[Outer-Rim -Telos – Thani - Raumhafen - vor der Ankunftshalle - Torryn - Kossekos - Ian - Iouna]
Iouna sah die Fremden durch die Halle auf sich zukommen und staunte, dass ihnen niemand außer ihr selbst Aufmerksamkeit schenkte, wie seltsam, bei dieser unverschämt starken Präsenz! Für die Telosianerin war es nicht klar zu erkennen, ob die Personen, die hinter dem Dunkelhaarigen (Ian) trapsten, machtsensitiv waren: der hübsche Junge (Torryn) und die gespensterhafte Gestalt von einem Trandoshanier (Kossekos). Falls sie aber doch eine Aura besaßen, überschattete sie diejenige des führenden Mannes (Ian) sie beide. Als Iouna den Blick auf das Gesicht des Dunkelhaarigen richtete, schien jetzt auch er sie zu bemerken. Wie schön sein Gesicht war! Die Telosianerin musterte ihn vom Kopf bis Fuß und lächelte still. In ihrer Nähe blieb der Dunkelhaarige schließlich stehen, rückte so nah an sie heran, dass sie einen Hauch seiner Körperwärme verspürte. Ihr Mundwinkel zuckte nun leicht, als sie ihr Lächeln unterdrückte.
Und dann passierte etwas eigenartiges, etwas schlimmes für Iouna, etwas, das sich augenblicklich Iounas Kontrolle entzog, etwas, von dem sie im gleichen Augenblick als es passierte, genau wusste, dass es wie eine Erkrankung sei, eine Art Viruserkrankung, die schicksalhaft in ihre Venen floss; sich dem Macht-Dunstkreis des Dunkelhaarigen (Ian) zu entziehen, war es ihr aber nicht mehr möglich. Denn von einer Sekunde auf die andere traf der Geruch seiner Machtchemie sie, ein Geruch, der sich nahtlos mit dem seiner Körperchemie vermengte, und er war stechend und angenehm schweißig, so etwa wie der Duft der taufeuchten, spitzkegeligen Magic Mushrooms - den mit dem dicken fleischigen Stiel! – und die schon alleine beim sammeln sich in der Hand flutschig anfühlen, später aber beinahe zu hart auf dem Gaumen sind, dann aber endlich im Mund zerquetscht, eine saftig wohlschmeckende Quintessenz abgeben.
Wie in einem Fieberkrampf und unfähig nur einen Schritt zu machen, stierte sie verwirrt auf seine Lippen, die sie auf einmal an die süße rosafarbene Meeres-Nacktschnecke erinnerten, die im Mund mehrmals gerollt ein Verlangen nach mehr weckte. Sie erschauderte.
Das Schlimme war aber gerade, dass sie sich von der einen Sekunde auf die andere, in einem tranceähnlichen, willenlosen Rausch eingefunden hatte, so ähnlich als ob er sie in ein Energiespinnennetz aus lichtdurchlässigem, ultramarinem Glitterstim hineingestoßen hätte.
Aber das Allerschlimmste für die junge Frau war das überwältigende Verlangen, das ihren Körper überflutete. Warum passierte ihr das? Die junge Frau wusste es nicht, verzweifelt versuchte sie zumindest den Atem anzuhalten, um die durch die Macht kontaminierte Luft nicht einzuatmen, aber alles wurde mit jedem Augenblick nur noch schlimmer. Sie hoffte nur, der Dunkelhaarige würde nicht bemerken, wie ihre Beine zitterten, ihr Kinn und wie sie plötzlich zwischen den Schulterblättern schwitzte, dabei aber ihr Mund staubtrocken und doch verlangend war. Und später, wenn sie sich an diesen Augenblick zurückerinnerte, begriff sie es immer noch nicht, was wirklich geschehen war. Und sie würde sich dann auch nur undeutlich erinnern und nicht mal sicher sein, ob sie in dem seltsamen Moment wirklich diese Dreistigkeit besaß, ihre Hand auszustrecken, das Hemd des Dunkelhaarigen hochzuziehen und ihre Hand auf seinen Bauchnabel zu legen, oder ob sie es nur wünschte zu tun. Nichts mehr half gegen die berauschende Leere im Kopf, auch nichts gegen die Furcht vor dieser befremdlichen Euphorie. Für einen kleinen Moment fühlte sie sich wie ein dummes Kind der neurobiologischen Prozesse im Gehirn. Wie erbärmlich und lächerlich sie ihm vorkommen musste!
