[Bastion Center | Sith-Tempel | Domäne der Lernenden | Chiffiths Kammer] Chiffith
Chiffith ließ den Anblick seiner Kammer zunächst in Ruhe auf sich wirken. Äußerlich verändert hatte sich nichts, als er zum Imperator in den Thronsaal gegangen und dann mit ihm gemeinsam nach Korriban aufgebrochen war, ohne irgendwelche Vorbereitungen für die lange Reise zu treffen. Noch immer herrschte die gewohnte Unordnung. Ein paar Lumpen und Decken, zwischen denen der Lamproid sich zusammenrollte, um zu schlafen; ein Spind, in dem nichts aufbewahrt wurde, sondern der zwischen Tür und Lager lag, um eine Barriere gegen Eindringlinge zu bilden; lose herumliegende Gegenstände, die er zum Üben seiner Machtfähigkeit benutzte. Dazu gehörten ein paar zerknautschte Becher, ein Dolch, ein zertrümmerter Stuhl, eine Schüssel. Und dann war da noch das Comlink, das er so selten benutzte. Alles war, wie er es zurückgelassen hatte. Dennoch wusste er sofort, dass jemand hier gewesen war.
Bestimmt hatten sich die Eindringlinge, die ja ebenfalls machtsensitiv waren, irgendwie in der Aura des Raumes eingeprägt und auf diese Weise ihre Spuren hinterlassen. Doch Chiffith machte sich nicht die Mühe, seine Kammer mit Hilfe seiner Machtsinne so gründlich und detailliert zu sondieren, wie es nötig gewesen wäre, um diese minimale Manipulation zu entdecken. Stattdessen sprang einer seiner weltlichen Sinne sofort auf die Veränderungen an, die seine Feinde hinterlassen hatten: Unsichtbar, aber für jemanden wie ihn doch nicht zu ignorieren. Armselig waren sie, denn offenbar waren sie hier eingedrungen, ohne sich zuvor ausreichend darüber zu informieren, wozu ein Lamproid in der Lage war. Sonst hätten sie gewusst, wie gut sein Geruchssinn war und wie hervorragend dieser mit seinen Jagdinstinkten harmonierte. Seine gegabelte Zunge musste nur einmal aus dem schleimigen Schlund zucken, und schon wusste er, was los war. Jeder, der während seiner Abwesenheit die Kammer betreten hatte, hatte ein paar Moleküle zurückgelassen, die sich in der abgestandenen Luft erhalten und mit dem Staub auf dem Boden abgelagert hatten. Der Schüler des Imperators hatte keine Mühe, sie von den Gerüchen zu trennen, die normaler Bestandteil seiner Heimstatt waren.
Er identifizierte drei Wesen. Einer davon hatte einen besonders intensiven Geruch abgegeben: Er roch nach Wasser, Salz und Tran, dazu kam eine Note von Stim und Tabak und eine nicht unerhebliche Menge an Testosteron. Zusammengenommen formten sie das Bild eines männlichen Mon Calamari. Ihn im Ordensgebäude zu finden, war keine Herausforderung und würde wenig Spaß machen. Dass es sich um einen Anfänger handelte, war klar: Das Fischwesen hatte nahezu jeden Gegenstand in der Hand gehabt und überall seine Fährte hinterlassen. Dementsprechend erwartete Chiffith von ihm weder ausgefallene Tricks noch eine bedeutende Kampfkraft. Ihn auszuschalten war eine reine Notwendigkeit ohne jeden Reiz. Vielleicht sollte er ihn sogar verschonen - vorerst? Ein kleiner Vorsprung, um die Sache spannender zu machen? Natürlich war der Lamproid nicht blöd und wusste, dass es gefährlich war, einen potentiellen Mörder am Leben zu lassen - auch wenn dessen Fähigkeiten auf den ersten Blick nicht überzeugten. Aber er konnte sich dem Reiz einer echten Herausforderung einfach nicht entziehen, und der Drang, eine einfache Jagd spannender zu gestalten, war eine seiner Schwächen. Darüber würde er noch nachdenken müssen; er verschob die Entscheidung vorerst und widmete sich den anderen beiden Fährten.
