Tenia Lumiran
Senatsmitglied
Es wird Dunkel (II)
‚Hast du irgendeine Ahnung davon, wie spät es ist, Tenia Lumiran?‘ Smon klang außer sich, auch wenn er die Stimme nicht erhob. Mit jeder Silbe war deutlich, wie wütend und besorgt er war und das er ihr eine Standpauke hielt, obwohl sie nicht alleine war, war neu und ein Zeichen dafür, dass Smon wirklich verärgert war. Normal übernahm ihre Mutter diesen Part, aber sie war seltsam still und hielt sich im Hintergrund, Tenia hatte sich längst entdeckt.
„Es war meine Schuld, Sir. Ich habe ihre Tochter aufgehalten.“ Sowohl Tenias Blick, als auch der von Smon, wanderten sofort zu Jafan und irgendetwas an der Stimmung änderte sich schlagartig. ‚Ich weiß nicht, wie ihr das auf deinem Planeten handhabt, aber hier auf Null entführt man keine minderjährigen Mädchen bis spät in die Nacht.‘ Etwas beinahe bedrohliches lag in Smons Stimme, etwas, das Tenia so noch nie gehört hatte, etwas, das ihr irgendwie Angst machte. „So war es auch nicht, Sir,“ erwiderte Jafan und klang völlig gelassen. „Ich habe Ihrer Tochter nur ein von mir entwickeltes Gerät zum scannen von Pflanzen gezeigt, dabei haben wir die Zeit vergessen, Es wird nicht wieder vorkommen, entschuldigen sie bitte.“ Smon musterte Jafan, dann seine Tochter, die unter dem Blick ihres Vaters ein wenig in sich zusammen schrumpfte. „Das rate ich dir auch und jetzt geh.“ Jafan verabschiedete sich höflich und Tenia wollte in ihr Zimmer gehen, aber diese Rechnung hatte sie ohne ihren Vater gemacht. ‚Geh ins Wohnzimmer,‘ befahl er und Tenia machte keine Anstalten, jetzt Widerstand zu leisten. Wortlos ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich an den Tisch.
‚Es ist halb zwei, mitten in der Nacht, junge Dame. Du weißt genau, dass du längst hättest hier sein sollen. Aber das du mit einem Kerl unterwegs bist, ist der Gipfel. Was habt ihr gemacht?‘ Was habt ihr gemacht? Jetzt sah Tenia auf, verletzt und getroffen zugleich, von dem Vorwurf, der so deutlich in den Worten ihres Vaters mitschwang, dass er sie gleich ausspucken konnte. „Er hat mir sein Gerät gezeigt, genau wie er gesagt hat.“ Sie hatte ihm diese Worte entgegenschmettern wollen, stattdessen hörte sie selbst, wie verletzt sie eigentlich klang und ihr Vater? Er musste das auch hören! ‚Ein Gerät um Pflanzen zu scannen? Mitten in der Nacht?‘ Wütend schlug Smon mit der Hand auf den Tisch und Tenias Mutter? Saß einfach da und sagte nichts. ‚Lüg mich nicht an.‘ Smons Stimme war noch bedrohlicher geworden und wenn Tenia sich jemals vor ihrem Vater gefürchtet hatte, dann genau in diesem Moment. „Ich hab ihm noch Flüstervögel gezeigt, ihren Brutplatz, Dad, ich hab nicht…“ Sie hatte keine Chance. ‚Ich verbiete dir, dich noch einmal mit ihm herum zu treiben. Ich verbiete dir, um diese Uhrzeit überhaupt noch da draußen sein. Du hast vor Sonnenuntergang hier zu erscheinen und wenn du dich schon mit Kerlen treffen musst, dann stellst du diese bei Tageslicht vor und treibst dich nicht mit ihnen im Wald herum, hast du das verstanden?‘ Tenia starrte ihren Vater an, kämpfte gegen ihre Tränen und gegen ihre Wut, die gleichermaßen an die Oberfläche brodeln wollte. ‚HAST DU VERSTANDEN?‘ Tenias Gesichtsmuskeln begannen zu zucken. „Ja,“ sagte sie, blickte zu ihrem Vater und verfluchte ihn innerlich. „Ich habe verstanden.“ Sie wünschte ihm keine gute Nacht, sie sah auch ihre Mutter nicht an, erst als Tenia ihr Zimmer erreicht hatte, drehte sie sich herum, starrte gegen die Tür und warf dann, das Kissen, nachdem sie griff, gegen eben jene. Dann lehnte sie sich gegen die Tür, ließ sich auf den Boden sinken und begann zu weinen. Ein winziges Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit. Ein kleiner Stein, der gegen ihre Scheibe landete? Mühsam wischte sie sich die Tränen weg, lief zum Fenster, sah hinunter und da stand Jafan, hielt ein Filmsi in die Höhe, auf dem drei einfache Worte standen. Tut mir leid.
