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[spoiler=Kapitel 3 - Die Flammen des Krieges]

DER FRÜHLING KROCH langsam durch die verschneiten Ebenen zurück in die Heide. Einzelne Eisdecken hielten immer noch das erwachende Land unter sich begraben, doch der beißende Wind hatte sich verändert.


Er wehte den Jägern ins Gesicht, während sie aus dem Schutz einiger Sträucher die große Wisentherde beobachteten, die neben dem Birkenwald graste. Ein einzelner zotteliger Nashornbulle stand neben der Herde und grub mit seinem Horn in der frostigen Erde.


Hoch über ihnen flog eine einzelne Krähe und krächzte der dichten Wolkendecke entgegen.




Schwarztanne deutete auf eine Gruppe schwach wirkender Wisente, die in der Nähe des Wollnashorns stand. Sie hatten den Winter nicht gut überstanden und wären ein leichtes Ziel. Doch Gnarek Bärentöter, der den Blick von seiner Krähe abwendete, schüttelte nur seine Mähne. Das Nashorn wäre eine Gefahr für den kleinen Jagdtrupp. Auch mit Marder und Bär wäre ein wütender Bulle mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich.


Sein Blick wanderte zu einer Kuh und ihrem Kalb, das sich von der Herde entfernt hatte, um dort nach frischen Trieben zu suchen, und richtete seine Speerspitze dann auf ein altes Männchen, das am Waldrand fraß. Dieses Tier sollte die Stämme die nächsten Monde ernähren!


Leise beratschlagten sich die vier Jäger, während Luchs sich eng an Schwarztanne drückte. Marder und Gnarek würden sich zwischen den dünnen Birkenstämmen des Waldes verstecken und Bär und seine Frau sollten sich langsam aber deutlich dem Wisentbullen nähern. So in den Wald getrieben wäre er ein leichtes Ziel für den Gnoll und den orkischen Krieger, während der Rest der Herde nicht unnötig aufgescheucht werden würde.


Eilig und gebückt liefen Gnarek und Marder einen Bogen zum Wald und verschwanden im Schatten der Bäume.




Dann standen Schwarztanne und Bär auf, gehüllt in ihre dicken Fellumhänge. Mit Luchs gingen sie quer über die Heide, direkt auf den Bullen zu, während die anderen Tiere neugierig aufschauten. Einige Wisente versuchten langsam Abstand zu gewinnen, blieben aber bei der grasenden Herde.


Das alte Männchen hob schwer seinen Kopf und trotte dann einige Schritte auf den Waldrand zu. Es schnaubte müde. Dann trabte er schwerfällig zwischen die Bäume und verschwand im Zwielicht unter den Ästen.


Schwarztanne nickte Bär zufrieden zu, dann drehte sie sich alarmiert um. Sie hatte einen seltsamen Geruch in der Nase, schwer und faulig. Wie ein langer Tod. Sie blickte zur unruhig werdenden Herde und sah eine Gestalt, die dort wankend über die Heide schritt.




Das Wisent eilte schwer schnaufend zwischen den Birkenstämmen in Richtung des Flusses, der sich hinter dem Wald durchs Land schnitt. Dort sollte es die Orks verlieren. Es hatte schon dreißig Winter erlebt und es war müde. Es wollte in Ruhe gelassen werden. Wieder schnaufte es und wurde langsamer, konnte es die beiden Orks auf der Heide schon nicht mehr hören.


Dann brach ein Gnoll keckernd aus dem kargen Unterholz und schleuderte einen Wurfspeer in den Hals. Das Wisentmännchen brüllte entsetzt, wurde dann zur Seite gedrückt, als ein weiterer Ork hinter einem Stamm hervorsprang und seine schwere Axt in die Schulter des Tieres trieb. Es strauchelte, dann sprang es nach vorne, dem Fluss entgegen.


Doch es verfing sich zwischen den schmalen Stämmen und rutschte mit den Hufen auf dem verschneiten Boden aus. Es fiel schwer und spürte, wie der Gnoll auf seinen Rücken sprang, seine Zähne tief in Fell und Fettgewebe trieb. Die At des Orks schlug weitere male zu und durchtrennte wichtige Muskeln.


Zitternd und erschöpft wartete das Wisent auf den Tod. Es brüllte leise und tief und als der Gnoll über seinen Fettbuckel kroch und seine Kehle griff, riss es noch einmal Angst erfüllt die Augen auf. Dann wurde alles gleißend hell, dann schwarz.




Zufrieden sahen sich Marder und Gnarek an, als sie den Warnruf von Schwarztanne hörten. "Feindkontakt!"


Sie griffen ihre Waffen und eilten zum Waldrand, sahen dort das Ehepaar geduckt wartend, Luchs an Schwarztannes Seite drohend in die Richtung eines wankenden Gestalt blickend, die die Wisentherde in Aufregung versetzt hatte. Die Tiere zogen unruhig davon, umrundeten dabei mit respektvollem Abstand die seltsame Figur, die sich langsam den Jägern näherte. Marder und Gnarek blieben im Schutz der Bäume stehen.


Es war ein Reisender, soviel war sicher. Doch als er näher kam, erkannten sie, dass die Elfenfrau schon lange tot war. Ihre Seite war aufgerissen und graue Eingeweide wurden durch das Gras gezogen. Ruckartige Bewegungen trugen sie weiter an den Waldrand heran und der Gestank nach Tod wurde stärker. Die Wisente nahmen weiter vor dem unnatürlichen Geruch und der wankenden Gestalt Abstand. Dann erkannte der Wiedergänger die Jäger und er gurgelte kurz, kam dann schneller auf sie zu.




Luchs spitzte ihre Ohren, sah an der Untoten vorbei und ging in Jagdhaltung und während Schwarztanne verwirrt in die Richtung schaute, die ihre Vertraute beobachtete, sprach Bär leise eine Bitte an die Muttergöttin Seli. Das alte Gras der Ebene, das aus der dünner werdenden Schneedecke schaute, erwachte um den Wiedergänger zum Leben und wickelte sich wie Fesseln um die Beine der verstorbenen Elfin. Kurz wehrte sich die Untote, dann kippte sie nach vorne ins Gras. Ein verwirrtes Stöhnen war zu hören.


Flüsternd fragte Schwarztanne Luchs, was diese gewittert hatte und die Raubkatze schickte deutliche Gedanken an ihre orkische Gefährtin: "Stinken... Reisende..."


Wie weit weg, wollte Schwarztanne wissen und Luchs verriet ihr, dass die Fremden nur hundert Sprünge entfernt waren.




Schnell zischte Schwarztanne Bär zu, dann liefen sie geduckt zum Waldrand und gingen dort neben Marder und Gnarek in die Hocke. Der Gnoll sah in den Himmel und kurz bekam er den Eindruck von Gefahr. K'ura hatte ihn über ihr gemeinsames magisches Band gewarnt, dann drang nur noch schelmische Befriedigung vom Geist des schwarzen Vogels.


Gnarek legte fragend seinen Kopf schief und erkannte dann, dass die Untote wieder auf die Beine gekommen war und sich nun hinter ihr vier Reisende aus dem Gras erhoben hatten. Zwei Elfen und zwei Zwerge waren es und sie hatten Klingen und Bögen dabei. Gemeinsam liefen sie auf den Wiedergänger zu, der ihnen immer noch den Rücken zugekehrt hatte.


Dann erkannte Gnarek, warum die Krähe K'ura eine solche hämische Freude empfang: die Wisente hatten sich verzogen, doch das Wollnashorn war immer noch am Rand der Heide geblieben und nahm nun mit schneller werdenden Schritten Kurs auf die Reisenden. Die bemerkten das riesige Tier und Marder gab seinen Gefährten das Zeichen, dass sie abwarten sollten. Im Winter hatte es noch viele Konfrontationen mit den neuen Völkern gegeben und auch Rot, der Anführer des Stammes am Hohen Stein, war erschlagen worden. Sie hatten keinen Grund, den Reisenden in einer solchen Situation zu helfen...




Einer der Elfen hob seinen Bogen und schoss einen Pfeil durch den Kopf des Wiedergängers, die anderen drehten sich zum Nashorn und machten sich zum Kampf bereit. Der andere Elf zeigte kurz auf das heranstürmende Tier und zur Verwunderung der Jäger vom Hohen Stein sprangen zwei Wölfe aus dem Gras. Sie liefen um das Nashorn herum und griffen es von beiden Seiten an, während ihr Meister nun ein weiteres mal mit dem Finger zeigte. Wie von einem unsichtbaren, riesigen Faust getroffen überschlug sich das Nashorn und blieb schnaufend im aufgewühlten Erdreich liegen, während sich die Wölfe knurrend in Seite und Gesicht verbissen.


Entsetzt sahen sich die Jäger an. Die Reisenden hatten noch nie die Tiere der Wälder und Ebenen gezähmt, geschweige denn geführt. Und auch die Fähigkeit, die Magie der Weltenseele zu nutzen, hatten sie in den Jahren seit ihrer Ankunft nie gezeigt. Doch nun hatte sich das Blatt gewendet. Die alten Völker hatten ihren einzigen Vorteil verloren.




