Vomar Steley schrieb:
2.) Wieso wird jetzt der Papst dafür angegriffen, wenn die eigentliche Äußerung, dass Mohammed nur Inhumanes und Schlechtes hervorgebracht habe, von jemand völlig anderem stammt?
Ratzi ist ein ziemlich intelligenter Bursche und wusste schon ganz genau, warum er so ein Zitat in eine Rede einbindet. Mit der Reaktion musste er rechnen und wie ich ihn einschätze hat er das auch so einkalkuliert.
Ich denke, dass er einfach eine etwas andee Gesamtstrategie fährt als seine Vorgänger. Die katholische Kirche ist in Mitteleuropa eigentlich seit der franz. Revolution permanent in der Defensive gewesen. Ich Rede hier nicht vom christlichen Glauben sondern vom zentralistischen Apparat "Vatikanstaat" mit dem Papst an der Spitze, der unfehlbar sein und Gott vertreten soll. Auf viele Fragen hat die Kirche aber nicht so recht eine Antwort gehabt und viele Entwicklungen verliefen an ihr vorbei. Das oftmalige Schweigen der Kirche zu vielen Themen die Menschen bewegen bzw. dass Ausweichen oder die Unfähigkeit sich da zu einer klaren und eindeutigen Haltung durchzuringen (Aids, Homosexualität usw.) erscheint in den Augen vieler als ein Eingeständnis, dass viele Kirchenvertreter selber schon gar nicht mehr glauben, was sie da an den Realitäten des Lebens vorbeipredigen. Der Nutzen und die Kompetenz der katholischen Kirche (nochmal, nicht des Glaubens, sondern des bürokratischen Systems kath. Kirche) wird immer wieder angezweifelt. Das ist eine enorme Gefahr für die Kirche, zumal, da die Zwiesprache mit Gott erstmal was persönliches ist, wozu man nicht zwingend so ein riesiges "System" braucht. Eine Kirche die die Menschen angesichts verschiedenster Fragen die das Leben heute stellt nicht richtig begleiten kann setzt sich der Gefahr aus letztlich überflüssig zu werden. Andere Religionen brauchen so einen Apparat wie den Vatikan ja auch nicht.
Dazu kommt, dass der Islam, der weit dynamischer und weniger zentralistisch ist als die katholische Kirche immer mehr an Boden gewinnt, allein schon deshalb, weil er überall in der Welt immer wieder sozial und politisch für die verschiedensten Zielsetzungen und Slogans instrumentalisiert wird. Unter dem Deckmantel was für die Sache des Islam bzw. gegen des Feinde was machen zu wollen lässt es sich super Leute zusammentrommeln und wenn ein Saddam Hussein, der in der Praxis immer eher dem Sozialismus bzw. Stalinismus nahestand plötzlich den Islam "entdeckt" und zum Kampf gegen Ungläubige aufruft, dann wirds ja echt skuril. Der Islam ist einfach "werbewirksamer" als die katholische Kirche, die vielen Problemen in der Welt ziemlich hilflos gegenübersteht. Bei einer zentralistischen Organisation, bei der einer für alle spricht ist das auch kein Wunder, schliesslich muss man ja als alleiniger oberster Ansprechpartner auch Rücksicht auf alles und jeden nehmen mit dem man es sich nicht verscherzen will. Ebenso wie ein kleiner Priester Rücksicht auf die Position des Papstes nehmen muss, was die auch in einen Gewissenskonflikt bringen kann, obwohl der Papbst offiziell natürlich immer recht hat. Dabei kommts doch manchmal zu nem Spagat zwischen der offiziellen Realität der Kirche und der gefühlten Realität der Menschen. Der Imam an der Ecke hats da leichter, da gibts keinen grossen Oberhirten, der vorgibt was jetzt 100% wahr ist.
Ratzinger scheint mir jetzt wieder mehr in die Offensive gehen zu wollen. Er betont im Gegensatz zu seinen Vorgängern viel deutlicher den Führungsanspruch der katholischen Kirche gegenüber allen anderen Religionen. Von der Ökomene ist er auch alles andere als begeistert, dabei ist es doch eigentlich ganz nett und harmlos, wenn brave Christenmenschen zusammengeführt werden können. Ich war etwas irritiert als er wieder mehr Mariengläubigkeit gefordert hat, denn mit sowas kann man Protestanten eigentlich gar nicht kommen, wenn man ernsthaft mit denen reden will, aber es macht Sinn. Es macht eigentlich sofort klar, dass Protestanten arme Irre sind, mit denen man jetzt noch nicht viel anfangen kann, denen aber geholfen werden muss. Ich vermute mal er sieht in jedem weiteren Schritt, den man auf Protestanten und Ungläubige zugeht eine weitere Aushöhlung des Fundements der katholischen Kirche. Mit jeder seiner mit sanfter Stimme vorgetragenen scheinbar sehr konservativen Positionen gewöhnt er die Öffentlichkeit wieder an solche Töne und bringt die Zweifler auf Linie.
Um auf dass Zitat zurückzukommen, das ist schon interessant. Islamische Länder erscheinen uns oft rückständig und die Kultur dort gewaltätig. Die Religion hat dort viel Einfluss auf das alltägliche Leben. Als bei uns die Religion den grössten Einfluss hatte nannte man es das "Dunkle Mittelalter", andere Länder wurden überfallen um ihnen den wahren Glaubigen zu bringen, man hat Hexen und jeden, der an den Weisheiten der Kirche gezweifelt hat öffentlich verbrannt (nebenbei zu einer Zeit, da die islamischen länder kulturell und auch von der Wissenschaft uns voraus waren). Vllt ist es also grundsätzlich problematisch, wenn Religionsführer zuviel Macht haben in einer Gesellschaft. Der Aufstieg Europas mit der Renaissance, das Aufblühen von Handel, Kultur und Wissenschaft ging Hand in Hand mit dem Niedergang der kirchlichen Macht. Vllt. ist es also gut, dass Ratzi heute nicht so viel Macht hat, wie im Mittelalter. Wer weiss, wieviele Scheiterhaufen brennen würden, wenn er freie Hand hätte. "Hexen" gibts heute ja auch noch genug.
Aber jetzt genug davon, so sehr interessiert mich das Thema ja gar nicht.