erdacht von Conquistador
ausgespielt von Spaceball, Lain, Ange, Minza und Conquistador
nacherzählt von Minza
Der Herbst war ins Talahische Königreich eingekehrt und in Talah sammelten sich Menschen aus allen Teilen des Landes, um das Erntefest zu feiern. Aus den entlegenen Siedlungen und den kleineren Städten vom Fuße der weiten Gebirge und aus den weiten Heiden und Flusstälern kamen sie herbei und brachten Wagenladungen von Früchten und anderen Erträgen der Erde mit sich.
Und während die schmalen Straßen und kleinen Plätze der Hauptstadt mit Leben pulsierten, fanden sich auch Reisende in den dunklen Schankräumen der mit Schatten durchzogenen Tavernen ein. Halunken und Tagelöhner tranken hier das schales Bier, doch andere waren in den kühlen Hauptraum der Taverne "Drei Federn" untergekommen, um einer göttlichen Spur zu folgen. Sie hatte es in das Karawanenviertel von Talah geführt, weil sie eine Vision hatten:
Tenkan, ein Heiler aus den umliegenden Siedlungen hatte sich vor wenigen Tagen noch um die Kranken und Sterbenden gekümmert und am Sterbebett eines alten Mannes hatte er einen Talisman erhalten, der drei geschmiedete Federn zeigte, die am Schaft zusammen lagen und dann wie Sonnenstrahlen nach oben auseinander gingen. Tenkan hatte das Amulett lange angesehen und war dann nach Talah aufgebrochen, um am Feste teilzunehmen und als er im Karawanenviertel die Taverne mit genau diesen drei Federn gefunden hatte, hatte er sie sogleich betreten.
Litri, Tochter der Sera, hatte ihr ganzes Leben lang in Talah gelebt. Als Priesterin des Tempels der Abendsonne hatte sie sich um das Seelenheil der Menschen gekümmert und als sie vor der Stadt für die gerade exekutierten Männer gebetet hatte, die immer noch an ihren Pfählen angebunden in der Sonne hingen, waren Aaskrähen aufgeflogen und vor ihr waren drei Federn zu Boden gesunken, die ein Muster ergaben. Sie hatte sich zur Taverne mit diesem Zeichen aufgemacht, fest davon überzeugt, dass dies ein Zeichen des Sonnengottes gewesen war.
Bana kam aus einem der Steppenstämme aus dem Süden des Landes. Während die Bewohner des Talahischen Königreiches die Hautfarbe von dunkler Erde hatten, war Bana beinahe schwarz. Groß war er gewachsen, kein Haar hatte er am Kopf und helle Zähne blitzten hervor, wenn er den kantigen Mund öffnete. Vor vielen Jahren hatte König Sarlon II. den Stamm der Benutu beinahe ausrotten lassen, doch hatten einige der großen Krieger überlebt und nun war Bana in die Stadt gereist, um hier sein Schicksal zu finden. Vor den Mauern Talahs hatte er Streit mit einigen Einheimischen begonnen und während er sich mit den Männern geschlagen hatte, war im eine Tätowierung am Arm von einem der Städter aufgefallen... drei Federn. Als er später am Abend ein Gasthaus zum Übernachten gesucht hatte, war ihm die Taverne "Drei Federn" aufgefallen und neugierig hatte er den Schankraum betreten.
Katiah war eine Kriegerin aus einem fernen Land, das über dem schmalen Meer lag, dass das warme Land vom kühleren Norden trennte. Sie war ein Beover, Mitglied eines wilden Reitervolkes und wenn sie mit ihrem Pferd durch Talah ritt, sahen die Menschen ihr mit großen Augen nach. Hell war ihre Haut und blond ihr Schopf, der an den Seiten ihre Kopfes kurz geschoren und am Hinterkopf zu einem langen Schwanz zusammen gebunden war, und ihr Akzent erinnerte an das Reiben von Steinen und das Gurgeln eines Baches. Bei einem ihrer Ritte um die Mauern Talahs hatte sie drei Federn auf dem Boden gesehen und auch sie kannte die Taverne und sie war neugierig, was ihr dieser Fund denn nun sagen wollte, glaubte sie doch nicht an die Götter; weder an die himmlischen, die sich nicht um die Geschicke der Menschen kümmerten, noch um die irdischen Götter, die sich in Wald und Quell und Moos versteckten und die von so manchem Stamm angebetet wurden.
