Va'art

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und einem schlafenden Yaro

Sie machten wirklich Fortschritte. Ians Eingeständnis erleichterte alles ein klein wenig - und gleichzeitig beunruhigte es Eowyn beinahe noch mehr. Oder war er wirklich einfach nur zur Vernunft gekommen? Wer wusste das schon. Zugegeben... sich keine Sorgen zu machen war wohl ein Wunsch, der sicher nicht in Erfüllung gehen würde, aber sie konnte es ja einmal probieren. Das schadete nichts.
Sie wusste, dass sie ihn arg in Bedrängnis brachte. Aber was nutzte es, wenn er nun einschlief, nur um in einer Stunde wegen Alpträumen aufzuwachen? Und man ruhte nun einmal besser aus, erholte sich besser, wenn man
lag, anstatt Energie darauf zu verschwenden, sitzen zu bleiben. Vermutlich hätte sie ihm das nur vor Augen halten müssen... Wenn er sich hinlegte würde er morgen fitter sein. Unter dem Deckmantel der Mission war vieles einfacher zu erreichen. Das musste sie sich merken.
Dieses Mal klappte es immerhin auch so, wenn auch nicht ohne Murren und Widerstand. Sie spürte genau, dass er es nicht wollte, weshalb er damit allerdings selbst
jetzt noch ein so großes Problem hatte, das verstand sie nicht. Als sie es das erste Mal probiert hatten... es war mitten in der Nacht gewesen, sie waren immer wieder aneinandergeraten, es war im Freien gewesen. Keines dieser Dinge traf jetzt zu. Er vertraute ihr... dessen war sie sich ziemlich sicher. Weshalb dann dieses Unbehagen - eigentlich noch mehr, weshalb diese Ablehnung? Er konnte es auch wieder alleine probieren, wie vorgestern, aber in seinem Zustand... er war müde, hatte kaum etwas gegessen, hatte Fieber. Nein, das war keine gute Idee, wenn es etwas nutzen sollte, dann würde sie ihm schon helfen müssen.

Eowyn merkte, wie Ian immer müder wurde. Wenn sie loslegen wollten, dann mussten sie es jetzt tun. Es ist alles gut... vertrau mir. Dir passiert nichts, murmelte sie, während sie automatisch die Augen schloss. Nicht, dass es notwendig gewesen wäre. Sie hielt weiterhin Ians Hand und begann genauso sanft und vorsichtig wie das letzte Mal, den Kontakt zu ihm herzustellen. Und genau wie letztes Mal wehrte sich alles in ihm dagegen. Sie seufzte leicht. Es funktionierte nicht, wenn er sich sträubte. Dennoch begann sie langsam, ihn einzuhüllen, so, dass er noch immer Platz hatte. Sie wollte, dass er wusste, dass sie da war, dass sie ihm nichts tun würde. Sie ließ ihm Zeit, viel Zeit, und setzte darauf, dass er irgendwann zu müde sein würde, um sich noch groß zu wehren. Als sie dann schließlich der Meinung war, dass er erschöpft genug war, um sie gewähren zu lassen teilte sie ihre Aufmerksamkeit, wandte sich seinem Herzschlag zu und griff vorsichtig ein.
Sie hätte lieber noch warten sollen.
Sein Körper wehrte sich. Alles in ihm krampfte zusammen, und Eowyn erhaschte einen Blick auf etwas, bevor sie sofort wieder losließ. Sie biss die Zähne zusammen, ignorierte das Gesehene und Gespürte, ließ es nicht zu. Das lief ja noch übler als beim letzten Mal.

Sie war sich nicht sicher, ob oder wie viel Ian mitbekommen hatte, aber es würde nicht helfen, wenn sie jetzt völlig aufhörte und noch einmal von vorne beginnen musste. Ian würde das vermutlich gar nicht mehr zulassen. Sie machte weiter, umhüllte seinen Geist, versuchte, ihn zum Mittelpunkt zu führen... und erst, als sie sicher war, dass sie nicht anders weitermachen konnte versuchte sie es ein zweites Mal mit seinem Herzschlag. Dieses Mal war sie vorbereitet, aber offensichtlich war Ian entweder schon zu weit fort, oder aber er hatte mitgeholfen. Die vorherige Reaktion blieb aus, und erleichtert stellte Eowyn fest, dass sie ihre Aufgabe dieses Mal zu Ende führen konnte.
Wenige Minuten später öffnete sie die Augen. Ian atmete ruhig und langsam. Mit der zweiten Hand fühlte sie an seiner Stirn, dieses Mal ein wenig länger als vorher. Wenn sie etwas auf Denon gelernt hatte, dann Fieber festzustellen und abzuschätzen, inwieweit es gefährlich wurde. Noch war es bei Ian nicht so weit... Noch kam sein Körper damit zurecht. Sie hoffte, dass es dabei blieb, aber sie würde ihn beobachten.
Sanft strich sie ihm die langsam länger werdenden Haare aus der Stirn. Beinahe wünschte sie, sie könnte ihm beim Schlafen zusehen... Aber auch wenn die Energiezelle des Lichtschwertes lange hielt, für solch unnötige Dinge würde sie es sicher nicht aktivieren.

Sie hätte ewig so dasitzen können, aber schließlich stand sie dennoch auf, wickelte sich aus der Robe und warf sie Ian über. Sein Zittern hatte ein wenig nachgelassen - wegen der Trance, oder weil ihm wärmer wurde? Sie hatte keine Ahnung, aber weshalb ein Risiko eingehen? So lange sie selber nicht fürchterlich fror kam sie auch ohne klar. In ihrer ersten Nacht hier auf Va'art hatte er das Gleiche für sie getan.
Die Dunkelheit funktionierte, so lange sie ihre Gedanken in Bewegung hielt. Also würde sie einfach nicht aufhören, nachzudenken - und zwar nicht an Dinge, die sie überhaupt nicht beeinflussen konnte, wie die Dinge auf Coruscant... Stang.
Ian war ein gutes Thema. Was hatte ihn nur erwischt? Und die erneute Frage, hing es mit dem Fieber von vor wenigen Tagen zusammen? War es ansteckend? Wenn ja war es für sie ohnehin schon zu spät, aber sie musste sich beobachten. Was konnte sie tun, um ihm zu helfen? Die deprimierende Antwort war - gar nichts. Sie kannte sich zu wenig aus, um in seinem Körper herumzuforschen, ganz davon abgesehen, dass sie seine Grenzen nicht würde verletzen wollen. Die hatte sie schon genug verletzt, gerade eben... auch wenn es nicht ihre Schuld gewesen war. Sie hatte es nicht kommen sehen, wie hätte sie ihre "Augen" verschließen sollen? Sie würde einfach nicht daran denken, dann.. es war zu spät. Sie hatte es deutlich vor sich gesehen. Nur den Bruchteil einer Sekunde lang, aber es war genug gewesen. Ein Flur. Ein... Mann, außergewöhnlich blass, groß. Wirklich sehr groß... denn
sie kniete auf dem Boden, wütend, hasserfüllt, erstickend. Es war nicht sie gewesen, das war deutlich. Es war Ian, eine Erinnerung, und obwohl sie es nur einen kurzen Moment gespürt hatte war es erschreckend gewesen. Die Gänsehaut auf ihrem ganzen Körper ließ erst einmal nicht nach. Der Hass, den sie gespürt hatte... Ian gespürt hatte.
Irgendwie verständlich, wenn man bedachte, dass dieser Mann dabei war, ihn umzubringen. Dennoch. Wieder einmal eine Erinnerung daran, wer Ian gewesen war,
was er gewesen war. Sie hatte sich Ian im Orden der Sith nicht vorstellen können... Jetzt hatte sie ihn vermutlich zum ersten Mal selber dort gesehen und gespürt, was ihn dort zugehörig machte. Es war nichts, das sie wiederholen wollte.
Jedenfalls bekam sie nun den Hauch einer Ahnung, weshalb Ian sich so wehrte. Vielleicht steckte noch mehr dahinter... aber sie wollte, durfte, sollte es erst einmal nicht wissen. Vielleicht wusste Ian nichts davon, was sie gesehen hatte. Vielleicht hatte er es selber nicht gemerkt, und sie würde ihn nicht darauf aufmerksam machen. Eowyn bezweifelte irgendwie, dass er sich darüber freuen würde, vermutlich war es eine der letzten Szenen von denen er wollte, dass sie sie sah. Sie würde es sicher nicht ewig vor ihm verstecken, nein, das konnte sie bestimmt nicht einmal, aber momentan... Momentan war es klüger.

Eowyn zuckte zusammen, als das Objekt ihrer Überlegungen plötzlich Geräusche von sich gab. Er war in einer
Tiefschlaftrance, herrje... er sollte eigentlich ruhig vor sich hinschlafen. Und nicht husten, verdammt noch mal! Das war nicht gut. Das war gar nicht gut... Wenn der Husten es schaffte, sich selbst gegen die Trance durchzusetzen war das kein gutes Zeichen. Besorgt näherte sie sich ihm, versuchte an seiner Brust etwas zu hören... ein Rasseln oder dergleichen. Aber als ob sie das können würde, und selbst wenn, was würde es ihnen nutzen? Bisher hatte es gut geklappt, die Verzweiflung im Zaum zu halten, vorhin war schon genug herausgebrochen, um sie erst einmal ein wenig herunter kommen zu lassen. Aber diese Entwicklung war nun nichts, das sie aufjubeln ließ. Sie saßen hier fest, ohne Analysegeräte, ohne großartige Hilfsmittel. Was, wenn es immer schlimmer werden würde?
Was, wenn sie durchdrehen würde? Das wäre eine ganz tolle, fantastische Idee. Das sollte sie einmal versuchen. Wenn sie durchdrehte, dann war alles nur halb so schlimm, und sie würden ohnehin bald beide draufgehen. Ian, krank, sie durchgeknallt. Dann war es vorbei.
Also könnte sie es schaffen, bitte, einfach einmal nur für ein paar Stunden
ruhig zu bleiben???

Danke.

Sie konnte nichts machen, was seinen Husten anging, aber vielleicht konnte sie ihm helfen, warm zu bleiben. Sie kramte seine nasse Kleidung hervor und setzte sich daran, sie zu trocknen, mühsam, ein bisschen Stoff nach dem anderen. Wenn er morgen früh aufwachte würde er sich zwei Lagen anziehen können, wenn er es zuließ. Als sie schließlich fertig war, warf sie ihm die Kleidung über den Körper und holte auch ihre Wechselsachen schließlich heran, führte die gleiche Prozedur noch einmal durch. Sie sollte nicht auf dem eventuell kalten Boden schlafen... Schlussendlich löste sie wieder einmal ihre Haare, legte ihre Sachen auf den Boden und sich selbst müde hinter Ian darauf, um ihn noch so ein kleines bisschen zu wärmen. Und sich selbst. Das konnte auch nicht schaden.
Mittlerweile musste die Nacht herangebrochen sein. Sie hatte das Zeitgefühl verloren, genauso die Kenntnis darüber, wo ihr Chrono steckte. Aber das spielte keine Rolle. Sie war müde, sie konnte die Augen nicht offenhalten, also würde sie schlafen. Der Turm hatte Jahrhunderte überstanden, sie würden hier sicher sein, so sicher wie nur möglich. Es war seltsam, hier zu liegen, so nah bei Ian, ohne, dass er sich dessen bewusst war - aber es war notwendig, und er würde es verstehen, wenn er es wüsste.
Langsam begann sie schließlich, wegzudämmern.


***

Yaro war es, der sie schließlich weckte, weil er an ihren Beinen schnupperte. Vielleicht hatte er den Energieriegel in ihrem Gürtel gerochen, vielleicht war ihm Ian einfach nur zu langw... Ian!
Eowyn fuhr fröstelnd hoch aus ihrem unruhigen Schlaf. Sie war immer wieder aufgewacht, hatte versucht, trotz des Schlafens ein Ohr gespitzt zu lassen. Abgesehen vom hustenden Ian natürlich, der sie immer wieder geweckt hatte. Offensichtlich hatte aber keine Raupe sie als Mitternachtssnack haben wollen. Oder kam das noch? Wie spät war es? Im Turm war es noch immer fast schwarz, das Licht vom oberen Stockwerk reichte einfach nicht sonderlich weit. Schlechte Bauweise. Mühsam stand sie auf, reckte kurz ihre steifen Arme und Beine und ging zur Tür... Licht. Nun, zumindest ein bisschen. Der Tag war wohl noch relativ jung. Wie auch immer... sie konnte Ian wecken. Man konnte tagelang in der Trance bleiben, aber sie musste wissen, wie es ihm ging, und sie selbst war ihm keine Hilfe wenn es darum ging, irgendetwas zu heilen. Sie aktivierte ihr Lichtschwert und legte es auf den Boden, bevor sie sich neben Ian kniete und ihm sanft die Hand auf den Kopf und eine seiner Hände legte.
Ian, wach auf. Du hast die Nacht überstanden... Mehr oder weniger. Und, oh, Überraschung... jetzt hustest du auch noch. Ist das nicht toll? Na, wenigstens war er von seinem eigenen Husten nicht geweckt worden.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit einem nervig hustenden Ian und Yaro
 
Zuletzt bearbeitet:
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro



Va’art verwandelte sich in Bastion, der Turm in den Orden. Die Kühle und Enge des Raums passten so hervorragend zu den Sith, dass es ein leichtes für die Vergangenheit war, Ian einzuholen. Obwohl Aden hätte irgendwo liegen müssen, waren da nur zwei Präsenzen. Die eine furchtbar stark und die andere schwach, das Gegenteil von der ersten. Die eine strahlte puren Hass aus, während es der anderen viel mehr um eine einzige Sache ging: überleben. Die Situation wurde bedrohlich, der Turm wurde bedrohlich.

Du bist nicht auf Bastion.

Aber die Worte hatten nicht die Macht, anzukommen, hatten nicht die macht, Ian zu erreichen. Va’art war zu Bastion geworden und die Angst, die er einst im Orden erlitten hatte, legte sich über Ian, sorgte dafür, dass sich alles in ihm aufbäumte. Die Blitze. Das Vakuum in seinem Kopf, der unendliche Schmerz, all das war präsent, als würde es noch einmal geschehen.

