Die Begnadigungsbefugnis des Präsidenten stützt sich auf Artikel II, Abschnitt 2, Satz 1 der US-Verfassung, in dem es heißt:
Der Präsident ... hat die Befugnis, Begnadigungen für Vergehen gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren, außer in Fällen der Amtsenthebung.
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat diese Bestimmung so ausgelegt, dass sie die Befugnis zur Gewährung von Begnadigungen, bedingten Begnadigungen, Umwandlungen von Strafen, bedingten Umwandlungen von Strafen, Erlass von Geldstrafen und Beschlagnahmungen, Stundungen und Amnestien umfasst.
Dieses Recht des Präsidenten ist in den USA verfassungsgemäß verankert und stellt ihn grundsätzlich nicht über die Justiz. Es bezieht sich zudem nur auf Verbrechen oder mögliche Verbrechen auf Bundesebene - Zivilprozesse oder Strafverfolgung der einzelnen Bundestaaten werden davon nicht tangiert.
Gewohnheitsmäßig werden Begnadigungen nur recht selten und in der Regel zum Ende der Amtszeit hin ausgesprochen (basierend auf dem Vorbild von George Washington, der am letzten Tag seiner Amtszeit die Anführer der sogenannten Whiskeysteuer-Revolte begnadigte). Sie können sowohl der Korrektur von Justizirrtümern, als politisches Statement, als wortwörtlicher Gnadenakt (z. B. bei der Umwandlung von Todesstrafen zu langjährigen Freiheitsstrafen wie im Fall von Dwight J. Loving, der von Obama begnadigt wurde) und als Gefallen genutzt bzw. gedeutet werden und Einzelpersonen und größere Personengruppen betreffen und auch posthum ausgesprochen werden.
So begnadigte z. B. Präsident Harrison 1893 eine größere Anzahl von Mormonen für das Verbrechen der Vielehe, um den schwelenden Konflikt zwischen der Glaubensgemeinschaft und dem Staat zu entschärfen. Präsident Hoover begnadigte 1930 den ehemaligen Gouverneur von Indiana, McCray, als herauskam, dass seine Verurteilung für ein Finanzvergehen auf fingierten Beweisen des KKK basierte, gegen den der Gouverneur scharf vorgegangen war. Gerald Ford begnadigte seinen Vorgänger Nixon präventiv für Verbrechen, die er begangen oder möglicherweise begangen hatte (Watergate-Skandal), auch wenn es keinen Prozess gab. Jimmy Carter begnadigte unter anderem circa 200.000 US-Bürger, die sich der Wehrpflicht im Bezug auf Vietnam entzogen hatten. Donald Trumps begnadigte 2017 Sheriff Joe Arpaio aus Arizona und erließ ihm die zwei Monate zuvor verhängte Strafe für die Missachtung einer Gerichtsanweisung (Arpaio hatte illegale Razzien und Verhaftungen durchgeführt und angekündigt, diese trotz des Urteils weiter zu praktizieren). Am 6. Oktober 2022 begnadigte Biden per Proklamation 10467 alle 6.500 Personen, die wegen des früheren Bundesvergehens des bloßen Besitzes von Marihuana verurteilt worden waren. Am 20. Dezember 2023 begnadigte Biden den kolumbianischen Geschäftsmann Alex Saab im Rahmen eines Gefangenenaustauschs mit Venezuela. Saab war unter dem Vorwurf der Verschwörung zur Geldwäsche und der Geldwäschen inhaftiert.
Joe Biden hat seine Entscheidung damit begründet, dass seinem Sohn eine fortgesetzte politisch motivierte Strafverfolgung drohe. Angesichts des zukünftigen FBI-Direktors und der Tatsache, dass die Ermittlungen gegen Hunter Biden a) bemerkenswert intensiv waren und b) über einen deutlich längeren Zeitraum als in diesen Fällen üblich geführt wurden, ist das Argument - jenseits der sonstigen Bewertung - zumindest nicht von der Hand zu weisen.
Die Regierung Trump wird tun, was sie ohnehin tun wird. Es spielt für ihre Absichten keinerlei Rolle, ob sich ihre politischen Gegner an Gesetze oder Gentleman´s agreements halten oder nicht, das hat man oft genug gesehen.