Trotz der Dunkelheit konnte sie sein Lächeln erkennen und lächelte zurück, ehe sie den Vorhang zuzog und mit besserer Lauen zu Bett ging.
***
„Smon, du kannst so nicht mit ihr reden. Sie ist jung und ich glaube ihr.“ Smon gab einen missmutigen Laut von sich, denn das, was seine Frau ihm da gerade sagte, war ihm auf der einen Seite zwar klar, auf der anderen aber, wollte er all das nicht wissen. ‚Sie hat um diese Uhrzeit nicht da draußen herum zu laufen.‘ „Das hast du ihr sehr deutlich gemacht.“ Zu deutlich. Es schwang in ihren Worten mit. „Du kannst sie nicht ewig behüten und vor allem schützen, sie ist fast erwachsen. Früher oder später wird sie sich verlieben.“ ‚Später reicht mir völlig.‘ Andina lachte leise. „Smon,“ sagte sie, „überlass das das nächste Mal mir. Sie ist nicht mehr dein kleines Mädchen, sieh es endlich ein.“ Aber in dieser Beziehung hatten Smon und Andina völlig andere Ansichten.
***
‚Es tut mir leid, wenn ich dich gestern zu hart angegangen bin.‘ Wenn? Hatte Tenia gestern noch Angst vor ihrem Vater gehabt, war da jetzt Wut, die unverhohlen in ihrem Blick lag. Wenn! Als ob! Er war sie zu hart angegangen, das wusste er selbst und seinescheinheilige Entschuldigung konnte er für sich behalten! Nie, nie war sie so wütend auf ihn gewesen wie jetzt und gerade deswegen durfte er da auch in aller Deutlichkeit spüren. „Schon in Ordnung,“ erwiderte sie und klang dabei nicht ansatzweise so, als läge auch nur ein Fünkchen Wahrheit in ihren Worten. „kann ich jetzt gehen?“ ‚Wohin?‘ Beinahe klang Smon wie gestern, doch jetzt war es Andina, die ihm einen Blick zuwarf, der Smon etwas kleiner werden ließ. ‚Wo gehst du hin?‘, stellte er die Frage erneut, diesmal eine Spur freundlicher. „In den Wald. Ich werde nicht mit ‚Kerlen‘ rumhängen und vor Anbruch der Nacht wieder zurück sein, okay?“ Erneut warf Andina ihrem Mann einen Blick zu, als dieser etwas sagen wollte. ‚Gut,‘ sagte er stattdessen und schon wie gestern verließ Tenia, ohne ihren Vater noch einmal anzusehen das Haus.
„Hast du viel Ärger bekommen?“, war das erste, was Jafan sie fragte. „Wie man es nimmt.“ „Und wie nimmst du es?“ „Können wir einfach nicht darüber reden?“ Jafan hob die Hände. „Alles klar, wir reden nicht drüber.“ „Gut“, kam es von der jungen Nullianerin, die sich, im gleichen Moment, da sie es aussprach, am liebsten geohrfeigt hätte, denn klang sie nicht genau wie ihr Vater? „Eigentlich ist er nicht so, er schreit nicht rum und ist so…“ „Überbesorgt?“ Das war nicht das Wort, das Tenia gesucht hatte, aber es passte. „Wie auch immer.“ „Du bist Einzelkind?“ „Ja, und?“ „Na ja, Einzelkind, einzige Tochter, ich glaube, er hat Angst davor, dass du irgendwann jemanden findest, der seinen Ansprüchen nicht genügt.“ Jafan hatte Recht, was sie beide wussten, aber das hieß längst nicht, dass Tenia so etwas hören wollte. „Seinen Ansprüchen wird irgendein blöder Nullianer genügen, der entweder Jäger ist, oder Architekt. Und selbst dann würde nie der passende dabei sein. Also verschone mich bloß damit, ihn zu verteidigen.“ Jafan lachte. „Ich wollte dir nur helfen und ich glaube, wenn ich Vater wäre und eine hübsche Tochter hätte…“ Kompliment hin oder her, Tenia warf Jafan einen Blick zu, der in einer anderen Welt die Kraft gehabt hätte zu töten und Jafan blieb stumm, grinste aber, was Tenia beinahe noch mehr ärgerte.
