[Kernwelten, Rendili-Sektor, Rendili, ISD Avenger, Büro des Admirals]- Elysa, Alynn
Es war eine Herausforderung – und noch dazu eine mit womöglich fruchtlosem Ergebnis – den Anschein von Gelassenheit und Distanziertheit zu bewahren, als Alynn der Einladung ihrer Vorgesetzten, Lehrmeisterin und… ja… im Grunde vertrautesten Person in dieser Galaxis folgte und sich in den dargebotenen Sessel sinken ließ, während Elysa selbst ihren Steward verständigte, mit Erfrischungen und einem kleinen Angebot an Verpflegung aufzuwarten. Bei der Auskunft, ihre Unterredung könnte sich „eine Weile“ hinziehen, handelte es sich also nicht lediglich um eine Floskel, was Alynns letzte Zweifel daran zerstreute, dass es hier um möglicherweise ranghöheren Offizieren vorbehaltene Details der Operation im Cygnus-Sternenimperium gehen könnte. Das, und die Tatsache, dass Elysa die private Natur der Unterhaltung explizit angekündigt und diese Ankündigung durch eine formlose Anrede noch untermauert hatte. Alynns scheinbare Gelassenheit wurde auf die Probe gestellt – sie schätzte es nicht, sich Situationen zu stellen, deren Parameter ihr nicht im Voraus bekannt gewesen waren, auch wenn ihre Gabe zur Improvisation sich bisher als ausreichend erwiesen hatte, diese ebenso zu meistern. Nun – immerhin stand ihr hier kein Gefecht bevor. Oder vielleicht doch?
Dass die folgenden Minuten sich nicht zum gemütlich-belanglosen Plausch entwickeln würden wurde schnell klar. Natürlich überraschte es Alynn nicht, dass gewisse Gerüchte und Erzählungen innerhalb der Flotte recht rasch auch das Ohr der Flottenkommandantin erreichen würden, wohl aber trafen die Konsequenzen, die sich nach Elysas Worten daraus bereits ergeben hatten, die Commodore dann doch unerwartet. Sie musste zugeben, dass sie ihre militärische Karriere in Bezug auf eine positive Veränderung des Status quo in der Tat vernachlässigt habe, also auch insofern, dass ihr niemals in den Sinn gekommen wäre, dass Elysa womöglich eine bedeutendere Position innerhalb der Dritten Flotte für sie beabsichtigt hatte. Die Enttäuschung Elysas über das Nichteintreffen dieser scheinbar geplanten Entwicklung, wenn schon nicht aus ihrem Tonfall, dann doch aus ihren Worten ersichtlich, hatte zunächst noch keinen äußeren Effekt auf Alynn, doch spätestens, als die Admiral ihn erwähnte spürte sie, wie sich ihr gesamter Körper in einem unbewussten Reflex versteifte.
Sie wusste nicht, welcher Umstand ihr unangenehmer war – der Umstand, dass Elysa diese Dinge derart schonungslos ansprach, oder aber die bittere Tatsache, dass die Flottenkommandantin ohne viel Mühe voll ins Schwarze getroffen hatte, fast so, als könnte sie in ihrer so um Verschlossenheit bemühten Untergebenen lesen wie in einem offenen Buch. Unglücklicherweise gehörte dazu auch die Entlarvung des Selbstbetrugs, mit dem Alynn sich ein Stück weit versucht hatte selbst zu beruhigen – der Glaube nämlich daran, dass die verstörenden Ereignisse der letzten Wochen und Monate auf einen mystischen, externen Einfluss zurückzuführen waren. So manch ein Mitglied des Sith-Ordens mochte Elysas Worte die Macht bezüglich nicht teilen, sie vermutlich als Ketzerei verurteilen, doch Alynns analytischer Verstand ließ ihr kaum eine andere Wahl, als die Worte der Anderen zu akzeptieren. Die Probleme waren schon immer ein Teil von ihr gewesen. Hass, Rachsucht, all das waren keine exogenen Komponenten, die durch die Nähe zur dunklen Seite nach deren Belieben aufflammten und arglose Machtnutzer in ihre Arme trieben. Sie schlummerten in einem – und erst entfesselt brauchten sie ein Ziel. Und wenn dieses Ziel verschwunden war, war es schwierig, sie wieder zu kontrollieren. Nicht die Macht hatte sie ins Chaos gestürzt. Sie selbst war es. Und obwohl sie es im Grunde von Beginn an gewusst hatte, bedurfte es der Worte einer anderen, um diese Erkenntnis voll und ganz zu akzeptieren.
