[Mittlerer Rand, unweit des Bothan-Raumes, leerer Weltraum]
Es war ein Ort, der die perfekte Stille des weiten Weltraumes zu symbolisieren schien. Ein prächtiges Sternenbild würde sich etwaigen Betrachtern bieten, doch niemand pflegte, diese spezifischen Koordinaten mitten im leeren Raum anzufliegen, da sie sich weitab bewohnbarer oder als interessant zu bezeichnender Planeten befanden, die man von hier aus im Normalraum hätte erreichen können. Es war eine der Stellen, die, sollte der Hyperraumantrieb eines Schiffes versagen, sich rasch als Todesfalle entpuppen konnte, verfügte man nicht über die notwendigen Vorräte. Ein Problem, welches sich den baldigen Neuankömmlingen nicht stellen sollte, zumal sie besagte Koordinaten wissentlich, und nicht etwa per Zufall ansteuerten...
Das sich nun ereignende Schauspiel war an Großartigkeit kaum zu überbieten. Wo sich Nanosekunden zuvor noch leerer, öder Raum befunden hatte, fielen im nächsten Moment fast unisono Dutzende Kriegsschiffe unterschiedlichster Formen und Größenklassen aus dem Hyperraum. Stählerne Rümpfe und glühende Triebwerke fanden sich zu dem Gemälde einer kampfbereiten Angriffsflotte zusammen, erdacht wie aus der Feder eines Meisters kurz vor der Schilderung einer der epischsten Schlachten seiner Zeit.
Im Zentrum dieser Formation todbringender Kriegsmaschinen hing ein wahrer Koloss, der selbst die stolzen Sternzerstörer der Imperial-Klasse zu Zwergen degradierte, die sich in Anwesenheit des imposanten Flaggschiffes ihrer unwürdigen Unbedeutsamkeit schämen mussten. Zwölf Kilometer Turbolaser, Raketenwerfer, Traktorstrahler und Ionenkanonen, gekrönt durch einen vergleichsweise winzigen Kommandoturm, schoben sich majestätisch vorwärts, einem schlafenden Titanen gleichend, der nur darauf wartete, entfesselt zu werden. Und es lag in der Hand eines einzigen Mannes, exakt dies zu tun.
Bei vielen Lebewesen – ob menschlicher oder nichtmenschlicher Spezies – hätte der Anblick dieses Mannes Abscheu hervorgerufen. Was ein schwarzer Lederhandschuh im Falle der rechten Hand des Offiziers noch verbergen konnte, trat im Falle seiner rechten Gesichtshälfte offen zu Tage. Kein menschliches Auge war es, welches die Brücke nach Fehlern und Nachlässigkeiten durchstreifte, jedes Crewmitglied auf Herz und Nieren zu prüfen schien. Es war das unmenschliche, grausame Starren eines rot leuchtenden Roboterauges, aus welchem Hochadmiral Niriz seine Umwelt halb wahrnahm. Einer tödlichen Niederlage und dem Untergang seines damaligen Flaggschiffes hatte er es zu verdanken, dass sein Körper auf eine Weise deformiert worden war, die selbst Bacta nicht hatte heilen können. Zumindest die Unversehrtheit seines Gehirnes hatten die besten Chirurgen des Imperiums auf Coruscant sichergestellt, doch sie hatten ihm vom Kinn aufwärts künstliche Komponente implantieren müssen. Seitdem war der Hochadmiral entstellt – doch es kümmerte ihn wenig. Weder seine Ergebenheit dem Imperium gegenüber, noch sein Hass auf die Rebellen hatten sich seitdem gemindert. Stattdessen gierte er geradezu nach Rache, besonders an den abscheulichen Bothans, deren Geheimdienst es vor all den Jahren zu verdanken gewesen war, dass eine dreifache Übermacht an Schlachtschiffen der Republik Niriz’ Flaggschiff hatte stellen können. Eine Schuld, die nur mit dem Blut der Einwohner Bothawuis und seiner Verteidiger zurückgezahlt werden konnte – tatsächlich murmelte man auf dem Supersternzerstörer, dass Niriz exakt aus diesem Grund für den Angriff auserkoren worden war.
