[ Ryloth-System – Orbit über Ryloth – Raumstation – Hangar – Shuttle der Lambda-Fähre ] Sharin
Als schließlich sich die Luke mit einem Ächzen öffnete und einige Hydraulikwerke Gas ausstießen, stieg der blauhäutige Captain mit einem recht frohgemuten Herzen aus dem Shuttle. Zwar hatte er es sich nicht ganz eingestehen wollen, doch war der Zwischenfall über Shinbone, der mehr eine Schlacht gewesen war, eine größere Belastung für seine Nerven und seinen Körper gewesen, als er es sich hatte eingestehen wollen. Er hatte den Befehl über eine gesamte Kampfgruppe, die in eine fast ausweglose Situation manövriert worden war, und die Verantwortung über tausende von Leben übernommen. Er hatte eine nicht genehmigte Verhandlung mit dem Feind geführt, die so schnell wie möglich vertuscht werden musste. Und er hatte wieder einmal daran gezweifelt, ob die Befehle, die aus der Befehlshierarchie an ihn weitergereicht wurden, wirklich befolgt werden mussten. Da war die Büroarbeit, der er sich beim Sprung nach Ryloth gewidmet hatte, willkommene Abwechslung gewesen. Der Bericht über den genauen Ablauf des Gefechts hatte fast so viel Zeit verschlungen wie das Begutachten der Schadens- und Waffenleitberichte, sodass er sich nur wenig erholen und über die Geschehnisse über Shinbone oder auf Rendili V hatte nachdenken können. Außerdem hatte er die einzelnen Gutachten über seine Offiziere verfassen müssen. Insbesondere bei seinem XO hatte er sich redliche Mühe gegeben. Torati hatte wieder einmal gezeigt, was in ihm steckte. Nach dem hervorragenden Abschneiden seines ehemaligen Mentors hatte der jüngere Chiss sich vorgenommen, dass dessen Abstammung und Alter kein Grund mehr sein sollten, dass er in einer so niedrigen Offiziersposition festhing. Den älteren Artgenossen zu verlieren würde bestimmt schwer werden und noch dazu ein schwerer Verlust für die Disziplin und den reibungslosen Ablauf auf der Brücke sein. Doch Sharin konnte dies mittlerweile verkraften.
Er wollte es sogar. Torati war noch ein Relikt aus seiner alten Zeit, als er jung, unerfahren und glücklich gewesen war. Noch in dessen Kindertagen hatte er den Captain mitgenommen auf viele Erkundungsfahrten im Chissterritorium und auf verschiedene gesellschaftliche Anlässe. War er nicht sogar zusammen mit Sharins Onkel eine Art Ersatzvater geworden, während der leibliche Vater eher auf diplomatischen Missionen in der Galaxis unterwegs gewesen war?
Doch Sharin brauchte keinen Ersatzvater mehr. Er brauchte niemanden mehr. Er brauchte funktionierende Automaten, die das erfüllten, was er ihnen befahl. Nicht umsonst war er Captain geworden: Er verstand es zu führen und zu herrschen. Und um dies zu tun, musste er rein objektiv und schnell entscheiden. War es da nicht eher hinderlich, jemanden seinen Stellvertreter zu nennen, der ihm halbwegs ans Herz gewachsen war?
Für den Moment beschloss er jedoch, solche Gedanken beiseite zu schieben. Als er sich über den letzten abschließenden Schadensbericht hergemacht hatte, hatte ein schüchterner Adjutant ihm Meldung gemacht, dass der hiesige Befehlshaber zu einem Empfang geladen hatte. Solche Festivitäten waren keine allzu große Überraschung und wurden wahrscheinlich auch in solche entlegenen Provinzen wie Ryloth getätigt, weswegen der schwarzhaarige Jüngling mit mürrischen Worten seine Anwesenheit angemeldet hatte und sich mitsamt seiner schönsten Ausgehuniform auf die Lambdafähre begeben hatte. Nun würde er die Gepflogenheiten der imperialen Flotte, die er teilweise verachtete, teilweise schätzte, über sich ergehen lassen müssen, um danach einige Kontakte enger zu knüpfen. Schon während des Einsatzes hatte er selbstverständlich mit den anderen Befehlshabern gesprochen, doch löste sich bei einem Schluck corellianischem Cognac immer besser die Zunge und man kam ins Gespräch. Nicht, dass der rotäugige Humanoid daran besonderen Gefallen fand, doch war es hierbei ein leichtes, Verbündete und Unterstützer zu finden, die ihm bei seiner Karriere behilflich sein konnten.