Sie hatten Dutzende neue Gräser gescannt und Tenia war zurück in der Begeisterung, die sie schon gestern verspürt hatte. Sie machten sich einen Spaß daraus, nach bestimmten Pflanzen zu suchen, zu wetten, ob Jafan jede, die Tenia einfiel, in seiner Datenbank fand und es dauerte, bis das Gerät nichts ausspuckte. „Ich schätze, ich werde dir diese Pflanze zeigen müssen, damit du das Ding da,“ ein gespielt abwertender Blick auf das Gerät, „aktualisieren kannst.“ In Wahrheit faszinierte sie dieses Gerät im Übermaß. Natürlich war es nicht mit Null zu vergleichen, aber ein Gerät, das dabei half, Pflanzen zu bestimmen und näheres über sie verriet, das selbst ihren Geruch aufzeichnete, das war etwas Besonderes, vor allem für die Nullianerin, die mit Technik so gut wie nichts zu tun hatte.
Die Pflanze die Tenia vorschlug war eine Bergpflanze, was bedeutete, dass sie ins Gebirge mussten. Sie hatte die Pflanze absichtlich gewählt, denn Tenia wusste genau, dass dieser spezielle Strauch nur auf Null wuchs und dort nur in Höhenlagen. Wenn sie Jafan schon ihre Heimat zeigte, wollte sie auch sehen, ob er im Klettern mithalten konnte.
„Da müssen wir rauf?“ Jafans Blick zeigte offene Skepsis. „Du kannst mich auch einfacher los werden,“ fügte er hinzu, sah ein weiteres Mal nach oben und dann zu Tenia. „Ganz ohne Hilfsmittel ist das ein bisschen übertrieben.“ Jafan versuchte nicht, sich zu beweisen, gab nicht an und spuckte keine großen Töne. „Ich hab ein Seil dabei,“ erklärte Tenia, als sie eines aus ihrem Rucksack holte. „Wie bekommen wir das fest?“ „Du meinst, wie bekomme ich das fest?“ Für Tenia, die schon so oft auf den Gipfel geklettert war, dass sie es blind vermutlich auch geschafft hätte, war das kein Problem. Ein einziges Mal war sie, zu ihrem eigenen Glück, nicht von ganz oben herab gefallen. Aber die Höhe hatte gereicht, sich den Arm zu brechen und Smon dazu zu bringen, das Klettern zu verbieten. „Du kletterst da ohne Sicherung herauf?“ „Du klingst, wie mein Vater.“ Tenia ließ Jafan stehen wo er war und machte sich an den Aufstieg, um das Seil zu befestigen. Jafan stand noch immer unten, stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. „Unglaublich,“ murmelte er. „Keine faulen Ausreden mehr, jetzt kannst du auch nach oben.“ Trotz des Seils dauerte es eine Weile, bis es Jafan gelang, bis ganz nach oben zu kommen. Am Gipfel angekommen, war der blonde Mann ziemlich aus der Puste und staunte dennoch, als er die Umgebung wahrnahm. „Das ist ein Grund, weshalb ich hier nicht weg möchte.“ Ja, natürlich waren andere Planeten auch schön, nur weil sie keinen anderen besucht hatte, hieß es ja nicht, dass Tenia sich keine Bilder oder Holofilme über andere Welten ansah. Aber Null war eben ihre Heimat, zumindest zu einem großen Teil.