So stand Katiah nun mit einem Krug Bier und einem Stück Brot an einer der Stützbalken des Schankraumes und beobachtete das Kommen und Gehen in der Taverne, als ihr ein riesiger, schlaksiger Mann mit Ebenholz farbener Haut auffiel, der sich ebenso im Raum umblickte. Beinahe drei Köpfe war er höher als sie und von ihm ging etwas wildes aus, das sie schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Ihre Augen trafen sich, dann sah der Riese wieder zu einem anderen Punkt in der Schenke: ein runder, flacher Tisch, an dem eine in weite Gewänder und ein farbenprächtiges Kopftuch gehüllte Priesterin saß, die beinahe meditierend wirkte. Sie sah frustriert aus. Als wenn sie nicht finden würde, wonach sie gesucht hatte.
Der große Mann setzte sich zu ihr und kramte einige kleine Steinfigürchen heraus, die er auf die Tischplatte setzte. Kleine Stammesgötter, dachte sich Katiah und schmunzelte. Sie verstand Leute nicht, die ihr Schicksal an imaginäre Gestalten flochten, die sie nie gesehen hatten. Der Mann murmelte etwas und warf dann Knochensplitter auf den Tisch, begann sie konzentriert zu betrachten.
Die Priesterin öffnete kurz ihre Augen, sah das Schauspiel an und lächelte fast nicht wahrnehmbar, aber durchaus freundlich. Sie war jung. Ungefähr so jung wie sie selbst, schätzte Katiah. Der schwarze Mann wirkte nur wenige Jahre älter.
Dann wurde Katiah hellhörig, als sich ein weiterer Mann an den Tisch setzte. Er hatte die normale, dunkle Hautfarbe dieser Region und dichte Koteletten eines Junggesellen. Auch er hatte vermutlich um etwas mehr als zwanzig Sommer erlebt und er war in Trachten gekleidet, die ihn als Landbewohner verrieten.
Prüfend sah der Neuankömmling den Riesen und die Priesterin an und grüßte sie höflich, doch danach sprach keiner mit dem anderen. Sie wirkten, als wollte sie etwas sagen, trauten sich aber nicht so richtig.
Schon wollte Katiah näher an den Tisch heran treten, als sich ein verschwitzt und verwirrt wirkender Mann aus der Menge löste und auf den Tisch zukam. Er war gut gekleidet und hatte zuvor mit anderen Grüppchen im Schankraum geredet, soviel hatte Katiah mitbekommen.
Mit seinem Weinbecher setzte er sich nun im Schneidersitz auf eines der Bodenkissen vor den Tisch und fing an, auf die drei Fremden einzureden, während Katiah neugierig näher rückte.
Der Mann stellte sich als Tuvok vor und er behauptete, im Kontakt mit dem Königshaus zu stehen. Er musste etwas wichtiges erzählen, niemand hier wollte ihm aber wirklich zuhören. Von einem Komplott gegen den König war die Rede und vom Verrat des amtierenden Schatzmeisters. Während der Feierlichkeiten sollte der Putsch durchgeführt werden und bisher hatte keiner den Worten Tuvoks Glauben geschenkt. Alle hielten ihn für verrückt.
Litri kannte das Königshaus gut, war sie doch ein Mitglied des Tempels der Abendsonne und war die Königsmutter selbst eine Priesterin dieses Tempels. Und als sie schon ihren Mund öffnete, um Tuvok gut zuzusprechen, legte Katiah ihre kleine Hand auf die Schulter des erschrockenen Tuvok und flüsterte ihm Akzent geschwängert zu, dass hier nicht der richtige Ort für solche Reden war.