Das Wollnashorn rappelte sich wieder auf und nahm einen der Wölfe auf die Hörner, durchbohrte seinen Leib und schlug nach den anderen Reisenden aus. Schnell eilte einer der Zwerge zum jaulenden Wolf und zog ihn in Sicherheit, drückte seine großen Hände auf die tiefe Wunde.


Der zweite Zwerg rief etwas unverständliches, dann wuchs er auf eine beachtliche Größe heran und sprang mit glühender Axt gegen das aufgebrachte Tier. Sie umschlossen das Nashorn und mit großen Augen sah Bär seine Gefährten an. Sollten die Reisenden nun solche Kräfte nutzen können, hätten die Stämme ein ernsthaftes Problem.


Ob sie dem Nashorn helfen sollten, wollte Marder flüsternd wissen, doch Gnarek meinte nur knurrend, dass die Magie der neuen Völker zu stark war. Sie hatten das Nashorn mit einem Fingerdeut zu Fall gebracht. Er wollte nicht wissen, was sie gegen Orks und Gnolle ausrichten konnten. Besser, sie würden dem Stamm Bescheid geben.




Nach längerem Kampf war alles vorbei. Das Nashorn lag blutend und schreiend auf der Seite und vorsichtig schritten die siegreichen Reisenden zu der Stelle, wo der Wiedergänger zu Fall gebracht worden war. Einer der Elfen stach seine Klinge ein weiteres mal durch den toten Leib, dann gingen sie schnell in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren. Der verwundete Wolf wurde vom Zwerg getragen, der ihm mittlerweile Moospolster auf die Wunde gedrückt hatte.


Die Jäger warteten, bis die Reisenden nicht mehr zu sehen waren und betraten dann die Heide. Das Nashorn brüllte immer noch seinen Schmerz in den bewölkten Tag hinaus und langsam schritten sie auf den behaarten Berg zu, der zitternd und immer schwächer schnaufend im Gras lag.




Mit magiegeschwängerten Worten beruhigte Schwarztanne das sterbende Tier, während Bär seine Hand auf die aufgerissene Seite legte. Tief hatten die Klingen der Reisenden geschnitten und nur die untersten Schichten aus Muskeln und Fett schlossen sich, verdeckten wieder Knochen und Gedärm, als die heilende Kraft der Göttin den Körper durchfloss.


Der Atem des Nashorns beruhigte sich, wurde kräftiger. Das Gefühl der Dankbarkeit schwappte Schwarztanne entgegen und ohne sich umzuschauen gingen die Jäger zum toten Wisentbullen. Das Wollnashorn würde sich erholen. Es war stark.


Sie bauten den Schlitten zusammen, den sie auf die Jagd mitgenommen und in der Nähe zurückgelassen hatten und luden das tote Wisent auf. Gemeinsam zogen sie die Beute über das weite Land, die Gedanken an den Kampf der Reisenden mit dem Nashorn ständig in ihrem Geiste wiederholend.




Erst nachdem die Sonne ihren höchsten Punkt überschritten hatte, kamen sie im Schatten der Klippe an, die das Dorf schützte. Orks und Gnolle kamen herbei geeilt und halfen, das erlegte Tier vom Schlitten zu heben und es zu verarbeiten. Sie wurden gefeiert und die Gnollschamanen kamen angelaufen, um dem Geist des Wisents den Weg ins nächste Leben zu weisen.


Die Sklaven, die sie in den letzten Monden genommen hatten, halfen bei der Arbeit und stumm zerteilten sie das Fleisch und trugen die Stücke zu den Hütten ihrer neuen Herren. Marder hatte eine junge Elfin als Preis für seine Taten erhalten, doch verachtete er Shael für ihr Volk und das Leid, das es ihnen gebracht hatte. Gnarek hatte einen kleinen Halblingsjungen namens Gunter aufgenommen und es geschafft, ihn vor dem Hunger seiner Stammesgeschwister zu schützen. Und Schwarztanne und Bär hielten sich die junge Elfin Berin, die bei der täglichen Arbeit half und auf die Welpen aufpasste.


Gerade stand sie neben Wildkind und den Söhnen und Töchtern von Schwarztanne und sah dem Spektakel mit leerem Blick zu. Silberweide, die älteste Tochter, hielt liebevoll Rotbuche im Arm, die Schwarztanne vor nicht einmal einem Mond geboren hatte.




Mit schwerer Last auf seinen Gedanken verabschiedete sich Bär bei Schwarztanne und machte sich auf den Weg zu seinem alten Meister Küken. Der saß unter vielen Lagen Fellen in seiner Hütte, schräg hinter ihm seine Tochter Apfel, vor ihm das kleine Feuer, das sonst seinen Buttertee wärmte. Nun brachte es die Kräuter in einer flachen Schale zum rauchen und mit sinkender Hoffnung erkannte Bär, dass es auch heute Küken nicht gut ging. Immer mehr hatte der alte Ork geistig und körperlich angenommen und seine Tochter übernahm pflichtbewusst die Interpretation seiner unzusammenhängenden, gemurmelten Sätze. Allen war klar, dass Bär der neue Schamane am Hohen Stein war.


In einer Ecke der Hütte saß der Elf Aton, der erste Gefangene des Stammes, und nähte eine große Decke zusammen.




Bär setzte sich vor seinen alten Meister und blickte in seine milchigen Augen. Leise fragte er, warum die Mutter den Reisenden ihre Magie gewährte und besorgt flüsterte Apfel die Worte ein weiteres mal in das Ohr ihres Vaters. Murmelnd antwortete Küken, dass die neuen Völker ein Teil der Welt geworden waren. Verzweifelt suchte Bär nach Worten, doch Küken hauchte weiter hervor, dass die Stämme lernen mussten, mit den Reisenden zu leben.


Aber wie sollte dies enden, wollte Bär wissen und Küken gab müde zu, dass der Ausgang vermutlich nicht gut sein würde. Er rang seinem faltigem Gesicht ein trauriges, zahnloses Lächeln ab.


Wenn die Mutter auch mit den neuen Völkern sprechen würde, hoffte Bär nun laut, könnte er vielleicht zwischen allen vermitteln. Er sehnte sich nach Frieden und Ruhe und war umso erstaunter, als er plötzlich erkannte, dass er einem jüngeren, wachen Küken gegenüber saß.


Der junge Küken, ohne Felle in der Hütte thronend, nickte ihm zu und erklärte, dass der einzige gemeinsame Weg der des Todes sein würde.




Erschrocken wollte Bär antworten, als er in die leeren Augenhöhlen Kükens starrte und fast schon aufspringen wollte, zerfiel das Gesicht des erfahrenen Schamanen doch vor seinen Augen in Staub und Schatten. Er blickte sich um und erkannte, dass er auf einer Klippe saß und unter ihm das Land von Tod und Leid geplagt war. Riesige, untote Giganten durchpflügten die verdorrten Ebenen und Aasvögel labten sich an den Leibern der Wiedergänger.


Er sah wieder zu Küken, der immer noch zerfallend vor ihm saß, hinter ihm eine Masse an Untoten marschierend. Verstörend genau im selben Schritt laufend, mit Waffen aus hartem, eckigen Guss, gewandet in unbekannten Rüstungen aus steinernen Ringen und Platten.


In diesem Land wurde alles konsumiert und nur der Tod regierte...


Ein Zucken durchlief Bär und er sah wieder die milchigen Augen von Küken vor sich, die unfokussiert unter den Fellen hervor starrten. Küken murmelte etwas und Apfel lauschte angespannt, doch Bär dachte nur voller Angst an die Vision, die er gerade durchlebt hatte.




Marder wanderte durch das Dorf. In seinen Armen trug er zerteiltes Fleisch des Wisents und er legte die einzelnen Stücke vorsichtig vor die Hütten der Weibchen, die seine Welpen geboren hatten. Sie mochten ihn nicht, aber er konnte wenigstens für ihren vollen Magen sorgen. Als er mit seiner Aufgabe fertig war, stapfte er zur Hütte von Herbst, die seit Rots Tod die Führung des Stammes übernommen hatte.


Herbst stand mit einem Marder unbekannten Ork vor den Fellen des Eingangs und sprach ernst aber leise mit ihm. Dann verbeugte sich Unbekannte und eilte in Richtung Nordwesten davon. Neugierig näherte sich Marder und begrüßte Herbst. Sie beglückwünschte ihn zur erfolgreichen Jagd und besorgt erzählte der Krieger von ihren Entdeckungen. Dass die Reisenden nun auch die Tiere der Wälder und die Magie der Mutter an ihrer Seite hatten.


Schweigend hörte Herbst zu. Dann offenbarte sie, dass auch sie dunkle Kunde hatte: der Bote hatte von anderen Teilen des Landes berichtet, in denen die Reisenden seit Frühlingsanbruch eine neue Angriffswelle gestartet hatten. Sie rotteten sogar Trollfamilien aus und viele der einfach denkenden Wesen suchten sich nun einen neuen Lebensraum. Es kam zu unschönen Zusammenstößen im Osten.


Aber was sollten sie gegen all dies tun, fragte Marder verzweifelt und Herbst seufzte nur, dass sie den Stamm stärken müssten, um sich auf das Kommende vorzubereiten...