Es geschieht nicht.

Aber auch diese Worte kamen nicht an, vermochten nicht, Ian zu beruhigen. Und dann kam ein Angriff auf sein Herz und wieder bäumte sich alles in Ian auf. Jemand trachtete nach seinem leben und wieder, wieder war da nichts, was er hätte ausrichten können. Dabei musste er überleben, denn er war nicht alleine. Da war Eowyn. Ein Virus. Va’art.

Du bist auf Va’art.

Und da endete der Angriff sein Herz.

Es war kein Angriff gewesen.

Eowyn. Eowyn und ihre Tiefschlaftrance. Da spürte er wieder ihre Hände und dann spürte er seine Erschöpfung bis es sich anfühlte, als würde sein Kopf ganz leicht und dann fiel der ehemalige Sith in einen tiefen Schlaf.

Allein die Trance verhinderte, dass sein eigenes Husten ihn nicht erweckte, doch schlussendlich drang Eowyns Stimme in sein Bewusstsein und was der Husten nicht hatte erreichen können, erreichte nun Eowyn. Und als er wach wurde, wünschte sich Ian nichts anderes zurück, als den Schlaf. Wenn er sich gestern noch erschöpft gefühlt hatte, war das nichts im Vergleich zu dem, was er jetzt spürte. Die Kälte war zurück, aber neben sie und die Erschöpfung hatte sich etwas anderes hinzugesellt. Die Nacht war überstanden, keine Frage, aber das Wach sein war nicht überstanden und ein Husten schüttelte Ians Körper durch und das Atmen bereitete ihm Schmerzen. Automatisch ging sein Atem flach und schnell und es fühlte sich an, als würde sein Puls rasen.
Dennoch zwang Ian sich zu einem Lächeln, das völlig fehl schlagen musste.

„Das würde mich freuen, wenn der heutige Tag sich nicht schlimmer anfühlen würde“, rückte er also mit leicht rasselnder Stimme, mit der Wahrheit heraus und fühlte sich elend. Hatte es aufgehört zu regnen? War es schon Tag? Ian versuchte seine Machtfühler auszustrecken, aber diese winzige Prozedur war derart anstrengend, dass er es gleich sein ließ. Wenn sein Puls raste, funktionierte auch Morichro nicht, wie ihm schlagartig bewusst wurde. Sein schneller Atem sprach auch dagegen. Wunderbar, wirklich wunderbar, das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Der Versuch seinen Atem auf normalem Weg zu beeinflussen wurde mit einem stechenden Schmerz in der Brust beantwortet. Wenn das Atmen ihm derartige Schmerzen bereitete, brauchte er nicht einmal eine ärztliche Diagnose. Die eigene Hand auf die Brust legend, spürte er, was da war und was war gefiel ihm überhaupt nicht. Das kühle Nass, der Dauerregen, die Strapazen der nun mehr sechs tage hatten Ihren Tribut gefordert. Vielleicht war es unklug gewesen, seinen Körper all die Tage mit der Macht zu beeinflussen. Sicher war es unklug gewesen.
Bitte sag mir, dass der Regen aufgehört hat.“ Und unterschwellig drang die Bitte mit, dass sie bloß belügen sollte, wenn dem nicht so war. Sie mussten den Notruf absetzten. Sie mussten und das schnell. Der nächste Husten erfasste bebend, Ians Körper, bereiteten ihm zusätzlich Kopfschmerzen.
„Hast du diese Nacht gut überstanden?Zu gerne hätte er sich voll und ganz auf Eowyn konzentriert, aber der Schmerz lenkte ihn ab und fast wünschte er sich in die verfluchte Trance zurück.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro
 
Zuletzt bearbeitet:
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit einem nervig hustenden Ian und Yaro

Bevor Ian überhaupt antworten konnte wurde er von seinem Husten durchgeschüttelt. Was für ein herzliches Begrüßungsgeschenk. Vielleicht hätte sie ihn doch noch länger schlafen lassen sollen. Als er das Husten überstanden hatte stellte Eowyn fest, dass auch seine Atmung nicht mehr normal war. Schneller, als sie hätte sein sollen. Bekam er nicht genug Luft? Stirnrunzelnd verlagerte sie ihre Hand in Richtung seiner Stirn. Wenn sie sich nicht irrte war sie noch wärmer als gestern. Sithspawn.
Schlussendlich bestätigte Ian ihren Verdacht. Die Grimasse, die er zog, war nicht eindeutig irgendeiner Emotion zuzuschreiben, aber seine Aussage war schlimm genug. Schlimmer... Und nun? Sich selbst zu heilen war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, weil man es schließlich nicht schaffte, sich ausreichend zu konzentrieren. Zumindest in dem Zustand, den Ian nun erreicht hatte. Blieb also nur, abzuwarten und zu hoffen, dass sein Körper es von alleine schaffen würde.
Fantastische Aussichten.
Konzentrieren... Er konnte sich nicht konzentrieren. Morichro.
Verdammt.


Besorgt betrachtete Eowyn ihn. Nein, er sah gar nicht gut aus. Vielleicht sollte er noch einmal ein wenig schlafen, zumindest, bis sie etwas zu essen gefunden haben würde... Der Energieriegel. Erst einmal sollte er die Energieriegel essen - sie waren vermutlich vorerst das Beste, was er kriegen konnte. Der Regen? Auf den Regen hatte sie nicht geachtet, als sie eben kurz einen Blick nach draußen geworfen hatte. Hatte es geregnet...? Sie dachte nach, und nach kurzem Zögern nickte sie. Ich glaube, es hat aufgehört... Oder ist zumindest besser geworden. Wenn der Regen tatsächlich nachgelassen hatte, dann sollte sie die Nachricht abschicken. Sie hoffte, dass sie nicht viel kaputtmachen konnte, denn Ian würde ganz sicher nicht mitkommen. Muss ich beim Komgerät irgendetwas beachten?
Sie kam sich so fürchterlich hilflos vor, als Ian wieder hustete. Was konnte sie nur tun, um ihm zu helfen, im alles zu erleichtern? Nichts, es gab einfach nichts... Sacht drückte sie ihm die Hand, als er sich wieder beruhigt hatte. Du solltest nicht so viel sprechen. Und was mich angeht, ich bin sicher fitter als du, mir geht es gut. Was aber, zugegebenermaßen, auch nicht so schwierig war.
Eowyn griff nach der Flasche und reichte sie Ian. Trinken... er musste viel trinken. Wenn sie schon nicht viel tun konnte, das konnte sie überwachen, und das würde sie. Ebenso nahm sie den halben Energieriegel aus ihrem Gürtel und legte ihn neben Ian.
Wenn du kannst, solltest du etwas essen. Ich weiß, es ist vermutlich fürchterlich anstrengend, aber du musst irgendwie bei Kräften bleiben. Ich ziehe nachher los und suche uns etwas fürs Mittagessen...
Sein Griff an seine Brust vorher war ihr nicht entgangen, und obwohl er wirklich nicht viel reden sollte, er kannte sich besser als sie. Sie musste nachfragen, es beunruhigte sie viel zu sehr. Was denkst du, was los ist? Kannst du nicht atmen? Sie wollte ihn eigentlich nicht mit Fragen bombardieren... aber wie sollte sie sonst wissen, was los war? Ist dir noch kalt? Wenn ja, dann solltest du vielleicht auch deine anderen Sachen zusätzlich anziehen. Und ich weiß nicht... vielleicht solltest du noch etwas schlafen, wenn du kannst. Die Trance würde sie ihm vorerst einmal nicht vorschlagen. Sie wollte ihn nicht noch zusätzlich stressen, nach dem, was gestern Abend geschehen war. Heute Abend würde es vielleicht nützlich sein, aber tagsüber wollte sie ihn nicht unnötig quälen. Obwohl Eowyn sich wirklich nicht sicher war, was besser war - quälende Alpträume, Fieber und Husten, oder der Schrecken der Trance... Nur war Ian erwachsen. Er wusste, welche Optionen er hatte.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro


Der Regen hatte aufgehört? Ian atmete – soweit ihm das gelang – erleichtert durch. Das war ein gutes Omen, ein verdammt gutes Omen, dass genug Kraft hatte, seine lauen ein wenig anzuheben.
Gut“, sagte er und klang dabei so erleichtert, als hätten sie den Notruf schon abgesetzt, als sei Rettung schon direkt vor dem Turm. Allerdings würde er sie das Kom in keinem Fall alleine betätigen lassen. Nicht, weil er ihr das nicht zutraute, aber die Spannung der Energiezelle war zu hoch und die Wahrscheinlichkeit einen gehörigen Stromschlag verpasst zu bekommen lag nahezu bei einhundert Prozent. Wenn es denn funktionierte, wenn das die Zelle das Gerät nicht sofort zu einer kleinen Explosion brachte. „Musst du und deswegen werde ich mitgehen.“ Auch wenn die Treppe ein Hindernis darstellen würde. War aber der regen verschwunden und die Sonne endlich aus ihrem versteck hervorgekrochen, würde es oben ohnehin viel wärmer sein und damit auch besser.
„Ich weiß nicht… ob es funktionieren wird, die Spannung. Es wird kaputt gehen, es muss schnell gehen. Und wer es anfasst“ und damit kam sie schon nicht mehr in Frage, „bekommt gehörig eine gewischt“, presste er zwischen zwei, drei Hustenanfällen hervor.

Nicht so viel zu sprechen war nicht die schlechteste Idee, aber was am meisten helfen würde wäre weniger zu atmen, denn das bereitete die größten Schwierigkeiten. Dennoch, ein prüfender Blick wanderte zu Eowyn um herauszufinden, ob sie wirklich fit war. Fitter als er in jedem Fall, das stand außer Frage aber ihm gefiel der Gedanke nicht, dass sie alleine losziehen würde um etwas Essbares zu finden. Was wenn wieder eines dieser Würmer auftauchen würde? Er wollte widersprechen, aber da kam der Husten zurück, in einer Heftigkeit, die dafür sorgte, dass Ian sich schlussendlich, nach dessen Ende, noch viel erschöpfter gegen die Wand lehnte, mit dem Gefühl, gerade einen Marathon gelaufen zu sein. Was los war? Sein Blick wanderte gen Boden. Jetzt war sicher nicht der richtige Zeitpunkt sie zu belügen und auch nicht der richtige Moment, den Starken zu mimen.
Lunge“, war das Stichwort. Es fühlte sich an, wie eine Lungenentzündung und Ian benötigte nicht einmal die Macht um sich eine Bestätigung dafür zu holen. Rasselnder Atmen, flache, schnell Atmung, Schmerzen bei diesem. Eine andere Diagnose kam kaum in Frage. Irgendetwas Beruhigendes musste Ian dennoch in seine Stimme legen, auch wenn ihm fast im Vorhinein klar war, dass er Eowyn nun kaum beruhigen würde. „Ich kann atmen.Bloß schmerzte es, was er hingegen nicht erwähnte, stattdessen deutete er zu Treppe. „Da ist es wärmer. Da müssen wir so oder so hoch.“ Danach war genug Zeit zu schlafen und sich auszuruhen. Aber zuerst mussten sie den Notruf absetzen, denn dieser hatte oberste Priorität und Ian würde keine ruhige Sekunde verbringen, ehe das nicht getan war. Also rappelte er sich mühsam auf, hustete, hatte das dringende Bedürfnis einmal auf den Boden zu speien, tat genau das aber nicht. Lieber seufzte er.Also los.“ Und da er alles andere als sicher stand, hielt er sich schlicht an der Wand fest.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Eowyn konnte nicht glauben, was sie da gerade hörte. Er erstickte beinahe, hatte wer wusste wie hohes Fieber, aber natürlich, er würde mitgehen. Alles klar, kein Problem... hatte er noch alle Gläser im Regal?!? Es war nichts Neues, dass sie nicht wussten, ob es klappen würde. Und es war auch nichts Neues, dass es schnell gehen musste. Was neu war, war die Tatsache, dass das Betätigen des Schalters wohl nicht ganz ungefährlich war, aber das - machte - es - nicht - besser. Ganz und gar nicht. Sie sollte nicht sauer auf ihn werden, das machte es auch nicht besser, aber sie war drauf und dran, auf dem besten Weg dorthin zu sein.
Du bist noch nicht so weit, dass du wiederbelebt werden müsstest, meinte sie genervt. Du glaubst also, du steckst das einfach weg, ja? Es gibt keinen Grund, dass ich das nicht übernehmen könnte, und das hat jetzt nichts mit Stolz oder dergleichem zu tun. Begreifst du nicht, dass du krank bist, und dass deine einzige Aufgabe momentan darin besteht, gesund zu werden, so dass ich mir weniger Sorgen um dich machen muss? Ein wenig fies war es schon, die schlechte-Gewissen-Karte auszuspielen, aber ansonsten hatte sie ja keine Chance. Ian, ich schaffe das schon, fuhr sie dann ruhiger fort, du solltest dich wirklich nicht verausgaben, wenn es anders geht. Bitte. Drängend und bittend sah sie ihn an. Was würde sie denn tun, wenn das Fieber stieg und stieg? In einer Krankenstation würde sie sich keine Gedanken machen, aber hier sah das ganz anders aus.

Der Husten bewies schließlich deutlich, von was sie sprach. Das gefiel ihr alles nicht, es wäre ihr sogar sehr Recht gewesen, wenn sie dieses Mal falsch lag. Bloß befürchtete sie, dass das nicht der Fall sein würde.
Lunge - meinte er eine Lungenentzündung? Eowyn wurde kalt, kälter noch, als es ohnehin schon war. Mit einer Erkältung oder dergleichem hätten sie klar kommen können. Aber eine Lungenentzündung? Das war... das war doch einfach nicht fair! Auf Denon hatte sie genug Erfahrung damit sammeln können um zu sehen, dass eine Lungenentzündung selbst unter halbwegs gesicherten Bedingungen wirklich ernst zu nehmen war. Und hier, mitten im Nirgendwo? Es
konnte alles gut gehen... aber was noch geschehen konnte, daran wollte sie nicht denken.
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Das ist schön zu hören. Wahnsinn, atmen. Wenn nicht hätte sie das ohnehin schon längt bemerkt... Aber es war nett von ihm, dass er versuchte, sie bei Laune zu halten. Nur sollte er jetzt eigentlich all seine Kraft auf sich selbst verwenden. Aber du musst mich nicht schonen.

