BLOOD & WINE: EIN DLC, DER ALLE ANDEREN DEKLASSIERT
VON JONAS GÖSSLING 25. MAI 2016
The Witcher 3: Blood and Wine ist das letzte Abenteuer des Hexers Geralt von Riva. Wie sich das für eine finale Reise gehört, haut das Addon noch einmal in die Vollen: Es gibt mehr Monster, mehr Quests, ein komplett neues Gebiet, Housing und noch vieles mehr.
CD Projekt Red liefert euch damit nicht nur eine Erweiterung, sondern ein fast eigenständiges Spiel. Quasi ein The Witcher 4, das euch noch einmal die volle Dröhnung Geralt gibt, bevor es für immer "Auf Wiedersehen!" heißt.
Blood and Wine treibt alle positiven Aspekte der Reihe nahe der Perfektion. Aber es trägt auch elementare Probleme aus dem Hauptspiel mit. Ich verrate euch, wieso das nur ein kleiner Makel ist und warum jeder mit dem kleinsten Funken Interesse dieses Addon spielen sollte.
Das Biest in Toussaint
Geralt wird auf Befehl der Herzogin von Toussaint Anna Henrietta in das Herzogtum beordert. Ein Monster treibt sein Unwesen und tötet scheinbar wahllos Menschen. Weil die eigene Garde das Biest nicht zu fassen bekommt, soll es der Hexer richten.
Was folgt ist eine der besten Geschichten, die die Reihe zu bieten hat. Denn natürlich ist nicht alles so wie es scheint. Geralt deckt immer mehrIntrigen und Geheimnisse auf. Dabei profitiert die Story von der Größe der Welt. Toussaint ist deutlich kleiner als das Hauptspiel, aber eben auch größer als die erste Erweiterung Hearts of Stone.
Die Geschichte passt sich diesem mittelgroßen Rahmen an und erzählt seine Handlung deutlich fokussierter und besser als das Hauptspiel. Zudem herrscht grade zu Beginn eine Detektiv-Stimmung wie in einem Krimi, bei der ihr langsam dem Täter auf die Spur kommt.
Zudem gibt es viele Knotenpunkte, an denen ihr den Ausgang der Geschichte entscheidend beeinflusst. Der DLC kann gut, schlecht oder auch mit einem Mittelweg ausgehen. Ein zweiter Durchgang ist damit verlockender, als es noch im Hauptspiel der Fall war.
Neben der Hauptstory erlebt ihr wieder zahlreiche spannende Nebenhandlungen. Ihr schlichtet etwa einen Streit zweier Weingutbesitzer – oder eben nicht. Auch hier könnt ihr das Ergebnis mitentscheiden.
Blood and Wines Schauplatz ist eine Klasse für sich
Die Story alleine ist aber nicht für die großartige Atmosphäre verantwortlich. Denn sie funktioniert nur so gut, weil das neue Gebiet Toussaint sie fantastisch in Szene setzt. Das Land besteht aus saftigen Wiesen, Weingütern und in der Mitte thront die Hauptstadt Beauclair, die gradewegs aus einem Märchenbuch entspringen könnte.
Die Architektur erinnert an Südfrankreich und Italien und schafft so eine völlig neue, wohlige Atmosphäre im Gegensatz zur kriegsgeschundenen alten Welt des Witchers. Dabei schafft es auch Toussaint euch zum Erkunden einzuladen. Denn wie im Hauptspiel gibt es an jeder Ecke etwas zu entdecken, keine Ecke gleicht der anderen und es gibt immer eine Aufgabe oder eine Geschichte zu erleben.
Auch hier schafft es das Gebiet durch die Größe besser zu fesseln. Wege sind nie zu weit, trotzdem ist Toussaint voller Geheimnisse. Zudem habt ihr deutlich mehr Einfluss auf das Land. Besiegt ihr den Hauptsitz der Banditen, laufen auch im restlichen Toussaint tatsächlich weniger herum.