„Ich könnte nicht zu lange an einem Ort bleiben, egal wie schön er ist.“ „Auch nicht, wenn er deine Heimat ist?“ Sie würde Heimweh haben, da war Tenia sich sicher. Wenn sie zu lange weg sein würde, sie würde Heimweh haben. „Ich mache Heimat nicht an einem Ort oder Planeten fest. Heimat trägt man im Herzen.“ „Klingt ziemlich nach quatsch.“ Heimat im Herzen. Das würde bedeuten, dass man überall zu Hause sein konnte und das war für Tenia völlig undenkbar. „Nur weil du es nicht kennst, heißt es nicht, dass es quatsch ist.“ Jetzt klang Jafan ernst, nicht belehrend oder etwas in der Art, aber ernst und ziemlich überzeugt, ohne ein Lächeln in der Stimme. „Und wenn Null wirklich die Heimat wäre, die du dir wünschst, wäre es einfach für dich, es zu verlassen.“ Aus Tenias Mund drang ein Laut, der ihren Unmut äußerte. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah demonstrativ in eine andere Richtung. „Weil Null meine Heimat ist, verlasse ich es nicht.“ Wenn Jafan darüber vielleicht eine Sekunde nachdachte, begriff auch er, dass seine Worte keinen Sinn ergaben. „Tenia, das besondere an Heimat ist, dass man sie verlassen kann, weil man weiß, dass man früher oder später zurückkehren wird. An einem Ort zu bleiben und ihn als Heimat zu bezeichnen, heißt für mich viel eher, das man Angst davor hat, dass irgendwo da draußen etwas ist, was einem besser gefällt.“ Diese Worte gefielen Tenia nicht, vor allem nicht, da sie irgendeinen Kern getroffen hatten. Warum wollte sie einen Neuanfang irgendwo anders, wenn Null so wunderbar war, wie sie behauptete? Warum wollte sie überhaupt zu den Jedi? Aber Jafan hatte kein Recht dazu, ihr die Wahrheit, oder das, was er dafür hielt, einfach so vor den Latz zu knallen. „Schön für dich.“ Wenn eben das Lächeln aus Jafans Stimme verschwunden war, zeigte sein Gesicht jetzt beinahe den Anflug von Verärgerung. „Reagierst du eigentlich immer so, wenn jemand etwas sagt, was dir nicht gefällt?“ War sie mit ihm auf den Gipfel gestiegen, um sich dumme Kommentare anzuhören? Sie hatte ihm eine Pflanze zeigen wollen, aber gerade kam es ihr vor, als wolle Jafan ihr irgendwelche Abgründe ihrer Seele zeigen. „Ich glaube, wir sollten jetzt gehen,“ nicht, dass sie eine Antwort abwartete, stattdessen setzte die Nullianerin sich schon in Bewegung, um wieder hinunter zu klettern, doch Jafan hielt sie fest und drehte sie zu sich herum. „Jetzt komm schon, sei nicht so.“ Wütend funkelte Tenia dem anderen entgegen. „So was? So wie ich bin? So anders als du? So…“ Doch sie kam nicht dazu, als Jafan sie näher an sich zog und sie mit der nächsten Aktion zum Schweigen brachte, sie völlig überrumpelte und verblüffte. Tenia brauchte einen Moment, dann holte sie aus und verpasste Jafan eine schallende Ohrfeige, was sie beinahe mehr erschreckte, als sein Kuss. Endlich trat er einen Schritt zurück, was auch Tenia tat, die ihn dabei dennoch anstarrte. „Tut mir leid,“ sagten sie zur gleichen Zeit, wandten den Blick ab und nun schien auch Jafan erstmals zu überlegen, was er sagen sollte. „Der Strauch…“, kam ihm Tenia diesmal zur Hilfe, oder ihnen beiden? „Wir wollten ihn scannen.“ „Ja… du hast Recht, also, los geht’s.“ Tenia bewegte sich beinahe mechanisch, um zu einem der Sträucher zu gelangen, Jafan folgte ihr schweigend. An ihrem Ziel angekommen, gingen beide in die Hocke um den Strauch zu scannen und verharrten in jener, als sie schon längst fertig waren. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Tenia,“ durchbrach der Lorrdianer die Stille. „Ja… ich weiß.“ Und diesmal bewegten sie sich beide gleichzeitig aufeinander zu.