Derzeit hatte sich Gnarek mit der Gnollkönigin Sihark getroffen. Über den elfischen Wiedergänger sprachen sie und Sihark meinte, dass es schon öfters kleinere Ausbrüche dieser Art gegeben hatte. Schon vor ihrer Zeit. Die Orkschamanen glaubten immer, dass es etwas mit dem Ende der Welt zu tun hatte und Gnarek hörte einen Anflug von Verachtung in ihren Worten. Hatte der Krieg und der Winter so sehr an der Loyalität der Gnolle gezehrt?


Die Königin meinte, dass die Gnolle stark genug seien, sich solchen Hürden zu stellen, doch bezweifelte Gnarek, ob die Reisenden nicht stärker als die Stämme werden könnten. Sihark spuckte verächtlich und knurrte, dass mehr Reisende als Gnolle gefallen waren, doch wusste Gnarek, dass dies nicht so stimmte...


Immer noch hielt er an dem Plan fest, die ins Dunkle gestürzten Steinkreise der Orks für eine Untotenplage zu nutzen. Eventuell könnte man sogar mehr Steinkreise finden und sogar die Sklaven infizieren und sie zurück in die Siedlungen der Reisenden schicken. Die Schamanen können zudem den Fluch verstärken.




Doch wieder wollte Sihark nur darüber nachdenken und enttäuscht verließ das Zelt seiner Königin. Seit dem Herbst dachte sie darüber nach und ihnen lief die Zeit davon. Er ging am Platz vorbei, an dem das Wisent zerteilt wurde und blickte kurz zu den Schamanen der Gnolle, die laut heulend und tanzend die Seele des getöteten Tieres befriedeten. Sie nützten ihm nichts, horchten sie doch auch nur auf Sihark und ihr Zögern.


Er brauchte einen Schamanen der Orks. Entschieden stapfte er los, um Bär zu finden.




Der junge Schamane hatte sich von Apfel verabschiedet und Küken in seiner Hütte zurück gelassen. Er war über die Ebene gewandert, am Hohen Stein vorbei und in den Wald hinein. Sein Weg führte ihn zur Lichtung, auf der er Eule immer wieder besuchte und die Mutter nach Rat fragte. Es war dunkel geworden und die Kälte kroch zurück zwischen die Bäume.


Bär setzte sich neben den heiligen Stein mit der Vertiefung, in die er für Rituale gesegnetes Wasser goss, und er versenkte sich in ein inniges Gebet. Was hatte die Muttergöttin vor? Warum hatte Seli den Reisenden diese Kräfte geschenkt?


Er schreckte auf, als er ein Knacken vom Rand der Lichtung hörte. Eine Bewegung ließ ihn aufstehen und mit gezogener Axt zu einem der Bäume sprinten, doch sah er dort nur eine Gestalt kauern, die sich anscheinend versteckte. Schon wollte er sie ansprechen, als sich die Gestalt umdrehte und mit einem entsetzten Ächzen erkannte Bär die Züge seines kleinen Bruders Pferdchen, der vor fast sechs Jahren von einem Elfenpfeil getötet worden war. Dessen Leiche sie zum Hohen Stein gebracht und dort rituell verbrannt hatten.


Dann war er plötzlich alleine auf der Lichtung und ein seltsames Gefühl kroch über seine Haut. Wie wenn um ihn herum weitere Personen durch den Wald fliehen würden, sich versteckten, Schutz suchten. Er blickte in die Richtung, aus der die Vision von Pferdchen geflohen war und erkannte, dass dort das Dorf lag. Was wollte Seli ihm nur sagen?


Verstört sah er sich um und erblickte eine Eule, die auf dem heiligen Stein saß und ihn anstarrte. Sie erhob sich auf unhörbaren Schwingen und verschwand in der Nacht. Nachdenklich machte sich Bär auf den Weg zurück zu seiner Hütte.




Kurz bevor er den Rand des Dorfes erreicht hatte, fing ihn Gnarek ab. Der Gnoll wirkte aufgeregt und fing sofort an, seinen Plan mit den Steinkreisen erneut zu erklären. Doch bei der ersten Erwähnung der Wiedergänger zuckte Bär gequält zusammen und vor seinem inneren Auge sah er wieder die marschierenden Untoten, hinter ihnen eine schattenhafte Gestalt, die sie mit ihrem dunklen Willen lenkte. Bleich geworden sank Bär auf die Knie und besorgt wollte Gnarek wissen, ob es dem Freund gut ginge.


Aber Bär knurrte ihm entgegen, dass die kranken Gedanken des Gnolls die Welt in Dunkelheit stürzen werden. Entsetzt sprang Gnarek zurück und hörte mit wachsendem Zorn, dass Bär seine Axt nach ihm schleudert würde, wenn der Gnoll noch einmal solchen Gedanken folgen würde. Er solle verschwinden und Bär in Ruhe lassen.


Zornig stürzte Gnarek auf Bär zu und schnappte nach seiner Kehle und nur um Haaresbreite verfehlten die kräftigen Kiefer den Ork. Entsetzt fiel Bär nach hinten in den Schnee und fing an, nach hinten weg zu kriechen, als Gnarek einen schweren Fuß auf die Brust des Schamanen drückte. Eine Klaue presste den Arm in den Schnee, der die Axt greifen könnte.


Knurrend versprach Gnarek Bär, dass es Krieg geben würde, sollte er ihn noch einmal sein Leben bedrohen und Bär roch den Zorn und das Aas aus Gnareks Maul.




Schwarztannes Schrei, sie sollten aufhören, hallte durch die Nacht. Die Orkin lief auf die beiden zu, doch ließ sich Gnarek nicht abschrecken. Niemand bedrohte Gnarek Bärentöter, einen Kriegsfürsten der Gnolle, niemand würde sich seinem Zorn entziehen können. Dann wendete er sich ab und stapfte in die Nacht hinein, immer noch wütend über Bär und dessen Reaktion auf seinen Plan mit den Untoten.


Schwarztanne kam bei Bär an. Luchs hatte den Kampf zwischen den beiden Männern gesehen und der Jägerin durch die magische Verbindung ihrer Geister Bescheid gegeben. Sofort war Schwarztanne losgelaufen, um nach dem Rechten zu sehen. Kurz fragte sie, ob es Bär gut gehen würde, und als der nickte eilte sie Gnarek hinterher. Ihr Mann rief ihr nach, dass sie es sein lassen sollte, doch hörte sie nicht auf ihn. Sie stellte sich dem Gnoll in den Weg und hob beschwichtigend die leeren Hände.




Mittlerweile hatten sich mehrere Orks und Gnolle eingefunden und sie sahen verdutzt zu, wie Gnarek Schwarztanne ungeduldig erklärte, wie Bär ihn bedroht hatte. Er war verwirrt und verletzt vom Verrat des eigentlichen Freundes und Schwarztanne versuchte ihn zu beschwichtigen. Vermutlich hatte Bär in einer Vision etwas gesehen, was ihn überreagieren ließ. Er hatte die Sache nicht ernst gemeint. Doch Gnarek sah dies anders.


Nun kam auch Marder bei der Ansammlung an Schaulustigen an. Er drückte sich durch die Menge und stellte sich neben Wildkind, der dem Streit mit hängen Ohren folgte. Sein Gesicht war eine Maske aus Entsetzen und Verzweiflung. Kurz nahm Marder den kleinen Goblin in den Arm, dann lief er Gnarek nach, der sich von Schwarztanne abgewandt hatte.


Wieder wurde der Gnoll aufgehalten und wieder wurde er gefragt, was vorgefallen sei. Entnervt verdrehte er angewidert die Augen und schilderte nun Marder von der Begegnung mit Bär. Er wollte ihm nur helfen, weil es dem Schamanen plötzlich schlecht ging. Dann hatte Bär ihn beleidigt und bedroht.


Marder konnte dies alles nicht so recht glauben und lud Gnarek mit freundlichen aber deutlichen Worten zum Trinken ein. Der Gnoll überlegte kurz, dann zogen sie mit Wildkind im Schlepptau in Richtung von Gnareks Zelt, hatte er doch die besten vergorenen Getränke.




Schwarztanne ging neben Bär in die Hocke. Er sollte ihr nun alles erzählen, forderte sie mit fester Stimme und erschöpft berichtete er seiner Frau mit leerem Blick von den Schattenbildern, die er gesehen hatte. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit lag schwer auf seiner Brust. Schwarztanne nickte lauschend und verstand von Wort zu Wort mehr, was zwischen Bär und Gnarek vorgefallen war.


Langsam löste sich die nächtliche Versammlung am Dorfrand auf und nur zwei Gnollweibchen blieben zurück und blickten hämisch zu den beiden Orks, die im letzten Schnee dieses Winters saßen und miteinander sprachen. Es waren die Prinzessinnen Ursha und Betar, vermutlich Töchter von Gnarek Bärentöter. Sie keckerten leise, dann spazierten sie zum Gnollteil des Dorfes zurück. Finster sah ihnen Schwarztanne hinterher.