Litri sah die Ausländerin freundlich an und meinte ruhig, dass Tuvok mit ihr über alles sprechen könnte, doch Katiah blieb bei ihrer Meinung: die Öffentlichkeit war kein guter Platz für solche Gespräche. Die beiden Frauen sahen sich herausfordernd an, während Tuvok vor sich hin murmelte und die beiden anderen Männer verwirrt von einer zur anderen blickten. Bana kannte solches Aufbegehren von Frauen nicht. Er war andere Sitten aus seinem Stamm gewohnt und leicht beschämt packte er seine Knochen und Figürchen ein.
Tenkan sah prüfend in die Runde. Er fragte sich, ob die Federn ihn wegen diesen Leuten hier hergeführt hatten. Dies konnte ein doch recht aufregendes Erntefest werden, stellte er fest und nickte nur zustimmend, als Tuvok allen anbot, ein Hinterzimmer für weitere Unterredungen zu besorgen.
Auch die anderen stimmten zu und während der seltsame Mann zum Wirten ging und andere Gäste der Taverne ihm belustigt nachschauten, entspannte sich die Stimmung bei den Vieren am Tisch. Alle wollten Tuvok helfen. Und wenn er nur ein verwirrter Tropf war, der sich Dinge einbildete. Was nicht alle glaubten, hatten sie doch die Federn hier her geführt. Wieder schmunzelte Katiah amüsiert. Sie musterte Tenkan genau. Nicht schlecht sah er aus, vielleicht sogar etwas zu zahm und normal. Das Ende seines Kopfbandes verriet aber genauso wie seine Gesichtsbehaarung, dass er unverheiratet war und sie lächelte ihn an.
Nun stellten sich alle vor, hatten sie doch das Gefühl, nun mehr mit einander zu tun zu haben und als Bana von den Benutu erzählte, horchte Tenkan erstaunt auf. Schon lange hatte er nichts mehr von diesem Stamm gehört und grimmig erzählte Bana vom Feldzug des Königs gegen die Steppenkrieger. Still hörten sich Litri und Katiah das Gespräch an und als Tuvok wieder zu ihnen stieß und sie informierte, dass er ein Zimmer besorgen hatte können, standen alle auf.
Sie machten sich auf ihren Weg zum anderen Raum und während sie sich durch die Menge drückten, zog Tenkan den Talisman unter seiner Tracht hervor. Kurz sah Litri die geschmiedeten Federn an, dann fragte sie die anderen nach ähnlichen Erscheinungen und Visionen. Bana nickte und nur Katiah verriet nichts von ihrer Begegnung, glaubte sie doch immer noch an einen seltsamen Zufall. Sie war skeptisch, auch wenn sie dies alles hier amüsierte. Nur Bana murmelte etwas vom Wind und dem Sand seiner Heimat und dass sich alles noch früh genug enthüllen würde.
Im Hinterzimmer angekommen fing Tuvok wieder sofort an, sich mit Worten zu überschlagen. Wieder erwähnte er den Schatzmeister, einen gewissen Haruk, der den König mit einem magischen Gegenstand stürzen wollte. Immer noch klang er verwirrt und hilflos, stotterte und wusste oftmals nicht mit seinen Worten umzugehen.
Mit leiser Stimme und einer leichten Berührung an der Schulter Tuvoks versuchte Litri den Mann zu beruhigen und wieder meinte Bana, dass der Wind sich auch drehen könnte und die Wolken aufreißen würden. Katiah lachte zynisch und Bana sah sie wütend an.
Der gerade noch etwas zur Ruhe gekommene Tuvok begann erneut, nervös zu stammeln und Litri flüsterte den beiden Streitenden beherrscht zu, dass sie sich zügeln sollten.
Tenkan stimmte Litri zu und meinte, dass schließlich die Götter sie mit den drei Federn hier hergeführt hatten. Er meinte nicht die himmlischen Götter, die mal mehr und mal weniger über die Menschen wachten. Er meinte die Götter der Natur, denen er gelegentlich kleine Opfer erbrachte, damit sie seinen Patienten wohlgesonnen waren.
Bana blickte den Heiler lange an und gab dann zu bedenken, dass die Götter vielleicht auch wollten, dass sie König Sarlon II. töteten. Tenkan deutete auf die lederne Tasche des Stammeskriegers und schlug vor, seine Knochen zu befragen. Doch Bana schüttelte nur den Kopf und erklärte, dass die Knochen ihm solche Fragen nicht beantworten würden.