‚Hast du irgendeine Ahnung davon, wie spät es ist, Tenia Lumiran?‘ Smon klang außer sich, auch wenn er die Stimme nicht erhob. Mit jeder Silbe war deutlich, wie wütend und besorgt er war und das er ihr eine Standpauke hielt, obwohl sie nicht alleine war, war neu und ein Zeichen dafür, dass Smon wirklich verärgert war. Normal übernahm ihre Mutter diesen Part, aber sie war seltsam still und hielt sich im Hintergrund, Tenia hatte sich längst entdeckt.
„Es war meine Schuld, Sir. Ich habe ihre Tochter aufgehalten.“ Sowohl Tenias Blick, als auch der von Smon, wanderten sofort zu Jafan und irgendetwas an der Stimmung änderte sich schlagartig. ‚Ich weiß nicht, wie ihr das auf deinem Planeten handhabt, aber hier auf Null entführt man keine minderjährigen Mädchen bis spät in die Nacht.‘ Etwas beinahe bedrohliches lag in Smons Stimme, etwas, das Tenia so noch nie gehört hatte, etwas, das ihr irgendwie Angst machte. „So war es auch nicht, Sir,“ erwiderte Jafan und klang völlig gelassen. „Ich habe Ihrer Tochter nur ein von mir entwickeltes Gerät zum scannen von Pflanzen gezeigt, dabei haben wir die Zeit vergessen, Es wird nicht wieder vorkommen, entschuldigen sie bitte.“ Smon musterte Jafan, dann seine Tochter, die unter dem Blick ihres Vaters ein wenig in sich zusammen schrumpfte. „Das rate ich dir auch und jetzt geh.“ Jafan verabschiedete sich höflich und Tenia wollte in ihr Zimmer gehen, aber diese Rechnung hatte sie ohne ihren Vater gemacht. ‚Geh ins Wohnzimmer,‘ befahl er und Tenia machte keine Anstalten, jetzt Widerstand zu leisten. Wortlos ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich an den Tisch.
‚Es ist halb zwei, mitten in der Nacht, junge Dame. Du weißt genau, dass du längst hättest hier sein sollen. Aber das du mit einem Kerl unterwegs bist, ist der Gipfel. Was habt ihr gemacht?‘ Was habt ihr gemacht? Jetzt sah Tenia auf, verletzt und getroffen zugleich, von dem Vorwurf, der so deutlich in den Worten ihres Vaters mitschwang, dass er sie gleich ausspucken konnte. „Er hat mir sein Gerät gezeigt, genau wie er gesagt hat.“ Sie hatte ihm diese Worte entgegenschmettern wollen, stattdessen hörte sie selbst, wie verletzt sie eigentlich klang und ihr Vater? Er musste das auch hören! ‚Ein Gerät um Pflanzen zu scannen? Mitten in der Nacht?‘ Wütend schlug Smon mit der Hand auf den Tisch und Tenias Mutter? Saß einfach da und sagte nichts. ‚Lüg mich nicht an.‘ Smons Stimme war noch bedrohlicher geworden und wenn Tenia sich jemals vor ihrem Vater gefürchtet hatte, dann genau in diesem Moment. „Ich hab ihm noch Flüstervögel gezeigt, ihren Brutplatz, Dad, ich hab nicht…“ Sie hatte keine Chance. ‚Ich verbiete dir, dich noch einmal mit ihm herum zu treiben. Ich verbiete dir, um diese Uhrzeit überhaupt noch da draußen sein. Du hast vor Sonnenuntergang hier zu erscheinen und wenn du dich schon mit Kerlen treffen musst, dann stellst du diese bei Tageslicht vor und treibst dich nicht mit ihnen im Wald herum, hast du das verstanden?‘ Tenia starrte ihren Vater an, kämpfte gegen ihre Tränen und gegen ihre Wut, die gleichermaßen an die Oberfläche brodeln wollte. ‚HAST DU VERSTANDEN?‘ Tenias Gesichtsmuskeln begannen zu zucken. „Ja,“ sagte sie, blickte zu ihrem Vater und verfluchte ihn innerlich. „Ich habe verstanden.“ Sie wünschte ihm keine gute Nacht, sie sah auch ihre Mutter nicht an, erst als Tenia ihr Zimmer erreicht hatte, drehte sie sich herum, starrte gegen die Tür und warf dann, das Kissen, nachdem sie griff, gegen eben jene. Dann lehnte sie sich gegen die Tür, ließ sich auf den Boden sinken und begann zu weinen. Ein winziges Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit. Ein kleiner Stein, der gegen ihre Scheibe landete? Mühsam wischte sie sich die Tränen weg, lief zum Fenster, sah hinunter und da stand Jafan, hielt ein Filmsi in die Höhe, auf dem drei einfache Worte standen. Tut mir leid.