Besonders in Kombination mit der Story wird das Land einzigartig. Denn so strahlt Toussaint zwar Frieden und Wohlstand aus, aber unter der Fassade bröckelt es gewaltig. Denn auch im schönsten Land gibt es Räuber und Morde.
Klasse Missionen, sinnvolle Neuerungen
Seine Welt und die Geschichte bindet Blood and Wine in jeder Mission clever ein. Es gibt keinen größeren Ort, der in der Hauptgeschichte nicht irgendwie Verwendung findet. Die kleineren Plätze werden in Nebenmissionen in den Mittelpunkt gerückt. Das Quest-Design ist gewohnt hochklassig und kaschiert perfekt, dass ihr im Kern immer nur kämpft, redet oder irgendetwas sucht.
Für eine Erweiterung eher ungewohnt wartet der DLC aber mit erstaunlich vielen Neuerungen auf. Die wohl größte davon ist dasüberarbeitete Inventar, das die Übersicht deutlich vereinfacht. Rüstungen und Waffen werden nun zum Beispiel getrennt angezeigt. Das Beste daran: Die neuen Menüs sind auch im Hauptspiel vorhanden.
Außerdem gibt es nun Housing, ihr dürft also euer eigenes Zuhause aufbauen und verschönern. Allerdings ist das weit weniger spektakulär, als es sich anhört. Ihr investiert lediglich in verschiedene Bereiche, das war's. Immerhin könnt ihr Bilder im Haus selber aussuchen. Außerdem sind die spielerischen Vorteile nur auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad wirklich nützlich.
Wenn ihr in eurem Haus schlaft, werdet ihr für eine bestimmte Zeit stärker und habt mehr Lebensenergie. Geübte Spieler kommen aber auch mit Tränken und Items klar.
in kleiner Makel im fast perfekten Addon
Ist also alles herausragend? Nicht ganz. Denn wie auch schon im Hauptspiel ist das eigentliche Rollenspielsystem in Blood and Wine dürftig. Im Prinzip reicht es, wenn ihr eine gute Ausrüstung habt. Die Fähigkeiten, die ihr nach einem Levelaufstieg freischaltet, sind nach wie vor nützlich, aber eben auch nicht spielentscheidend.
Da helfen auch die neuen Mutationen nicht. Das sind besonders mächtige Fähigkeiten, von denen immer nur eine aktiv sein kann. Dafür gibt es Boni, wie dass Gegner explodieren, sollten sie von einem Zauber-Zeichen ausgeschaltet werden. In der Praxis macht sich das aber auch hier nur im höchsten Schwierigkeitsgrad deutlich bemerkbar.
Dafür dürft ihr ab sofort die Gegner auf Wunsch mitleveln lassen, was den Anspruch selbst kräftig nach oben schraubt. Am Ende des Addons seid ihr dann nicht mehr so übermächtig, was sich gerade beim Schwierigkeitsgrad positiv bemerkbar macht.
SCHLUSSGEDANKEN
Blood and Wine definiert den Begriff DLC neu und deklassiert so ziemliches alles, was uns Publisher bisher als Addon aufgetischt haben. CD Projekt Red bietet euch nicht einfach nur mehr vom Hexer und zieht euch das Geld aus der Tasche. Das Studio präsentiert viel mehr ein komplett neues The Witcher. Es ist absolut bemerkenswert, dass selbst grundlegende Elemente, wie etwa die Menüführung, in einer Erweiterung verbessert werden. Natürlich gibt es noch das Problem, dass das eigentliche Rollenspielsystem immer noch seine Macken hat. Aber in Sachen Story, Inszenierung, Grafik, Umfang und Musik habt ihr es nicht mit einem DLC, sondern einem vollwertigen Spiel zu tun. Gleichzeitig gibt euch Blood & Wine genug Zeit, um euch bei den liebgewonnenen Figuren gebührend zu verabschieden. Das ist der würdige Schlusspunkt einer der gelungensten Rollenspielreihen aller Zeiten.