Lange saß das Ehepaar noch im Schnee und sprachen über die untote Armee, die Bär gesehen hatte. Dann half die Jägerin ihrem Mann auf die Beine und brachte ihn zur Hütte zurück, wo ihre Welpen unter der Aufsicht der Elfensklavin Berin spielten. Doch Bär zuckte wieder zusammen, hatten sich doch die Zwillinge die Rollen der Wiedergänger ausgesucht und versuchten die anderen Welpen ihnen mit Lachen und Stöcken zu Leibe zu rücken.


Mit sanften Worten schickte Schwarztanne Berin und die Kleinen zu den Nachbarn, die sie immer wohlwollend bei sich aufnahmen, wenn es von Nöten war.


Dann hüllte sie Bär in dicke Felle und setzte ihn vor seine Schale, die er mit potenten Kräutern füllte und Glut auf sie legte. Schwere Dämpfe füllten bald die Hütte und traurig sah Schwarztanne ihren Mann an. Dann verließ sie die Hütte...




In Gnareks Zelt wurde der Trinkschlauch umhergereicht. Sie wollten sich nicht betrinken und Wildkind war eh noch nicht alt genug, um viel des starken Getränks zu verkraften, doch fühlten sich nun alle besser. Der Halbling Gunter reichte ihnen Trockenfleisch und schwieg unterwürfig.


Immer noch nicht konnten sie über die Sache lachen, doch sahen sie es nun mit etwas Abstand. Dass der oberste Schamane der Orks einen Gnoll Kriegsführer bedrohte, war keine Sache, die man leicht nehmen konnte, doch sprach Marder weiter mit ruhiger Stimme und versprach, dass sich alles richten lassen konnte. Nur, dass andere ebenfalls den Streit gesehen hatten und dies nun eventuell an die Gnollkönigin herangetragen werden konnte, versprach schon fast, politische Probleme zu erzeugen. Sollte Gnarek dies nicht von sich aus erzählen, würde auch sein Ansehen bei Sihark sinken.


Marder empfahl, dass Gnarek und er sowohl Sihark als auch Herbst über alles berichten und die Angelegenheit als Prügelei unter Freunden darstellen sollten. So könnte sich das alles glätten, so hoffte er.




Also tranken sie aus und ließen Wildkind und Gunter zurück, während der Goblin schon mit einem schelmischen Grinsen auf den Gährschlauch blickte. Gnarek eilte zum Zelt von Königin Sihark und schwang die Felle zur Seite, als er mit Schrecken erkannte, dass Ursha und Betar schon vor ihrer Mutter standen. Sie drehten sich zu Gnarek und schenkten ihm das boshafteste Lächeln, das sie hatten.


Sihark legte fragend den Kopf schief, als sie den Kriegsherren abwartend ansah. Der stotterte los, dass es eine Meinungsverschiedenheit wegen dem Untotenplan gegeben hatte und er hatte Bär nur seine Grenzen aufgezeigt. Sihark sah ihre Töchter fragend an und fragte dann Gnarek, warum die orkische Jägerin ihn dann auch angegriffen hätte. Gnarek stutzte und die Prinzessinnen keckerten zufrieden.


Dass Schwarztanne ihn nicht angerührt hatte, erklärte Gnarek vorsichtig, doch meinte seine Königin, dass ihre Töchter dies anders geschildert hatten. Unschuldig legten die Prinzessinnen ihre Ohren an den Kopf und sahen ihn unwissend an. Schnell erklärte Gnarek, dass es vielleicht wie ein zweiter Kampf ausgesehen hatte, wurde aber von Sihark unterbrochen, die ihn mit einer kleinen Geste nach draußen schickte. Als er im Wind der Nacht stand und weder Sihark noch die Prinzessinnen ihm folgten, ging er mit einem eisigen Gefühl im Magen in Richtung seines Zeltes.




Marder hatte sich in Herbst Hütte nützlich gemacht. Zusammen legten sie das frische Fleisch ein und überhaupt hatte Marder immer stärker das Gefühl, dass die charismatische Orkin ihn als nächsten Partner ausgesucht hatte. Doch wurde die Nähe vom Gespräch überschattet, das Marder Herbst aufzwängen musste. Genau schilderte es das Missverständnis zwischen Gnarek und Bär. Aufmerksam hörte Herbst den Worten zu und wollte dann wissen, was Marder tun würde: sollte sie jetzt gleich zu Sihark gehen und mit ihr sprechen? Oder warten, was der Königin zugetragen wurde und wie sie reagieren würde?


Lange überlegte Marder und stand dicht hinter Herbst, die sich an ihn drückte. Bis Schwarztanne die schweren Felle des Hütteneinganges beiseite zog und sie kurz musterte. Dann war ihr aber die Intimität der Situation egal und sie erzählte Herbst von der Untotenvision ihres Mannes und der Warnung der Weltenseele. Still bearbeitete Marder weiter das Fleisch und ließ die beiden Frauen miteinander reden. Schwarztanne berichtete von den Prinzessinnen Ursha und Betar und nun dachte Herbst lange über das Gesagte nach. Ganz anders als Rot ging sie nicht den schnellsten und aggressivsten Weg, sondern wollte jede Möglichkeit beleuchtet haben.


Sie sprachen bis tief in die Nacht und entschieden, dass Herbst am besten noch vor Sonnenaufgang mit der Königin der Gnolle reden sollte. Sollte das Gespräch nicht gut verlaufen, würde Herbst Schwarztanne dazu rufen, damit sie ihre Sicht der Dinge einwerfen konnte. Zufrieden verabschiedete sich Schwarztanne und machte sich auf den Weg zu ihrer Hütte. Ihre Welpen waren immer noch bei den Nachbarn und es wäre nicht gut, wenn Bär noch länger in den Dämpfen der Kräuter sitzen würde...




Gnarek war derzeit wieder in seinem Zelt angekommen und hatte die leicht angetrunkenen Gestalten auf den Decken beäugt. Glücklich schnarchend lagen Wildkind und Gunter neben einander, der beinah leere Schlauch auf Wildkinds Bauch. Warum betrank sich der Goblin und der Sklave mit seinem Eigentum? Schon wollte er die beiden wütend wecken, als ein lauter Schrei durchs Dorf schallte. Seine Waffen packend stürmte er vor das Zelt und erkannte erstaunt, dass die meisten Gnolle schon gerüstet im Dorf warteten. Er deutete auf eine Handvoll Krieger und eilte mit ihnen in Richtung des Orkteils des Dorfes davon.


Dann entdeckte er das Feuer, das an einer der Hütten brannte und mit Schrecken wurde ihm klar, dass es die Hütte von Schwarztanne und Bär war, die Flammen in den nächtlichen Himmel schickte. Vor der Hütte standen sieben Gnolle, Betar und Ursha unter ihnen. Betar hatte einen weiteren, brennenden Pfeil auf einem schweren Bogen in ihrem Griff ruhen. Sie grinste boshaft, als Ursha die Nachbarin von Schwarztanne mit einem Fuß auf den Boden drückte. Wieder schrie die Orkin laut auf.


An der Hütte der Nachbarn war die Familie der Frau erschienen und nur mit Mühe hielten sie die ängstlich rufenden Welpen zurück, die zu ihren Eltern rennen wollten. Die Elfensklavin Berin sah dem Treiben verängstigt zu.




Schwarztanne erschien neben der brennenden Hütte und wütend riss sie den brennenden Balken am Eingang um, damit nicht noch mehr Felle und Balken Feuer fangen konnten und während sie den Gnollen zurief, dass sie gehen sollten, versammelten sich immer mehr aus dem Schlaf gerissene Dorfbewohner hinter den keckernden Gnollen.


Auch Marder rannte herbei und befahl einem der Gnollkrieger, dass er Wasser zum Löschen holen sollte, doch stieß der Hyänenmann ihn nur schnappend zur Seite. Die Lage eskalierte und Gnarek wollte nicht dafür verantwortlich sein. Er schrie den Gnollen zu, dass sie Sihark holen sollten, doch lachte ihm Betar nur entgegen, dass ihre Mutter schon Bescheid wüsste.


Nicht wirklich wissend, ob der ganze Angriff nun nur von seinen Töchtern ausgehen würde, oder ob die Königin diese Aktion wirklich sanktioniert hatte, befahl er den Gnollen, mit denen er herbeigeeilt war, sich zurück zu ziehen. In der Dunkelheit außerhalb des Dorfes positionierte er sie und gab ihnen die Anweisung, dass sie nichts unternehmen sollten, bis er zurück käme. Er wollte mit der Königin persönlich reden und sie vom Irrsinn dieser Entwicklungen überzeugen.


Das junge Weibchen, dem er den Befehl gegeben hatte und die gerne unter ihm durch die Heide jagte, nickte stolz und versteifte sich dann, als ein Knacken und Surren hinter ihr erklang. Sie rollte ihre Augen nach oben und kippte Gnarek entgegen. Ein Pfeilschaft der Reisenden ragte aus ihrem Rücken. Mit einem lauten Schrei weckte Gnarek Bärentöter den Rest des Dorfes.