Trotz der Dunkelheit konnte sie sein Lächeln erkennen und lächelte zurück, ehe sie den Vorhang zuzog und mit besserer Lauen zu Bett ging.
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„Smon, du kannst so nicht mit ihr reden. Sie ist jung und ich glaube ihr.“ Smon gab einen missmutigen Laut von sich, denn das, was seine Frau ihm da gerade sagte, war ihm auf der einen Seite zwar klar, auf der anderen aber, wollte er all das nicht wissen. ‚Sie hat um diese Uhrzeit nicht da draußen herum zu laufen.‘ „Das hast du ihr sehr deutlich gemacht.“ Zu deutlich. Es schwang in ihren Worten mit. „Du kannst sie nicht ewig behüten und vor allem schützen, sie ist fast erwachsen. Früher oder später wird sie sich verlieben.“ ‚Später reicht mir völlig.‘ Andina lachte leise. „Smon,“ sagte sie, „überlass das das nächste Mal mir. Sie ist nicht mehr dein kleines Mädchen, sieh es endlich ein.“ Aber in dieser Beziehung hatten Smon und Andina völlig andere Ansichten.
***
‚Es tut mir leid, wenn ich dich gestern zu hart angegangen bin.‘ Wenn? Hatte Tenia gestern noch Angst vor ihrem Vater gehabt, war da jetzt Wut, die unverhohlen in ihrem Blick lag. Wenn! Als ob! Er war sie zu hart angegangen, das wusste er selbst und seinescheinheilige Entschuldigung konnte er für sich behalten! Nie, nie war sie so wütend auf ihn gewesen wie jetzt und gerade deswegen durfte er da auch in aller Deutlichkeit spüren. „Schon in Ordnung,“ erwiderte sie und klang dabei nicht ansatzweise so, als läge auch nur ein Fünkchen Wahrheit in ihren Worten. „kann ich jetzt gehen?“ ‚Wohin?‘ Beinahe klang Smon wie gestern, doch jetzt war es Andina, die ihm einen Blick zuwarf, der Smon etwas kleiner werden ließ. ‚Wo gehst du hin?‘, stellte er die Frage erneut, diesmal eine Spur freundlicher. „In den Wald. Ich werde nicht mit ‚Kerlen‘ rumhängen und vor Anbruch der Nacht wieder zurück sein, okay?“ Erneut warf Andina ihrem Mann einen Blick zu, als dieser etwas sagen wollte. ‚Gut,‘ sagte er stattdessen und schon wie gestern verließ Tenia, ohne ihren Vater noch einmal anzusehen das Haus.
„Hast du viel Ärger bekommen?“, war das erste, was Jafan sie fragte. „Wie man es nimmt.“ „Und wie nimmst du es?“ „Können wir einfach nicht darüber reden?“ Jafan hob die Hände. „Alles klar, wir reden nicht drüber.“ „Gut“, kam es von der jungen Nullianerin, die sich, im gleichen Moment, da sie es aussprach, am liebsten geohrfeigt hätte, denn klang sie nicht genau wie ihr Vater? „Eigentlich ist er nicht so, er schreit nicht rum und ist so…“ „Überbesorgt?“ Das war nicht das Wort, das Tenia gesucht hatte, aber es passte. „Wie auch immer.“ „Du bist Einzelkind?“ „Ja, und?“ „Na ja, Einzelkind, einzige Tochter, ich glaube, er hat Angst davor, dass du irgendwann jemanden findest, der seinen Ansprüchen nicht genügt.“ Jafan hatte Recht, was sie beide wussten, aber das hieß längst nicht, dass Tenia so etwas hören wollte. „Seinen Ansprüchen wird irgendein blöder Nullianer genügen, der entweder Jäger ist, oder Architekt. Und selbst dann würde nie der passende dabei sein. Also verschone mich bloß damit, ihn zu verteidigen.“ Jafan lachte. „Ich wollte dir nur helfen und ich glaube, wenn ich Vater wäre und eine hübsche Tochter hätte…“ Kompliment hin oder her, Tenia warf Jafan einen Blick zu, der in einer anderen Welt die Kraft gehabt hätte zu töten und Jafan blieb stumm, grinste aber, was Tenia beinahe noch mehr ärgerte.