Das kurze, durch das Eintreffen des Stewards verursachte Intermezzo verging, ohne dass es bleibenden Eindruck auf Alynn hinterließ – die Routine hatte sie gut genug im Griff, dass sie, wie von ihr erwartet wurde, kurz am Korken der geöffneten Weinflasche roch – irgendetwas in ihr erinnerte sie daran, dass es sich hierbei um bloßes Schauspiel handelte, eine Geste, die sich vermeintliche Weinkenner (wie man sie im imperialen Offizierkorps wohl zuhauf finden konnte) angewöhnt hatte, um ihre angebliche Kenntnis und guten Geschmack zu demonstrieren – und ihm dann mit einem knappen Nicken bedeutete, dass er mit dem Füllen des Glases beginnen konnte.
Dann hatte der Steward sich wieder mit der Diskretion seines Berufsstandes zurückgezogen und Alynn mit einem Glas gefüllt mir grünlich schimmernder Flüssigkeit zurückgelassen, die ein wenig an die Farbe ihrer eigenen Augen erinnerte – und an die Augen einer weiteren Person, die sich zwar nicht physisch, aber ideell ebenfalls in diesem Raum befand.
„Irgendetwas ist falsch“, sagte Alynn plötzlich, für sie selbst überraschend, fast, als hätte ihr Unbewusstsein unter Umgehung einer bewussten Überprüfung das Wort ergriffen.
„Das Kapitel sollte abgeschlossen sein. Es ist vorbei. Er ist tot.“
Welchen Beweis brauchte es schon, außer jenem Bild, dessen Zeuge Tausende und Abertausende imperiale Soldaten geworden waren? Die Intimidator, der Stolz der imperialen Flotte, geschlagen und in kurzlebigen Flammen aufgehend?
„Aber das ist es nicht…“
Ihre Worte waren wenig mehr als ein Flüstern und überraschten sie umso mehr, schließlich eröffneten sie einen Gedankengang, der ihr bis zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn gekommen war. War es das, was in ihr rumorte? Waren es die Zweifel an einem allgemein anerkannten Fakt?
„Ich habe nie eine Leiche gesehen…. nie einen Beweis…“
Langsam schüttelte sie mit dem Kopf.
„Ist es also die Gewissheit, die fehlt? Ich glaube nicht…“
Es war leicht, zu denken, dass es einfach die Genugtuung war, die fehlte, persönlich für das Ereignis verantwortlich zu sein, von dem sie denken sollte, dass es sie mehr als zufrieden stellte. Dass sie sich um ihre persönliche Abrechnung betrogen fühlte. Doch das war es nicht…
„Es ist nicht die fehlende Gewissheit, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist. Weil es sie nicht geben kann.“
Ihre Augen weiteten sich. War es das, was sie glaubte? Warum? Und warum jetzt?
„Weil das Kapitel nicht abgeschlossen ist…“
Doch was half dieses Hirngespinst in diesem Moment? Elysa hatte ihr Fragen gestellt, von der sie glaubte, dass Alynn sie nicht beantworten konnte. Konnte sie? Wofür kämpfte sie? Was waren ihre Ambitionen? Was bedeutete für sie die Uniform, die sie trug, die Uniform, die er getragen hatte?
„So oder so…“, murmelte sie.
„Ich muss mich mir selbst stellen und aufhören zu versuchen, das Unvermeidbare zu vermeiden.“
Die Körperhaltung der Commodore straffte sich.
„Dann finde ich meine Antworten. Doch ich darf darüber nicht die erste unter ihnen vergessen: wem folge ich?“
Eine kurze Pause entstand.
„Dir.“
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