Er hatte seinen Plan wohl immer noch nicht aufgegeben. Ja, vielleicht war es da oben wärmer, vielleicht aber auch nicht! Und wo wollte er sich hinlegen, da oben war sicher alles nass. Außerdem, bevor er sich beschwerte, dass es hier unten so kalt war sollte er sich vielleicht lieber einmal mit den Sachen einpacken, die er zur Verfügung hatte. Aber bevor sie etwas sagen konnte stand er auch schon völlig wackelig an der Wand. Fantastisch. Und das Problem war, dass er nun wirklich nicht die Kraft hatte, sich mit ihr zu streiten. Wahrscheinlich wusste er auch, dass sie das wusste.
Mit scharfem Blick sah sie ihn an, als sie ihre Entscheidung getroffen hatte. Pah, Entscheidung. Sie hatte ja gar keine andere Wahl.
Du bist ein verdammter, elender, sturer Kerl, weißt du das eigentlich? Zieh dir erst einmal etwas drüber. Eowyn reichte ihm das zweite Oberteil, das sie getrocknet hatte und gleich darauf ihre Robe. Und wehe, wehe, du sagst, dass das nicht nötig ist. Sie hoffte für ihn, dass er wusste, wo ihre Grenze lag. Aber das Schöne war... so lange sie wütend auf ihn war, musste sie sich keine Sorgen um ihn machen. Sie seufzte und griff nach dem kleinen Komgerät. Also los, ich helfe dir. Und er sollte es bloß nicht wagen, sich dagegen zu wehren. Sie sah doch, dass er beinahe umkippte.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro

Eowyns Sanftheit schwand dahin, um einem sehr genervten Tonfall Platz zu machen. Einfach so wegstecken? Als hätte er das mit einer Silbe erwähnt. Er strengte sich schließlich nicht einmal sonderlich an um zu vergeben, dass es ihm alles andere als gut ging. Schließlich hatte sie schon vorhin erklärt, dass es kaum etwas brachte, den Starken zu mimen, was er doch eingesehen hatte. Als wäre es jetzt hilfreich, an sein Gewissen zu appellieren. Als würde er hier unten, in diesem kühlen Raum gesünder werden, als dort oben. Zugegeben, Ian bedachte nicht, dass oben ein teil des Daches fehlte und alles nass sein musste. In seiner getrübten Vorstellungskraft schien oben die Sonne und Sonne spendete nun eben mal wäre und er fror. Es bestand doch kein Zweifel, dass es Eowyn gelang, das verfluchte Kom zu aktivieren. Aber begriff sie denn nicht, dass es ihm fern lag, dass sie diejenige war, die einen gehörigen Stromschlag bekam? Und was, wenn es nicht funktionierte? Dann stünde Eowyn alleine dort oben mit dem unsäglichen Gefühl wieder einmal versagt zu haben. Übernahm hingegen er diese Rolle. „Ich wollte doch bloß“, aber der Husten sorgte dafür, dass sein Satz nicht zu beenden war.

Ihr gezwungenes Lächeln und den darauf folgenden Satz, dass er sie nicht schonen musste, hätte Eowyn sich wirklich sparen können und so seufzte Ian resigniert, was weitaus weniger anstrengend war, als zu einem Gegenargument auszuholen. Dabei hätte ihm ein ‚Du machst mich wahnsinnig‘ direkt auf der Zunge gelegen. Da oben war es wärmer, was noch immer seiner eigenen Logik entsprang. Ein kleiner Hinweis darauf, dass oben alles pitschnass sein musste, hätte wesentlich mehr gebracht. So aber rappelte Ian sich auf, was wiederum die nächste Welle des Unmuts von Eowyn heraufbeschwor.

„Bei allen Planeten“
, entfuhr es Ian letztendlich doch ein wenig schärfer als beabsichtigt, „du könntest auch einfach sagen…“, ein weiteres Husten folgte, was die Wirkung des ganzen Satzes zunichtemachte,das ich hier unten bleiben soll!Streit war das letzte was er jetzt wollte, und so lehnte er sich gegen die Wand, schloss kurz die Augen und versuchte den aufkommenden Schwindel nieder zu kämpfen und das Husten. Ein Unterfangen, dass zum Scheitern verurteilt war und so ließ er sich, an der Wand entlang gleitend, wieder auf dem Boden nieder um gefühlt, noch rasselnder zu atmen.
„Ich weiß nicht ob es funktioniert“, wiederholte er nun wieder in angemessenem, fast entschuldigendem Tonfall. „Lass es los, wenn du die Nachricht gesendet hast. Sofort. Bitte.“ Am besten ließ sie es gleich fallen um zu verhindern, was ohnehin kaum zu verhindern war. Bei dem Gedanken, dass Eowyn den gehörigen Stromschlag verpasst bekommen würde, presste Ian für einen Moment die Zähne zusammen und widerstand dem Drang, noch einmal zu versuchen, aufzustehen. Die Treppe war ein Hindernis zu viel, er sah es ja ein. Und helfen? Sicher unterschätzte er nicht ihre Fähigkeiten, aber die Treppe musste nur zusammenstürzen und das wollte Ian nicht herausfordern. Nicht, wenn sie beide hinauf mussten. Wäre diese Treppe nicht da, Eowyn hätte toben können, wie viel sie auch immer wollte. „Und jetzt geh“, kam es dann fast schon wieder unfreundlich, viel eher aber widerstrebend. „Bevor ich es mir anders überlege.“

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eowyn und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Jetzt, wo er es sagte... so wortwörtlich hatte sie das nicht gesagt. Das mit dem unten bleiben. Aber musste sie es so deutlich sagen, damit er es verstand? Offensichtlich. Und ja, musste sie, er war krank. Er dachte nicht mehr rational. Was ein Problem war, denn wie sollte sie ihm genau das klarmachen, ohne, dass er dachte, sie wollte ihn bevormunden? Was ja in dem Sinne nicht so falsch war, aber doch sicher nicht deshalb, weil sie gerade Lust darauf hatte.
Das Letzte, was sie wollte, war jetzt mit Ian zu streiten, ihn noch mehr zu schwächen oder ihn gar irgendwie auf dumme Gedanken zu bringen. Das war der Grund gewesen, weshalb sie letztendlich nichts mehr gegen sein Vorhaben eingewandt hatte. Irgendwie war sie erleichtert, dass er es nun doch aufgab, aber der andere Teil in ihr hatte ein schlechtes Gewissen. Er war so schwach, so sehr an seinen Grenzen. Sie musste es doch irgendwie anders schaffen, dafür zu sorgen, dass er sich nicht verausgabte. Wieso schaffte sie das nur, indem sie ihn anpflaumte?
Sie biss sich erneut auf die Lippen.
In Ordnung. Tut mir Leid... Sie holte tief Luft. Es wäre besser, wenn du hier unten bleibst, du brauchst die Kraft und oben ist es sicher ohnehin nur völlig nass und schlüpfrig. Besser so? fragte sie leise, während sie sich allerdings sicher war, dass er das so einfach nie akzeptiert hätte.
Sie brauchten irgendeine andere Möglichkeit der Kommunikation. Und sie selbst musste sich endlich einmal zusammenreißen.


Eowyn nickte. Ich verspreche es. Nicht, dass Ian mittlerweile auf sie gehört und sich wärmer angezogen hätte, aber sie würde nichts mehr sagen. Sie konnte nicht mehr tun, als ihn darauf aufmerksam zu machen. Er war kein kleines Kind mehr, und so lange er bei Bewusstsein war, da war es seine Entscheidung. Sie hatte ihn zwei Mal darauf hingewiesen, was sollte sie sonst noch tun, ihn selber in die Klamotten zwängen? Nein. Sie konnte nicht sehen, wie er litt, aber sie konnte ihn andererseits auch nicht zwingen. Sie war hilflos, so einfach war das. Wenn er nicht wollte, dann würde er nichts tun. Oder andersherum.
Aber wenigstens für frische Luft konnte sie sorgen, und vermutlich würde die Luft von draußen auch ein wenig wärmer sein als hier drinnen. Bevor sie also die Treppen hochstieg öffnete sie die Türe und legte den Rucksack so hin, dass sie nicht zugehen konnte. Immerhin war es so auch ein wenig heller. Dann murmelte sie ein
bis gleich und begann vorsichtig, die Treppe hochzugehen.

Hieß aus dem Blickfeld von Ian auch, dass er nichts mehr von ihr mitbekam? Vermutlich. In seinem Zustand reichte seine Wahnehmung vermutlich nur einen Steinwurf weit. Und zwar einen, den er momentan werfen konnte.
Kurz lehnte sie sich an die Überreste der Wand und schloss die Augen. Sie machte sich Sorgen. Verdammt große Sorgen. Verzweifelt versuchte sie schon die ganze Zeit, sich an alles über Lungenentzündungen zu erinnern, aber die Sachlage war anders gewesen. Gerätschaften, Medikamente. Brianna. Wärme, Betten... Und sie hatten gerade einmal ihr blödes Lichtschwert und zwei Wasserflaschen. Sie konnte das Fieber senken... und sie hatte Brianna hin und wieder zugesehen, aber sie würde es vermutlich nicht wieder zusammenbekommen.
Egal. Das war nun nicht die Aufgabe, und je länger sie hier oben blieb, desto ungeduldiger würde der Patient unten werden. Also brachte sie es wohl am Besten schnell hinter sich. Sie überlegte, das Komgerät auf den Boden zu stellen, so war die Gefahr eines Schlages vielleicht geringer, aber was, wenn es am Ende am fehlenden Meter scheiterte? Darauf kam es nun auch nicht mehr an.
Jetzt galt es nur noch, nichts Auffälliges zu sagen... sich nicht auffällig zu verhalten, sich gut zu verstellen.


Na, wenn sie etwas konnte, dann das.

Glücklich... sie war glücklich, sie war im Urlaub, sie war bei ihrer Familie.
Ian. Sie hatte Ian.
Ian,
ihr Ian, der Ian, der sie so wunderbar erfüllte.
Mit dem sie die nächsten Wochen, Monate verbringen würde. Irgendwie.
Der sie glücklich machte.
Der sie zum Lachen brachte.


Ein echtes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und Eowyn holte tief Luft und drückte den Knopf. Es musste funktionieren. Es musste.
Hallo, Eleonore! Ich bin's, Eowyn. Ich bin noch im Urlaub von Coruscant, du weißt, ich wollte meinen Bruder besuchen. Wir waren schon auf dem Rückweg, aber er wollte noch auf Va'art vorbei, vielleicht weißt du es, seine Flitterwochen waren hier... Jedenfalls hatte meine Tochter keine Lust und ist schon mal alleine los. Kannst du ihr die Wohnung aufschließen? Ich hoffe, du kriegst die Nachricht, du kennst mich, ich und Techn... Shavit! Verdammt noch mal! Das nutzlose Gerät landete mit voller Wucht auf dem Boden, weil sie es von sich schleuderte, während Eowyn versuchte, das elende Gefühl dieses höllischen Stromschlages unter Kontrolle zu bekommen. Nach ein paar Sekunden wurde es besser, und sie atmete wieder tief durch. Ian hatte Recht gehabt - aber das war unwichtig. Die viel wichtigere Frage war, hatte es funktioniert? War jetzt ihre Nachricht da draußen? Passte jemand im Orden auf, achtete auf Stimmmuster und dergleichen? Jetzt war es vorbei. Sie hatten getan, was sie konnten. Jetzt hieß es abwarten.

Einen Moment genoß sie noch die Stille hier oben, dann schnappte sie sich das nutzlose Komgerät und tastete sich vorsichtig nach unten.
Mir geht's gut, mach dir keine Sorgen... Der Schlag war nichts gewesen zu dem, was Ian vermutlich noch erwartete. Die Nachricht ist weg. Hoffe ich.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro




Oben war es sicher nass und schlüpfrig? Es dauerte einen ganzen Moment, ehe diese Tatsache wirklich ankam. Das fehlende Dach, natürlich. Oben würde es vielleicht wärmer sein, aber sicher nicht trockener und wenn der Rege wieder begann, würde es da oben ungemütlich werden. Allein schon, wenn ein Wind aufkam. Wer war hier demnach manchmal dumm? Mit geschlagenem Blick wandte Ian sich kurz ab, gab ein grummelndes Geräusch von sich. Besser als der erste Vorwurf, klang diese Bitte allemal und so rang Ian sich zu einem Lächeln durch
. „Zumindest netter,“ und da schloss er auch schon wieder die Augen, atmete, hustete, widerstand erneut dem Bedürfnis auf dem Boden zu speien. Erst, als Eowyn versprach, sich wirklich zu beeilen, sah er sie wieder an, ernst und nickte. Gut! Vielleicht war jetzt auch zu ihr durchgedrungen, dass er sich Sorgen machte und das nicht nur wegen des Schlages. Es musste funktionieren den Notruf abzusetzen, es musste. Schon allein deswegen, weil sie diejenige war, die den Versuch starten würde. Ein Erfolg musste sein, etwas anderes durfte schlicht nicht in Frage kommen. Wenn es funktionierte, war Eowyn diejenige, die den größten Erfolg erzielte, eben, weil ihre Nachricht ankam und für Ian war es wichtig, dass Eowyn diesen Erfolg bekam. Nach allem was geschehen war, nach allem, was sie gesagt hatte, ja, nach jedem Gefühl das sie benannt hatte, musste es funktionieren. Vielleicht würde das für sie etwas besser machen, ihr einen Auftrieb geben, etwas verändern. In jedem Fall aber würde es ihr gut tun, zumindest war das die große Hoffnung des Dunkelhaarigen.