So stieg er die Stufen herunter und wurde von einem mickrigen Begrüßungskomitee erwartet. Ein Commander erwartete ihn, der sich jedoch zügig als stellvertretender Kommandant der „Pandora“ herausstellte, der anstelle seines Vorgesetzten, der den letzten Meldungen zufolge schwer verletzt auf der Krankenstation hing, zu dem Empfang erschien. Wenig später erschien der schwarzhaarige Heißsporn vom Schwesterschiff der „Valkyrie“ und man machte sich auf den Weg zum entsprechenden Ort, an dem der hiesige Admiral zusammen mit den anderen schon eingetroffenen Befehlshabern wartete. Der Weg wurde recht schweigsam zurückgelegt. Der blauhäutige Captain hatte sowieso kaum Interesse an den rangniedrigeren Offizieren neben ihm. Sie konnten ihm in Zukunft vielleicht behilflich sein, doch war die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass sie in einem unbedeutenden Gefecht gegen Piraten fielen, aus dem Dienst ausschieden oder zu einem langweiligen Patrouillendienst in den Randgebieten der Galaxis und der Zivilisation versetzt werden würden. Da sparte er sich seine Worte für die ranghöheren Mitglieder der Kampfgruppe auf. Die misstrauischen Augen, denen sie auf dem Weg begegneten, beachtete er mit keiner Miene. Auf solch entlegenen Stationen der imperialen Macht begegnete man auswärtigen Kameraden wohl deutlich argwöhnischer, vor allem, wenn es sich dabei noch um Nichtmenschen handelte.
Schließlich betraten sie einen recht geschmackvoll eingerichteten Saloon, wenn man hier im Outer Rim überhaupt Geschmack haben konnte. Der Admiral, ein etwas heruntergekommen wirkender Mittvierziger, begrüßte sie alle nacheinander und lud sie zu einem kleinen Imbiss ein. Der Statur des hiesigen Kommandanten zu folgern, hatte er den Imbiss eher nur für sich selbst geordert. Die Uniform der letzten Generation spannte etwas über dem Wohlstandbauch. Zuerst jedoch sprach er den obligatorischen Toast auf den Imperator aus, dem sich Sharin etwas unwillig, aber folgsam und ohne äußere Anzeichen anschloss. Dies war eine der lästigsten Traditionen der Flotte. Warum konnte man den Alkohol nicht einfach so trinken, sondern musste lästige, immer gleiche Sprüche verkünden?
Nach dem Trinkspruch von Cath informierte er die versammelte Offiziersmannschaft davon, dass die Nachricht der Bergung des Superkampfschiffes mit einem Kurierschiff gemeldet werden würde. Auf Nachfrage erklärte er die angespannte Situation, in der sich Ryloth aufgrund der Umklammerung durch republikanische Welten befand. Zudem äußerte er seine Skepsis gegenüber dem Waffenstillstand und den Friedensverhandlungen, die eigentlich schon recht weit vorangeschritten sein mussten. Jedoch bekam man hier nicht so viel davon mit.
„Nun, ich habe den Waffenstillstand federführend mit vereinbart. Dieser schien mir nach der Provokation der Rebellen über Shinbone auch recht sicher zu sein. Es wird interessant, zu sehen, wie sie auf das Gefecht reagieren werden.“
Seine Stimme war ohne Stolz und Hass, besaß jedoch nur einen winzigen Hauch von Missmut über das flapsige Geschwätz des Admirals, der offenbar vollkommen uninformiert auf dieser Raumstation sein Dasein fristete. Das Imperium würde in der derzeitigen militärischen Situation sicher nicht unbedingt alles daran setzen, die Friedensgespräche aufgrund des Zusammenstoßes platzen zu lassen. Dass Cath in dieser Hinsicht so naiv war, zu glauben, dass alle Meldungen aus den umliegenden feindlichen Gebieten Propaganda waren und das Imperium sicher keinen Frieden mit seinem Erzfeind schließen würde, hielt ihm wieder einmal vor Augen, in welch miserablen Zustand sich die gefürchtete imperiale Flotte auch personell befand. Schnell wechselte er das Thema.
„Haben Sie eigentlich genügend Werftanlagen, um gröbste Schäden an der ‚Subjugator‘ zu entfernen? Schließlich muss sie einen weiten Weg durch feindliches Gebiet zurücklegen, wenn es zu den entscheidenden Stellen dieses Konflikts oder zu effizienteren Werften gelangen soll.“
[ Ryloth-System - Orbit über Ryloth - Raumstation - Salon ] Sharin, Commander Harcov, Captain Fogerty, Commander Merel und Vice Admiral Cath sowie Major Lynch