Dazu war ihm die Leviathan gegeben worden. Eines der prächtigsten Schiffe des Imperiums. Er würde ihrem Ruf Ehre machen.
Auf der Brücke des Supersternzerstörers herrschte ungeachtet der Vielzahl an Aufgaben, vor denen die Brückenbesatzung stand, gespanntes Schweigen. Niemand wagte es, den Dialog zwischen Niriz und dem vor ihm in der Luft flackernden Hologramm eines anderen Hochadmirals zu stören...
“Meine Flotte ist in Position, Jeratai...“ Die Stimme des Hochadmirals, dessen Stimmbänder ebenso wie seine linke Gesichtshälfte unbeschadet waren, klang rau und ungeduldig. Trotz ihres formal gleichen Ranges wirkte der Hologramm-Offizier unterlegen.
„Exzellent. Leider haben wir an anderer Stelle einen kleinen Rückschlag erlitten. Offenbar hat sich der Verdacht gegen Vizeadmiral Kratas erhärtet. Er wurde vom IGD festgenommen.“
“Einerlei. Kaagi wird die Flottille ebenso gut führen können, zumindest unter den gegeben Umständen.“
„Natürlich, natürlich. Sie haben weiterhin freie Hand...“
Niriz kniff sein linkes, sein menschliches Auge zusammen.
“Ich hätte auch nichts anderes erwartet. Leviathan, Ende.“
Hochadmiral Jeratai brach förmlich in tausend Stücke zusammen, kaum dass die Langstreckenverbindung nach Bastion unterbrochen wurde. Noch immer herrschte Stille auf der Brücke.
“Line Captain Tavira...“
Sofort näherten sich dem Hochadmiral rhythmische, präzise aufeinander abgestimmte Schritte. Mehr als nur ein Augenpaar schien in diesem Moment zu wandern, als Niriz’ Flaggkapitän seinem Ruf folgte.
Line Captain Inyri Tavira war in vielerlei Hinsicht besonders. Nicht nur, dass es wenige Jahrgänge der imperialen Akademie gab, die sich überhaupt durch weibliche Kadetten hervorhoben, viel seltener war es tatsächlich, dass solche weiblichen Offiziere über den Dienst an Bord einer Zollfregatte hinauskamen. Unnötig festzustellen, dass eine solche Meisterleistung mehr benötigte als bloße Kompetenz – Niriz konnte nur Vermutungen anstellen, wie Tavira sich den Posten erarbeitet hatte, welchen sie besetzt hatte, als er auf sie aufmerksam geworden war. Seitdem diente sie ihm als Flaggkapitän und niemals hatte er Anlass dazu gehabt, diese Entscheidung zu bereuen.
„Hochadmiral?“
Violetfarbene Augen taxierten ihn aufmerksam, Augen, denen es gelang, die Abscheu zu verbergen, den die junge Kommandantin der Leviathan in Anbetracht der Entstellung ihres Vorgesetzten empfinden musste. Niriz war sich vollkommen bewusst, dass sie sich mittlerweile mit seiner äußeren Erscheinung abgefunden hatte, wie jeder Offizier es tun musste, wollte er nicht unangenehme Konsequenzen zu spüren bekommen. Nicht, dass es ihn kümmerte. Wahrscheinlich war er der einzige Mann auf dieser Brücke, dessen Fantasie nicht durch ihren durchdringenden Blick, ihr ab und an aufblitzendes Lächeln oder ihre glatten, schwarzen Haare inspiriert wurde.
“Wir haben grünes Licht...“ Das unmenschliche Starren seines künstlichen Auges verstärkte die Heftigkeit dieser Aussage nur noch. “Unsere Vorhut soll beginnen wie geplant...“
[Mittlerer Rand, unweit des Bothan-Raumes, SSD Leviathan, Brücke]- Hochadmiral Niriz, Line Captain Tavira, Crew