Kapitel #7 unserer Ongoing-Kampagne:
[spoiler=Wilde Gewässer - Ein Tag in Vasaar]erdacht von Conquistador
ausgespielt von Lain, Miche, Ange, Minza und Conquistador
nacherzählt von Minza
Vor zwei Stunden hatte die Emanas Traum am Kai eines kleinen Fischerdorfes angelegt. Hier wollte die Mannschaft des kleinen Schiffes nötige Reparaturen durchführen und ihre Vorräte auffüllen, hatte doch die lange Fahrt und der Kampf gegen Piraten und Schattententakel an ihren Kräften gezehrt.
In Vasaar waren sie verhalten empfangen worden. Der Dorfälteste Alakir hatte sie zwar willkommen geheißen und ihnen erklärt, dass schon in den letzten Wochen einige Handelsschiffe auf dem Weg nach Amovis hier Rast gemacht, Trockenfleisch und Dörrfisch gekauft hatten. Viele der Fischer sahen die Seefahrer aber nur mit seltsamen Blicken an, als würden sie ihre baldige Abfahrt mehr als herbei sehnen.
Taeryn saß an einem der kleineren Stege, wo Netze und Reusen zum Trocknen ausgelegt worden waren und mischte Köder auf einem gewölbten Rindenstück zusammen. Einige der Bewohner Vasaars standen um sie herum, sahen ihr neugierig zu, wie sie Krebsfleisch mit Fischöl vermengte und das stinkende Gemisch in leere Muschelschalen stopfte. Mit kleinen Steinen beschwerte die Frau die Köder und platzierte sie in einer Reuse, versenkte diese dann vorsichtig im warmen Wasser.
Ein kleiner, dicker Mann mit buschigem Schnauzer beobachtete den Arbeitsvorgang skeptisch, doch als die Fischer und Kinder um ihn herum zu murmeln begannen, als sich die ersten Krebse sichtbar der Falle näherten, trat auch er näher an Taeryn heran. Er sah genau zu, als sie einen weiteren Köder mit Fleisch und Öl anfertigte.
Kurz blickte er auf, als Kampflärm zu ihnen wehte, von den kleinen Hügeln her, wo die Olivenbäume wuchsen.
"Dua deine Drecksgwandn ausanand!"
Weitere Blicke huschten in diese Richtung, aber niemand reagierte beunruhigt. Sie wussten, was sich dort hinten abspielte. Was einer der Gäste dort gerade mit vier jungen Männern aus Vasaar veranstaltete...
Mandrail hatte dem Dorfältesten angeboten, einige Kampflektionen zu geben und der hatte den Vorschlag angenommen. Erst vor kurzem, hatte er erklärt, waren einige Galighen durch diese Region gezogen und hatten für Ärger gesorgt. Das nächste Mal sollten sie vorbereitet sein, würden sich die Nomaden, die immer wieder aus dem hügeligen Steppengürtel im Süden die Küste unsicher machten, erneut für einen Besuch entscheiden.
In den letzten Tagen hatte Mandrail still vor sich hingebrütet, über seine Bezahlung nachgedacht. Immer wieder hatte er Jorkar wegen seines Solds angesprochen und immer wieder hatte der Kapitän wütend reagiert. Vor allem, als der Söldner ihm angeboten hatte, einen Anteil am Schiff zu erwerben, als Ausgleich für die ausbleibenden Münzen.
Nein, Jorkar fühlte sich nicht verantwortlich für die unglücklichen Wendungen auf ihrem Weg und er sprach offen von der Überlegung, die Emanas Traum in Amovis zu verkaufen. Mit dem Erlös wollte er Mandrail und Bork bezahlen.
Nun aber hatte der donumische Söldner die Gelegenheit, sich wenigstens etwas Trockenfleisch und Früchte zu verdienen, die ihm die Fischer angeboten hatten. Zudem hatte ein altes Weib ihm angeboten, seine mittlerweile arg in Mitleidenschaft gezogene Lederrüstung zu flicken und dankbar hatte er dies angenommen.