Gerade wollte Betar den zweiten Brandpfeil auf die Hütte des Schamanen schießen, als alle aufhorchten. Der Ruf des Kriegsherren hallte durch die Nacht. Er kündete von Kampf und Tod. Panik brach aus und lauter riefen die Orkwelpen nach ihren Eltern, die immer noch in der brennenden Hütte waren. Dann schob sich Schwarztanne aus dem Rauch, den vom Dampf der Kräuter betäubten Bär fest in ihrem Griff stützend. Marder eilte an ihre Seite und zog den Schamanen in Sicherheit, während der beißende Rauch des Brandes und die frische Luft der Nacht die Sinne von Bär zurückkehren ließen.


Schreie erklangen nun aus anderen Richtungen und weitere Pfeile schlugen in der Umgebung in den Boden. Im Norden sahen die Orks und Gnolle nun den rötlichen Schein am Horizont, weit hinter der Klippe des Hohen Steins. Dort lagen einige kleinere Goblindörfer, wussten sie und jedem wurde nun klar, dass die Reisenden eine Säuberung begonnen hatten. Sie wollten diese Lande für sich und schreckten nicht davor zurück, auch den letzten Vertreter der alten Völker zu erschlagen.


Schwarztanne ließ Bär bei Marder und sprang zu Betar, die immer noch verwirrt in die Dunkelheit starrte. Sie packte sie und riss die Gnollprinzessin zu sich, brüllte sie an, was der ganze Unsinn sollte, doch schlug Betar sie nur mit dem Handrücken ins Gesicht, knurrte ein warnendes "fass mich nicht an!" und lief dann eilig mit ihren Kriegern dem noch unsichtbaren Gegner entgegen.




Vom Schlag überrascht sah Schwarztanne ihr nach, dann blickte die orkische Jägerin zu ihren Nachbarn. Die hatten sich gerade bewaffnet und liefen ebenfalls zur Verteidigung des Dorfes, während die alte Großmutter der Familie, Wolkenmeer, sich schützend vor die Welpen ihrer Tochter und die Welpen von Schwarztanne stellte. Sie nickte Schwarztanne tapfer zu und trieb die weinenden Welpen und Berin dann in die Hütte.


Marder erschien neben der Jägerin. Dass sie Küken retten sollten. Doch Bär, der matt am Boden kauerte, schüttelte nur den Kopf und ächzte, dass Küken bereits Vergangenheit war. Sie würden für ihre Kinder kämpfen. Dann stand er auf und küsste seine Frau innig. Dass er sie liebe, hauchte er ihr zu und nahm dann seine Axt vom Gürtel. Er drehte sich der Dunkelheit am Dorfrand zu und rannte dann los, Marder und Schwarztanne ihm dicht auf den Fersen.




Immer mehr Orks und Gnolle liefen durch die Nacht, als Gnarek beinahe das Zelt der Königin erreicht hatte. Mit gefletschten Zähnen verdammte er den Leichtsinn Bärs, in diesen Zeiten für Unruhe zu sorgen, als er ein kurzes Aufblitzen zwischen den Zelten erblickte. Dann wurde die Nacht gleißend hell und Gnarek schleuderte sich drehend durch die Luft. Hart kam er auf dem kalten Boden auf und als er sich hoch ziehen konnte, erkannte er, dass die Hälfte des Dorfes niedergerissen worden war. Ein brennender Krater war dort zu sehen, wo Sihark und dutzende andere Gnolle ihre Zelte gehabt hatten und von überall her drang das Wehklagen verletzter Krieger. Was war das für ein Zauber, den die Angreifer gewoben hatten?


Aus der Nacht sprangen nun immer wieder einzelne Elfen und Zwerge, die über das Schlachtfeld rannten und kurze Schläge mit abwehrenden Orks austauschten. Einige der Zwerge ritten auf Wildschweinen und die herausfordernden Rufe der Reisenden hallten von dem Hohen Stein wider. Nicht dicht an dicht griffen die fremden Krieger an, sondern weit verteilt und beinahe nicht greifbar.




Ächzend drückte sich Gnarek Bärentöter nach oben und knurrte einigen nahen Gnollen zu, dass sie die Welpen nehmen und ihm in den Wald folgen sollten. Königin Sihark war vermutlich tot und er hatte vor, den Stamm nach seinen Vorstellungen neu aufzubauen. Doch die wollten nichts von einem solchen Plan wissen, war die Zukunft doch davon abhängig, ob sie in dieser Nacht die Reisenden schlagen konnten. Es gab keine Sicherheit, sollten sie nun verlieren.


Gnarek grollte drohend, doch sah er augenblicklich ein, dass es keinen Sinn hatte, einen weiteren Konflikt loszutreten. Er keckerte, schwang seine Waffe hoch über den Kopf und eilte dann mit den lechzenden Gnollkriegern einen weiten Bogen schlagend Richtung Norden. Er wollte die Angreifer von der Seite treffen, wo sie es noch nicht erwarteten.


Chaos erwartete ihn, als er die Hauptstreitmacht der Reisenden überraschte und mit der dröhnenden Stimme von Bär wurde ein eisiger, schneidender Eissturm geboren, der sich über den Hang an der Klippe zog. Blitze fuhren aus dem Sturm heraus und immer noch dröhnte der Zauber des Schamanen, während sich die Nacht mit Blut und Tod füllte...




Die Sonne ging auf und außer dem andauernden Wind, den Schreien der Verwundeten und dem einsamen Ruf K'uras war auf dem Schlachtfeld vor dem Hohen Stein nichts zu hören. Marder wankte mit schweren, müden Schritten an den Toten vorbei. An Ork und Gnoll, an Zwerg und Elf. Manchmal sah er einen Gnom oder Halbling, ihre Körper aufgeschlitzt, ihre Augen starr in eine andere Welt blickend.


Sein Leib war durchstochen mit abgebrochenen Pfeilen und Speeren, der Griff eines Messers ragte ihm nur wenige Fingerbreit aus dem Nacken. Doch hatten sich die Wunden um die meisten Fremdkörper bereits geschlossen, hatte die Magie der Weltenseele ihn während des Kampfes immer wieder geheilt und ihn mehr und mehr erschlagen lassen. Schmerzerfüllt ächzte er auf und trat neben Schwarztanne, die vor dem liegenden Leib eines großen Bären kniete. Luchs war an ihrer Seite und leckte mitfühlend an einer zitternden Pranke des großen Tieres.




Es war Bär, der sich im Laufe der Nacht in diese Form verwandelt hatte und den seine Frau am Morgen mit zwei Speeren quer durch Brust und Magen getrieben am Boden gepfählt vorgefunden hatte. Sie hatte das Holz aus dem liegenden Leib gezogen und ihre Hände ruhten auf der mit Blut verklebten Seite des Bären.


Marder wischte sich halb getrocknetes Blut aus dem Bart und sah sich um. Nur wenige Orks und Gnolle konnte er erblicken, doch drangen weitere müde Rufe nach Hilfe aus Richtung des Dorfes. Ohne zu sprechen trat Marder an die Seite der Orkfrau, schüttelte nur seinen Kopf, als sie erschrocken seine Wunden sah. Die würden heilen. Er konnte sich später um die Splitter in seinem Körper kümmern.


Zusammen halfen sie Bär auf die Beine, der immer noch in tierischer Form verwandelt war und langsam zogen sie um die Klippe hin zu den Überresten der Hütten. Dort waren weitere Überlebende der Schlacht, alle nur Mitglieder der beiden Stämme. Ein Teil des Hohen Steins war abgebrochen und der Stein der Klippe hatte viele Hütten unter sich begraben. Die neu entdeckte Magie der Reisenden war eine furchtbare, das war nun deutlicher als je zuvor.




Gnarek stand mit weiteren Gnollen zwischen den Überresten der Hütten und sprach leise mit ihnen. Nur dreizehn Krieger des Hyänenvolkes hatten den Kampf überlebt, Sihark und alle ihre Töhter waren tot. Doch war sich Gnarek sicher, dass er mit ihnen einen neuen Stamm gründen könnte. Er lächelte müde Marder zu, als dieser an ihm vorbei ging.


Zusammen gingen die drei zum Rande des Dorfes um dort nach der Hütte des Ehepaares zu sehen. Doch war von ihr und der Nachbarshütte nichts mehr übrig. Verkohlter Boden rauchte wie eine klaffende Wunde und mit einem klagenden Schrei sank die Jägerin auf die Knie, Luchs machtlos neben ihr kauernd.


Gepeinigt von Schmerzen und dem Gedanken an seine Welpen sprang Bär in seiner Tierform schnaubend und sabbernd in die Ruine seiner zerstörten Behausung, schlug dort mit scharfen Krallen nach verbrannten Balken und brüllte laut sein Leid hinaus. Dann verwandelte er sich zurück in seine orkische Gestalt und wiegte sich weinend im Schlamm, der sich aus der Asche geformt hatte.




Doch fand Marder nur die Leichen einiger erwachsener Orks in der Nähe der Hütten und als er weiter den Boden absuchte, stieß er bald auf die Spuren von einer Gruppe Welpen und einem Goblin, die von den unregelmäßigen Schritten eines alten Orks begleitet wurden. Schnell rief er Schwarztanne zu, dass die Hoffnung noch nicht verloren sei und gemeinsam blickten sie in die Richtung, in der die Abdrücke führten. Der nahe Wald und die Lichtung der Eule. Sie sammelten Bär und Gnareks Gnolle und nicht einmal zwei dutzend Orks konnten sich der Gruppe anschließen. Alle anderen waren tot.