Ächzend verdrehte Katiah ihre Augen, warf ihre Hände gen Decke und meinte nur, dass sie dies natürlich nicht beantworten würden; es wären Knochen und nicht mehr. Immer aufgeregter sprach Tuvok nun zu sich selbst und verknotete dabei seine Finger, während Litri ihn weiter zu beruhigen versuchte und die anderen vernichtend ansah.
Dann versteifte sich Tuvok plötzlich und Litri machte alarmiert einen Schritt nach hinten. Der ältere Mann sah die vier so ungleichen Menschen an, als würde er sie das erste mal wirklich sehen und sprach mit fester, deutlicher Stimme: er war der Sohn des Kämmerers von Sarlon II. und er hatte ein Gespräch zwischen Geron, dem Sohn des Leibwächters von Schatzmeister Haruk und dem Schatzmeister persönlich mitbekommen. Die Zeit des Königs würde am Erntefest sein Ende finden und eine neue Dynastie würde anbrechen. Solok und andere dunklere Gottheiten des Verrats und ähnlicherer Aspekte wären erwähnt worden und während Tuvok dieses erzählte, wurde er zittriger und seine Stimme überschlug sich erneut.
Tenkan griff in seine Tasche und holte einige ledrige Kräuterblätter hervor, die er Tuvok zum Kauen gab und der beruhigte sich umgehend.
Bana hatte sich die Geschichte still angehört und auf einem Streifen Trockenfleisch herum gekaut. Er bot Tenkan gerade ein weiteres Stück der zähen Wegzehrung an, als Litri alarmiert Bana und Tenkan fragte, was sie nun unternehmen sollten. Die Götter hatten sie auf jeden Fall aus diesem Grunde an diesen Ort geführt... sie mussten handeln.
Litri hatte gezielt nicht Katiah angesehen, die nur lächelnd an der Wand gelehnt stand und mit ihrer hellen Haut und ihrem kleinen, kompakten Körperbau wie ein Geist wirkte. Litri konnte die fremde Frau nicht einordnen. Sie verwirrte sie zutiefst.
Dann drangen Stimmen von draußen.
"Ist er wieder hier?"
"Ja, Herr."
"Wo ist er dieses mal? Zeigt es uns."
Katiah und Litri, die anscheinend als einzige die lauten Stimmen mitbekommen hatten, sahen sich fragend an und als Katiah durch den Vorhang des Hinterzimmers schaute, erblickte sie mehrere Wachen, die am Wirten vorbei auf sie zukamen. Der vorderste der Männer trug die rote Schärpe eines Offiziellen und sofort wusste die kleine Frau, dass dies Ärger bedeutete.
Sie nickte Litri mit finsterem Blick zu und als die Priesterin den anderen mit ruhiger Stimme erklärte, dass es anscheinend Probleme geben würde, lockerte die Beover schon ihre Handat und auch Bana nahm die für einen Stammeskrieger eher untypische Katshoi Axt in die Hand, die nach den Feldzügen des Königs im Besitz seiner Familie war.
Entsetzt sah Litri die Bewaffneten an. "Nicht so," befahl sie mit autoritärer Stimme.
"Steckt sofort die Klingen weg!"
Dann wendete sie sich an Tuvok und fragte ihn leise, ob er in akuter Gefahr wäre. Der Mann schaute nur verwirrt an ihr vorbei, begann aber sichtbar zu zittern. Litri entschied sich, dass sie handeln musste. Sie ging mit festen Schritten auf den Durchgang zum Schankraum zu, während Katiah nur zur Seite trat und sie passieren ließ. Gleichzeitig warf Tenkan seinen weiten Mantel über die Schultern Tuvoks und schlang einen Arm um ihn, während draußen Litri schon die vorderste Wache, den hochrangigen Beamten, konfrontierte. Sie verbeugte sich höflich und ihrem Priesterstand entsprechend und meinte dann lächelnd, dass der Gesuchte bereits draußen wäre. Sie würden hier nichts mehr finden. Der Offizielle sah sie Stirn runzelnd an und schüttelte dann seinen dunklen Kopf. Er deutete auf das Hinterzimmer und meinte, dass sich der Orden nicht einzumischen hatte.