Nun stand er mit den vier Jünglingen auf einem kleinen Feld zwischen den gedrungenen Obstbäumen und korrigierte Waffenhaltung und Stand.
"Wenn Ia richdig da stehds, dann kann Eich nix umscheissn. Vastehds Ia des?"
Die in einer Reihe aufgestellten Männer nickten und sie musternd schritt Mandrail an allen vorbei. Dann, als er an der Seite des Letzten angekommen war, zog er mit einer schnellen Bewegung dessen Bein mit dem seinen nach hinten, brachte den Burschen aus dem Gleichgewicht. Mit einer Staubwolke krachte der Jüngling zu Boden.
Die anderen grinsten, als Mandrail den Gefallenen am Kragen nach oben zog und ihn wieder auf die Füße stellte. Mit leichten Tritten rückte er die Beine des jungen Mannes Stück für Stück auseinander, bis er einen beinahe idealen Stand hatte. Dann ein erneuter Beinwischer, der Dorfbewohner blieb diesmal aber stehen. Zufrieden nickte der Söldner. Wenn der nächste Krieg anstehen würde, könnte der Mann eingezogen werden und hatte dann sogar eine realistische Chance, die Sache zu überleben.
Ruckartig ging Mandrails Blick zu einem Anderen, sein Kopf schoss auf den vor Schreck erstarrenden Dörfler zu. Nur wenige Fingerbreit trennten ihre Nasenspitzen.
"Nimm dain Zinkn zruck, sonsd brichda!"
Der Befehl war auch auf einem der kleinen Hügel zu hören, die mit gelblichen Gras bewachsen war. Lysaara saß dort im Schatten eines kleinen Olivenbaumes, naschte vom Fladenbrot und den Quitten, die sie von den Bewohnern Vasaars erstanden hatte. Sie lehnte sich entspannt an den Stamm, blinzelte schläfrig in den Himmel.
Eine frische Brise wehte über das Land und brachte den ordentlich gepflanzten Olivenhain und die niedrigen Nadelhölzer der Umgebung zum Rauschen.
"Du soisd ne danzn! Du soisd laffa!" wehte es zu ihr empor, doch sie ließ sich in ihrer Gemütlichkeit nicht irritieren.
Dann hoben sich die Köpfe von zwei Mädchen aus dem hohen Gras und neugierig schauten sie der dösenden Kriegerin zu. Dann kamen sie scheu näher und setzten sich in der Nähe, musterten die Waffen, die neben Lysaara unterm Olivenbaum lagen.
Zuerst flüsterten sie in leisen Stimmen miteinander, dann trauten sie sich doch, die fremde Frau anzusprechen.
"Wo kommst Du her?"
Lysaara kratzte sich an der Wange und schob eine weitere Quitte zwischen ihre Lippen. "Hm..."
"Ist das Schwert schwer?"
Leicht genervt sah die Kriegerin die beiden Mädchen an. "Was sind die nächsten Städte hier in der Gegend?"
Die beiden Kinder tauschten verwunderte Blicke aus. "Wissen wir nicht..."
"Es gibt hier eine Stadt mit dem Namen Lysis," meinte die andere. "Da verkaufen unsere Eltern den Fisch hin."
Lysaara kannte den Ort. Es war eine kleine Provinzstadt und stand unter der Lehnsherrschaft von Amovis. Dies bedeutete, dass Amovis die nächste große Metropole war und Lysaara in nur wenigen Tagen dieses Höllenloch wieder sehen würde. Sie hoffte inständig, dass dieser Besuch ohne das Drama und die Flammen des letzten Males auskommen würde.
"Hast Du ein Haustier?"
Lysaara blinzelte verwirrt.
"Wir haben einen Hund."
"Den haben wir ganz fest lieb."
"Hast Du schon einmal einen Hund gesehen?"
