Zunächst bezog sich meine Bemerkung auf die Kämpfe in Afghanistan selbst, nicht auf die Drohnenangriffe im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Laut der von dir angegebenen und im Wikipedia-Artikel verlinkten Quelle
https://www.thebureauinvestigates.com/category/projects/drones/drones-graphs/ sehen die Zahlen für Pakistan (2004 bis September 2015) so aus:
Total strikes: 421
Obama strikes: 370
Total killed: 2,489-3,989
Civilians killed: 423-965
Children killed: 172-207
Injured: 1,158-1,738
Ausgehend von den höchsten Angaben (ca. 4.000 Tote, davon ca. 1.000 Zivilisten) ergibt sich eine Rate von 25%.
Ebenfalls mit dem Thema beschäftigte sich die New America Foundation:
An ongoing study by the
New America Foundation finds non-militant casualty rates started high but have declined steeply over time, from about 60% (3 out of 5) in 2004-2007 to less than 2% (1 out of 50) in 2012. The study puts the overall non-militant casualty rate since 2004 at 15-16%, or a 1:5 ratio, out of a total of between 1,908 and 3,225 people killed in Pakistan by drone strikes since 2004.
Die also teilweise kolportiere Zahl von 90% ziviler Opfer kann sich also eher auf eine einzelne Operation beziehen und nicht auf die Drohnenoperationen als ganzes. Zudem hat seit 2007 ein Umdenken stattgefunden und es wird deutlich stärker als in der "Frühzeit" auf Zivilisten geachtet.
http://articles.latimes.com/2011/feb/22/world/la-fg-drone-strikes-20110222
A February 2012
Associated Press investigation found that militants were the main victims of drone strikes in North Waziristan contrary to the "widespread perception in Pakistan that civilians (...) are the principal victims." The AP studied 10 drone strikes. Their reporters spoke to about 80 villagers in North Waziristan, and were told that at least 194 people died in the ten attacks. According to the villagers 56 of those were either civilians or tribal police and 138 were militants. Thirty-eight of the civilians died in a single attack on 17 March 2011. Villagers stated that one way to tell if civilians were killed was to observe how many funerals took place after a strike; the bodies of militants were usually taken elsewhere for burial, while civilians were usually buried immediately and locally.
[162]
Zudem ist es keineswegs so, dass die pakistanische Zivilbevölkerung und erst recht die Regierung die Drohnenattacken geschlossen ablehnen - in der Region finden regelmäßig Terroranschläge mit vielen zivilen Opfern durch die pakistanischen Taliban statt, die von Armee und Polizei bekämpft werden (wobei Pakistan übrigens selbst auch Drohnen einsetzt, man darf also durchaus auch anmerken, dass die Proteste der pakistanischen Regierung dadurch doch einen sehr doppelzüngigen Eindruck machen). Viele Pakistaner in der Region sehen die Drohnenangriffe kritisch, aber es stellt sich die Frage, wer die Taliban dort denn aufhalten soll - die pakistanische Armee allein, die selbst mit schweren Problemen zu kämpfen hat?
According to a public opinion survey conducted between November 2008 and January 2009 by the Pakistani
Aryana Institute for Regional Research and Advocacy, approximately half of the respondents considered drone strikes in
Federally Administered Tribal Areas accurate and approximately the same number of respondents said that the strikes did not lead to anti-American sentiment and were effective in damaging the militants.
[146] The researchers concluded that "the popular notion outside the Pakhtun belt that a large majority of the local population supports the Taliban movement lacks substance."
[147]
Diese Veränderung lässt sich auch damit erklären, dass die USA in der frühen Phase kaum auf lokale Informanten und ein funktionierendes Netzwerk von Aufklärung und Erfassung zugreifen konnte, was sich in den letzten acht bis zehn Jahren geändert hat.
Wie werden Drohnenangriffe überhaupt vorbereitet:
Es erfolgt Datensammlung (Satelliten, Abhören von Handys, Informationen von lokalen Informanten, Erkenntnisse von verbündeten Geheimdiensten, Aufklärung vor Ort durch Spezialeinheiten), dann folgt der Angriff.
Wie werden Zivilisten von Kombattanten unterschieden:
1. Sind die Personen bewaffnet?
2. Befinden sie sich am einem Ort, der terroristische Tätigkeit nahelegt? (z. B. in einem Trainingscamp oder in direkter Nähe eines Trainingscamps)
3. Handelt es sich nur oder zu einem großen Teil um Männer oder sind Frauen und Kinder dabei?
Die Schwierigkeiten dabei sind: Oft verbergen sich die Taliban in Dörfern und nutzen die Zivilbevölkerung ganz gezielt aus, die Qualität der Aufnahmen ist nicht gut genug, Informationen stimmen nicht, nur teilweise oder widersprechen sich, es herrscht Zeitdruck, usw. Dass die Angriffe den Taliban und Al-Qaida schweren Schaden zufügen, ist nachgewiesen, insbesondere die Verluste bei der Führungsebene, Experten und erfahrenen Mitgliedern haben die Terrororganisationen geschwächt und ihren Spielraum stark eingeschränkt und damit wohl auch Leben gerettet.
Ich will nicht sagen, dass die Drohnenangriffe das perfekte Mittel sind, und "chirurgisch" sind sie trotz aller Bemühungen auch nicht. Dass aber Terroristen, die sowohl vor Ort als auch in der Welt ganz gezielt Zivilisten ermorden und ein zutiefst abstoßendes Weltbild mit Gewalt durchsetzen wollen, bekämpft werden müssen, halte ich für notwendig. Ich komme ungern nochmal auf Herrn Todenhöfer zurück, aber wenn er meint, die Muslime auf der Welt würden durch den Westen bedroht und massakriert und würden sich deshalb in Form des IS und anderer Organisationen "rächen", verdreht er die Tatsachen. Die meisten Muslime werden Opfer von fanatischen Islamisten und begrüßen deren Bekämpfung. Die Soldaten und Polizisten in Afghanistan und Pakistan sind ebenfalls Muslime, und die Koalition gegen den IS besteht auch aus einer ganzen Reihe von arabischen Staaten.