„Die Steinchenwerferin“, stieß er unerwartet hervor, in einem so scharfen Tonfall, dass ihr kalt den Rücken runter lief.
Die schöne Frau löste den Blick von seinem weichen Mund und begegnete seinen hasserfüllten Augen.
Was? Was sagte er da?
Steinchenwerferin? Iouna wandte den Kopf von ihm ab und krümmte sich zusammen.
Ian? Ian Dice?
War dieser kleine Junge nicht tot? Ian, ein Sith?!
Peinliche Bilder zwangen sich vor ihr inneres Auge. Und wenn sie die Wahl hätte, dann lieber ein Schlag mit dem Beilrücken gegen die Stirn als diese Bilder zu sehen, denn besser bewusstlos in die Knie gehen, und noch besser sanft einschlafen, als dieses schreckliche, ferne Echo wahrzunehmen, das Ian gewaltsam aus ihrem Geist herauszuschlagen versuchte:
...Wie das Kind Ian sich nicht regte, wie das Kind Iouna, erfüllt von einer kindlichen Stumpfheit, Ians geschunden Körper anstarrte.
Blut. Aber damit schön gemalte, wenn auch ungeordnete Linien auf Ians Rücken und Ians Beinchen, kleine Seen, Tale und Bergen der roten Schultinte.
Das Mädchen drückte die kleinen Fäustchen voller Steine zusammen, und als sie sich leicht bewegte, kitzelte das weiche Gras lustig ihre nackten Beinchen. Ian, das Kind, lag vor ihren Füßen, als ob er friedlich schliefe, besonders liebevoll gebettet auf dem grünen, sonnenwarmen Teppich.
„Bist du tot, Ian?“
Stille, und nun das trockene Knirschen der Steine in ihren Händen.
„Steh auf Ian!“ Das Mädchen streckte die Hand, und vorsichtig berührte sie seine Haare. Sie fühlten sich kalt und feucht an und ihre kleinen Finger verfärbten sich rostrot.
„Steh auf!“ befahl das Kind Iouna.
Aus dem handwarmen Steinchenhaufen wählte das Kind nun ein schönes, grünes und warf es auf seinen Rücken. Der kleine Ian zuckte zusammen, zog die Beinchen an den Körper, sein kleiner Körper krümmte sich zusammen. Aber Ian lebte! Sie sah, wie sein Brustkorb sich jetzt erkennbar bewegte, er atmete und seine Lippen formten unverständliche Worte, und sogar eine klitzekleine Armbewegung zeigte deutlich, dass er noch lebte.
Sie drückte die Steine in ihrer Hand fest und hob das Ärmchen...
“Wen haben wir denn da?“ Das Kind Iouna fuhr herum, doch Ians Vater Jerome schnappte sie an den Schultern und zog sie an sich. „So eine bist du. Wer hätte es vermutet…“ sein Gesicht erstrahlte in einem Lächeln. Die riesigen Hände fest um ihre Schulter, diese schrecklich beängstigende Grimasse auf dieser ledernden Fratze, verdeckte ihr die Welt.
„Das darfst du, Iouna Nausikaa. Ian hat etwas sehr schlimmes gemacht. Er hat seinen Papa traurig gemacht. Er ist ein bösartiges Kind. Er macht seinen Papa so… furchtbar traurig.“ Jeromes Stimme erbebte und zum Schluss brach sie, wie der Weidenzweig in seiner Hand, den er gerade knackste.
„Alleine deine Existenz…!“ grölte es rechts.
„Wünschte, du wärst nie geboren!“
„Du, wertloses Ding!“
„Ohne Dich wären wir alle glücklicher!“
„Du machst uns krank!“
„Wann stirbst du endlich, du Ba.stard!“
„Verfluchte Missgeburt!“
Am ganzen Körper zitterte das Mädchen, drehte sich wieder zu Ian und schmetterte die verbliebenen Steine auf seinen Rücken, aus seiner Kehle schrie es, leise, gedämpft, dann lauter, und dann warf sie noch eine Ladung und noch eine, dann stand sie eine Weile still und mit Erstaunen beobachtete, wie er wimmerte, wie hilflos er sich wand und nicht mehr aufhören konnte zu winseln, sie sollen von ihm ablassen, bitte, bitte, immer wieder…sie nahm die roten Steinchen, die noch in Jeromes Hand lagen und warf und sah Ian an, wie er jetzt nun verstummte und wie seine Tränen den Dreck in seinem Gesicht verschmierten, und es war für Iouna wie eine der vielen Merkwürdigkeiten, die man als Kind erstaunt wahrnimmt.