Kurz besprachen sich Gnarek und Schwarztanne, dann schickte der neue Anführer der Gnolle seinen treuen K'ura los, um über dem Wald Ausschau nach den Welpen zu halten. Alle zusammen liefen sie los, ein geschundener Zug der einzigen Überlebenden der Stämme vom Hohen Stein...




In gehetzten Schlangenlinien folgten sie den Spuren durch den Wald, bis sie bei der Lichtung ankamen. Vorsichtig wagten sie sich aus dem Schutz der Bäume heraus und blieben mit blankem Entsetzen stehen, als sie die alte Wolkenmeer erkannten, die neben dem heiligen Stein in der Mitte der Lichtung stand. Verkrampft und wund zitterte die Orkin mit durchgestrecktem Kreuz und zum Himmel erhobenen Gesicht, während Himbeerranken durch Sohlen und die Haut der Beine wuchsen und sich weiter im Körper nach oben bohrten. Weiter oben schoben sie sich wieder aus dem gequälten Leib und fesselten die Frau in einer grotesken Haltung. Ranken hatten ihre Augäpfel zerstört und drehten sich der Sonne zu, andere hatten sich neben der Zunge einen Weg ins Freie gesucht und so kamen nur gurgelnde, schwere Laute von Wolkenmeer.


Von den Welpen und Wildkind war nichts zu sehen, ihre Spuren konnte Schwarztanne aber schnell wieder finden. Sie führten hinein in den Wald und weiter gen Süden. Ohne auf die anderen zu warten liefen Marder und Schwarztanne ins Dickicht.




Bär stand fassungslos vor der leidenden Wolkenmeer. Er verfluchte die neu gefundene, verdrehte Magie der Reisenden und langsam ging er auf die Greisin zu. Die spürte anscheinend das Nahen eines anderen, versuchte sie doch ihren Kopf zu drehen. Blut floss aus ihren leeren Augenhöhlen und auch beruhigende Worte würden keinen Sinn haben, hatten die Ranken doch auch die Ohren durchwachsen. Mit einem Gebet zur Muttergöttin hob Bär seine Axt und beendete das Leid der alten Frau.


Gnarek, der dem Ganzen stumm zugesehen hatte, trat nun zögerlich neben Bär und fragte grollend, ob sie Gnolle und Orks derzeit noch zusammen ziehen lassen oder ob sie ihr Schicksal alleine suchen sollten. Bär sah den Kriegsherren kurz an. Sie sollten zusammen bleiben, erklärte der Schamane dann und Gnarek wollte schon darauf reagieren, als er merkte, dass einige seiner Krieger begonnen hatten, unruhig in den Wind zu schnuppern.


Was los sei, wollte der neue König des Stammes von einem jungen Weibchen wissen, doch die reagierte nicht sofort und sah ihn stattdessen nur herausfordernd an. Als er ein zweites mal fragte, knurrte sie und schnappte nach ihm, doch dies wollte und konnte sich Gnarek nicht gefallen lassen. Blitzschnell packte er das Weibchen an der Kehle und zog sich nahe an das nun verängstigte Gesicht heran. Das nervöse Keckern der anderen Gnolle und die alarmierten Blicke der Orks waren wie ein warmer Sommerschauer für ihn. Er badete in der neu erlangten Macht.




Er sei der älteste und zugleich der stärkste Gnoll, der die Nacht überlebt hatte, bellte er dem Weibchen und allen anderen zu. Er hatte das Sagen. Er ließ die Kehle des kauernden Weibchens los und wollte schon Schwarztanne und Marder hinterher, als sich ein gleißendes Licht hinter seinen Augen formte. Ein stechender Schmerz trieb ihn zu Boden und er konnte nur noch die Warnung vor einem Angriff herauspressen, bevor er ohnmächtig wurde.


Panisch sahen sich alle um, doch sahen sie nichts zwischen den Bäumen und erst als Bär sich auf die Magie der Welt konzentrierte, dass etwas in Gnareks Wesen fehlte. Wie wenn jemand einen wichtigen Teil aus ihm heraus gerissen hätte. Er blickte in die Ferne und dort fühlte er die Überreste eines schnell vergehenden Spruches, der ein Leben genommen hatte. Eine Welle aus Schmerz und Tod pulsierte immer noch dort und verklang letztendlich.


Scharf zischte Bär allen zu, dass sie zusammenbleiben und schnellst möglichst aufbrechen mussten und sofort packten zwei Weibchen Gnarek und schleppten ihn mit. Als sie zwischen den Bäumen in den Schatten des Waldes eingetaucht waren, kam der Kriegsherr wieder zu sich und ächzte nur schwach "sie haben ihn getötet". Dann zerrte er sich vom Griff der Weibchen frei und stellte sich zuerst wankend, dann feste vor die Gruppe Flüchtlinge. Die Reisenden hatten seinen Krähenvertrauten K'ura mit Zaubern erschlagen, knurrte er, und während die Orks ihr Haupt senkten, jaulten die Gnolle leidend auf.




Marder und Schwarztanne hetzten durch den Wald, dessen Boden mit Tauwasser bedeckt war. Die Spuren führten über das verschneite Moos hinweg und Luchs sprang mit einigen Längen Abstand durchs Unterholz. Sie hatten das Gefühl, beobachtet und verfolgt zu werden. An einem kleinen, glucksenden Bach kamen sie an, der sich tief in den Boden des Waldes gefressen hatte. An einer Seite hatte das Wasser die Wurzeln eines alten Baumes umspült und freigelegt und in diesem Wurzelgeflecht hing ein lebloser Körper, groß wie ein Orkwelpe.


Schnell wateten die beiden durchs kalte Wasser und als Marder die Leiche aus der Umklammerung des Baumes befreite, erkannte Schwarztanne Süßbeere, eine Tochter der Nachbarn. Ihre rechte Seite war von einer scharfen Klinge abgetrennt worden, der gesammte Arm fehlte. Vorsichtig legte sie Marder ins Moos.


Hier waren keine Spuren mehr zu erblicken, doch vorsichtig blickte Schwarztanne sich nun um. Dann bemerkte sie eine Bewegung in einem Wurzeltrichter unweit des Baches. Sie streifte einige Farne zur Seite und ihr Herz schlug höher, als sie unter einigen Brombeerblättern Weißbirke kauern sah. Ihre Tochter hatte sich schützend eingeigelt und schluchzte nicht hörbar, blickte nicht auf. Kurz schaute sich Schwarztanne um, ob Reisende sie beobachten würden, doch spürte sie immer noch nur ihre Nähe. War es sicher, ihre Tochter aus dem Versteck zu heben?




Bär, Gnarek und die anderen Flüchtlinge kamen nun am Bach an und kurz sahen sie sich um. Bär streichelte über den Kopf des erschlagenen Mädchens und sah dann hilfesuchend Schwarztanne an, die sich immer noch nicht traute, den Zufluchtsort ihrer Tochter zu verraten.


Ein nasses, schabendes Geräusch wehte durch den Wald zu ihnen heran und die Gnolle begannen leise zu keckern. Dies war die Richtung, in der die Spuren verlaufen waren. Doch war dies nach dem Bach immer noch der ideale Weg?


Marder berührte leicht Schwarztannes Schulter. Sie mussten weiter, der Feind war ihnen vermutlich dicht auf den Fersen. Die Jägerin nahm all ihre Kraft und ihren Mut zusammen, griff in den Wurzeltrichter und hob die erstaunt quiekende Weißbirke in ihre Arme. Die anderen ächzten überrascht, als das Mädchen ihre Mutter erkannte und sich fest an sie klammerte, ihr Gesicht in ihrem Hals vergrub. Die Reisenden waren hinter ihnen her, weinte sie, und sie hatte die anderen verloren. Schwarztanne beruhigte sie mit leisen Geräuschen.


Dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung, stumm und ohne jegliche Absprache und nur Süßbeere blieb leblos neben dem Bach im Moos zurück.




Als sie am Waldrand ankamen, war ihnen klar, woher die seltsamen Geräusche kamen. Der Wald endete an einem Abhang, der steil und mit Schlamm überzogen tief nach unten führte. Dort unten wuchsen wieder Bäume und sie wussten, dass der Wald in dieser Richtung von einigen Seen und schließlich einem großen Fluss durchschnitten war. Und der Boden hier oben, der Hang und der Schlamm weiter unten war von tausenden Kröten bedeckt, die sich aus ihrer Winterstarre befreit hatten und zu ihren Paarungsgebieten zogen. Sie quakten tief, schritten übereinander hinweg und sprangen flüchtend den Füßen der Orks und Gnolle aus dem Weg.


Sie drehten sich um und sahen über den Baumkronen dichten, dunklen Rauch aufsteigen. Hatten die Reisenden den Wald in Brand gesetzt? Doch sie konnten sich kein Zögern mehr leisten und so begannen die ersten, den Abhang hinunter zu laufen. Nach einigen Augenblicken folgten alle.


