›Das war's‹[/khaki], dachte er nur. Kein Bedauern, kein Bereuen. Tiefe Ruhe wie in einem traumlosen Schlaf umfing ihn.
Dann kam er wieder zu sich und stellte irritiert fest, dass er doch noch nicht am Ende des Weges angekommen war. Er war noch immer auf Dxun und steckte in seinem Körper, nur lief dieser nicht mehr, sondern lag auf dem Boden, eingekeilt zwischen Stamm und Ästen eines gigantischen Baumes. Noch immer nahm er die Gerüche und Laute um ihn herum sehr deutlich wahr, aber auch der Schmerz war wiedergekommen - allerdings überlagert vom Adrenalin. Kurz fragte er sich, ob er nicht einfach liegen bleiben und noch ein wenig schlafen sollte, dann verflog diese merkwürdige Anwandlung und er arbeitete sich unter dem Holz hervor. Er konnte seine schlanke Gestalt durch eine Lücke pressen und stand schließlich keuchend neben dem Stamm. Irritiert blickte er sich um und versuchte zu verstehen oder sich zu erinnern, was geschehen war. Mehrere der großen Bäume waren umgestürzt und hatten kleinere mit sich gerissen. Ein gewaltiger Riss ging durch den Erdboden - er schien sich auf einer Seite fast zwei Meter gehoben oder auf der anderen gesenkt zu haben. Der Geruch des Waldbrandes mischte sich mit dem fauligen Dunst von Schwefelwasserstoff. Keine Waffe, die auf ein Vehikel wie den Basilisken montiert war - überhaupt keine, die kleiner war als ein Schiffsgeschütz - konnte so etwas anrichten! Als ein Vibrieren durch den Boden ging und Sliff nach einem Ast greifen musste, um das Gleichgewicht zu halten, verstand er. Keine Waffenexplosion, sondern ein heftiges Erdbeben hatte seine Flucht beendet.
Humpelnd und noch immer benommen suchte er das verwüstete Waldstück ab und fand kurz darauf den Basilisken. Der Kampfdroide war ebenfalls von einem Baumstamm erfasst und darunter eingeklemmt worden. Doch im Gegensatz zu Sliffs schmaler Gestalt hatte er nicht in eine Lücke zwischen Astwerk und Erdboden gepasst. Er war auf die Hälfte zusammengedrückt worden; eine Schrottpresse hätte es nicht viel gründlicher machen können. Noch immer funktionierten Teile von ihm - ein Bein bewegte sich, ein optischer Sensor leuchtete, ein Triebwerk versuchte stotternd zu zünden und verkohlte dabei die moosbewachsene Borke des gefallenen Riesen - doch das waren nur Todeszuckungen. Von der Maschine ging keine Gefahr mehr aus.
»Ich glaube, das hast du genauso wenig kommen sehen wie ich«, sagte er zu dem Droiden. »Wir sehen uns in der Hölle wieder. Lass mich dann wissen wie's war.«
Doch ganz am Ende war der Basilisk wohl noch nicht. Vielleicht war es Zufall, vielleicht aber auch eine Reaktion auf die Worte des Kobok: Die Kriegsmaschine versuchte sich aufzubäumen. Der tonnenschwere Stamm bewegte sich keinen Millimeter, aber das Metall verzog sich weiter. Mit einem Laut, der klang wie der Todesschrei eines mit Nägeln gefüllten Blecheimers, zerknüllten die kräftigen Mechaniken sich selbst.
Sliff erinnerte sich an den Hochmut, mit dem sich Silar dem scheinbar besiegten Mol genähert hatte, und erkannte, dass er sich genauso dumm und unvorsichtig verhalten hatte. Woher sollte er denn wissen, ob der Basilisk nicht doch noch eine funktionsfähige Waffe hatte, mit der er in seine Richtung schießen konnte. Oder ob das schmorende Wrack gleich explodieren würde. Es brachte nichts, das schaurig-schöne Schauspiel, das der unterlegene Gegner bot, weiter mit anzusehen. Er wandte sich ab und machte er sich auf den Rückweg. Ziemlich planlos stolperte er in die Richtung, in der er seinen Kameraden vermutete. Dabei kam er schlecht voran: Sein linker Fuß wollte sein Gewicht nicht tragen. Er blickte an sich herab und erschrak bei dem Anblick. Das Exoskelett war zusammengedrückt worden; es wies knapp über dem verdrehten Fußgelenk auf der Schenkelinnenseite einen deutlichen Knick und außen einen langen Riss auf, aus dem Blut sickerte und unter dem die nackten Muskeln zu sehen waren. Sliff Quori fragte sich, wie es überhaupt möglich war, dass der Fuß ihn bis hierher getragen hatte, und im selben Augenblick kam der überwältigende Schmerz. Der Kobok fiel um und konnte nicht einmal einen Versuch unternehmen, wieder aufzustehen. Erst entwich ihm ein Keuchen, dann ein hysterisches Lachen. Hätte er nicht in dem Moment übernatürlicher Klarheit draufgehen können, anstatt jetzt unter Schmerzen im Wald zu verrecken?
»Mol!« rief er so laut, dass seine Stimme sich überschlug. Er wusste nicht, ob der Zabrak ihn hörte - ob er überhaupt noch lebte. Vielleicht machte er mit dem Geschrei nur Silar, andere Mandalorianer oder die trandoshanischen Jäger auf sich aufmerksam. Aber das wäre immer noch besser, als hier zu liegen, bis der Waldbrand oder ein wildes Tier ihn holte. »Moooool!«
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