Nun trat aber Bana hinter dem Vorhang hervor und stand hoch über allen anderen Anwesenden im Raum. Seine schwarze Haut wirkte wie ein Leuchtfeuer in der Schenke und alle Blicke wanderten erneut zu ihm. Verwirrt schauten die Wachen den hochgewachsenen Steppenmann an.
Dies nutzte Tenkan, um Tuvok fester zu umfassen und ihn schnell aus dem Hinterzimmer hinaus und an den Gästen der Taverne und den Wachmännern vorbei zu geleiten. Er hatte den Stallknecht bereits bezahlt, damit er sich um seinen Esel Gari sorgte, solange er in Talah war und sobald er dies alles überstanden hatte, wollte er das treue Tier wieder hier abholen. Unschlüssig sah der Offizielle wieder zum Wirten, der deutete abermals auf den Vorhang und nickte zuversichtlich. Mit einem tiefen Grunzen umrundete der Offizielle Litri, die betend die Augen schloss und er rief mit fester Stimme Tuvoks Namen.
Tuvok stockte in seiner Bewegung, wurde dann aber weiter von Tekan mitgezogen und aus der Schenke "Drei Federn" geführt, wo sie schnell die Straße hinunter eilten.
Eilig machte sich Bana auf, den beiden hinter her zu kommen und rempelte dabei den Offiziellen an, der den großen Mann mit seinem Lederschild zur Seite stieß und ihn böse an funkelte. Leise entschuldigte sich Bana in gebrochenem Katshoii für seine Tollpatschigkeit und eilte dann auf die Straße, wo er gerade noch Tenkan und den verhüllten Tuvok in eine schmale Seitengasse biegen sah.
Litri stand immer noch mitten im Schankraum und atmete erleichtert aus, als sich die Wachen an ihr vorbei zum Hinterzimmer drängten. Dort stand Katiah, immer noch gelangweilt an eine Wand gelegt, und sah die gerüsteten Männer herab schätzend an. Litri trat neben den Offiziellen und meinte freundlich, dass sie doch gesagt hätte, dass hier niemand für die Männer sei. Nur ihre Geschäftspartnerin und sie würden das Hinterzimmer in Anspruch nehmen.
Ohne ein weiteres Wort machten die Wachen wütend kehrt und der Wirt sah zuerst ihnen und dann Litri und Katiah verwirrt nach, als sie ebenfalls die Schenke verließen.
Immer noch nichts von den drei Federn der Beoverin wissend, flüsterte Litri der Kriegerin zu, dass sie zwar nicht wüsste, wie sie in die Sache verstrickt wäre, aber dennoch sollten sie nun ihren neuen Bekannten hinter her, um dieses Rätsel zu lösen. Genervt grinsend scherzte Katiah, dass irgend jemand die Federn höchst wahrscheinlich absichtlich verteilt hatte und Litri schüttelte nur traurig den Kopf. Warum die Frau nicht das am naheliegenste sehen wollte, war ihr nicht klar. Sie liefen ins Freie und sahen sich um.
Nach wenigen Augenblicken deutete Katiah auf einen großen, schwarzen Kopf, der über den vielen Passanten heraus ragte, die noch zu später Stunde im Karawanenviertel zugegen waren.
Er bog in eine Seitengasse ein und verschwand aus dem Blickfeld der beiden Frauen und schnell drängten sie sich durch die Menge, dem Riesen nach.
Als sie an einer schmalen Häuserschlucht vorbei kamen, in der Körbe und alte, zerbrochene Tonwaren standen, hörte Katiah Stimmen in ihrer Heimatsprache, die aufgeregt mit einander diskutierten. Lauter und angeregter wurde der Streit und als sie kurz ihren Lauf unterbrach und sich Litri fragend nach ihr umdrehte, sah Katiah nur mehrere kleine Schatten, die in der Gasse in die Dunkelheit huschten. Katzen waren es gewesen und mit einem besorgten Gesichtsausdruck machte sie sich wieder daran, der Priesterin zu folgen. Hatte sie ihren Verstand verloren? Seit wann konnten Katzen sprechen?
