Ranjit Kaveris Bilder II
Im Kamin brannte Feuer. Natürlich. Frida hatte es kommen sehen, dass es mich hierherziehen würde: Der hilfreiche Geist hatte meinen alten, großen Sessel davor geschoben, eine Decke und das Buch bereitgelegt, in dem ich zuletzt gelesen hatte. Kaum saß ich, trug sie ein Tablett mit Tee herein. Ich trank ihn gehorsam seit der Nacht, in der der Nordflügel gebrannt hatte. Um besser zu schlafen, um mich nicht aufzuregen... keine Ahnung. Frida meinte, es wäre ein altes Familienrezept, also tat ich ihr den Gefallen. Heißes, bitteres Getränk, das die Flammen im Kamin spiegelte, die hoch leckten bis zur Decke... im ganzen Raum... schwarzer Rauch hinter der Tür. Ein ohrenbetäubendes Krachen, das anhielt und nachhallte, als der Schrank auf mich fiel. Ich hustete, bis meine Augen tränten. Trank noch einen Schluck. "Warum war Edward da?" wollte ich wissen.
Stille. Ich konnte Frida nicht übelnehmen, dass sie gerade nicht wußte, wovon ich sprach. Das wußte ich dieser Tage selbst manchmal nicht.
"Edward war nicht da." antwortete sie sanft. "Trink deinen Tee. Er wird sonst kalt."
Ich folgte. Meine Gedanken versuchten derweil den Nebel zu durchdringen, der in dichten Schwaden durch mein Gedächtnis zog. "Doch." widersprach ich hartnäckig. "Er hat mich unter dem Schrank rausgezogen." Ich hörte Frida hinter mir tief Luft holen, ein wenig verzweifelt vielleicht. Warum auch nicht. Immerhin war ich in den letzten Wochen kein pflegeleichter Patient gewesen. "Das war nicht Edward." Wer dann? Ich erinnerte mich... wenn nur der viele Rauch nicht wäre... ich versuchte ihn mit der Hand fortzuwedeln. Das Teeglas fiel und zerbrach. Die Flammen spiegelten sich im Tee. Ich sprang auf.
"Du hast dich selbst befreit, Leela." Die vertraute Stimme kam aus weiter Ferne. Vor mir waren Flammen und Rauch. Ich stürzte zur Tür, der Griff war heiß - ich riß sie trotzdem auf. Es war jemand da gewesen. Kalte Luft strömte durch die dunklen Flure, als ich zuerst mehr stolpernd als rennend, versuchte, wieder in den Nordflügel zu kommen. Fridas spinnenbeinige Helferlein huschten zur Seite, wenn ich an ihnen vorbei hastete. Je näher ich dem vom Feuer versehrten Teil des Hauses kam, desto mehr Droiden wuselten durch die Gänge. Außer Atem blieb ich stehen. Der Nebel hob sich, meine Gedanken klärten sich genug, um zu sehen, dass ich auf diesem Weg nicht weiterkommen würde. Schutt und verbrannte Balken versperrten ihn.
Ich nahm eine Treppe nach unten, ein schmaler Gang zweigte grob in die Richtung ab, in der der Nordflügel lag, führte wieder ein paar Stufen hinauf in ein Kellergewölbe. Hier gab es kein Licht, aber ich wußte, wo ich war, zählte die Durchgänge ab, nahm den vierten auf der linken Seite, rannte jetzt wieder. Über mir toste das Feuer, in meinem Schlafzimmer, im ganzen Stockwerk. Mein Herz raste, meine Zunge klebte mir am Gaumen. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, ich hustete und hielt mich an der rauen Mauer fest, bis ich weitergehen konnte. Jemand war da gewesen. Ich konnte noch die Hände spüren, die mir unter die Arme griffen und mich unter dem massiven Möbel vorzogen.
Als ich schließlich die Klappe an der Seitenwand meines alten Zimmers öffnete, rieselten Ruß und Asche auf mich. Der Schrank lag mitten im Zimmer, das schwere, alte Holz angekohlt, aber nicht verbrannt. Die Nacht strömte durch die eingestürzte Außenwand. Draussen waren Sterne und ein wilder Garten. Und hier war ich mit meinen verwirrten Gedanken. Ich stand eine Weile da, bis mir wieder einfiel, was ich tun wollte: Aber der Schrank war zu schwer. Ich versuchte es, bis mir der Schweiß den Rücken hinablief. Das alte Stück bewegte sich keinen Millimeter. Erschöpft ließ ich mich daneben nieder und fühlte einen kleinen Triumph: Ich hatte recht gehabt. Zumindest war es sehr unwahrscheinlich, dass ich mit meinen Verletzungen allein unter dem Schrank vorgekrochen war.
Vermutlich war ich eine zeitlang eingeschlafen, jedenfalls erwachte ich plötzlich mit der absoluten Gewissheit, dass ich hier gestorben wäre, wenn ich zum Zeitpunkt des Feuers allein hier gewesen wäre. Jemand hatte sich über mich gebeugt und mich etwas gefragt. Hatte ich geantwortet? Die blauen Augen verschwanden aus meinem Sichtfeld und ein scharfer Schmerz folgte, als das Gewicht des Schranks von meinem Brustkorb verschwand. Aber war das ein Traum oder eine Erinnerung? Ich erhob mich und kletterte über die Trümmer meines Zuhauses, bis ich unter freiem Himmel stand. Wenn ich dem, was ich gesehen hatte, glaubte, hatte Frida recht gehabt: Das war nicht Edward gewesen.