Hier war es nicht ganz so leicht, auf die Identität des jeweiligen Urhebers zu schließen. Beide waren humanoid, vermutete Chiffith; jedoch hatten sie sich vorsichtiger verhalten und sich nicht so lange hier aufgehalten. Von ihren Ausdünstungen war nur eine feine Note geblieben. Er würde sie wiedererkennen, wenn er ihnen nahe genug kam, doch in gerader Linie durch den Tempel verfolgen konnte er sie anhand dieser allzu feinen Aromen nicht; zumal das ganze Gebäude voll war mit den Gerüchen von Menschen und Fastmenschen, die sich häufig nur in Nuancen unterschieden. Wenn er sie finden wollte, musste er sich Mühe geben. Das kam ihm spannender vor als die Jagd auf einen stümperhaften Mon Cal, weshalb er dieser Sache den Vorzug gab und den Fischmann vorerst vertagte.
›Was haben sie gewollt?‹ fragte er sich. Schon die erste oberflächliche Untersuchung seiner Unterkunft hatte gezeigt, dass keine Bomben, Waffen, Gifte oder ähnliche bösen Hinterlassenschaften installiert worden waren. Nichts lag herum, das er nicht selbst in die Kammer gebracht hatte. Auch Wände, Böden und Decke waren wohl unberührt. Aber die drei Eindringlinge hatten sich bestimmt nicht nur Zutritt verschafft, um sich einen Eindruck davon zu machen, wie ihr ›Opfer‹ lebte. Sie mussten etwas Konkretes bezweckt haben; zumindest musste er davon ausgehen. Die Unterstellung, dass das Handeln seiner Feinde völlig sinnlos war, hätte jede weitere Analyse unnötig gemacht und die Jagd allzu schnell und ergebnislos beendet.
Abermals züngelten die beiden feuchten, schwarzen Spitzen seines Riech- und Schmeckorgans über den Boden, diesmal länger und intensiver. Sie nahmen neben den Düften auch die leichten Temperaturunterschiede im Raum wahr. Wärmesignaturen hatten die ungebetenen Gäste nicht hinterlassen, denn sie waren vermutlich schon vor einem Tag oder länger hier gewesen. Als seine Sondierungen mit den weltlichen Sinnen keine neuen Erkenntnisse brachten, schaltete er auch seine Machtsinne mit ein und begann, den Raum systematisch abzutasten. Dabei rückte vor allem ein Objekt in seinen geistigen Fokus: Der kleine Computer, der in die Wand eingelassen war. Er hatte das dringende Gefühl, dass dieser seiner Aufmerksamkeit bedurfte.
›Ausgerechnet!‹ zischte er verärgert in seiner Muttersprache. ›Wo ich Computer doch so liebe! Aber immerhin machen sie es mir damit nicht unnötig leicht.‹
Er kroch ans andere Ende des winzigen Raumes und ließ die Zunge über den Computer gleiten. Ja, hier hatten die Eindringlinge ihre Spuren hinterlassen, zumindest die beiden Menschenähnlichen; der Mon Calamari schien die Flossen von Tasten und Bildschirm gelassen zu haben. Was der Lamproid nicht witterte, waren chemische Stoffe, die auf eine Bombe oder dergleichen hindeuteten; der Computer würde ihm beim Aktivieren also nicht gleich um die Ohren fliegen. Er hob die Krallen und drückte ein paar Knöpfe. Der Bildschirm aktivierte sich und zeigte den üblichen Desktop an, der Zugang zu Datenbanken des Tempels, öffentlichen Teilen des planetaren Netzwerks und Chiffiths persönlichem Datenspeicher bot. Ihm wurde bewusst, dass auch die Fremden Zugang zu all seinen Daten erhalten hatten: Sie waren nicht mit Passwörtern oder anderen Hürden gesichert. Allerdings war der Speicher so gut wie leer; etwas Nützliches gefunden hatten sie dort sicherlich nicht. Dennoch zog er die Lehre daraus, dass er künftig vorsichtiger im Umgang mit seinen Daten sein musste.