Ian nickte schwach, als Eowyn sich auch schon nach oben bewegte und versuchte das verdammte Kleidungsstück überzuziehen nur um sich im ersten Moment darin zu verheddern, weil er versuchte, sich auf Eowyn zu konzentrieren, was schlichtweg misslang. Wenn da sonst die Möglichkeit gewesen war, seine Machtfühler auszustrecken, war da jetzt nichts. Genau das, was Eowyn ein paar Minuten – oder Stunden – zuvor auch schon zugegeben hatte. Wieder folgte ein Grummeln, das nun viel eher wütend war und schlussendlich gelang es dem Dunkelhaarigen doch, das verflixte Kleidungsstück überzuziehen. Dabei war es alles andere als angenehm, die Arme zu heben und noch viel unangenehmer, sich ein wenig zu strecken. Gab er der Wahrheit die Ehre, waren beides schmerzhafte Prozesse und als er endlich dicker angezogen dasaß um sich schlussendlich noch die Robe Eowyns überzulegen, war Ian so müde, dass ihm die Augen zufielen, bevor ihn ein weiterer Hustenreiz übermannte. Das Fieber stieg, während er wegdämmerte und erst Eowyn riss ihn aus dem Halbschlaf, aber nicht richtig, was es extrem verkomplizierte, ihre Worte zu verstehen.

„Du musst aufpassen“, murmelte er stattdessen, Zeichen dafür, dass er offensichtlich nicht ein Wort verstanden hatte, das nichts angekommen war und dann fielen ihm auch schon wieder die Augen zu. Wenigstens erleichtere die sitzende Schlafposition das Atmen, doch neben den wohl rasselnden Geräuschen drang immer wieder so etwas wie ein leises Stöhnen aus Ians Kehle.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Ians Augen waren geschlossen, als Eowyn vorsichtig die Treppe hinunterstieg. Immerhin hatte er es geschafft, sich wärmer anzuziehen, das war schon einmal ein großer Fortschritt. Ein Rückschritt hingegen war wohl sein Zustand. Seine Reaktion auf ihre Auskunft war nicht das, was sie erwartet hatte, und nach schnellen Schritten kniete sie neben ihm. Er hatte offensichtlich kein Wort von dem, was sie gesagt hatte, verstanden. Hatte er überhaupt begriffen, dass sie schon weggewesen war? Ich passe auf... sagte sie dennoch sanft. Auf dich, fügte sie in Gedanken dazu.
Ihre Hand an seiner Stirn bestätigte es. Sie hatte keine Ahnung, wie hoch seine Temperatur mittlerweile war, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es zu viel war. Nein, nein... es musste aufhören. Sie hatte lange genug gewartet. Er war noch nicht einmal mehr ansprechbar... Das Fieber musste herunterkommen. An Folgen wollte sie nicht denken.
Immerhin, das konnte sie.
Eowyn lehnte sich neben Ian mit einer Schulter an die Wand und begann wieder, den Kontakt herzustellen. Im Fieber senken hatte sie wirklich genug Erfahrung, dass sie sich sicher sein konnte, es ohne Fehler zu schaffen. Dieses verdammte Fieber würde nicht unter ihren Fingern steigen und steigen, so viel es wollte. Da hatte es die Rechnung ohne sie gemacht.
Sie hörte auf, bevor sie es völlig gesenkt hatte. Ian brauchte die Reaktion, sie würde einfach immer wieder nachsehen müssen, ob es wieder gestiegen war.

Die Frage war, was nun? Eigentlich brauchte er Ruhe. Ruhe und Heilung... Sie war ohnehin schon dabei, da konnte sie vielleicht... Eowyn versuchte, ihre Fühler im Lungenbereich auszustrecken. Herauszufinden, was los war, was sie tun konnte. Wo die Probleme saßen, wer oder was die Probleme verursachte. Aber ein "Blick" darauf zeigte, wie sehr sie davon überfordert war. In seiner Lunge war die Hölle los. Welche Reaktionen waren richtig, was musste sie unterstützen? Was musste sie verhindern? Es konnte sein, dass sie helfen würde... es konnte auch sein, dass sie alles nur noch viel schlimmer machte. Nein. Es war zu riskant, sie würde es niemals schaffen. Dafür brauchte es jemanden, der genug Erfahrung mit dem Heilen gesammelt hatte.
Blieb noch die letzte Frage, Trance ja oder nein. Er wusste nicht, was los war... Nein. Einerseits brauchte er den Schlaf und die Ruhe so dringend, aber andererseits... wenn er noch immer nicht ganz bei sich war, wer wusste dann schon, ob sie ihn nicht völlig irgendwo hineinreißen würde?

Resigniert zog sie sich von ihm zurück. Viel helfen hatte sie nicht können... aber es war besser als gar nichts. Das Problem war nur, dass sie nun vorerst auch nicht den Turm verlassen konnte. Sie würde ihn sicher nicht aus seinem... Schlaf, Dämmerzustand oder was auch immer herausholen, um ihm zu sagen, dass sie ging. Aber sie konnte auch nicht gehen - was, wenn er aufwachte, sie war nicht da und er erinnerte sich nicht, dass sie etwas sammeln gehen wollte? Und noch viel schlimmer... was, wenn er akut ihre Hilfe brauchte? Mit einer Tiefschlaftrance hätte es vielleicht anders ausgesehen. Sie war etwas... berechenbarer. Aber so - auf gar keinen Fall.
Etwas stubste sie am Bein an, und Eowyn versuchte mühsam, den kleinen Kerl anzulächeln.
Du kannst nicht zufällig ein paar Früchte für uns zusammentragen, oder? Sie seufzte. Nein, das habe ich mir schon gedacht... Sie nahm Yaro auf den Schoß. Yaro, was soll ich nur machen? Seine großen Augen starrten sie verständnisvoll an. Was mache ich, wenn es nicht besser wird? Was mache ich, wenn es immer schlimmer wird? Was mache ich, wenn der Notruf nicht ankam - oder wir zu spät gerettet werden? Ian hustete vor sich hin, gab stöhnende Geräusche von sich, die überhaupt nicht gut klangen. Wann würde "zu spät" sein? Es ist doch nur eine dumme Lungenentzündung... flüsterte sie dem Tier schließlich ins Ohr. Das kann, das darf doch einfach nicht schief gehen, oder? Sie fühlte sich plötzlich wieder wie mit 13 - hilflos, alleine, sorgend. Solche Gedanken durfte sie erst gar nicht zulassen. Es war nur eine Lungenentzündung. Nur eine Lungenentzündung... Es gab Schlimmeres. Er würde das schon schaffen, er war stark...
Und da es nun nichts anderes mehr zu tun gab, als auf ihn Acht zu geben blieb sie an die Wand gelehnt sitzen, Ian im schwachen Tageslicht von draußen betrachtend und sich an Yaro haltend. Das Warten und Beobachten war wohl das Allerschlimmste.


Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro

Da war kaum etwas, das Ian wahrnahm, eigentlich fühlte es sich so an, als sei seine ganze Welt in Watte gepackt. Dumpf drang die Stimme Eowyns zu ihm, ohne dass sie ihn wirklich erreichte. Selbst die Kälte war nur noch am Rande wahrnehmbar und irgendwann verschwamm alles und dem Halbschlaf folgte der richtige Schlaf.

***
Schon von weitem war das Gebäude zu erkennen. Auch wenn es nicht vergleichbar mit dem Tempel auf Coruscant war – wie Eowyn schon unzählige Male erwähnt hatte – es war doch von den anderen zu unterscheiden. Nicht etwa, weil es von außen sonderlich viel hergeben hätte, nein. Aber das, was es ausstrahlte, machte es zu dem, was es war: Der Jedi Basis auf Lianna.
Es war seltsam diesen Boden zu berühren. Ein Boden, den die Füße eines Sith sicher nicht berühren sollten. Auch nicht die, eines ehemaligen Sith. Es war so, als würde Ian den Boden entweihen, zumindest fühlte es sich genauso an. Da waren unzählige Präsenzen die wie grelle Farben schimmerten und am liebsten hätte Ian die Augen geschlossen. Aber er musste in dieses Gebäude und vielleicht entweihte er es nicht, wenn er sich abschirmte? Sich nicht als das zu erkennen gab, was er einst gewesen war? Mit einem Mal kam er sich noch größer vor, als er eigentlich war, plump, als wäre er ein zu groß geratener, unförmiger Gegenstand und wenn er auch mit seiner eigenen Präsenz nicht auffiel, dann sicher mit seiner Art zu gehen. Und je näher er dem Gebäude kam, desto schlimmer wurde sein Gang und als ihn die ersten Blicke trafen fühlte Ian sich ausgeliefert. Verloren. Etwas in ihm schrie ihm beständig zu wieder umzukehren, da ihn niemand anhören würde. Doch er wehrte sich dagegen, denn die Dringlichkeit seiner Botschaft war nie wichtiger gewesen. Außerdem war da Eowyn die zumindest einen Teil der Eindrücke, die ihn zu erdrücken schienen, absorbierte und das allein mit ihrer Präsenz. Dabei hatte sie nicht die gleiche Farbe wie all die anderen. Farben. Eindrücke. Am liebsten hätte Ian die Augen geschlossen. Die Blicke der anderen veränderten sich und bildete er es sich nur ein, oder starrten die anderen ihn an? Durchbohrten ihn mit ihren Blicken? Erkannten, das er keiner von ihnen war? Je mehr sie starrten, desto unsicherer wurde sein Gang. Und umso schlimmer sein Gang wurde, umso schlimmer wurden die Blicke. Ein Teufelskreis. Wie viele Schritte waren es, bis er den Eingang erreichen würde? Zehn? Hundert? Tausend? Hunderttausend? Wie ein Kilometerweiter Weg kam es Ian vor und wäre Eowyn nicht in seiner Nähe, wäre sie nicht irgendwie bei ihm, er wäre sicher auf der Stelle und der Länge nach umgefallen.

Und dann erreichte er die Tür, wollte sie öffnen, aber jemand kam ihm zuvor um mit dem Finger auf ihn zu deuten. Und dann waren da viele. Alle. Und sie alle deuteten mit dem Finger auf ihn. „Du darfst hier nicht herein“, schrien sie im Chor, um schließlich auf Eowyn zu deuten. „Du darfst ihn nicht hier her bringen.“ „Er ist ein Verräter.“ „Du bist eine Verräterin, bringst einen Sith in die Basis? Einen seines Ranges?“ Sie redeten wild durcheinander und dann packten sie ihn und dann packten sie Eowyn. Eine Schneise entstand. Auf der einen Seite er und die Meute hinter sich, auf der anderen sie und die Meute hinter sich und sie alle schrien beständig. „Verräter“ oder „Verräterin.“
„Bitte, lasst mich doch versuchen zu erklären, ich muss mit Rätin Eleonore sprechen. Oder mit Chesara Syonette, oder mit…“

***


Sarid Horn“, murmelte Ian, hustete und wurde wach. „Lasst mich mit…“ Aber da blinzelte er und erkannte die Umgebung. Nicht Lianna. Va’art. Wäre der Traum nicht desillusionierend genug gewesen, wäre jetzt Resignation gekommen. Stattdessen seufzte er nur, als er Eowyn neben sich spürte. „Hat es funktioniert?“ war die wenig euphorisch klingende Frage, die nur wieder von Husten unterbrochen wurde und Ian ärgerte sich darüber, dass er erst das fragte und nicht, ob sie sich weh getan hatte. Aber dieser Traum... oder diese Vision... Nein.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Sie hatte einfach zu viel Zeit. Viel zu viel Zeit. Zum ersten Mal seit Tagen saß sie einfach nur herum, ohne Aufgabe, ohne Sinn. Selbst das Wache halten war hier drinnen eher pro forma. Diese Raupe würde hier nicht einmal mit dem Kopf durch die Türöffnung passen, und sonst war ihnen bisher nichts Gefährliches begegnet. Was nichts hieß, aber... es war schwer, dauerhaft auf Hochtouren die Umgebung zu überwachen, wenn kaum etwas geschah.
Und dabei hätte sie so viel tun können. Die Umgebung erkunden, vor allem etwas zu Essen suchen. Irgendetwas..
aktiv tun. Aber nein, sie saß hier, unfähig, den Platz neben Ian zu verlassen, so lange sie nicht sicher war, dass es in Ordnung wäre, zu gehen. So geschah es selbstverständlich zwangsläufig, dass die Sorgen und Gedanken wieder überhand nahmen. Es war nur logisch...
Aber es war dennoch äußerst nervig und zermürbend.
Vor allem, da diese Sorgen sich immer wieder im Kreis drehten. Sie kannte sie alle schon in- und auswendig. Was, wenn sie hier nicht herunterkamen? Was, wenn die Nachricht von jemandem empfangen wurde, der sie wirklich nicht hören sollte? Was, wenn es schon zu spät war? Was, wenn Ian das Schlimmste auf Lianna bevorstand? Was, wenn es Komplikationen bei seiner Lungenentzündung gab? Was, wenn sie verhungerten? Was, wenn ein Riesenwurm sie fand?
Und sogar - was, wenn alles funktionierte, wenn alles gut ausging - was dann?

Das Thema war schon einmal nicht gut ausgegangen, aber am Liebsten dachte Eowyn nun über so etwas nach als über all die anderen Dinge. Das war wenigstens kein fürchterliches Szenario sondern einfach nur... ein kleines Problem.
Ian wollte bei ihr bleiben. Ging sie einfach einmal davon aus, dass er seine Meinung nicht ändern würde - sie wollte, dass er blieb. Er konnte keinesfalls in der Basis bleiben. Er würde es nicht ertragen, und vermutlich würden die Jedi es auch nicht akzeptieren. Nein, sogar sehr wahrscheinlich. Würden sie hingegen akzeptieren, was
sie betraf? Es gab keine Regeln für Beziehungen bei den Jedi. Allerdings musste Eowyn zugeben, dass ernsthafte Beziehungen anderer Jedi sie bisher so viel interessiert hatten wie... nun, sie sagte einfach einmal "wenig". Hatte es einen Fall wie den ihren schon gegeben? Hatte es funktioniert? War es akzeptiert worden? Geistesabwesend streckte sie ihre Hand aus und fühlte wieder nach Ians Temperatur. Im Rahmen... Hoffentlich.
Im Ernst, was wollte man schon tun? Sie... degradieren? Aus dem Orden werfen? Für Letzteres gab es schließlich keinen triftigen Grund (zumindest keinen, den Ian betraf) und Ersteres... als ob sie das interessierte. Im Gegenteil. Vielleicht wäre es besser so... weniger Rampenlicht, weniger Aufmerksamkeit, weniger Verantwortung.
Ansonsten fiel ihr wenig ein, außer, dass man ihr ins Gewissen reden konnte. Sollten sie es nur versuchen. Ganz davon abgesehen, dass dafür ohnehin
niemand mehr einen Nerv haben würde, sobald Ian mit allem herausgerückt war. Ab diesem Moment waren sie beide vielleicht ohnehin nur noch Unwichtiges Beiwerk.
Ian bekam einen besonders schweren Hustenanfall, und alarmiert fuhr Eowyn hoch - aber er schwächte wieder ab, und sie sackte wieder gegen die Wand zurück.
Wie würde der Rat reagieren? Hilfstruppen... Vermutlich. Und politisch? Würde wieder Krieg ausbrechen? War der kurze, so schwer ausgehandelte Frieden damit schon wieder Vergangenheit? Sie konnte sich kaum etwas anderes vorstellen. Die Republik konnte nicht ernsthaft daran denken, dem Imperator weiter zu "vertrauen", so zu tun, als wäre nichts gewesen, als wäre nicht
er Schuld an all den vielen Toten... Die kommen würden. Die Frage war nur noch, wie viele. Sie würden den Frieden für beendet erklären müssen... Und damit wären sie wieder mitten drin im Krieg. Schon wieder.