Doch der Hang war rutschig vom tauenden Schnee und von den Kröten, die sie mit jedem Schritt zertraten und so kam einer nach dem anderen ins Straucheln und bald rutschten sie und überschlugen sich auf dem Weg nach unten. Mit Mühe konnte Schwarztanne Weißbirke fest an sich drücken, damit wenigstens ihr nichts geschah, aber als sie unten aufgekommen waren, weinte das kleine Mädchen bitterlich. Alle lagen ächzend da und versuchten sich zu sammeln. Luchs, die ihnen ohne größere Probleme nach gesprungen war, schnupperte prüfend am schmerzverzerrten Gesicht seiner Herrin.




Das tiefe, langgezogene Stöhnen von Marder ließ alle aufblicken. Er hatte sich mehrfach Hals über Kopf im Fall gedreht und sich bei jedem Aufkommen die abgebrochenen Waffenteile weiter in den Leib gerammt. Die meisten Wunden, die bereits verkrustet gewesen waren, bluteten wieder und hart war er nun unten mit dem Gesicht an einem Baumstamm aufgeschlagen. Er versuchte sich benommen auf die Beine zu ziehen, doch schaffte er es nicht, und mit einem angstvollen Ruf gab Bär das laut, was alle anderen mit Schrecken sahen: der Orkkrieger war mit seinem Rücken auf ein großes, pulsierendes Fadengewebe gestürzt, das von einer nahen Fichte wuchs. Den gesamten Stamm nach unten zogen sich bunte Knoten, die durch die Rinde brachen und weitere Fäden in alle Richtungen schickten.




Verzehrende Farben. Dies war der Name, den die Orks dem jagenden Pilz gegeben hatte, der sich zwar nur langsam fortbewegte, aber nun neben einigen unvorsichtigen Kröten auch einen ausgewachsenen Ork gefangen hatte. Die dünnen Fäden zogen sich langsam weiter über Marders Arm und Seite, der Rücken war schon von den bunten Fruchtkörpern des Pilzes aufgerissen. Marder krümmte sich unter dem brennenden Schmerz, der wie Feuer durch seine Benommenheit zuckte, und weiter wuchsen die Verzehrenden Farben in sein Fleisch.


Verzweifelt bat Bär die Göttin Seli, ihm Kraft zu spenden und sich den Verzehrenden Farben mitteilen zu können und als er sich an den fressenden Pilz wandte, spürte er tatsächlich den unbändigen Hunger der Verzehrenden Farben. Was sollte es dafür bekommen, den großen Ork gehen zu lassen? Was konnte Bär dem Pilz bieten?


Bär schaute zu den Kröten, die die Verzehrenden Farben bisher im weiten Bogen umgangen hatten und er atmete langsam aus. Dann schickte er seine Bitte zu den geschäftigen Amphibien und ohne zu zögern machten sie Kehrt, stiegen über Marder hinweg und gingen in das Gewebe der Verzehrenden Schatten hinein. Sofort wurden sie überwachsen und von Fruchtkörpern aufgebrochen, einige waren innerhalb weniger Augenblicke bis zu den Knochen aufgelöst.


Auf Marders Haut gingen die Fäden zurück und mit einem wachen Schrei löste sich der Krieger aus dem Gewebe. Blutend und mit offenem Rücken und Armen stand er schwer atmend da und versuchte Worte zu finden. Als er schließlich Gnarek und Bärs Blick gefunden hatte, deutete er mit einem rötlich tropfenden Finger auf die sich ausbreitende Masse. "Da habt Ihr Eure Waffe gegen die Reisenden..." Seine Stimme war rau und er hustete schwer.




Schon wollte Gnarek antworten, als ein Ork neben ihm ächzte. Eine Pfeilspitze ragte ihm aus dem Mund und schlaff kippte der tote Körper auf den Pilz, der ihn sofort mit dünnen Fäden zu überziehen begann.


Weitere Pfeile surrten vom Hang her auf sie herab und und schnell flohen sie an den Kröten und den Verzehrenden Farben vorbei, zwischen die schützenden Bäume des Waldes. Hinter ihnen erklangen die Rufe der Reisenden und das Geräusch der Pfeile, die das Blätterdach durchschlugen. Ein weiterer Gnoll fiel und stand nie wieder auf. Weiter und weiter rannten sie, vorbei an Sträuchern und Teichen, mit Moos überwachsenen Steinen und längst zerfallenden Baumstämmen, die im Dickicht lagen.


Gnarek hatte sich an die Spitze der rennenden Gemeinschaft gesetzt und Bär lief mit Schwarztanne hinter den anderen, Luchs immer treu an der Seite der Jägerin. Weißbirke hielt sie auf, behinderte Schwarztanne beim Rennen. Doch sie waren nicht die langsamsten...




Die beiden blickten zurück und sahen Marder, wie er an einem breiten Baum angehalten hatte. Er lehnte mit der offenen Rückewunde kurz an den Flechten, die den Stamm überzogen, dann fuhr er herum, als ein lautes Knacken durch den Wald hallte. Die Reisenden hatten sie gefunden!


Schwarztanne schaute zu Weißbirke in ihren Armen, danach zu Bär. Der winselte geschlagen und warf Marder einen entschuldigenden Blick zu. Marder aber hatte bereits seine Axt gezogen und wartete hinter dem Baum auf ihre Verfolger. Stumm liefen Schwarztanne und Bär los und ließen den Freund zurück. Vor ihnen sahen sie Gnarek und die Reste der Stämme am Hohen Stein, wie sie durch den Wald flüchteten.




Marder lehnte schwer am Baum und versuchte seine Kräfte zu sammeln. Er wollte so viele dieser verfluchten Bestien mit in den Tod reißen wie möglich. Die Mutter hatte ihm die Kraft geschenkt, die vergangene Nacht zu überleben und nun sollte sie hier seine Wunden so lange heilen, bis seine Kameraden in Sicherheit waren und er auf einem Berg aus erschlagenen Reisenden seinen letzten Atem zog.


Er hörte ein weiteres Knacken, ein Rascheln. Angespannt stieß er sich vom Baum ab und stellte sich seinen Häschern entgegen. Doch sprang nur eine junge Orkfrau durchs Unterholz, wich einem vorbei zischenden Pfeil aus und duckte sich unter einem dicken Ast hindruch.


Sie kam an einem Baum neben Marders Versteck zum Ruhen und drückte sich gegen die raue Rinde, blickte zu Marder hinüber. Der aber wollte sich nicht von der nähernden Gefahr abwenden und blieb geduldig stehen, seine Augen nach vorne gerichtet. Dann sah er zu seiner Überraschung frische Triebe, die aus dem alten Stamm an seiner Seite wuchsen. Blätter, die sich entfalteten, als vergingen Tage in wenigen Herzschlägen. Warm wurde es um ihn herum, wie wenn der Frühling nun wirklich im Wald angekommen war und erstaunt sah er zur jungen Orkin. Die lächelte ihn nur sanft an und um sie herum wuchs Moos und feine Blätter über den Baumstamm. Kleine Blumen erblühten um schönen Kopf herum und ruhig legte sie einen schlanken Finger auf ihre geschwungenen Lippen. Eine unglaubliche Gelassenheit ging von ihr aus und Erkenntnis durchflutete Marder wie das Kribbeln unzähliger Insektenbeine. Schmerz und Angst flossen aus seinem Körper. Seli blinzelte ihm verführerisch zu.


Ein weiteres Knacken, dann sprang Marder, gestärkt durch den Atem der Muttergöttin nach vorne und begann seinen letzten Tanz des Todes.




Gnarek hatte mit den anderen einen Hügel im Wald erreicht. Bäume und größere Steine ragten aus dem Erdbuckel hervor und vor dem kleinen Anhang lag ein erschlagener Zwerg. Er sah aus, als wäre er von einem Felsen zerschmettert worden, aufgeplatzt und zerrieben. Prüfend hob Gnarek seine Schnauze und sofort roch er neben dem bestialischem Gestank eines Trolls und dem Zwergenblut die Anwesenheit der Orkwelpen und eines Goblins. Wildkind und die Kinder waren in der Nähe.


Luchs, der sich weit vor Schwarztanne an die Seite des Gnolls gesetzt hatte, sprang den Hügel hinauf und schnupperte an einer engen Spalte, die sich hier durch Erdreich und Fels zog. Sofort sprang Gnarek dem Vertrauten von Schwarztanne nach, doch kamen warnende Stimmen seiner Gefährten, dass sich nun der Troll näherte, den sie zuvor schon wegen seinem Gestank wahrgenommen hatten.


Mit schweren Schritten schob sich ein gewaltiges Trollweibchen aus dem Dickicht und ihre Schulter war beinahe durch einen mächtigen Hieb abgetrennt. Der Arm baumelte schlaff herunter und auch in ihrer Brust und der Schulter steckten Pfeile. Die Reisenden hatten sie schwer verwundet. Doch sah Gnarek auch, dass die dicke Haut zwischen den verhornten Körperplatten sichtbar schnell heilten. Trolle hatten diese Gabe...