Dann bogen die beiden Frauen in die Gasse ein, in der auch Bana verschwunden war. Sie führte zum Rückgebäude der Taverne "Drei Federn" und hier waren auch Tenkan und Tuvok, die sich an die weiß verputzte Wand des zweistöckigen Gebäudes drückten.
Kurz atmeten alle erleichtert durch, dann legte Tenkan Tuvok die Hände auf die zitternden Schultern. Leise und langsam fragte er, warum Tuvok dachte, dass bei dem Putschversuch Magie im Spiel war. Wirr sah ihn der andere Mann an und Tenkans Hoffnung sank, dass er noch etwas Brauchbares aus dem Kämmerersohn herausbringen würde. Stotternd erklärte Tuvok, dass die Rede von Göttern gewesen sei. Und die schenkten den Menschen nun mal die Magie.
Tief sah Tenkan dem stammelnden Mann in die Augen und forschte nach einem Funken Verstand... einem kleinen Rest Glaubwürdigkeit. Forschend schaute Tuvok von einer Seite zur anderen, dann fokusierte er auf den Blick des Heilers.
Mit einem tiefen Seufzen wandte sich Tenkan den anderen zu und nickte dann erschöpft. Er glaubte Tuvok. Auch wenn er sichtlich verrückt war. Aber er glaubte ihm.
Seine Begleiter sahen ihn nur akzeptierend an und als Litri langsam an Tuvok heran trat, flüsterte dieser, dass er müde wäre und nicht mehr weiter konnte. Gütig nickte die Priesterin ihm zu, doch wollte Tenkan die Sache noch nicht ruhen lassen: wann der Anschlag auf den König geplant war, wollte er von Tuvok wissen und stockend erklärte der, dass es während des Festes am morgigen Tage geschehen sollte. Alle sahen sich hilflos an. Die Eröffnungszeremonie war traditionell der meist besuchte Teil des tagelangen Festes. Wie sollten sie dort etwas in diesem Ausmaß verhindern?
Schließlich ließ Litri geschlagen ihren Kopf hängen. Gerade hatte es keinen Sinn, in einer Gasse im Karawanenviertel Pläne zu schmieden, während die Schergen eventueller Verschwörer einen verwirrten Tuvok suchten. Mit sanfter Stimme fragte sie die anderen, wo sie ihn unterbringen könnten. Im Tempel war er zumindest nicht gut aufgehoben.
Katiah schüttelte nur schnell den Kopf und erklärte, dass sie lediglich ein sehr kleines Zimmer in einem Gasthaus hatte. Bana war gerade erst heute in Talah angekommen und genauso ging es Tenkan. Litri seufzte und meinte dann, dass ihr alle folgen sollten. Einige kleinere Straßen gingen sie so entlang, zwischen den rechteckigen, meist zwei- oder dreistöckigen und rot oder weiß gefärbten Häusern entlang, bis sie vor einer kleinen Herberge standen.
Litri führte sie hinein und sprach dann leise mit dem alten Pärchen, das das Haus führte. Sie versprachen ihr, auf Tuvok aufzupassen und meinten, dass sie ihn und seine seltsam verwirrten Streifzüge durch die Nachbarschaft bereits kannten. Die Priesterin gab den Alten zwei Silberstücke und bedankte sich für ihre Mühen. Dann verabschiedete sie sich vom bereits in sein gemietetes Zimmer taumelnden Tuvok und verließ schließlich mit den drei anderen die Herberge.
Wieder auf der Straße angekommen fragte die Priesterin, ob sie sich zusammen zum Tempel der Abendsonne aufmachen wollten. Dort würden sie neue Kraft schöpfen und Pläne schmieden können. Alle waren einverstanden.
Die Nacht war vollends über das Königreich herein gebrochen und überall waren Menschen in den vielen Gassen der Stadt, um schon an diesem Abend zu feiern und sich auf den morgigen Tag vorzubereiten. Es wurde gelacht und getanzt, musiziert und gestritten.