Sie hatten Dutzende neue Gräser gescannt und Tenia war zurück in der Begeisterung, die sie schon gestern verspürt hatte. Sie machten sich einen Spaß daraus, nach bestimmten Pflanzen zu suchen, zu wetten, ob Jafan jede, die Tenia einfiel, in seiner Datenbank fand und es dauerte, bis das Gerät nichts ausspuckte. „Ich schätze, ich werde dir diese Pflanze zeigen müssen, damit du das Ding da,“ ein gespielt abwertender Blick auf das Gerät, „aktualisieren kannst.“ In Wahrheit faszinierte sie dieses Gerät im Übermaß. Natürlich war es nicht mit Null zu vergleichen, aber ein Gerät, das dabei half, Pflanzen zu bestimmen und näheres über sie verriet, das selbst ihren Geruch aufzeichnete, das war etwas Besonderes, vor allem für die Nullianerin, die mit Technik so gut wie nichts zu tun hatte.
Die Pflanze die Tenia vorschlug war eine Bergpflanze, was bedeutete, dass sie ins Gebirge mussten. Sie hatte die Pflanze absichtlich gewählt, denn Tenia wusste genau, dass dieser spezielle Strauch nur auf Null wuchs und dort nur in Höhenlagen. Wenn sie Jafan schon ihre Heimat zeigte, wollte sie auch sehen, ob er im Klettern mithalten konnte.
„Da müssen wir rauf?“ Jafans Blick zeigte offene Skepsis. „Du kannst mich auch einfacher los werden,“ fügte er hinzu, sah ein weiteres Mal nach oben und dann zu Tenia. „Ganz ohne Hilfsmittel ist das ein bisschen übertrieben.“ Jafan versuchte nicht, sich zu beweisen, gab nicht an und spuckte keine großen Töne. „Ich hab ein Seil dabei,“ erklärte Tenia, als sie eines aus ihrem Rucksack holte. „Wie bekommen wir das fest?“ „Du meinst, wie bekomme ich das fest?“ Für Tenia, die schon so oft auf den Gipfel geklettert war, dass sie es blind vermutlich auch geschafft hätte, war das kein Problem. Ein einziges Mal war sie, zu ihrem eigenen Glück, nicht von ganz oben herab gefallen. Aber die Höhe hatte gereicht, sich den Arm zu brechen und Smon dazu zu bringen, das Klettern zu verbieten. „Du kletterst da ohne Sicherung herauf?“ „Du klingst, wie mein Vater.“ Tenia ließ Jafan stehen wo er war und machte sich an den Aufstieg, um das Seil zu befestigen. Jafan stand noch immer unten, stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. „Unglaublich,“ murmelte er. „Keine faulen Ausreden mehr, jetzt kannst du auch nach oben.“ Trotz des Seils dauerte es eine Weile, bis es Jafan gelang, bis ganz nach oben zu kommen. Am Gipfel angekommen, war der blonde Mann ziemlich aus der Puste und staunte dennoch, als er die Umgebung wahrnahm. „Das ist ein Grund, weshalb ich hier nicht weg möchte.“ Ja, natürlich waren andere Planeten auch schön, nur weil sie keinen anderen besucht hatte, hieß es ja nicht, dass Tenia sich keine Bilder oder Holofilme über andere Welten ansah. Aber Null war eben ihre Heimat, zumindest zu einem großen Teil.
