[Mittlerer Rand | Roche-System | Roche-Asteroidengürtel | Schrottplatz | Lexys | Küche | Etara, Avlan, Mol, Spectre, Lexy und Lucy (NSC)
Mit einem Mal fühlte sich Etara in ihre Jugend auf dem Schmugglermond zurückversetzt, dort hatte die Chiss die ungeschriebenen Regeln der kriminellen Unterwelt hautnah beobachtet und verinnerlicht. Das Wissen um das richtige Verhalten war in den dreckigen, düsteren und von Verbrechern beherrschten Gassen der Schlüssel zum Überleben gewesen und zugleich auch die Chance darauf, selbst ein Stück vom Kuchen zu ergattern und sich Credits und Kontakte zu sichern. Etara war eine gute und gelehrige Schülerin gewesen und hatte rasch ein Gespür dafür entwickelt, sich mit Lebewesen zu umgeben, von denen sie etwas wertvolles Wissen erhalten konnte. Für eine hübsche junge Frau, die um ihre Vorzüge wusste, war es nicht wirklich schwer gewesen, einen Platz an der Seite irgendeines aufstrebenden Gangsters zu bekommen, und dass sie ohnehin ein Faible für böse Jungs und Mädchen hatte, war ein auch nicht gerade schädlich gewesen. Aufmerksam und neugierig und dennoch angemessen vorsichtig hatte Etara zugesehen und zugehört und so viel gelernt. Und sobald sie gewusst hatte, wie man das Spiel spielte, war sie selbst aktiv geworden. Natürlich war alles mit einem gewissen Risiko verbunden, aber das machte den Reiz aus. Etara liebte Herausforderungen, und gelungene Verhandlungen mit anderen Kriminellen waren ohne Zweifel eine Herausforderung. Man musste auf so vieles achten und der kleinste Fehler, ein unbedachtes Wort, ein falsch verstandener Blick, und der Deal war gelaufen oder es drohte sogar schlimmeres. Die oberste Regel für jedes Treffen war, sich der Situation anzupassen und seine Gegenüber einzuschätzen, um sich richtig zu verhalten. Durch Beobachten konnte man erkennen, mit wem man es zu tun hatte, und in dieser Hinsicht teilte auch Etara den ihrer Spezies zugeschriebenen Blick für Details. Es fing schon damit an, wie ein Treffen arrangiert wurde, erhielt man eine Einladung, erschien der Verhandlungspartner persönlich oder schickte er jemanden? Nicht weniger wichtig war der Ort, an dem man sich traf. Jemand, der Besucher nur in seinem Versteck und unter schwerer Bewachung empfing, war misstrauisch und vorsichtig, was für einen erfahrenen Kriminellen sprach, der keine Anfängerfehler machen würde. Vielleicht wollte er aber auch nur Macht demonstrieren oder befand sich in einer Situation, in der es allen Grund für Paranoia gab, zum Beispiel, weil Rivalen seine Stellung bedrohten. Es gab noch unzählige weitere Quellen für Informationen, die Art und Weise, wie jemand sprach, wer anwesend war, ob jemand zu schnell einen Kompromiss einging oder feilschte, all das war wichtig und nützlich. Manchmal fühlte sich Etara ein wenig wie ein Detektiv und belustigt erinnerte sie sich an den Kommentar eines ebenso charmanten wie korrupten ehemaligen Polizisten, dass sie eigentlich genau die Fähigkeiten besaß, die man auch auf der anderen Seite des Gesetzes benötigte. Damit hatte er durchaus Recht gehabt, fand die Blauhäutige. Schlussendlich musste eben jeder selbst schauen, wo er blieb.
In dem aktuellen Fall ging es vor allem darum, eine Eskalation zu vermeiden. Die Ausgangslage, ein drohender Streit auf dem Territorium von Lexy, war nicht allzu günstig. So etwas untergrub die Autorität ihrer bezaubernden Gastgeberin und vielleicht würde sie sich, um diese zu festigen, gegenüber den Mitgliedern der Black Sun besonders herrisch geben. Eine Machtdemonstration konnte in solchen Situationen gerne aus dem Ruder laufen. Dass die „Sicherheitschefin“ weiterhin anwesend war, sprach für diese These, auch die Art und Weise, wie Mol zum Schweigen gebracht worden war. Es schien, als hätte Lexy keine allzu hohe Meinung von Männern. Schlecht für den Zabrak, gut für Etara, die prompt ein besonders charmantes Lächeln präsentierte und ihre Gastgeberin aus ihren roten Augen anfunkelte. Die Baragwin zeigte sich lautstark amüsiert über den Vorschlag, mit der Black Sun ins Geschäft zu kommen, und ihr Lachen hatten keinen sehr reizvollen Klang. Mit einem deutlichen Unbehagen registrierte Etara zudem das düstere Lächeln der Sicherheitschefin, die den Eindruck machte, als würde sie die ungebetenen Gäste jeden Moment verspeisen wollen. Etara ließ sich nichts anmerken, denn es war gut möglich, dass es sich um einen Test handelte und ihre Gastgeberin herausfinden wollte, ob sie sich leicht einschüchtern ließen. Das Lachen der Baragwin verklang und sie musterte mit offenkundigem Gefallen die hübsche Schmugglerin, deren Lächeln ein wenig breiter wurde. Gut, Lexy war zwar nicht unbedingt ihr Typ, aber das musste sie ihr ja nicht gerade ins Gesicht sagen.