An einem größeren Platz, an dem die ungleiche Gruppe vorbei kam, war eine Truppe Akrobaten dabei, eine gewagte Darbietung zu geben und während einige die angrenzenden Häuserwände einige Meter nach oben rannten, nur um sich abzustoßen und mit einem Salto wieder auf dem Boden zu landen, wirbelten andere mit der Hilfe ihrer Kameraden durch die Luft, balancierten auf wankenden Seilen und sprangen von Fenstersims zu Fenstersims. Die Zuschauer johlten und klatschten und das Gelächter war groß, doch Litri wurde in ihren Schritten langsamer und sah den Gauklern entgeistert zu. Sie fühlte den Wind auf ihrer Haut. Sah die Höhe und die Schluchten zwischen den Häusern. Sah vor ihrem Inneren Auge, wie sie selbst die Sprünge wagte und über die seltsam schrägen Dächer jagte, die Nacht um sie fließend wie ein zweites Gewand.
Dann stand sie wieder zwischen den Feiernden und Tenkan sah sie prüfend an. Litri lächelte unsicher und ging dann weiter die Straße in Richtung ihres Tempels, Bana und Katiah hinterher. Tenkan schritt ihr besorgt nach.
Als sie vor den Stufen des großen Gebäudes standen, blickte Litri noch einmal fragend nach hinten, wo sie die Akrobaten vermutete, dann sprang sie aus dem Stand die Stufen hinauf, was die anderen stutzen ließ. Als Katiah sich räusperte und dann herausfordernd mit dem Kinn auf die Treppe zeigte, schüttelte Litri nur erschöpft den Kopf.
"Es ist, als wenn ich das schon einmal erlebt habe," flüsterte sie.
Tenkan trat zu ihr und fragte besorgt: "Was? Was habt Ihr schon erlebt?"
Sie sah ihn lange an. "Alles... dies ist mir alles auf eine seltsame Art und Weise bekannt."
Der Heiler blickte Hilfe suchend zu den beiden anderen, die unschlüssig vor den Stufen standen und meinte dann forschend: "Habt Ihr schon einmal Drogen genommen? Dies könnte solche Dinge erklären."
Sie sah ihn lange Augenblicke eindringlich an. Dann drehte sie sich zum Eingang des Tempels und schritt mit einer Priesterin gebührenden Schritten darauf zu. "Ich kenne Euch alle. Irgendwoher kenne ich Euch."
Tenkan zuckte nur mit den Schultern, als er Katiah und Bana anschaute und betraten ebenfalls das Gotteshaus.
Litri benetzte ihre Hände und ihr Gesicht mit dem geweihten Wasser aus einem steinernen Becken, das an der Pforte stand und auch Tenkan beugte sich der Tradition. Leise fragte er die Priesterin, ob sie eventuell eine Vision bewirken könnte, wie es viele Priesterinnen der Abendsonne vermochten. Sie verneinte. So sehr konnte sie ihre wachsenden Kräfte noch nicht kontrollieren. Der Heiler grinste sie verlegen an und meinte, dass er ihr Kräuter geben könnte, die ihr helfen würden. Schnell lehnte Litri diesen Vorschlag ab. Es musste andere Möglichkeiten geben. Keine vorschnellen Handlungen, die sie und ihre Lehrer später bereuen könnten.
Wieder beugte sich Tenkan über das Wasserbecken, um die rituelle Waschung zu vollenden, als er entsetzt inne hielt. In der Spiegelung des Beckens sah er die Umrisse eines anderen Mannes, groß und muskulös. Viel konnte er nicht erkennen, doch reiche dies, um ihn auf ächzend zurück weichen zu lassen.
Er tastete sich zu einer der Bänke, die an der Seite des großen Tempelraumes standen, zischte der Priesterin zu, dass er einen Mann im Wasserbecken gesehen hatte und setzte sich, immer noch leicht verstört. Litri sah ihn erstaunt an und fragte, ob es die Spiegelung von Bana gewesen sei, doch sicherte ihr Tenkan zu, dass dem nicht so war. Dann schloss er die Augen und begann zu meditieren.