„Ich könnte nicht zu lange an einem Ort bleiben, egal wie schön er ist.“ „Auch nicht, wenn er deine Heimat ist?“ Sie würde Heimweh haben, da war Tenia sich sicher. Wenn sie zu lange weg sein würde, sie würde Heimweh haben. „Ich mache Heimat nicht an einem Ort oder Planeten fest. Heimat trägt man im Herzen.“ „Klingt ziemlich nach quatsch.“ Heimat im Herzen. Das würde bedeuten, dass man überall zu Hause sein konnte und das war für Tenia völlig undenkbar. „Nur weil du es nicht kennst, heißt es nicht, dass es quatsch ist.“ Jetzt klang Jafan ernst, nicht belehrend oder etwas in der Art, aber ernst und ziemlich überzeugt, ohne ein Lächeln in der Stimme. „Und wenn Null wirklich die Heimat wäre, die du dir wünschst, wäre es einfach für dich, es zu verlassen.“ Aus Tenias Mund drang ein Laut, der ihren Unmut äußerte. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah demonstrativ in eine andere Richtung. „Weil Null meine Heimat ist, verlasse ich es nicht.“ Wenn Jafan darüber vielleicht eine Sekunde nachdachte, begriff auch er, dass seine Worte keinen Sinn ergaben. „Tenia, das besondere an Heimat ist, dass man sie verlassen kann, weil man weiß, dass man früher oder später zurückkehren wird. An einem Ort zu bleiben und ihn als Heimat zu bezeichnen, heißt für mich viel eher, das man Angst davor hat, dass irgendwo da draußen etwas ist, was einem besser gefällt.“ Diese Worte gefielen Tenia nicht, vor allem nicht, da sie irgendeinen Kern getroffen hatten. Warum wollte sie einen Neuanfang irgendwo anders, wenn Null so wunderbar war, wie sie behauptete? Warum wollte sie überhaupt zu den Jedi? Aber Jafan hatte kein Recht dazu, ihr die Wahrheit, oder das, was er dafür hielt, einfach so vor den Latz zu knallen. „Schön für dich.“ Wenn eben das Lächeln aus Jafans Stimme verschwunden war, zeigte sein Gesicht jetzt beinahe den Anflug von Verärgerung. „Reagierst du eigentlich immer so, wenn jemand etwas sagt, was dir nicht gefällt?“ War sie mit ihm auf den Gipfel gestiegen, um sich dumme Kommentare anzuhören? Sie hatte ihm eine Pflanze zeigen wollen, aber gerade kam es ihr vor, als wolle Jafan ihr irgendwelche Abgründe ihrer Seele zeigen. „Ich glaube, wir sollten jetzt gehen,“ nicht, dass sie eine Antwort abwartete, stattdessen setzte die Nullianerin sich schon in Bewegung, um wieder hinunter zu klettern, doch Jafan hielt sie fest und drehte sie zu sich herum. „Jetzt komm schon, sei nicht so.“ Wütend funkelte Tenia dem anderen entgegen. „So was? So wie ich bin? So anders als du? So…“ Doch sie kam nicht dazu, als Jafan sie näher an sich zog und sie mit der nächsten Aktion zum Schweigen brachte, sie völlig überrumpelte und verblüffte. Tenia brauchte einen Moment, dann holte sie aus und verpasste Jafan eine schallende Ohrfeige, was sie beinahe mehr erschreckte, als sein Kuss. Endlich trat er einen Schritt zurück, was auch Tenia tat, die ihn dabei dennoch anstarrte. „Tut mir leid,“ sagten sie zur gleichen Zeit, wandten den Blick ab und nun schien auch Jafan erstmals zu überlegen, was er sagen sollte. „Der Strauch…“, kam ihm Tenia diesmal zur Hilfe, oder ihnen beiden? „Wir wollten ihn scannen.“ „Ja… du hast Recht, also, los geht’s.“ Tenia bewegte sich beinahe mechanisch, um zu einem der Sträucher zu gelangen, Jafan folgte ihr schweigend. An ihrem Ziel angekommen, gingen beide in die Hocke um den Strauch zu scannen und verharrten in jener, als sie schon längst fertig waren. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Tenia,“ durchbrach der Lorrdianer die Stille. „Ja… ich weiß.“ Und diesmal bewegten sie sich beide gleichzeitig aufeinander zu.
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