Vorab: das Werk ist durchaus sehenswert, es lädt geradezu ein, auf großer Kinoleinwand genossen zu werden. Besonders im Imax Kino wird einem der Sound und die Bilder geradezu um die Ohren geworfen. Das macht Eindruck! Schaut euch diesen Film an!
Jetzt zu meiner etwas ausführlicheren Kritik, denn leider wird für mich der Genuss durch eine Tatsache gemildert, das ich kurz sinnbildhaft an einem Beispiel aufzeige. Und zwar geht es um das visuell freilich beeindruckende Powerball-Rennen. Folgende Situation: Der Soundtrack beginnt mit einem wirklich guten Techno-Thema Stimmung zu machen, man spürt geradezu das Adrenalin in den Vibes, der Zuhörer weiß: Jetzt kommt was großes und atemberaubendes! … Nur um anschließend in dieser Audio-Hinsicht mäßig unterhalten zu werden, denn der Soundtrack schwenkt beim Rennen in das übliche Standard-Hollywood-Gebläse mit Streichern um. Das untermalt die atemlosen Actionszenen während des Rennens zwar immer noch ganz gut, ist aber einfach nicht mehr einzigartig oder herausragend.
Dieses Phänomen, lieber nicht aufs Ganze zu gehen und stattdessen einen auf Nummer Sicher, ist ein wenig das Manko bei Alita.
Denn nicht nur beim Soundtrack ist man irgendwie auf Sparflamme! Ich bin weiß Gott nicht jemand, der Popkultur nur sehen und lesen kann, wenn sie umfassende philosophische Essays dem Zuschauer um die Ohren haut, auch die actionlastige Mangavorlage von Alita tut das natürlich auch nicht. Dennoch gibt es in der Vorlage existenzialistische Untertöne und sehr ernste, ja fiese Fragestellungen, ausgehend von Alitas Maschinenkörper, dem Elend der Oberflächenbewohner und das Idealbild von Zalem bis hin zur nihilistischen Psychopathie des Doktor Novas, Themen, die hier im Film -wenn überhaupt(!) - nur am Rande angeschnitten werden. Ein wenig hatte ich nach der enttäuschenden Ghost in the Shell-Realverfilmung schon damit gerechnet (auch wenn es nicht so schlimm geworden ist, wie befürchtet), dennoch macht mich sowas immer ein wenig wütend, da sich mir der Eindruck aufrdrängt, die Drehbuchschreiber halten die Zuschauer für zu dumm, damit klar zu kommen oder – was noch schlimmer wäre – dass die alles rausschreiben, um den Film mehr Mainstream zu machen, was ironischerweise der Handlung meist das Alleinstellungsmerkmal und das „gewisse Etwas“ raubt.
Bei manchen Kritiken scheint diese Milchmädchenrechnung leider bereits aufgegangen zu sein: So hat man im Film bei aller Großartigkeit der Bilder, dann doch die Schrottstadt viel zu sehr wie ein buntes, spaßiges, vielleicht ein wenig anarchisches Multikulti-Städl aussehen lassen, nicht wie das finstere dreckige harte Höllenloch der Vorlage, der man nur mit viel schwarzen Humor etwas abgewinnen konnte und wo liebliche Oasen Mangelware waren. So ist die Stadt immer noch erstaunlich gut in Szene gesetzt, vermisst aber eben die Substanz der Vorlage, die man durch wenige Änderungen durchaus einfach hinbekommen hätte.
Sinnbildhaft dafür stehen auch Hugo und seine Freunde, die in der Vorlage eigentlich verwahrloste Straßenkinder sind, die favelamäßig für Geld auch gewissenlos über Leichen gehen. Hier sind es ein paar gut aussehende, wohlgenährte und herausgeputzte Leutchen, die glatt aus einem US-Football-Film entsprungen sein könnten und die natürlich niemanden töten. Was zurecht manche fragen lässt, warum „Iron City“ jetzt eigentlich ursprünglich so super schlimm und was an der Vorstellung von Zalem jetzt eigentlich so super toll sein soll. Ganz dickes *Meh*!
Weiter kleinere Details der Änderungen zur Vorlage stören ähnlich,: wie beispielsweise das volle satte Grün in der Szene, wo Alita ihren Militärkörper findet, sind auch massiv störend und untergraben den Eindruck für den Zuschauer, dass man sich ja eigentlich im Moment in der Badlands-Wüstenei befindet.
Retten tut die ganze Show Alita, die mit ihrer Präsenz jede Szene förmlich dominiert!! Selbst digital verfremdet ist Rosa Salazar hier der Renner, der man die Rolle in jeder Szene voll abkauft! Es ist einfach aufregend ihr beim kämpfen zuzusehen und selbst die Brutalität des Vorbildes findet sich im Film wieder, der seine FSK 12 wirklich bis an die Grenze ausreizt! Die Action zeigt übrigens eine der besten Choreographien, die ich in westlichen Filmen der letzten Jahre sehen dürfte. Sie rechtfertigen für sich allein bereits den Kinobesuch. Außerdem gibt es einige Momente, die zu meinem Erstaunen wirklich ihren Ziel mit ein wenig Witz die Stimmung aufzulockern voll ins Schwarze getroffen haben.
Unterm Strich kann man sagen, dass das Anliegen der Macher Alita massentauglicher zu machen, dem Film schadet, da man offenbar den Zuschauer permanent für dümmer hält, als er ist. Man verspielt das Kantige und Unbequeme der Vorlage und wird viel zu generisch. Es gehört zur perfekten Technik des Films, dass man sich dennoch fast durchgehend prima unterhalten fühlt und nach dem Cliffhanger sofort nach einer Fortsetzung giert! Und wer auch nur entfernt auf Cyberpunk oder Action, visuelle Effekte der nächsten Generation oder schlichte prima Unterhaltung steht, der sollte sich den Film ohnehin sofort im Kino anschauen!
Der Film wurde im Nachgang tatsächlich jeden Tag besser, ich will ihn unbedingt nochmal auf großer Leinwand sehen, bevor er aus den Kinos verschwindet!