Eowyn seufzte auf. Wie lange hatte sie in der Illusion, in der Hoffnung gelebt, dass dieser Frieden länger würde dauern können? Nicht lang genug, das war sicher. Es war doch alles... Alles umsonst. Wofür wurde seit Jahren, Jahrzehnten eigentlich gekämpft?
Ians unruhiger Schlaf lenkte sie immer wieder ab. Er sprach, aber sie verstand nichts - es waren unverständliche Worte. Jetzt aber fuhr sie zusammen - wie kam er auf Sarid? Im nächsten Moment schlug er die Augen auf, und Eowyn richtete sich auf. Er brauchte wohl einen Moment, um wieder bei ihr anzukommen - wo war er gewesen? Von was hatte er geträumt?
Wenigstens... wenigstens wusste er nun, wo er war, sein Blick war ein wenig wacher als vorhin. Ein gutes Zeichen? Oder einfach nur eine bessere Phase, der eine noch Schlimmere folgen würde? Sie sollte nicht immer so schwarzsehen.


Seine Frage allerdings war schwer zu beantworten. Hatte es funktioniert? Sie hatte keine Ahnung. Aber immerhin hatte sie den Stromschlag nicht sofort bekommen, die Nachricht musste also zumindest das Gerät verlassen haben, wenn Ian es richtig zusammengebaut hatte. Ob sie allerdings den Planeten verlassen hatte, ob sie überhaupt von jemandem gehört werden würde... Sie hatte keine Ahnung.
Aber das interessierte Ian nicht. Er wollte wissen, dass es funktioniert hatte, er wollte wissen, ob sie den Hauch einer Chance hatten.

Ja, es hat funktioniert, sagte Eowyn und bemühte sich um ein Lächeln. Mut machen. Unterstützen. Ich bin ziemlich weit gekommen in der Nachricht, bis das Ding den Geist aufgegeben hat. Du hast es wirklich gut zusammengebaut. Sie drückte sanft ermutigend seinen Oberschenkel. Und was den Stromschlag angeht... Da hab ich ja Schlimmeres beim Bau meines Lichtschwertes gehabt. Sie hatte zugegebenermaßen keine Ahnung mehr, da der Bau ihres Schwertes nun wirklich schon sehr lange zurücklag. Aber wen interessierte das? Sie griff wieder nach der Flasche und reichte sie ihm. Trinken, trinken... er musste viel mehr trinken. Was ist mit Essen, willst du einen Happen versuchen? Wie geht's dir, irgendeine Änderung?

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro


„Gut“
, war Ians kurze Antwort, die nach allem klang, aber nicht wirklich danach, dass tatsächlich irgendetwas gut war. War das von vorhin ein Traum oder vielmehr eine Vision gewesen? Dass Eowyn auf solch massive Schwierigkeiten stoßen würde, hatte er bisher nicht bedacht, zumindest nicht auf die Art seines Traums. Natürlich, was er gesehen hatte, war nur ein Szenario von vielen gewesen aber sicher eines, welches ihm absolut nicht gefiel. So ging an Ian auch vorbei, dass Eowyn sehr wohl den Stromschlag erwähnte, aber als nichtig abtat, was ihn in jeder anderen Situation sofort hätte aufhorchen lassen. „Eowyn“, fragte er stattdessen und bemühte sich seine Stimme so beiläufig wie möglich klingen zu klingen. „Wie sieht die Basis auf Lianna aus? Wie das Gebäude?Er brauchte ein wenig mehr Klarheit, vielleicht so etwas wie Gewissheit, dass irgendetwas aus seinem Traum ein Trugbild gewesen war. Besser noch: alles. Er hatte ein unscheinbares Gebäude gesehen, dass viel mehr so aussah, als gehöre es zu einer Fabrik. Kein Tempel, nichts, was imposant gewesen wäre. Und er hoffe inständig, dass Eowyn ihm genau das Gegenteil berichten würde. Wenn dem nicht so war, würde er überlegen müssen, wie sie weiter vorgingen. Wie er weiter vorging. Ob es sinnvoll war, wenn sie getrennt in die Basis liefen? Was kaum Sinn machte, da Eowyn ihn doch im Notruf erwähnt hatte. Ging er aber als ihr Gefangener, würde sie das schützen? Sicher nicht, sobald auch nur einer spürte, dass da etwas war, was Eowyn und ihn verband. Es war zermürbend, wieder einmal.

„Ich will nichts essen“, sagte er dann, um gedanklich nicht festzufahren, und fügte dann hinzu: „Aber ich weiß, das ich muss.Andernfalls würde er noch weniger bei Kräften sein. Doch Ian war, seinem Zustand zum Trotz, nicht entgangen, dass sie ein kleines Problem hatten, was die Nahrung, die sich in ihrem unmittelbaren Besitz befand betraf. Eowyn hinaus zu schicken um etwas zu suchen missfiel Ian bis zum äußersten. Dieses Riesenwurm! Keiner hatte es wahrnehmen können und es hatte Eowyn überrascht, er hatte sie geweckt. Was, wenn es sie wieder überraschen würde ohne seine Anwesenheit? Besser wieder ein Themenwechsel. Das Fieber ist gesunken“, stellte Ian fest, lächelte matt.Danke“, denn er wusste, dass dies nicht allein Verdienst seines Körpers war. „Sonst keine Änderung“, gab er zerknirscht zu. Der Husten drohte viel eher sich zu verschlimmern und diesmal nahm sich Ian ein Kleidungsstück, um hinein zu husten und vor allem, um das, was da in seinem Körper war, hinaus zu husten.
„Glaubst du…“ er wagte kaum sie anzusehen, weil er sich davor fürchtete, dass dieses Thema eskalieren konnte, aber es gelang dem Dunkelhaarigen einfach nicht, es gedanklich ad acta zu legen. „Glaubst du, die Jedi werden dich für eine … Verräterin halten, wenn du gemeinsam mit mir in der Basis auftauchst?“ Vorsichtig suchte er ihren Blick. „Glaubst du… ich sollte als dein… Gefangener oder etwas Ähnliches gehen?“ Sogleich hob Ian beschwichtigend die Hand, nur zur Sicherheit „Und bitte, ich meine… das sind nur Fragen.“ Nichts, was er schon entschieden hatte. Nichts, was er einfach so entscheiden würde. Aber etwas, worüber er so etwas wie Klarheit benötigte, auch wenn es diese kaum gab, kaum geben konnte und da seufzte er, schloss resigniert die Augen und hustete. „Du musst das nicht jetzt beantworten“, brachte Ian schließlich hervor und trank einen Schluck aus der Flasche, die sie ihm eben gereicht hatte. „Vielleicht sollte ich einfach wieder schlafen.“ Bloß hatte er wenig Lust, abermals zu träumen und noch weniger war er eigentlich bereit, jetzt über etwas anderes zu reden und da rückte er, erneut seufzend, mit der Wahrheit heraus.
„Weißt du, was zermürbend ist? Ich habe Angst dich allein da raus zu lassen und sein Blick wanderte zur Tür, „und ich habe genauso Angst was mit dir passiert, wenn du in der Basis bist und ich mit dir zusammen ins Gebäude laufe“ Dabei hatte er weitaus weniger Angst, was ihm blühen würde. „Sie werden fair zu dir sein, oder? Sie… ich meine, sie werden dich anhören, wenn du mit ihnen sprechen willst, oder? Sie… sind nicht wie die Sith.“

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Zuletzt bearbeitet:
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Ian schien die Sorgen, die er sich des Stromschlages wegen gemacht hatte, völlig vergessen zu haben. Schön... das machte es einfacher. Irritiert wurde Eowyn erst, als Ian sie nach der Basis fragte. Herrje, wie kam er denn nun darauf? Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, nicht den kleinsten, dummen Grund, weshalb er danach fragen konnte. Sie ist... langweilig. So konnte man es sagen. Aber vermutlich wollte er mehr wissen - warum auch immer, aber so lange es ihn vielleicht ablenkte... Grau, eckig... nicht mehr besonders taufrisch. Nicht allzu hoch, nur vier Stockwerke. Wie sollte man schon ein langweiliges Gebäude beschreiben? Es gibt einen Innenhof, der ist besser als gar nichts... Seit wenigen Monaten haben wir noch einen zweiten Gebäudeteil, und jetzt haben wir etwas mehr Platz... Die Zimmer sind sehr klein, Padawane müssen sich eines teilen. Jetzt gibt es auch einen schönen Garten dort, wo die beiden Gebäude verbunden sind. Das ist immerhin etwas. Ich habe dabei geholfen, den Teil zu renovieren. Staub überall... fürchterlich war das, sage ich dir. Aber warum interessiert dich das, wenn ich fragen darf? Verwundert blickte sie ihn an.

Dass er nichts essen wollte hatte sie sich beinahe schon gedacht. Aber wenigstens wusste er, was Sache war, und sie würde es dabei belassen, ihn immer wieder daran zu erinnern. Ein kleiner Happen, immer mal wieder, das war besser als gar nichts. Viel besser. Nur musste sie jetzt wirklich langsam dafür sorgen, dass sie bald Nachschub bekamen. Sie selber hatte heute noch gar nichts gegessen - das funktionierte für ein kleines Weilchen, aber sie wusste, dass ihre Grenzen bald erreicht sein würden.
Keine Änderung lag ebenfalls auf der Hand, Eowyn hatte nichts anderes erwartet. Aber man würde ja wohl noch hoffen dürfen... Sein Husten klang schrecklich, und wieder fühlte sie sich so hilflos. Es gab nichts Schlimmeres, als nichts tun zu können - und dann auch noch zusehen zu müssen, wie es immer schlimmer wurde. Als er weitersprach wollte sie ihn gerade vorsichtig daran erinnern, nicht zu viel zu sprechen, hielt dann aber inne. Sein Tonfall war zu ernst - und warum blickte er plötzlich so auffällig fort von ihr?
Verblüfft schloss sie den Mund, als er das Thema anschnitt.
Nein. Nein, das würden sie nicht. Warum sollten sie? Das würden sie nicht.

Oder?


Jetzt verstand sie zumindest, weshalb er so ernst war. Es war ihm wichtig, und weil es ihm so wichtig war musste ihre Antwort ehrlich sein. Dafür brauchte sie einen Moment. Seine zweite Frage hingegen könnte sie sofort mit einem "Nein" beantworten. Da war sie sich sicher. Ian schien wirklich Angst zu haben, dass sie überreagierte - aber sie merkte doch, dass es auf ihm lastete. Niemals würde sie ihn so vor den Kopf stoßen. Sie lächelte unsicher. Ich weiß. Ich verstehe schon... Schlafen war wirklich eine gute Idee. Vielleicht wäre das gut. Falls ich nicht da sein sollte, wenn du aufwachst, mach dir keine Sorgen. Dann bin ich nur ein wenig jagen und sammeln. Erneut lächelte sie, dieses Mal etwas fester. Dennoch blieb Eowyn weiter sitzen. Sie würde erst gehen, wenn Ian wieder schlief. So lange er wach war blieb sie bei ihm.

Nur machte er keine Anstalten, wieder einzuschlafen. Im Gegenteil. Das Kranksein schien seine Redseligkeit noch ein wenig anzufachen, und dafür war sie sogar sehr dankbar. Wenigstens etwas Positives... Auch wenn ihr seine Ängste absolut nicht gefielen. Klar hatte er hier Angst um sie, genauso, wie sie um ihn. Aber auf Lianna? Ja, sie verstand es. Und, dass seine Sorgen nicht völlig unbegründet waren und sie sie ihm dadurch nur schwer nehmen konnte machte es wirklich nicht leichter.
Sie schloss die Augen und atmete kurz durch. Das waren schließlich die Schwierigkeiten, auf die sie die ganze Zeit hatte hinaus wollen... Jetzt war es ihm bewusst geworden, und nun war es ihr auch nicht mehr Recht. Sie sollte wirklich öfter die Klappe halten.