Hilfesuchend sah die Kriegerin zum Dorf, doch bei dieser Sache konnte ihr niemand beistehen... ihr Blick wanderte zum Kai, wo die Emanas Traum vor Anker lag und Pruudir gerade mit einigen Dörflern sprach.
Der Koch stand vor einigen Körben, in denen die Fischer aus Vasaar ihre Ware präsentierten. Er murmelte vor sich hin, drehte das eine oder andere Stück kurz in den Händen und legte es dann wieder zurück. Jorkar, der neben ihm die Reparaturen des Schiffes überwachte, beäugte ihn griesgrämig.
"Sind doch nur noch ein paar Wochen," gab der Kapitän grollend zu bedenken.
Pruudir hob seine Augenbrauen. "Und wie lange waren wir schon unterwegs...?"
Jorkar schnaubte. Ja, die Vorräte, die sie auf der Insel gesammelt hatten, waren beinahe aufgebraucht.
"Hm," brummte er, wendete sich ab und ging auf die Dörfler zu, die an seinem Schiff arbeitet. "Dann rede Du nochmal mit dem Ältesten. Ich schaue mir in der Zwischenzeit mit Bork das Schiff an. Schau Du, was Du kaufst und wie viel davon."
Während sich Jorkar entfernte, sah Pruudir hilflos von einen Holzgestellen, auf denen Fisch zum Trocknen aufgehängt worden war, hin zum verschlafenen Dorf, das unter der Sonne lag. Was wollte er mit dem Ältesten? Eigentlich wollte er eher auf Taeryn vertrauen. Dass sie alle paar Zeiten einen dicken Fisch aus dem Wasser zog.
Die Dörfler, die ihm die Körbe vor die Füße gestellt hatten, lächelten ihn höflich an. Vermutlich hatte der Mann eine ähnliche Kontrolle über den Handel, wie die Gilden in den größeren Gemeinden. Vermutlich war er wirklich die einzige Person, über die man einen guten Kauf tätigen konnte.
Seufzend zog Pruudir einige silberne Münzen aus der Tasche, in der insgesamt zehn Shela von Jorkar lagen. Mitunter sogar das Ersparte des Kapitäns, soweit der Koch mitbekommen hatte. Und Pruudir wusste, dass diese kleine Summe sie noch weit tragen musste. Zwei große, zwiegebackene Fladenbrote suchte er aus und einige Bündel Trockenfleisch vom Kaninchen und Schaf, einen ganzen Korb voll Dörrfisch.
"Habt Ihr Mehl?" Pruudir fuhr sich durchs verschwitzte Haar. "Gewürze? Obst und eingelegtes Gemüse?" Voller Hoffnung hob er die Shela. "Vielleicht Kohl?"
Einer der Fischer senkte leicht den Kopf. "Meersalz. Und ein paar Kräuter, die hier auf den Hängen wachsen."
"Nehmen wir..."
"Ein Säckchen Mehl, das wir selbst von einem Händler gekauft haben," bot der Fischer an, deutete auf eines der nahen Häuser. "Wenn Ihr etwas mehr zahlen wollt...?"
Pruudir nickte unglücklich.
"Und diese Rüben?" Ein anderer Mann hob den Deckel eines kleinen Korbes. Die Wurzeln, die darin lagen, waren länglich und gelblich-weiß.
"Umin?" Pruudir nickte. "Nehmen wir auch."
Er blickte auf, als der Dorfälteste in Begleitung eines kleinen, dicken Mannes mit buschigem Schnauzbart auf ihn zukam. Den kleinere Mann hatte Pruudir zuvor bei Taeryn gesehen, zusammen mit anderen Fischern, die die Frau bei ihren Versuchen beobachtet hatten. Und immer noch sprach er aufgeregt zum Dorfältesten, nickte eifrig und deutete zu Taeryn, die nun über ihrem Büchlein gebeugt etwas skizzierte.