Schnell deutete Gnarek allen Orks und Gnollen an, sich zu verstecken und leise duckten sie sich hinter Sträucher und in den Farn, dann versuchte er sich lautlos in den Spalt zu drücken. Doch sein Körper war zu breit und nur mit Mühe konnte er sich einige Fingerbreit hinein ziehen. Er flüsterte den Welpen zu, dass alles in Ordnung sei und ihre Eltern gleich kommen würden, dann fiel ein dunkler Schatten über ihn.




Schwarztanne war gerade mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann am Hügel angekommen, als sie den mächtigen Troll sahen, der in den Riss griff. Luchs stand über ihm auf einem Findling und drohte hörbar. Der gesunde Arm des Trolls verschwand kurz im Erdreich, dann zog er einen wild um sich schnappenden Gnarek hervor und schleuderte ihn über den Trollkopf hinweg zwischen die Bäume. Ein kurzes Jaulen war zu hören, dann erschien Gnarek Bärentöter wieder, sein Fell mit altem Schnee und den Blättern des Vorjahres bedeckt.


Der Troll brüllte in seine Richtung und in seinen Augen erkannte das Pärchen den Schmerz und die Unberechenbarkeit, die das verwundete Weibchen erfüllte.




Laut schrie Gnarek den versteckten Kriegern zu, dass sie nicht angreifen sollten und schnell sprang er neben die aufgeplatzte Zwergenleiche, nahm den Kopf fest in eine Klaue und riss mit der anderen die Kehle des Reisenden heraus. Erstaunt legte das Trollweibchen den Kopf schief und stieß einen fragenden Laut aus.


Ein Surren. Ein nasses Schlagen. Ein weiterer Pfeil, dick und schwarz gearbeitet, ragte aus dem Hals des Trolls und drückte ihn kurz nach hinten, dann riss er zornig seinen Kopf in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war. Rufe waren dort zu hören und das Nahen der Verfolger. Mit einem gewaltigen Satz sprang der Troll an Gnarek vorbei, über Schwarztanne und Bär hinweg und hinein in den Wald. Einen Herzschlag später erklang der panische Schrei eines Jägers, dann durchflutete Kampflärm das Unterholz.




Erschöpft blickte Gnarek Bärentöter Schwarztanne an, die immer noch Weißbirke hielt. Ihre Welpen wären im Hügel, erklärte er, und dass sie weiter müssten. Sie sollte sich beeilen, damit sie weiter ihren Weg laufen könnten. Sofort sprang Schwarztanne zur Spalte und drückte sich mit ihrer Tochter hinein, hauchte den Welpen zu, dass sie sie schützen würde. Sie war bei ihnen und sie müssten keine Angst mehr haben. Der Lärm hinter ihr wurde lauter, das Brüllen des Trolles heftiger. Luchs kratzte weiter am blanken Stein, der den Rand der Spalte säumte.


Dann erkannte sie Wildkind, wie er vor ihren Töchtern und Söhnen und den Kindern der Nachbarn kauerte, seinen kleinen Steindolch fest in beiden Händen und mit großen Augen jeden Angriff erwartend. Er ließ erschöpft seine Ohren hängen, als er Schwarztanne erkannte und über sein Gesicht huschte ein erleichtertes Lächeln. Das Wimmern von Rotbuche klang wie eine Erlösung an die Ohren der Jägerin. Sie hatten es geschafft. Sie hatten es alle geschafft. Kurz dachte sie an Süßbeere und schluckte den Schmerz hinunter, dann zwängte sie sich weiter in den Riss.




Ein Pfeil surrte durch die Luft und blieb im Boden stecken und Gnarek knurrte ungeduldig. Schwarztanne sah panisch nach hinten, dann überkam sie das Gefühl von Schutz. Von absoluter Sicherheit. Sie atmete tief ein und blickte Bär, der vor dem Hügel wartete, tief in die Augen, dann schlüpfte sie weiter in den Spalt hinein, der sich um sie herum schloss. Mit einem steinernen Klacken berührten sich die beiden Wände und schon war Moos über den einstigen Riss gewachsen. Veilchen blühten auf dem Hang.


Bär sah einen unendlich langen Herzschlag auf die Stelle, an der seine Liebe verschwunden war. Sie war in Sicherheit, das wusste er. Sie war bei Seli, der Muttergöttin, tief im schützenden Leib der Welt. Die Weltenseele hatte sie und die Welpen vor den Reisenden gerettet. Vollends verwirrt suchte Luchs den Hügelhang ab und gab gequält laut, doch merkte sie schnell, dass ihre Herrin nicht mehr mit ihr verbunden war.




Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung, während sich der Lärm hinter ihnen zuspitzte. Das verletzte Gurgeln des Trolls trieb sie weiter voran und mit entschlossenen Schritten setzte sich Bär neben Gnarek, der an der Spitze der Flüchtenden lief. Gemeinsam würden sie die Zukunft des Stammes sichern.


Noch einmal schaute Luchs sich um, ob sich am Hügel etwas rührte. Dann lief sie ihren Gefährten hinterher...[/spoiler]


[spoiler=Am Lagerfeuer IV]SCHWEIGEND SAHEN DIE Welpen den Geschichtenerzähler an. Erst nach einigen Augenblicken fand ein kleiner Junge seine Worte wieder.


"Was passierte mit Schwarztanne und ihren Kindern?"


"Ich weiß es nicht." Ein warmes Lächeln.


Die Welpen murmelten aufgeregt.


"Aber Du weißt doch alles..."


"Das tue ich nicht, Kind."


"Und Gnarek und Bär?" Die flehenden, runden Augen eines kleinen Mädchens.


"Sie zogen mit den anderen in weit entfernte Gebiete, die die Reisenden noch nicht beansprucht hatten. Sie lebten dort und gründeten neue Stämme."


Bedrückt sahen die Welpen in die Flammen des Lagerfeuers und in ihren Köpfen tobte erneut die Schlacht um den Hohen Stein. Kurz lebten die Seelen der Kämpfenden in den Funken wieder auf.


"Aber dies passierte überall..." Die Worte des kleinen Mädchens waren wie ein Donnerschlag, der die Stille durchbrach. Alle Blicke drehten sich zum Geschichtenerzähler.


Der Geschichtenerzähler nickte und sah hinaus in die Nacht. Zum Licht des Megaplexes.


"Ja. In anderen Teilen des Landes wurde auch Blut vergossen. Auch dort starben Orks und Gnolle und Zwerge und Elfen."


"Und nirgends konnten die Stämme die Reisenden abwehren?" Ein kleiner Junge, Azun.


"Doch," lächelte der Geschichtenerzähler traurig. "In einigen Gebieten gab es stärkeren Widerstand. Und dort war es schließlich auch, wo unseren Völkern die tiefsten Wunden geschlagen wurden."[/spoiler]




Das war es erstmal... als nächstes basteln wir uns neue Charaktere und spielen über 4.000 Jahre später im Hohen Norden weiter, wo sich die Lage doch etwas geändert hat. Es spielen wieder die selben Spieler mit, aber eben mit neuen Charakteren. [USER=4325]@Dyesce[/USER] spielte hier Marder und wird demnächst einen Schrat verkörpern. Miche war Gnarek und spielt mit dem Gedanken eine orkische Magus zu basteln. Flo war Bär und will nun in die Rolle eines Waldläufers schlüpfen und Daphne war Schwarztanne, spielt vermutlich aber demnächst einen greisen Orkveteranen. Ich bin gespannt, wie das sich noch entwickelt...



Als kleiner Teaser hier das nächste Lagerfeuer:


[spoiler=Am Lagerfeuer V]"KONNTEN UNSERE VORFAHREN gar keinen Platz finden, an dem sie friedlich leben durften?" Der junge Welpe, Gimbah, sah den Geschichtenerzähler fragend an und der stützte sich schwer auf den Stab, den er mit zum Lagerfeuer gebracht hatte.


"Für einige Zeit gab es Orte in Resham, an denen die alten Völker nicht verdrängt wurden."


"Konnten ihnen die Reisenden dorthin nicht folgen?" Unverständnis schwang in Gimbahs Stimme mit, und die unbändige Energie der Kindheit.


Der Geschichtenerzähler nickte langsam. "Das konnten sie wohl, doch waren sie zufrieden mit ihren Eroberungen. Ihr Durst nach Blut und Rache war vorerst gestillt."


"Vorerst?"


"Natürlich," meinte das kleine Mädchen: "sie bauten neue Dörfer und Straßen. Sie bekamen Familien und errichteten Königreiche. Felder wurden angelegt und Viehherden gezüchtet."


Gimbah sah sie fragemd an. "Und?"


Trotzig sah das kleine Mädchen den Jungen an. Keiner der anderen Welpen traute sich etwas zu sagen. Nur das Knacken des Feuers und das ferne Summen einiger Gleiter war zu hören. Für die Zikaden war die Nacht zu frostig.


Schließlich durchbrach der Geschichtenerzähler die Stille. Er wandte sich an Gimbah und lachte leise. "Was denkst Du, was passierte...?"


"Es gab wieder Krieg?"


"Nein." Die Stimme des alten Orks war ernst und leise geworden. "Der Krieg hatte nie aufgehört..."[/spoiler]


Gib den zweiten Namen ein: kenobi anakin vader
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