Welche Art von Manipulation stattgefunden hatte, konnte er nicht feststellen. Dafür kannte er sich einfach zu wenig mit der Hard- und Software aus. Er hätte natürlich einen Experten hinzuziehen können, doch das wollte er vorerst nicht; fremde Hilfe hätte ihm einen Teil der Freude an der Jagd genommen. Am liebsten wollte er selbst darauf kommen, wie seine Feinde ihn bekämpfen wollten, und ihnen aus eigener Kraft das Handwerk legen. Also rollte er sich auf dem Boden ein, starrte den Computer streng an und dachte angestrengt darüber nach, welchen Nutzen ein Mörder davon hatte, sich dieses Rechners zu bedienen - von der Suche nach nicht vorhandenen Informationen abgesehen.
Er kam schließlich auf drei Möglichkeiten, die er anhand seiner begrenzten technischen Fähigkeiten für sinnvoll und machbar hielt. Erstens konnten sie versucht haben, die Kontrolle über die kleine Kamera an sich zu bringen, die zur Bildkommunikation angebracht war. Falls ihnen das gelungen war, konnten sie womöglich aus der Distanz beobachten, was in der Kammer vor sich ging. Sie wussten also, ob er zuhause war oder nicht, ob er schlief oder wach war, ob er Besuch hatte oder mit jemandem kommunizierte. Möglichkeit zwei war, dass sie Nachrichten, die er über seinen Computer verschickte, empfingen, um herauszufinden, was er tat und plante, vielleicht um ihm irgendwo aufzulauern. Sie konnten möglicherweise auch Nachrichten blockieren, verfälschen oder an andere Stellen weiterleiten, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ihm fehlten allerdings Kenntnisse und Phantasie, um sich alle Möglichkeiten vorzustellen, die damit einhergingen. Drittens wurde Chiffith bewusst, dass der Computer auch mit seinem Comlink verbunden war. Und das hieß, dass man nicht nur seine Gespräche mithören, sondern ihn womöglich auch orten konnte. Welche dieser Maßnahmen ergriffen worden waren, konnte er derzeit nicht wissen. Aber wenn er unterstellte, dass seine Feinde ihr Handwerk einigermaßen beherrschten, dann musste er davon ausgehen, dass sie all diese Register und vielleicht noch weitere gezogen hatten. Sie hatten sich einen ganz ordentlichen Vorteil gegen ihn verschafft. Ja, das wurde tatsächlich spannend.
Und plötzlich verlor er das Interesse daran, ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Mon Calamari zu führen. Der Fischmann hatte vermutlich nichts weiter getan, als sich hier einzuschleichen und bewaffnet auf Chiffiths Rückkehr zu warten, aus Langeweile mit den Gegenständen herumgespielt und sein Vorhaben nach einer Weile aufgegeben. Er war nicht halb so gefährlich wie die beiden Menschen oder Fastmenschen und es nicht wert, viel Aufmerksamkeit an ihn zu verschwenden. Dieses Gegners würde er sich rasch entledigen und sich dann auf die beiden anderen konzentrieren; und auf eventuelle weitere Gegner, die es vermieden hatten, ihre Fährte in seinem Zimmer zu hinterlassen und von denen er daher noch nichts wusste.