„Das werte ich mal als Kompliment.“
Gab die Blauhäutige trocken und mit einem Grinsen zurück. Lexys Aufmerksamkeit richtete sich nun auf Spectre, die als „hübsches Beiwerk“ tituliert wurde. Die ehemalige Agentin reagierte auf diese Provokation sehr souverän und ließ keinen Zweifel daran, dass sie ebenso schön wie tödlich war und im Zweifelsfall keine Angst davor hatte, sich die Hände schmutzig zu machen. Etara lachte, legte eine Hand auf die Schulter der anderen Chiss und lächelte sie vielsagend an.
„Wir...teilen sozusagen die Arbeit.“
Hauchte Etara. Es schien, als wäre Lexy zufrieden, und sie schlug vor, sich dem Geschäft zu widmen, nicht ohne eine spitze Bemerkung über die „Eisenheim“ fallen zu lassen, die Etara mit einem lässigen Schulterzucken quittierte.
„Sagen wir es so, bei unserem Schiff zählen mehr die inneren Werte. Wobei...schlechte Wortwahl, hm?
Bevor die Verhandlungen aber beginnen konnten, ging offenbar eine Botschaft bei der Sicherheitschefin ein und sie erkundigte sich mit unheilvoller Vorfreude nach Avlan, der überrascht wirkte. Hatte das mit dem Ärger vorhin zu tun? Die Antwort auf diese Frage erfolgte prompt, niemand geringerer als ein Vigo verlangte nach dem Söldner, und das unverzüglich. Und offenbar war es eilig.
„Gute Reise.“
Wünschte Etara dem Menschen und nickte ihm zum Abschied freundlich zu. Es war schade, dass er sie verließ, sie konnten für ihren Auftrag fähige Leute wie ihn brauchen, aber wenn ein Vigo rief, dann folgte man. Die ganze Sache war zudem ein Beweis dafür, dass Lexy und die Black Sun keineswegs ein so feindselig-distanziertes Verhältnis hatten wie behauptet. Das war eine nützliche Information, und so schlenderte Etara entspannt zum Stuhl, setzte sich und schlug ihre langen Beine übereinander, während Mol das Datapad mit den benötigten Gegenständen Lexy übergab. Die Baragwin studierte die Liste und verschwand dann für eine Weile im Lager, und als sie zurückkehrte, schob sie zwei Hubwagen vor sich her, einen mit den Teilen für eine Rettungskapsel, den anderen mit den übrigen benötigten Objekten. Spitzzüngig merkte sie an, dass die Gruppe einen guten Techniker brauchen würde, was Etara zu einem selbstsicheren Grinsen veranlasste, fast schon spielerisch fuhr sie über eine des Teile, das für den Antrieb der Eisenheim bestimmt war.
„Hmmm, nur keine Sorge. Unser Techniker hat sehr geschickte Hände und weiß genau, was er tut.“
Die Chiss lachte und sie wickelten ohne Zwischenfälle die Zahlung ab und verließen das Gebäude. Mol schob einen der Wagen vor sich her und informierte Sia´ku, der Verpine würde, so informierte sie Mol, ganze vier Stunden brauchen, bevor sie los fliegen konnten. Wohl halb im Scherz schlug der Zabrak vor, dass sie sich ja auf dem Asteroiden umsehen konnten, worauf Etara schnaubte.
„Ich passe. Dieser Felsbrocken hat so viel Charme wie ein betrunkener Hutte. Da such ich mir lieber einen anderen Weg, um die Zeit totzuschlagen.“
Dass die Schmugglerin bei dem letzten Satz verstohlen sowohl in Richtung Spectre als auch Mol lächelte und wie zufällig ihre Hand die der anderen Chiss streifte, ließ bereits erahnen, was sie ihm Sinn hatte. Ein wenig Spaß hatte sie ja auch redlich verdient, immerhin hatte sie die Verhandlungen gerettet. Na ja, zumindest teilweise.
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