Ich... verstehe das, sagte sie zögernd. Hoffnung machen, gleichzeitig aber ehrlich sein. Keine leichte Aufgabe. Erst einmal... nein, es hat keinen Sinn, dass wir uns irgendwie verstellen. Wie lange wird das schon funktionieren? Ein paar Minuten, höchstenfalls. Wie soll ich dich verteidigen, beschützen, wenn ich nicht die Wahrheit sage? Und du wirst nicht von mir verlangen, neben dir zu stehen und nichts zu sagen, während sich Leute, die dich nicht kennen, einfach so ein Urteil bilden. Das war das leichte Thema gewesen. Der Rest würde schwieriger werden.
Sie werden... sicher fair sein. Ja, dessen war sie sich sicher. Keiner würde sie einfach so verurteilen. Hoffentlich. Sie würden ihr zuhören. Aber was dann? Gerade eben hatte sie noch gedacht, dass sie sie sicher nicht herauswerfen würden. Weshalb auch? Sie hatte nichts Falsches gemacht. Man konnte ihr nicht vorwerfen, dass sie sich verliebt hatte... Mit welchem Grund könnte man das? Eine Verräterin... Sie dachte noch einmal darüber nach. Wen hatte sie verraten? Was? Doch nur ihre eigenen Prinzipien, aber weder die Jedi, noch die Republik. Im Gegenteil. Sie tat das, von dem sie dachte, dass es richtig war. Sie half jemandem, der ihre Hilfe brauchte. Seit wann war das Verrat? Nein. Sie schüttelte den Kopf. Das wäre absurd. Es machte keinen Sinn. Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht spielte mit hinein, dass sie auch nicht glauben wollte, aber nichtsdestotrotz - es ergab einfach keinen Sinn. Die Frage war nur, wie es weitergehen würde. Ob es langfristig funktionieren würde. Ob weiter Vertrauen herrschen würde...
Ian war ehrlich zu ihr gewesen. Verdammt ehrlich. Sie sollte es auch sein.
Ich glaube nicht, dass es drastische Konsequenzen geben wird. Erst einmal... In Ordnung, sagen wir, ich hoffe es, aber ich bin mir beinahe sicher. Ich mache nichts Falsches oder Verbotenes. Ich verrate, hintergehe niemanden. Im Gegenteil, wären wir nicht abgestürzt... Sie stockte. Das war die falsche Richtung, in die das Gespräch ging. Wäre sie nicht mitgeflogen... Geschehen war geschehen. Ich weiß allerdings nicht, wie es dann weiter gehen wird... Vielleicht werden die Probleme erst später kommen. Aber Ian... jetzt schüttelte sie energischer den Kopf und sah ihm drängend in die Augen. Das spielt keine Rolle. Egal was kommt, darauf kommt es nicht an. Ich werde nichts herausfordern, aber es ist nicht wichtig. Wichtig bist du. Wichtig ist deine Nachricht. Wichtig ist, dass wir aufklären, was hinter den Kulissen geschehen ist. Bitte, mach dir um mich keine Sorgen. Bitte. Er hatte schon genug Sorgen. Mehr als genug. Denn überleg einmal, was könnten sie schon tun? Nicht viel, und nichts, was sich nicht irgendwie aushalten ließe, akzeptieren ließe. Sie sind nicht wie die Sith.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro

Langweilig. Ian verzog das Gesicht, noch ehe Eowyn weiter sprach, denn langweilig war das Gebäude gewesen, das er gesehen hatte und jedes weitere Wort Eowyns sorgten unmerklich dafür, dass sich eine tiefe Furche direkt über seinen Augen bildete. Eigentlich ein Zeichen dafür, dass er wütend wurde, jetzt hingegen Zeichen seiner Sorge. Grau und eckig war das Gebäude gewesen, dass er gesehen hatte und es passte so hervorragend zu Eowyns Beschreibung, dass Ian alle Mühe hatte, seine aufkommende Resignation nicht gänzlich die Oberhand gewinnen zu lassen.
„Das ist…“ Ihm fehlte das richtige Wort, denn da wären nur Kraftausdrücke gewesen, die er hätte nennen können. „…einfach nicht gut.Was eine völlig nichtssagende Erklärung war. Denn was hatte ihn schon das Äußere der Basis zu interessieren? Ehrlicherweise brachte ihn diese Nachricht noch weniger dazu, ein Auge zu tun zu wollen. Wenn Eowyn vorhin pessimistisch gewesen war, drohte eben jene Grundstimmung bei Ian anheim zu fallen. Er hätte sich eine Lüge gewünscht, obwohl er Lügen verabscheute. Aber in diesem Fall hätte eine Lüge alles erträglicher gemacht, zumindest für den Moment.

Und es klang verdammt noch mal fast besser, wenn Eowyn alleine raus ging, als wenn sie gemeinsam in die Basis liefen. Was wiederrum nur ein Gedanke mehr war, der Ian nicht gefiel. Sich keine Sorgen zu machen war völlig utopisch, absolut unmöglich. Da hätte Eowyn ebenso gut verlangen können, dass sie sich direkt nach Lianna zauberten ohne ein Raumschiff betreten zu müssen.


„Ach Eowyn, sie werden sich ohnehin ein Urteil bilden.“
Lebhaft konnte sich Ian außerdem vorstellen, wie die Jedi behaupten würden, dass Eowyns Urteilsvermögen getrübt war, immerhin war das etwas, von dem Ian – noch immer ein wenig selbst – ausging. „Es ist mir egal, was sie über mich denken, das spielt keine Rolle für mich, aber…“ Wieder stockte er, nicht allein des Hustens wegen, sondern aus Mangel an den richtigen Worten. Bei dem Wort ‚Verräterin horchte Ian auf und er atmete vor Erleichterung aus – was schmerzhaft war – als Eowyn erklärte, dass sie nicht an drastische Konsequenzen für sie glaubte. Aber das Gefühl hielt nur eine einzige Sekunde. Denn tat sie wirklich nichts Falsches oder Verbotenes? Wenn der Kodex Gefühle negierte und Eowyn aber Gefühle… Nein. Diese Gedanken durfte er nicht zulassen, denn sonst hatten sie die Kraft ihm jetzt, in genau diesem Augenblick jede Hoffnung zu rauben.

„Ich mache mir zu viele unbegründete Sorgen“, presste Ian schlussendlich hervor. „Und es hört einfach nicht auf“ und dabei griff er sich an den Kopf, als könne er jene Sorgen und Gedanken einfach dadurch entfernen.
„Ich habe davon geträumt, das wir dort sind und ich weiß, es könnte nur ein Trugbild gewesen sein, aber…“ Es wäre weitaus besser gewesen einfach zu schweigen, aber Ian konnte nicht.Das Gebäude. Es sah so aus, wie du es beschreibst. Genau so.Und war es Sorge oder Angst, die da jetzt in seinem Ton mitschwang? „Ich kenne die Jedi nicht. Aber wenn sie auch nur ein bisschen sind wie wir…“ Wir? Nein. „Wie die Sith“ und er war kein Sith mehr, es gab kein Wir-Gefühl mehr, was den Orden betraf,dann…“ Wieder stockte er, als ihn die Erinnerung an Ysim einholte, sich mit seinem traum vermischte. Oder die Erinnerung an das Gespräch mit Allegious, die unterschwellige Drohung.Ich meine, sie werden dir nichts tun? Nichts… Böses.“ Wahrscheinlich ergab es keinen Sinn, seine Ängste mochten unbegründet sein, aber er war ein Sith gewesen, über Jahre hinweg, er wusste, wie man dort mit Verrätern umging oder jenen, die etwas taten, was dem Orden oder Einzelnen daraus nicht gefiel. „Sie werden dir nicht weh tun?“, war die Frage, die er ihr so angstbesetzt stellte, dass er zwecks seiner eigenen Stimme eine Gänsehaut bekommen hätte, wäre diese nicht längst da gewesen. Denn als er sich einst nicht von Alisah hatte los sagen wollen… Er konnte das aushalten, aber sie? Nein. Nein, nein! Und sein Blick durchdrang Eowyn, und er würde erkennen, wenn sie nicht die Wahrheit sagte, wenn sie versuchte, ihn zu schonen.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Eine Mischung aus Ungeduld und Beunruhigung tat sich in Eowyn auf. Von was sprach Ian da? Was war nicht gut? Dass die Basis so trostlos aussah? Sie bezweifelte doch stark, dass Ian das momentan irgendwie scherte. Auf was wollte er hinaus, was sah sie nicht? Oder waren es wirre Gedanken aus seinen Fieberträumen, unbedeutend, ohnehin nur Hirngespinste? Er klang, als wäre es wirklich nicht gut, aber das ergab einfach keinen Sinn.
Sie runzelte die Stirn, beließ es aber dabei. Dann sollte er eben unlogisches Zeug reden, sie wusste nicht, wie klar sein Kopf war. Vielleicht dachte er, dass alles völlig verständlich war, was er da sagte.


Dann aber schüttelte sie den Kopf. Sicher, sie werden sich ein Urteil bilden. Aber nicht, ohne, dass ich etwas dazu gesagt habe. Nicht einfach so. Nicht, wenn ich es irgendwie lenken kann. Ich weiß, dass es nur eine kleine Chance ist. Aber es ist eine Chance. Immerhin. Ihre Stimme wurde weicher, sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Das musste er verstehen. Unbedingt. Für dich mag es keine Rolle spielen... aber für mich tut es das. Ian, es ist mir wichtig, alleine wegen dir. Aber es ist mir auch wichtig, weil es entscheidend sein kann, wie es mit dir weitergeht. Mit uns. Mit allem. War das nicht klar, lag das nicht auf der Hand? Wie würde es ihm gehen, wenn die Menschen, mit dem er die meiste Zeit verbrachte, sie verachteten, verdammten, verurteilten?

Wieder einmal hilflos sah sie, wie Ian nun verzweifelte. Es war, als hätten sie die Rollen getauscht... War das nicht ihre Aufgabe, dieser Pessimismus, dieses Gefühl, dass einem alles über den Kopf wuchs, dass man auf nichts mehr einen Einfluss hatte, dass alles, wohin man nur schaute, dafür sorgte, dass man sich sorgte? Vermutlich musste es so sein. Vermutlich durfte nur einer von ihnen verzweifeln. Beide gleichzeitig käme einer Katastrophe gleich. Und daher, daher musste sie gelassen bleiben. Diese Sorgen, die, die gerade vor einer halben Stunde noch selber in ihrem Kopf gewesen waren, sie waren unwichtig.
Sie konnte daran nichts ändern...

Ich verstehe dich, sagte sie, um wenigstens zu zeigen, dass er nicht alleine war. Aber ich bin da. Teile deine Sorgen mit mir. Vielleicht kann ich dir ein bisschen was davon abnehmen. Oder sie sogar ganz auslöschen. Es wird aufhören. Es wird.

Was aus Ian aber nun herausbrach war... interessant. Und für Ian musste es furchtbar sein, da musste mehr dahinterstecken, denn sie hörte die Dringlichkeit hinter seinen Worten - und die Verletzlichkeit. Er hatte von Lianna geträumt - was genau? Was genau hatte er geträumt? Und war es das, was er nur andeutete - war es mehr als ein Traum gewesen? Wenn ja... hatten sie überhaupt eine Chance?
Sie durften sich von so etwas nicht beeinflussen lassen. Es war ein Traum. Ian hatte Fieber.
Bei allen Planeten! Was dachte Ian von den Jedi? Was dachte er, was geschehen konnte - zumindest ihr? Er kannte doch
sie. Er musste wissen, dass die Jedi nicht böse waren... Oder etwa nicht? Nein! sagte sie schnell, um ihm möglichst alle Sorgen auf einmal zu nehmen. Nein, sie werden mir nichts tun. Sie sind anders. Sie werden... viel reden. Auf mich einreden, sicher... vielleicht auch härter werden. Sanktionen, wer weiß. Sie werden mich mit ihren Worten vielleicht auch verletzen, aber Ian, nicht physisch. Niemals. Wenn du dir darum Sorgen machst, dann brauchst du es nicht. Wirklich nicht... Ihr Redeschwall versiegte.
Dennoch machte sie sich Sorgen. Um das, was Ian gesehen hatte... Was, wenn es doch kein Traum gewesen war... Sie zögerte, sprach dann leise weiter.
Willst du mir sagen, was du... gesehen hast? Vielleicht verliert es an Schrecken. Es war sicher nur ein Traum. Vielleicht... Ja, ich habe vorhin an Lianna gedacht. Vielleicht hast du... irgendetwas aufgeschnappt... Ja, das war doch eine Möglichkeit, oder? Unwahrscheinlich... aber vielleicht half es Ian. Wenn auch nicht ihr. Es wäre schon Verrückteres passiert. Oder er hatte irgendwann einmal etwas unbewusst aufgeschnappt. In den HNN, in Erzählungen... und hatte sich sein eigenes Bild danach unbewusst gebildet. Es gab viele Möglichkeiten, weshalb es einfach nur ein Traum gewesen sein konnte.
Dennoch, das Unbehagen blieb.


Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro

Was, wenn Eowyns Meinung überhaupt nicht ins Gewicht fiel? Was, wenn sie gerade wegen ihrer Meinung, aufgrund ihrer Sicht Ärger bekommen würde? Über ihn, über ihn würden sie ohnehin ihr Urteil fällen. Ein Sith, der so weit vorangeschritten in der Ausbildung war. Das Urteil der Jedi würde ihn schnell treffen. Doch was war mit ihr – Eowyn? Es war schlichtweg etwas anderes. Etwas ganz anderes. Ian konnte sich kaum vorstellen, dass jenes Bild, dass sie von ihm bekommen würden, entscheidend für irgendetwas war. Sie mussten die Gerechtigkeit siegen lassen und was interessierte es die Gerechtigkeit, ob er auch nur irgendetwas bereute? Reue würde nichts ändern, auch dann nicht, wenn Ian vor den Jedi auf die Knie fallen und um Verzeihung betteln würde. Es gab keine Verzeihung. Eowyn mochte ihm vergeben haben, aber es ging um weitaus mehr, um skrupellosen Mord und sicher würde Ian nicht alleine mitteilen, dass er für das Virus mitverantwortlich war oder besser, für die Unterzeichnung des Vertrags. Für die Lüge. Nein, er würde sich nicht reumütig vor die Jedi stellen und mit keiner Silbe erwähnen, dass jene Tat nicht die einzige gewesen war. Er musste mit offenen Karten spielen und sobald er das tat, würde das Urteil der Jedi sich ohnehin verschlimmern.

Seien Sorgen mit ihr zu teilen war der springende Punkt. Das Hauptproblem. Denn sie hatte ihn darum gebeten, sich keine Sorgen um sie zu machen, was schlichtweg nicht funktionierte und die Gefahr, sie selbst wieder hinunterzuziehen, war einfach zu groß. Aber die Angst vor dem, was er gesehen und vermischt hatte, war noch größer und sein eigener Damm war gebrochen.

