Jeder, der sich jetzt in dieser hoch angespannten Situation (ne, meine nicht Omikron, sondern die gesellschaftlichen Zustände) dazu hinreißen lässt, ins selbe Horn zu blasen wie diese durchgeknallten Querdenker, deren größtes Ziel es ist, Menschen gegeneinander aufzusetzen und Unfrieden zu stiften, der macht sich am Ende des Tages mitschuldig an dieser viel zitierten Spaltung der Gesellschaft.
Es gibt genau so wenig das böse Kollektiv der Impfgegner, die man pauschal verdammen sollte, wie es die so viel besseren und friedfertigeren Geimpften gibt. Wer völlig ungehemmt diesem Schwarz-Weiß Denken frönt und damit Hass gegen Menschen schürt, den man sich auch noch als absolut gerechtfertigt und geradezu geboten zurechtfabuliert, der braucht sich echt nicht wundern, wenn aggressive Übergriffe innerhalb der Gesellschaft immer mehr zunehmen werden und von dem Sozialstaat, wie wir ihn kennen, bald nichts mehr übrige ist. Da kann man sich dann auch nicht mehr hinstellen und behaupten, man selbst trage keinerlei Verantwortung für diese Entwicklung, denn als Geimpfter sei man ja ohnehin der bessere Mensch.
Sorry, aber auch unter Geimpften gibt es genug Vollidioten, die sich von einem irrationalen Panikanfall in den nächsten stürzen und sich von jedem noch so widersinnigen politischen Aktionismus aufscheuchen lassen wie dumme Hühner. Oder auch schlicht auf sämtliche Vorsichtsmaßnahmen scheißen, weil: "ich bin ja jetzt geimpft, das muss reichen." Die keine Masken mehr tragen und auf Abstand pfeifen, weil sie immer noch nicht kapiert haben, wie Infektionsgeschehen (speziell jene bei Covid) zustandekommen...die also um nichts weniger egoistisch agieren wie so mancher Impfgegner.
Das soll aber nicht verhehlen, dass ich es höchst ignorant und verantwortungslos finde, sich angesichts der nun schon fast zwei Jahre andauernden Pandemie, die das Leben aller Menschen (teilweise) massiv einschränkt, einigen sogar das Leben kostet(e) (ob nun direkt oder indirekt), weiterhin auf den Standpunkt stellen zu können, "zwar weder generell gegen Impfungen zu sein, noch Covid zu leugnen und schon gar nicht mit demonstrierenden Querdenkern zu sympathisieren, dem zum Trotz aber dennoch beschlossen zu haben, die Infektion lieber auf
natürlichem Wege durchmachen zu wollen".

Klar, auch mir fällt es bei solchen Aussagen (die mir nun schon gehäuft von vordergründig durchaus intelligent und vernünftig wirkenden Menschen entgegenschallten) immer schwerer, die Contenance zu wahren und nicht mit jener Aggression zu reagieren, die bei so viel Ignoranz ganz unwillkürlich in mir aufsteigt. Es gelingt mir auch nicht immer...
Wenn ich dann aber so wie gestern einer Szene beiwohne, in der ein älterer Mann in einem Drogeriemarkt völlig unverhältnismäßig von einer anderen Kundin dafür angegangen wird, dass er es gewagt hat, ganz kurz seine FFP2 Maske zur Seite zu schieben, um sich überaus diskret schnäuzen zu können, dann ist hier für mich eindeutig eine Grenze überschritten, die sich kaum noch von den Überschreitungen so mancher Querdenker unterscheidet.
Soll er sich den Schnodder etwa runterlaufen lassen, nur damit so hysterische "Hypochonder" keinen Grund mehr haben, ihre Unvermögen zur rationalen Risikoeinschätzung auf unangenehmste Weise zur Schau zu stellen? Da waren locker vier Meter Abstand zwischen ihr und dem armen Kerl (eher mehr)...ich wusste zuerst auch gar nicht, mit wem sie spricht, so abseits stand er. Kurz dachte ich sogar, sie meint mich... Ich hätte allerdings nicht ansatzweise so verängstig und zurückhaltend reagiert wie der Mann, der nur ein kleinlautes "Ja, natürlich bin ich geimpft" auf das ihm entgegengebrüllte: "Sind sie GEIMPFT??!!! Sie tragen nämlich keine MASKE!!!!" entgegnete.
Also es sind mitnichten nur die Ungeimpften, die immer engagierter für eine "Spaltung" der Gesellschaft eintreten...manchen kommt es sogar überaus gelegen, nun ganz offiziell und guten Gewissens die Schuld bei einer Bevölkerungsgruppe suchen zu dürfen, die immer mehr entmenschlicht und als gesichtsloses Feindbild herhalten darf. Der Politik kommt das natürlich auch gelegen, das lenkt nämlich ganz wunderbar vom eigenen Versagen ab, und vor allem auch dem Raubbau am Gesundheitswesen, das schon vor der Pandemie teils in ziemlich desolatem Zustand war (vor allem personell).
Das ist jetzt kein Appell dafür, sich nicht impfen zu lassen, oder Verständnis für die Argumente von Impfverweigerern aufzubringen (...ich kann leider nicht ausschließen, dass einzelne Leser meinen Beitrag in einer solch absurden Weise interpretieren werden).
Was mir aktuell aber wirklich (die größte) Sorge bereitet, sind die immer stärker zu Tage tretenden Veränderungen unserer Gesellschaft, die eine Stimmung erzeugen, die zunehmend von Feindseligkeit und gegenseitigen Ressentiments geprägt ist.
Wenn ich hier lese, dann ist das stellenweise ein ziemlich realgetreues, gruseliges Abbild dieser Zustände da draußen...und ich will mir nicht vorstellen, welche Zuspitzung das in den nächsten Wochen und Monaten noch erfahren wird. Und wie es jemals wieder "anders" werden könnte - selbst dann, wenn Covid (pragmatisch betrachtet) irgendwann wirklich nur mehr auf dem Level eines grippalen Infekts rangiert. Die letzten zwei Jahre haben bei den allermeisten Menschen Spuren hinterlassen (va psychischer Natur), die auch dann nicht verschwinden werden, wenn die Pandemie "vorbei" ist. Der Hass, der jetzt gesät wird, der wird uns noch lange begleiten, fürchte ich... und das ist einfach keine Zukunft, die ich mir wünsche. Weder für mich, noch für irgendwen sonst.