Der Dorfälteste hob kurz eine Hand, um den anderen Mann zum Schweigen zu bringen, blieb vor Pruudir stehen und lächelte kalt den Dicken an.
"Das wird sich zeigen."
Er wirkte skeptisch, der Andere aber ließ das Thema fallen. Dann drehte sich Alakir zur zuvor von Pruudir ausgewählten Ware und das Lächeln wurde breiter, jedoch nicht wärmer.
"Für acht Silberlinge gehört das alles Euch."
"Acht Shela? Das ist aber ein kleines Paket für diese Menge Geld," antwortete Pruudir unglücklich, blickte dabei in Richtung des Stegs, wo Taeryn den Fischern neue Methoden des Fangs beibrachte.
Dann zu den Hügeln, wo Mandrail die Jugend des Dorfes für den Kampf probte. Er blinzelte.
Der Dorfälteste sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann seufzte er. Ja, die Gäste verrichteten gerade zu viele Dinste für Vasaar, als dass er nicht auf die Feilschversuche des Koches eingehen konnte.
"Sieben Silberlinge..."
Alakir streckte Pruudir die Hand hin, der schlug mit einem Kopfnicken ein. Sieben Shela kramte er aus dem kleinen Beutel und legte es dem Ältesten in die aufgehaltene Handfläche. Der grunzte und drehte sich dann zum Dicken um.
"Hamma? Sag Deinen Jungs, sie sollen das alles zum Schiff bringen."
Nochmal sah er zur einarmigen Frau, die am Steg saß. Er schüttelte seinen Kopf, dann machte er sich auf seinen Weg und verschwand zwischen den Häusern des Dorfes. Auch Pruudir blickte zu Taeryn, die umringt von einigen Kindern und vollends auf ihr Büchlein konzentriert war.
Gerade zeichnete sie das Muster einer kleinen Krabbe ab, deren ausgehöhlter Panzer auf den vom Wetter aufgesprungenen Holzplanken gelegen hatte. Unter ihr im Wasser sammelten sich allerlei Tiere um den improvisierten Köder.
"Und was ist das für ein Tier?"
Die Frage des kleinen Mädchens riss Taeryn aus ihrer Konzentration und sie legte den Kohlestift zwischen die Seiten des Büchleins, klappte es zu, während sie in die Bucht blickte. Dort trieb ein seltsamer Körper auf den Wellen. Umständlich erhob sich die Einarmige. Die Leute hinter ihr begannen zu tuscheln und sie drehte sich wissbegierig zu ihnen.
"Wisst Ihr, was das ist?"
Einer der erwachsenen Dorfbewohner winkte ab. "Ist bestimmt ein Baumstamm."
Taeryn stutzte. Etwas in der Art, wie der Mann das sagte, kam ihr seltsam vor. Abwehrend. Beinahe trotzig.
Sie blickte sich um und griff sich ein altes Netz, das ungeflickt am Steg lag und in dem noch alte Muschelschalen und Holzstückchen steckten. Mit einem Arm nahm sie Schwung, dann schleuderte sich das Netz in Richtung des auf und ab schaukelnden Körpers. Die Maschen blieben an einigen Unebenheiten hängen und sie begann, das Netz wieder einzuziehen.
Als sie sich umdrehte, um nach Hilfe zu fragen, bemerkte sie, dass einige Bewohner von Vasaar sich entfernt hatten. Sie hatten die Kinder mit sich gezogen, warfen ängstliche bis wütende Blicke auf die einarmige Frau.
"Was ist das Problem?" rief sie ihnen fordernd zu.
Nur nervöse Blicke antworteten ihr für die nächsten paar Herzschläge.
Dann: "Vielleicht ist es ja doch kein Baumstamm." Der Dorfbewohner machte einen unsicheren Schritt nach hinten. "Manchmal treiben hier Dinge an, die nicht so gut sind."
Kurz blickte ihn Taeryn wortlos an, dann begann sie lauthals nach Pruudir und Mandrail zu rufen.[/spoiler]