Ihr Nein kam sehr schnell und Ian wusste nicht zu deuten, ob es derart schnell kam, um ihn zu beruhigen, oder ob es der Wahrheit entsprach, aber sie wiederholte es, wurde ernster und da war kein Anzeichen einer Lüge in ihren Augen. Zumindest konnte Ian diese nicht erkennen. Nicht physisch. Aber psychisch? Nein, das machte es nicht besser und so starrte Ian für einen langen Moment auf den Boden, denn in seinem Kopf spielten sich erneut Szenarien ab, die ihm missfielen, denn was Eowyn sicher nicht benötigte war jemand, der ihr ins Gewissen redete. Sie war verunsichert genug, sie war… verloren genug.


„Es vermischt sich alles“, gab Ian dennoch zu. „Der Traum, Dinge die in Vergangenheit geschehen sind. Es vermischt sich und gibt eine einzige, grausige Geschichte.“ Es ließ sich nicht verhindern, dass Eowyn ihn nicht überzeugen konnte, denn das was geschehen war, war zu schwerwiegend, als das er einfach hätte sagen können, dass die Jedi anders waren. Anders sein würden. Immerhin waren es die Jedi gewesen, die ihn nicht nur im Stich gelassen, sondern auch seinen Meister umgebracht hatten. Es war ein Jedi gewesen, der Vater Iounas, der genau gewusst hatte, unter welchen Verhältnissen Ian aufgewachsen war. Und so war es auch ein Jedi gewesen, der nie etwas geändert hatte, obwohl es in seiner macht gestanden hätte.
„Sie wollten uns nicht anhören,“ war die nächste Information und noch immer starrte Ian dabei auf den Boden. „Sie haben uns auseinandergerissen und uns beide als Verräter bezeichnet.“ Kurz danach war er wach geworden, als er noch darum gebeten hatte, dass er mit Sarid sprechen durfte. Dieser Traum alleine war nicht einmal halb so beängstigend wie andere Geschehnisse, die sich zu wiederholen drohten. Bastion“, und es war zu deutlich, dass Ian dieses Thema nicht gerne ansprach und seien Augen bohrten sich dabei regelrecht in den Boden. „Ein Sith verlangte, dass ich mich von Alisah los sagen soll. Weil ich Schande über den Orden bringen würde.“ Und Eowyn musste verstehen, dass er hier nicht einfach einen Schwenk aus seiner Vergangenheit erzählte, sondern dass sich etwas erneut abzuspielen drohte. Eine – zumindest für ihn – ernsthafte Bedrohung. Mit vertauschten Rollen. „Ich hab es nicht getan.“ Erst da hob Ian langsam den Blick. „Dafür wurde ich bestraft, verstehst du….“ Sein Blick veränderte sich, wurde unsicher und als abermals die Erinnerung zurückkam, spiegelte sich die Angst darin wieder, als er sich Eowyn in der gleichen Ausgangslage vorstellte, war es Entsetzen. Und unweigerlich begannen die Augen des Dunkelhaarigen zu glänzen.
„Sie werden dich nicht quälen und zu etwas zwingen zu suchen? Du… du würdest dich lossagen?“ Die erste Frage hatte er im Grunde schon gestellt und sie war beantwortet gewesen, aber wie mochte eine Antwort eine Angst zu besiegen, die derart groß war? Die letzte Frage hingegen war keine solche, viel eher so etwas wie eine Bitte.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Eowyn wusste schlicht zu wenig von Ians Vergangenheit. Da waren Bruchstücke, kleine Episoden, aber das Mosaik ergab noch längst kein ganzes Bild. Was auch immer er da ansprach musste mit den Jedi zu tun haben. Sie wusste noch immer nicht, weshalb er sie so verachtete, die kleinen Hinweise waren nicht genug gewesen. Aber offensichtlich war ihm nicht klar, wo die Grenze zwischen Jedi und Sith lag - und das fand sie doch sehr beunruhigend. Natürlich war diese Grenze irgendwo fließend - graue Jedi, maßvollere Sith... Aber es gab diesen Unterschied, und er war wichtig.
Weshalb sonst wäre sie noch eine Jedi? Nein, sie waren anders. Das wusste sie mit Sicherheit.


Kurz war sie irritiert, als Ian schließlich weitersprach - von was redete er? Bis ihr klar wurde, dass er von seinem Traum erzählte, und der Inhalt gefiel ihr wirklich nicht. Aber das war es eben nur - nur ein Traum. Etwas anderes kam nicht in Frage. Das war klar, denn man würde sie anhören. Und sie war keine Verräterin. Nein. Dieses Wort ließ sie nicht zu, nicht nach allem, was sie geopfert hatte. Es war nur ein Traum, sagte Eowyn fest. Denn man wird uns zuhören. Das weiß ich. Wenn ich mich so irren würde in den anderen Jedi, dann... dann wären sie es ohnehin nicht wert, ein Teil von ihnen zu sein, aber das sollte sie lieber nicht laut sagen. Diese Diskussion war momentan nicht hilfreich. Und außerdem irrte sie nicht, nicht dieses Mal. Nein. Ich irre mich nicht. Also kann es nur ein Traum gewesen sein. Zuversichtlich lächelte sie Ian an.
Das Lächeln gefror kurz und verschwand allerdings sofort wieder. Bastion. Und Ians dringender Versuch, ihr bloß nicht in die Augen zu sehen. Alles, was seine Vergangenheit betraf, war unter dem Deckmantel des Schweigens gehüllt, und jedes Mal, wenn er ihn lüftete, war es so unendlich schwer. Was er erzählte war aber genau das, was Eowyn von den Sith erwartete. Intoleranz, Inkompetenz, Blindheit. Hartherzigkeit, Gnadenlosigkeit. Wer nicht ins Muster passte wurde passend gemacht oder zerstört, so einfach war es. Es tat ihr weh, ihn davon erzählen zu hören. Natürlich hatte er es nicht getan. Irgendetwas musste er selbst bei den Sith behalten haben, das ihn davon abhielt, so skrupellos zu werden - und wenn es die Fähigkeit zu lieben gewesen war. Eigentlich ein Wunder, dass er dennoch aufgestiegen war, sogar die wichtige Aufgabe des Imperators erhalten hatte... Erst verspätet begriff sie, worauf Ian hinauswollte. Er erzählte ihr das nicht einfach so, nein, es hatte einen guten Grund, und unhörbar sog sie Luft ein. Sie sah die Angst in seinem Gesicht, wie er sie anblickte, den Schrecken, ja, beinahe Panik. Was zum Sarlacc hatten die Jedi ihm angetan, dass er sie zu Dingen befähigt sah, die ihm ein solches Entsetzen ins Gesicht schrieben? Sie sagte ja nicht, dass es leicht werden würde, aber das... was auch immer er sah, befürchtete...
Sie konnte ihm die Angst ganz einfach nehmen. Zumindest diese direkte Angst. Das war gut... Nur... konnte sie andererseits auch nicht sagen, dass alles gut war. Auch der Jedi-Orden war keine Welt, in der sich alle mit einem Lächeln auf dem Gesicht andauernd umarmten und sich sagten, wie schön die Galaxis doch war und wie gut sie alles machten. Sie musste aufpassen, welche Worte sie wählte.

Ian, sieh mich an. Und sie kniete sich vor ihn hin, nahm seine Hände in die ihren. Niemand wird mich so quälen, wie es bei dir geschehen ist. Es... ich weiß nicht genau, was bei den Sith geschehen ist, aber ich weiß, das wird mir nicht passieren. Hörst du? Wir reden immer von "ihnen" und "sie" - für dich mögen es gesichtslose Schatten sein, aber für mich sind es Bekannte, Mentoren, zumindest zum Teil. Alleine die Vorstellung, Chesara würde sie bewusst quälen, Sarid sie hart und mit Gewalt zu etwas zwingen... nein. Unmöglich. Es würde hart werden, aber nicht so. Ich kenne sie, manche mehr, andere weniger. Es wird nichts geschehen, das für mich nicht verständlich oder akzeptabel sein wird. Ich sage nicht, dass alles gut sein wird, dass man mich zu meinen Entscheidungen beglückwünschen wird. Aber es wird... in Ordnung sein. Irgendwann. Und irgendwann würde es wirklich in Ordnung sein, auf die eine oder andere Weise. Aber im Prinzip hatte das nichts mit Ian zu tun, eher mit ihr selbst. Ian spielte darin nur die Rolle es Auslösers. Verstehst du das? Sie wünschte, sie könnte ihn festhalten, ihm klarmachen, dass seine Sorgen größtenteils umsonst waren. Aber sie zögerte, wusste nicht, inwieweit seine momentane Verletzlichkeit für ihn in Ordnung ging. So aber blieb es bei einem festen Druck der Hände und ihrem Blick, bei dem sie hoffte, dass er merken würde, wie ernst es ihr war.
Auch wenn sie seine letzte Frage ignoriert hatte. Sie hoffte, dass er es nicht bemerken würde - denn dieser Teil war unerheblich. Sie würde nicht müssen. Sie würden sie nicht zu einer Entscheidung zwingen.
Und wenn doch... dann würde sie einfach nichts versprechen können.


Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro

Sie klang überzeugt, völlig überzeugt und es war das erste Mal, dass sie so überzeugt von etwas sprach, das mit dem Jedi-Orden zu tun hatte und so versuchte Ian ihr Lächeln aufzugreifen, zu nicken und damit zu verstehen geben, dass er ihr glaubte. „In Ordnung“, sagte er matt, auch wenn das Gesehene für ihn weit mehr als nur ein Traum gewesen war. Schließlich… schließlich kannte er die Jedi ein bisschen. Zumindest einen. Nein zwei und Eowyn war so anders als Iounas Vater. Aber viel wahrscheinlicher war dennoch, dass sie die Ausnahme war. Denn hatten die Jedi ihn damals nicht abgewiesen ohne seine Not zu erkennen? Hatten sie ihn nicht zurück in den Schoß seiner Familie geschickt? Mehr, als nur ein einziges Mal? Sie waren nicht milde gewesen, nicht voller Verständnis. Sie hatten ihn einfach fort geschickt. Um wie viel anders also waren sie, als die Sith?

Hätte er doch nur ihre Gedanken gehört, hätte er doch nur gewusst, dass Eowyn das, was er sagte zum Teil fehl interpretierte. Die Angst, die nun so übermächtig war, hatte kaum etwas mit den Jedi zu tun. Viel mehr mit den Sith und für Ian war es kaum mehr möglich, die einen von den anderen zu Trennen. Er hatte Erfahrungen bei den Sith gesammelt und sie waren Machtanwender, genau, wie es die Jedi waren. Was wusste er schon davon, wie Jedi miteinander umgingen? Denn das, was man sich bei den Sith erzählte konnte kaum mehr als ein Gespinst aus Lügen sein. Aber wenn man Ian damals abgewiesen und seien Not nicht erkannt hatte, wie sollte er die Jedi da klar von den Sith trennen? Und standen sie hier nicht nahezu vor der gleichen Situation? Er und Eowyn, anstatt er und Alisah. Eine Verbindung, die nicht bestehen durfte? Bei den Sith nicht, weil Liebe verpönt gewesen war und bei den Jedi, weil sie erklärten, dass es keine Gefühle gab? Weil Ian der Feind war, ein Sith?

Erst als Eowyn nach seinen Händen griff, gelang es ihr, ihn irgendwie zurück ins Hier und Jetzt zu holen, ihn aus seiner Erinnerung, ihn aus seinen Ängsten zu reißen
. „Sie haben mich im Stich gelassen“, brach dennoch aus ihm heraus, denn für ihn waren die Jedi sicher keine Bekannten oder gar Mentoren. Sie waren niemand, auf den er sich damals hatte verlassen können. „Sie haben mich einfach zurück gelassen. Sie haben mir nicht geholfen.“ Und gegen seinen Willen trat neben der offensichtlichen Verletzung Wut in seine Stimme. „Das war nicht akzeptabel. Das war nicht akzeptabel!“ Deshalb konnte er nicht verstehen, wie auch?Sie haben es gewusst“ und Ians Stimme wurde härter. „Iounas Vater war ein Jedi und er hat es gewusst, er hat es zugelassen, er hat nicht geholfen. Er hat es gewusst. Seine eigene Tochter… Wir waren Nachbarn.“ Ians Stimme wurde lauter, dabei galt seien Wut nicht Eowyn, aber er konnte seine Stimme kaum beherrschen. Er musste sich beruhigen, er wusste es, er musste sich auf der Stelle beruhigen. Aber er konnte nicht. Nicht, wenn sie bald auf Lianna ankommen würden. Nicht, wenn die Jedi das waren, als das er sie kennen gelernt hatte. Ignorante, arrogante Wesen die überhaupt kein Interesse an anderen hatten. So hatte er sie kennen gelernt. Vielleicht quälten sie nicht wie die Sith, aber auch sie hatten kein Interesse, auch sie hatten kein… Mitgefühl. In ihrer Erhabenheit hielten sie sich für etwas Besseres und dabei handelten sie selbst inakzeptabel, nur auf andere Art und Weise. Und es war nicht in Ordnung und es würde nie in Ordnung sein und da löste Ian seine Hände aus Eowyns, um sich ein klein wenig zur Seite zu drehen, hob die Schichten seiner Kleidung ein klein wenig an, gerade so weit, dass ein winziger Flecken seiner Seite sichtbar wurde. Eine Seite, die Narben trug, wenn auch nicht halb so viele, wie sein Rücken.