Der Schüler des Imperators verließ sein Quartier wieder. Dabei nahm er ganz bewusst sein Comlink mit, obwohl er vermutete, dass es seine Ortung möglich machen würde. Vielleicht lauerten ihm die beiden Computerhacker unterwegs auf; er fühlte sich vorbereitet, auch ohne Waffen, und hatte nichts dagegen. Auf verschlungenen Wegen eilte er durch die Domäne der Lernenden und suchte nach dem intensiven Aroma des Fischwesens. Wie erwartet, war das keine echte Herausforderung. Er nahm die Witterung in einem der Trainingsräume auf, wo noch Schweiß an einem vor kurzem benutzten Trainingsgerät klebte. Von dort verfolgte er die Spur zu einer Kantine, wo der Gesuchte längere Zeit an einem Tisch gesessen haben musste, wo er aber nun nicht mehr vorzufinden war. Die Spur, die von dort weiter führte, war so frisch, dass sie wirklich nicht zu verfehlen war. Das Ziel war eine unauffällige Tür drei Ebenen tiefer, die offenbar die Unterkunft eines Sith-Schülers gehörte. Die intensive Duftspur führte hinein, aber nicht wieder hinaus. Dort drin war der Gesuchte!
Ohne lange zu fackeln, verschaffte Chiffith sich Zutritt. Dazu benötigte er die Macht nicht: Seine Körperkraft reichte aus, denn der Zugang war nicht besonders gesichert. Die beiden Riegel des Schlosses brachen aus dem Rahmen und die Tür sprang auf. Sofort schlug ihm Fischgestank entgegen, zusammen mit dem Geruch einer großen Menge Blut. Er erwartete, drinnen auf den Mon Calamari zu stoßen, und das tat er auch. Allerdings war er sehr überrascht darüber, in welchem Zustand er ihn vorfand. Das hässliche, fischähnliche Wesen war an einen Stuhl gefesselt, seine Kehle war durchschnitten worden.
›Falle!‹ zuckte es durch Chiffiths Hirn. Mit einer Reaktionsgeschwindigkeit, die kaum einem anderen Wesen angeboren war, bremste er seinen Sprung und schnellte sich zur Seite, in eine dunkle Nische neben der Tür. Keinen Moment zu früh. Über der Tür detonierte mit dumpfem Knall ein Sprengsatz, scjharfkantige Splitter durchbohrten den Körper des Mon Calamari. Auch Chiffith wurde getroffen. Heiß bohrten sie sich in seine dicke Haut, doch die Wunden, die er davon trug, waren nicht gefährlich. Die Bombe war relativ klein und hatte wohl nicht darauf abgezielt, ihn zu töten. Dass sie vielmehr einen weiteren Versuch darstellte, ihn abzulenken, wurde offenbar, als zwei dunkel gekleidete Gestalten durch den Staubschleier am Eingang sprangen und Waffen auf ihn richteten. Der Lamproid hörte und spürte Stunner-Treffer und sofort erschlaffte seine untere Körperhälfte. Doch die lähmenden Energien reichten nicht aus, um seinen ganzen muskelbepackten Fünf-Meter-Leib mit nur einem Treffer auszuschalten. Sein Hals und Oberkörper schnellten nach vorn und bekamen einen der Vermummten zu fassen. Er riss ihn zu sich heran, wobei sich die Fänge mit dem giftigen Speichel tief in das Fleisch schlugen. Im selben Moment erkannte er den Geschmack eines der Humanoiden, der sich an seinem Computer zu schaffen gemacht hatte. Dessen Schrei verstummte, als ein Schuss seines Komplizen ihn in den Rücken traf. Der Schüler des Imperators hatte ihn erfolgreich als Schutzschild eingesetzt. Nun schleuderte er ihn kraftvoll von sich, so dass er gegen den anderen Gegner prallte und diesen gegen die Wand stieß. Der nächste Schuss ging dementsprechend fehl; er entlud sich wirkungslos an der ausgebluteten und von Schrapnell durchlöcherten Leiche des Mon Calamari, der sich natürlich nicht mehr daran störte.
Ohne die Kraft seines Schwanzes konnte der Lamproid sich nicht nach vorne schnellen und auf den Gegner werfen. Doch das bedeutete nicht, dass sein verbliebener Feind außerhalb seiner Reichweite war. Denn die Macht war Chiffiths Diener. Er ließ seinem Zorn freien Lauf, entfesselte einen heftigen Machtstoß und schleuderte ihn noch einmal gegen die Wand. Ein krachendes Geräusch wies darauf hin, dass dieser erneute Aufprall nicht ohne Auswirkung auf das Skelett des Menschen geblieben war. Dieser ließ die Waffe fallen und sank ächzend auf die Knie. Doch der Lamproid setzte noch einmal nach, wieder mit einem Stoß - es war die Disziplin, die er am besten und instinktivsten beherrschte. Nun krachte der Kopf des Menschen an die Wand und schickte ihn ins Reich der Träume, vielleicht auch darüber hinaus. Nach wenigen Sekunden war der Kampf gewonnen und Chiffith konnte durchatmen und sich umsehen. Ihm wurde bewusst, dass weder das Einrennen der Tür noch die Explosion der kleinen Bombe einen Alarm ausgelöst hatte. Auch schien niemand von dem Kampflärm alarmiert worden zu sein. Das war ungewöhnlich; vermutlich hatten seine Gegner die Tempelwachen auf ihrer Seite oder sie abgelenkt. Es wurde immer offensichtlicher, dass sie ihm eine überaus gut geplante Falle gestellt hatten. Hätten sie nicht seine Bewegungs- und Reaktionsgeschwindigkeit überschätzt, dann hätten sie Erfolg gehabt und er wäre jetzt ihr Gefangener. So jedoch verhielt sich die Sache umgekehrt.
Mit den Klauen zog er seinen halb gelähmten Körper über den Boden bis hin zu seinem zweiten Feind, der mit geöffneten Augen an der Wand lehnte. Es handelte sich um eine ziemlich junge Menschenfrau mit martialischen Tätowierungen im gesamten Gesicht. Ihr Schädel war beim dritten Aufschlag gegen die Wand gebrochen, Kapuze und Kragen seiner dunklen Kutte sowie das braune Haar sogen sich mit seinem Blut voll. Sie war ebenso tot wie der Mon Calamari. Nur der, den ihr Stunner niedergestreckt hatte, war noch am Leben. Chiffith hätte ihn jetzt allzu leicht töten können, doch das tat er nicht. Noch nicht. Zwar war das Schicksal seines Angreifers längst besiegelt, doch zuvor konnte er noch nützlich sein. Der Lamproid wollte wissen, wie es den dreien gelungen war, ihn dermaßen in die Falle zu locken. Noch hatte er ihre Winkelzüge nicht ganz durchschaut. Vor allem, welche Rolle der Mon Cal dabei gespielt hatte, war ihm nicht klar.
Noch immer kam keine Patrouille vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Der Apprentice nahm das zum Anlass, geduldig abzuwarten. Langsam kehrte das Gefühl in seinen Hinterleib zurück, begleitet von dem unangenehmen Stechen und Kribbeln eingeschlafener Füße. Ebenso langsam kam auch sein Gefangener wieder zu sich. Erst stieß er ein Seufzen aus, dann flackerten seine Lider, und plötzlich, noch bevor er die Augen aufschlug, griff er nach seinem Gürtel. Doch da war nichts mehr, was ihm helfen konnte. Um sicherzustellen, dass sein Feind ihn nicht noch einmal austricksen konnte, hatte der Lamproid ihn nicht nur aller Waffen, sondern auch der Kleidung entledigt. Nackt und hilflos lag der blauhäutige Fastmensch in einer Lache aus dreierlei Sorten Blut. Hasserfüllt starrte er seinen Bezwinger aus karamelgelben Augen an.
»Du hast verloren«, triumphierte Chiffith. »Die Falle war gut, aber nicht gut genug!«
»Widerliche Missgeburt!« fluchte der Humanoide. »Qualvoll verrecken sollst du!«
Darauf ging der Apprentice nicht ein. Stattdessen forderte er seinen verwundeten Gefangenen auf, ihm die Pläne der kleinen Gruppe darzulegen. Seine Neugier deutete der andere offenbar als Gelegenheit, Ansprüche zu stellen.
»Du bekommst keine Antworten von mir, es sei denn, du lässt mich frei und gibst mir meine Waffen zurück!«
»Unsinn!« tat Chiffith die Forderung ab. »Du kriegst nix und kommst auch nicht frei. Du stirbst, so oder so. Aber ich hab' noch nicht entschieden, wie du stirbst!«
»Aha, also der Klassiker: Tu was ich sage, dann schenke ich dir einen kurzen, schmerzlosen Tod. Für wen hältst du dich, du abartige... Argh!«
Den Schmerzenslaut stieß der Fastmensch aus, als Chiffiths Giftstachel sich in seine Leistengegend stach. Nicht sehr tief, aber tief genug. Mit einem leichten Druck seiner Giftdrüsen injizierte der Lamproid ihm eine kleine Dosis seiner tödlichen Sekrete. Die Menge konnte er aufgrund der abklingenden Lähmung nicht ganz genau dosieren, doch er achtete darauf, dass sein Opfer nicht augenblicklich starb. Es sollte langsam gehen. Denn er kannte die Qualitäten seines Giftes: Es wirkte gegen die meisten Wesen zuverlässig, richtete verheerenden Schaden am Gewebe an und war dazu noch ungemein schmerzhaft. Wie erwartet, unterbrach der Humanoide nicht nur seinen Satz, sondern krümmte sich augenblicklich vor Schmerz. Die Häme in seinem Gesicht war der Agonie und der Überraschung gewichen. Offenbar hatte er tatsächlich geglaubt, noch einigermaßen heil aus seiner misslichen Lage zu entkommen.
»Gift. Es löst dein Fleisch auf. Zersetzt deine Nerven. Verseucht dein Blut. Du wirst im Grunde verdaut, wie ein Stück totes Fleisch im Magen. Nur bist du noch am Leben. Wenn dich das nicht umbringt, dann der Biss. Fühlt sich die Stelle taub an? Das hört gleich auf. Dann wird der Schmerz noch schlimmer!«
Ein wenig bedauerte der Lamproid, dass seine Sprachkenntnisse nicht ausreichten, um die Wirkung des Gifts ausführlicher und in blumigeren Worten zu beschreiben. Aber die Substanzen selbst sagten mehr als tausend Worte. Geduldig wartete er ab und betrachtete, wie seine Sekrete ihre Wirkung entfalteten. Von der Bissspur am Rumpf des Mannes breiteten sich langsam rötliche und blasse Linien aus und zeichneten die Blutbahnen unter der Haut nach. Dieses Gift war das weniger tödliche, es wirkte vor allem auf die Nerven. Das Muskelgewebe in diesem Bereich begann zu zucken und sich zu verkrampfen. Chiffith hoffte, dass Lunge und Herz nicht allzu rasch davon beeinträchtigt wurden. Umso länger würden die Qualen anhalten, die sein Schwanzgift auslöste. Dieses begann bereits damit, die Zellen des Blauhäutigen zu Millionen zu zerstören. Die Stelle rund um den Einstich verfärbte sich dunkel, als Haut und Muskulatur abstarben. Der Schmerz, der damit einherging, steigerte sich und bald konnte das Opfer seine Schreie nicht mehr zurückhalten. Krämpfe begannen, seinen Körper durchzuschütteln, und jede Bewegung machte es nur schlimmer. Der Apprentice wartete, bis er glaubte, dass eine weitere Steigerung dem Mann die Möglichkeit nehmen würde, auf seine Fragen zu antworten.
»Letzte Chance!« drohte er. »Rede, solang's noch geht, dann kürze ich das ab. Wer bist du?«
Der Humanoide zischte einen kaum verständlichen Nahmen zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch.
»Ihr habt mein' Computer verändert? Wozu?«
»Um dich... zu beobachten und über das Comlink deine Position... zu verfolgen!« bestätigte der Mann ächzend Chiffiths Vermutungen.
»Das war'n du und die Frau. Was hat der Calamari gemacht?«
»Nichts. Der war... nur... unser Köder!«
Stockend breitete der blauhäutige Fastmensch nun seinen Plan vor Chiffith aus. Fast schien er stolz darauf zu sein und der Lamproid kam nicht umhin, die Rafinesse, mit der seine Feinde vorgegangen waren, zu bewundern. Sie hatten sich gründlich über seine Spezies und ihn selbst informiert und es tatsächlich geschafft, sein Handeln richtig vorherzusagen und ihn zu manipulieren. In dem Bewusstsein, dass er sich vor allem mit dem Geruchssinn orientierte, hatten sie den Mon Calamari ausgewählt, um ihn hierher zu führen; er war der Jünger mit dem intensivsten Eigengeruch gewesen, den sie auf die Schnelle hatten aufspüren können. Sie hatten ihn überwältigt und gezwungen, sein Aroma in Chiffiths Kammer zu hinterlassen. Dann hatten sie ihn über mehrere Stationen hierher gebracht, in das Zimmer der Menschenfrau, die Apprentice eines Mitglieds des Assassinenzirkels war. Dass sie ihn begleitet hatten, war dem Lamproiden deshalb nicht aufgefallen, weil der Fischgeruch und die Fährten der tausenden anderen Humanoiden ihre Spur übertüncht hatten. Sie hatten das Fischwesen in die Kammer gesperrt und getötet und sich dann auf die Lauer gelegt. Um ungestört zu bleiben, hatten sie eine Wachpatrouille mit einer mutwillig angezettelten Schlägerei in einem nahen Gemeinschaftsraum weggelockt und eine andere hinterrücks ermordet. Die Sprengfalle über der Tür hatte Chiffith benommen machen sollen, bevor sie ihn mit Stunnern ausschalteten. Ihr Auftraggeber hatte sie geschickt, um ihn zu töten; ihn stattdessen gefangenzunehmen, war ihre eigene Idee gewesen, weil sie sich davon die besondere Gunst ihres Herrn erhofften. Das war im Grunde der einzige echte Fehler ihres Plans gewesen: Sie hatten ihm die Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen.
Natürlich fragte Chiffith, wer ihr Auftraggeber war und ob sie weitere Verbündete hatten. Doch darauf bekam er keine Antwort mehr. Der Mann konnte nur noch krächzen und wimmern, artikulierte Laute kamen nicht mehr über seine Lippen. Flehend richtete er seinen Blick auf seinen Bezwinger, der ihm versprochen hatte, sein Leiden zu verkürzen. Ein Wort, das dieser nicht aus Ehrlichkeit halten wollte, sondern aus einem viel pragmatischeren Grund.
»Jetzt darfst du sterben«, sagte er und biss dem Mann die Kehle durch. Er trank sich an dem Blut satt, das von dem Lamproidengift, gegen das er selbst immun war, bitter schmeckte. Dann bohrte er seine Krallen in die Brust, brach mehrere Rippen und riss das Herz heraus. Dasselbe tat er mit der Frau. Kurz überlegte er, ob er auch das entsprechende Organ des Mon Calamari mitnehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen: Den hatte er nicht selbst getötet und er war auch eher ein zufälliges Opfer als ein Mittäter seiner Feinde gewesen. Also waren es zwei blutige Trophäen, die er sich aneignete.
Mit diesen in den Klauen machte er sich auf den Weg in die höheren Gefilde des Tempels. Natürlich war es nicht gerade leicht, als blutverschmierter Riesenwurm mit zwei tropfenden Menschenherzen in den Krallen durch die Sicherheitsschleusen zu kommen, doch seine Berufung darauf, dass er Schüler des Imperators war und in dessen Auftrag handelte, öffnete ihm die Türen. So gelangte er schließlich bis hinauf in die Domäne der Herrschenden, in die große, respektgebietende Empfangshalle vor dem Thronsaal. Er trat zu einem der rot uniformierten Wächter und sagte:
»Sag dem Imperator, sein Schüler ist da. Ich will zu ihm, wenn er mich empfangen will.«
[Bastion Center | Sith-Tempel | Domäne der Herrschenden | Empfangshalle vor dem Thronsaal] Chiffith