Dann ruhte Jeromes Hand auf ihrem Kopf, sie blickte zu ihm hoch und lächelte verlegen.
„Du bist ein gutes Kind“, lobte Ians Vater. „Wenn ich nur so eine hübsche und kluge Tochter wie dich hätte...“ Irgendwo von hinten ein bellendes Auflachen. James Dice lehnte lässig am Baum, kaute an einem Strohalm und grinste diabolisch...
"Böses Kind..." flüsterte Iouna. Die Telosianerin zwang sich, nicht aufzuschauen, aber was noch wichtiger war, sie versuchte, sich zu beherrschen, das unwillkürliche Zittern am Körper zu unterdrücken und jetzt nicht noch in Tränen auszubrechen. Warum schrie es in ihr so laut, und warum weinte es jetzt bitterlich, wenn es an dem Tag und an den viele anderen Tage nicht? Ein Hassgefühl überkam sie, sie hasste das Kind, das sie einmal war, sie hasste sich selbst mehr als alles, was sie bisher gehasst hatte!
„Wieso überhaupt bist du zurück nach Telos gekommen!“ sagte sie.
‚Wieso tauchst du wieder in meinem Leben auf?’ schluchzte es in ihr. Und dann dieses immer wieder kehrendes ‚Verzeih mir’, wie ein brüllendes, hysterisches Geschöpf, und just in dem Moment schloss sich plötzlich eine unsichtbare Hand wie eine Schlinge um ihren Hals, drückte zu und zerrte an ihr wie eine Hundeleine. Vergeblich versuchte sie die Lungen mit frischer Luft zu füllen, aus ihrer Kehle kam nur ein langes, pfeifendes Geräusch und im nächsten Augenschlag wurde ihr schwarz vor den Augen. Nein, Ian…der Versuch die unsichtbare Hand von ihrem Hals abzustreifen misslang... Angst! Panisch schlug die Frau um sich, dann strauchelte sie, und um das Gleichgewicht wieder zu erlangen, krallte sie sich an einen Menschen (Torryn), der hinter ihr stand, sie krallte sich an seine Brust, riss am Stoff, holte aus und schließlich haute mit der Faust auf seine Brust ein, hilf mir, verdammt, was stehst du so dumm herum, hilfe, hilfe….hilf mir, bitte….! – ihre Worte verloren sich aber in einem undefinierbaren Keuchen.
Genauso unerwartet und plötzlich wie angefangen, hörte der Druck auf ihrem Hals auf. Sie japste nach Luft, stieß den Mann (Torryn) von sich fort, taumelte, prallte gegen die Wand, und eher aus einem purem Überlebensreflex als einer bewussten Entscheidung, zuckte sie ihre Blasterpistole und zielte mit dem Lauf genau zwischen Ians Augen.
„Junge, mach das noch einmal und du bist tot!“
‚Nicht Ian, ich kann dich doch gar nicht erschießen, ich kann dich nicht töten, niemals, nicht dich, nimm mir diese Waffe weg, ich kann es nicht tun, ich würde dir nie wieder etwas antun. Nimm sie weg, nimm mich mit, lass dich nicht von mir erschießen, lass es nicht zu, nimm mich in Arm Ian, verzeih mir Ian, lass mich nicht gehen, verzeih mir, bitte, verzeih, ich habe es nicht gewollt, du weiß nichts, du kannst es nicht wissen, bitte, verzeih, nimm mich mit, lass mich nicht alleine, nimm mich in Arm, küsse mich, Ian, lass mich nicht gehen, Ian, bitte…’
„Lass mich gehen, sonst… zersprenge ich dein hübsches Köpfchen!“ stieß sie hervor und spürte wie eine Träne sich von ihrem Augenwinkel löst und unbeirrt über ihre Wange läuft.
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