„Das da," und er musste nicht einmal selbst auf das Stück Haut sehen, "haben sie mitzuverantworten. Sie haben mir nicht geholfen“, wiederholte Ian abermals und seine Stimme bebte vor Wut und von der Last des Vergangenem. „Sie sind für mich nicht gesichtslos.Charakterlos vielleicht, aber sicher nicht ohne Gesicht und wenn er sie sich vorstellte, hatten sie alle das Gesicht, das von Iounas Vater.
„Ich wäre nie ein Sith geworden, wenn sie mich nicht wieder abgewiesen hätten“, sagte er dann. „All das hierund sein Blick ging einmal im Turm herum,wäre wahrscheinlich nie geschehen. Nie geschehen!“ Und da sollte er darauf vertrauen, dass sie zuhören würden?Sie haben nicht zugehört. Sie haben weg gesehen. Sie haben nicht verhindert,“ überschlug sich Ians Stimme nahezu, als er seine Tränen nicht länger zurückhalten konnte.Verstehst du das?“, wiederholte er so ihre eigene Frage, als er erneut auf den Boden starrte und sich zu beruhigen suchte und er wusste nicht, ob die Tränen oder die Wut gewinnen würden und doch kämpfte er gegen beides an.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro

Ob Ian ihr wirklich glaubte? Sie war sich da nicht so sicher. Besorgt besah sie ihn. Sie sollten eigentlich nicht reden, er sollte sich ausruhen... Dann aber wiederum, wie konnte er sich ausruhen, wenn ihm diese Gedanken im Kopf herumspukten? Es musste heraus, es musste vielleicht erst schlimmer werden, bevor es besser werden konnte. Ansonsten würde er nur wieder schlecht träumen, alles in sich hineinfressen... Nein, so falsch es einerseits war, sie mussten darüber reden. Ob irgendwas von dem, was sie sagte, richtig ankam? Ob er sich später überhaupt noch daran erinnern konnte? Aber er wirkte recht fit, um einiges besser als noch heute morgen. Vermutlich war er voll und ganz "da".

Ihre Beruhigung allerdings hatte den gegenteiligen Effekt. Beruhigt war Ian definitiv nicht. Sie hatte offensichtlich etwas Falsches gesagt. Hatte sie ihre Verbindung zu den Jedi zu sehr betont? Immer wieder vergaß sie kurzzeitig, dass Ian nicht nur ein ehemaliger Sith, sondern einer mit tiefsitzendem Groll gegen die Jedi war. Eigentlich auch gegen sie, aber das war nicht der Moment für verletzte Eitelkeiten, das musste sie ignorieren. Kurz zuckte sie zusammen, als Ian ihre eigenen Worte verdrehte, aber das war auch alles, was sie erst einmal an Reaktionen zeigte.
Verzweifelt versuchte sie zu verstehen, aus Ians Bruchstücken etwas zusammenzusetzen, was einen Sinn ergab, aber außer, dass "Sie" ganz offensichtlich die Jedi waren wurde sie nicht sehr schlau aus allem. Je mehr er aber sagte, desto mehr konnte sie zumindest Teile zusammensetzen. Und desto weniger gefiel ihr das Bild. Die Leidenschaft, die plötzlich aus ihm sprach verunsicherte sie, noch mehr, weil sie das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. Dabei hatte sie nichts getan - aber sie gehörte zu der Gruppe, war ein lebendiger Teil von ihr, die für alles verantwortlich war, was Ian gerade aufzählte. Wie konnte sie sich da nicht schuldig fühlen?

Iounas Vater. Ein Jedi. Nachbarn... Er musste ein sonderbarer Jedi gewesen sein, mit Familie, einem Haus... einem
Leben. Vielleicht war er nicht einmal mehr ein Jedi gewesen? Aber selbst wenn, dann spielte es keine Rolle. Ein Jedi hörte niemals auf, ein Jedi zu sein. Man konnte es nicht einfach ablegen, das wusste kaum jemand besser als sie selbst. Das war keine Entschuldigung. Im Stich gelassen... zurückgelassen... nicht geholfen. Zugelassen.
Eowyn schloss kurz die Augen, als seine Qualen, seine Wut immer stärker wurden. Als er sie losließ wurde es nur noch schlimmer. Seine Narben, seine fürchterlichen Narben... sie hatte sie schon gesehen, verschwommen, in der ersten Nacht hier auf Va'art. Mitverantwortlich. Die Jedi. Damit auch sie. Nein, gesichtslos war wohl etwas anderes... und seine Aufregung, seine Vorwürfe, wenn es so gewesen war - dann hatte er das alles zu Recht. Und er hatte Recht damit, dass all das niemals geschehen wäre. Vielleicht wäre er schon längst ein Jedi gewesen... Vielleicht hätten sie sich schon längst gekannt. Wer war es gewesen? Wer hatte ihn abgewiesen? Und weshalb? Saßen diese Jedi heute noch im Rat? Kein guter Gedanke. Man hätte helfen müssen. Wenn schon keine Ausbildung als Jedi... Man konnte ein machtsensitives Lebewesen doch nicht einfach wegschicken, aus welchen Gründen auch immer. Hatte denn keiner
hingesehen?
Ihre eigenen Tränen konnte sie ebenfalls nicht zurückhalten, und still und langsam entflohen sie ihren Augen. Zum ersten Mal richtete Ian das Wort an sie, und Eowyn konnte nicht anders, als langsam zu nicken.
Ich verstehe es, flüsterte sie. Aber was wollte er nun hören? Eine Enschuldigung? Lächerlich. Hilflos war kein Ausdruck mehr für das, was sie nun empfand. Ians Schmerz und Wut prasselten auf Eowyn ein, machten sie nur noch unfähiger, eine Entscheidung zu treffen. Zum ersten Mal seit langem hatte sie außerdem das Gefühl, dass er sich nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte - lag es an der Krankheit, lag es an dem, was nun herausbrach, oder war es beides zusammen? Es spielte keine Rolle. Sie durfte nun erst Recht nichts Falsches sagen, und das lähmte sie noch zusätzlich. Sie und Worte. Sie konnte es doch gar nicht erst richtig machen. Richtig, falsch... sie wollte ihm helfen, sie wollte zeigen, dass sie ihn verstand, sie wollte, dass er nicht alleine war mit seinem Schmerz. Sie wollte, dass er wusste, dass sie für ihn da war.
Aber das alles würde nicht helfen. Es waren die Jedi, die er verachtete, denen er die Schuld zuschob, die verantwortlich waren. Was konnte sie schon dagegen tun? Was konnte sie da schon sagen? Wie, wenn er im Recht war? Wie, wenn sie Teil dessen war, das schuld war?
Die Sekunden waren verstrichen, und sie hatte noch immer nicht mehr sagen können. Sie war unfähig. Wieder einmal.
Ein Mal brauchte Ian ihre Hilfe, und sie konnte ihm keine geben.
Aber eigentlich war alles besser als nichts zu sagen... Sie musste wenigstens
irgendetwas sagen. Irgendetwas. Und wenn es nur das war, was ihr gerade durch den Kopf kam. Es tut mir so Leid, Ian, flüsterte sie. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was geschehen ist, wer diese... fürchterlichen Entscheidungen getroffen hat. Ich weiß nicht, warum man dir nicht geholfen hat. Zugehört hat. Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es; ich wünschte, ... Sie wünschte, er würde wissen, dass nicht alle Jedi so waren. Die wenigsten. Ausnahmen. Aber das würde er nicht hören wollen. Und außerdem... sie wusste nicht, was geschehen war. Vielleicht... vielleicht waren die Jedi auch heute noch so. Vielleicht waren die Verantwortlichen noch immer verantwortlich. Vielleicht war das der Orden, dem sie diente.
Sie verstand es einfach nicht. Weshalb war das alles geschehen? Das waren doch nicht Jedi, Jedi hörten zu, Jedi beschützten, Jedi halfen. Weshalb hatte man es bei ihm nicht getan? Noch dazu einem Machtnutzer? Er wusste selber nicht, was er mit seinen Worten in ihre ausglöst hatte, und sie würde es tunlichst verschweigen. Jedi waren nicht so. Jedi durften nicht so sein. Wenn es wahr war... und warum sollte es das nicht?... dann stimmte etwas gewaltig nicht im Orden.
Und sie war Teil davon. Wieder einmal. Verantwortlich für Dinge, wie sie Ian geschahen.

"Ich will sicher wissen, dass ich auf der richtigen Seite stehe."
Beweisstück A - Ian Dice.

Es tut mir Leid, wiederholte sie, selbst viel zu eingenommen und verwirrt von ihrem Mitgefühl für Ian und ihrem inneren Chaos, um sich kreativere Worte einfallen zu lassen, aber es war das, was sie am meisten fühlte. Ich wünschte, ich könnte es wiedergutmachen. Ändern. Aber ich kann es nicht... Ich kann es nicht, Ian, flüsterte sie erneut und schüttelte den Kopf, und sie war sich sicher, dass sie das Falsche gesagt hatte. Innerlich wappnete sie sich gegen das, was auch immer jetzt kommen würde.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Ian und Yaro
 
Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro


Natürlich bezog Ian Eowyn in seine ganzen Worte nicht mit ein, auch wenn ihm vielleicht entging, dass auch sie eine Jedi war und sie sich angesprochen fühlen konnte. Aber zu der Zeit, war sie ein Kind gewesen, bei ihren Eltern aufgewachsen, sie hatte nichts, überhaupt nichts mit seiner Kindheit zu tun. Iounas Vater hingegen schon und das veränderte Ians Bild. Zu glauben, den Jedi Vertrauen zu können, obwohl sie ihn aus seiner Sicht derart im Stich gelassen hatten, schien völlig unmöglich und wieder vermischte sich die Vergangenheit mit der Gegenwart und ängstigte den Dunkelhaarigen vor der Zukunft. Seine Worte mussten heraus, denn sie brannten auf seiner Seele und selbst wenn er irgendwo in einem tiefen Winkel seines Herzens wusste, dass Eowyn hier sicher nicht die richtige Ansprechpartnerin war – weil sie selbst genug zweifelte – konnte Ian nicht schweigen. Der Traum. Die Geschehnisse. Das, was sie erwarten würde. Es machte ihm unendlich viel Angst und Ian hatte zugelassen, diese Angst zu benennen und anstatt zu verschwinden, wurde sie größer, brach kaum verheilte Wunden wieder auf. Viel schlimmer als die Abweisung von damals war gewesen, dass sie ihn als Kind im Stich gelassen hatten und wenn Ian nur eine Sekunde darüber nachdachte, wenn er nur eine Sekunde an diese Ungerechtigkeit zurückdachte, vergrößerte sich sein Schmerz ins Unermessliche. Die Jedi, als Hüter des Friedens, hatten sich vielleicht um irgendwelche Kriege gekümmert, aber sie hatten ein hilfloses Kind zurück gelassen. Mit Absicht. Und Iouna, die Tochter eines Jedi, hatte Teil genommen an den einstigen Misshandlungen. Hatte beständig Steinchen nach ihm geworfen und ihr Vater, der glorreiche Jedi, Hüter des Friedens und der Gerechtigkeit hatte es gewusst und zugelassen. Tag für tag, bis er verschwunden war.

Und wen Eowyn Ian auch nur ein kleines bisschen helfen wollte, wenn sie auch nur dafür sorgen wollte, dass da irgendwie etwas kam, dass auch nur ansatzweise in Richtung Trost ging,
musste sie ihn verstehen. Er brauchte keine Ausreden mehr, musste jetzt nicht hören, dass damals alles suboptimal gelaufen war. Wenn ihn jemand verstehen musste, dann sie. Als Ian glaubte, es nicht länger aushalten zu können, folgte ein sachtes Nicken und dann endlich die erlösenden Worte. Kein Vorwurf, kein ‚Was geschehen ist, ist geschehen‘, nein.

Ich verstehe es.

Und wie sehr hatte Ian diese drei Worte gebraucht? Schmerz flammte auf und hätten seine Tränen nicht längst schon ihren Weg gefunden, spätestens jetzt fanden sie ihn, unbarmherzig, brannten auf seiner Haut, waren nicht mehr zurück zu halten. Und so gerne Ian Eowyn in diesem Augenblick vielleicht angesehen hätte, sie war durch den Tränenschleier hindurch nur noch verschwommen zu erkennen. Dann folgte eine Entschuldigung. Eine der vielen Entschuldigungen, auf die Ian so lange gewartet hatte und doch eine Entschuldigung, die nicht Eowyn hätte geben müssen. Aber es war die Entschuldigung einer Jedi. Er hätte ihr sagen wollen, dass sie keine Schuld trug, aber Ian konnte nicht, denn dafür wog diese Entschuldigung zu schwer. Wenn Eowyn auch nicht die Kraft hatte, alle Wunden zu heilen, irgendetwas Zerbrochenes in ihm erreichte sie. Und wenn es nur ein winziges teil war, sie setzte es zusammen und das vielleicht sogar am meisten mit dem, was sie in jenen Minuten ausstrahlte. Denn da war keine Überheblichkeit, da war keine Jedi-Arroganz. Da war Mitgefühl und noch wichtiger das eigene Gefühl Ians, endlich ernst genommen, endlich gesehen zu werden.


„Ich will sie nicht hassen“, sagte er dann, noch immer weinend, denn seien tränen waren längst nicht versiegt, „ich will sie nicht verachten, aber wie soll ich mit ihnen reden wenn…“ und er musste kurz innehalten um sich zu sammeln, um sich nicht, wie ein kleiner Junge zusammenzurollen. „Wie soll ich mit ihnen reden und sie nicht verachten, wenn ich daran denken muss? Wie soll ich auch nur im Ansatz glauben, dass sie mir zuhören werden, nach alldem? Wie soll ich glauben, dass sie dich anhören werden?“ Wieder begehrte die Verzweiflung auf, abermals drohte der Schmerz, Ian schier zu ersticken und bei der macht, der Husten war in dieser Angelegenheit nicht hilfreich. Wie aber sollte er den Jedi entgegen treten, wenn er Groll für sie hegte? Wie sollte er ihnen nur eine Sekunde deutlich machen, dass er reue empfand, wenn da so viel Groll gegen sie war?
„Ich will sie nicht hassen“, wiederholte Ian schließlich. „Aber…“ Wie sollte er es nicht tun? Und dabei bemerkte Ian nicht einmal, dass er von Hass noch Lichtjahre entfernt war, denn was größer wog, war Schmerz. Sicher, da war Wut, aber Hass? Nein. „Ich habe Angst vor Lianna“, gab er zu, was schon längst klar sein musste. „Ich habe Angst vor den Jedi“, war hingegen eine ganz andere Wahrheit, die er bisher nicht auszusprechen gewagt hatte. Dabei müsste er sich doch einfach nur vorstellen, dass sie alle wie Eowyn waren, oder ihr ähnlich. Aber weder seien Phantasie noch seine Hoffnung reichten für diese für ihn völlig utopische Vorstellung aus.

Dschungelmond von Va'art, im zerfallenen Turm, mit Eo und Yaro
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben