Fan-Fiction Die Farbe des Horizonts

Gavin erzählte dem Informationshändler von dem Handel zwischen Naven Vuin und Karridan ‚dem Derben‘ und von dem Halunken Wellard. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es seinem Freund jetzt noch schaden konnte, wenn er diese Geschichte ausplauderte. Im Gegenzug erfuhr er einige Hinweise über Linas Verbleib. Leider waren diese trotz ihrer Fülle letztendlich wenig hilfreich: Wie sich herausstellte, hatten Meylir und Lina Rauschgift verkauft, sozusagen als Händler auf der Straße, direkt an die Kunden. Anscheinend war das Hinterzimmer der Bar ein winziger Umschlagplatz für Glitzerstim. Nun war Gavin auch klar, was Lina mit „ein paar gelegentlichen Nebeneinkünften“ gemeint hatte. Jedenfalls war vor drei Tagen aus heiterem Himmel eine Patrouille Sturmtruppen aufgetaucht und hatte den Barkeeper und seine beiden Gehilfen hochgenommen. Danach waren die Soldaten sofort wieder verschwunden, auch zur Freude des Angestellten, der die Bar einfach übernommen hatte, sich schadenfroh die Hände reibend. Ein ähnlicher Vorfall hatte sich offenbar relativ zeitgleich in einem Viertel im Westen der Stadt abgespielt. Eine imperiale Razzia also.


Niedergeschlagen verließ Gavin die Bar. Im Schutz der Türnische holte er das Kom heraus und funkte Rayland an um ihn um Rat zu fragen.

„Eine Drogenrazzia, von den Imps? Hm…. Das hat es noch nie gegeben, seit ich hier bin. Normalerweise halten sich die aus den Machenschaften der Hutten heraus. Wenn man hier im Hutt-Sektor einmal Sturmtruppen sieht, dann meistens wegen irgendwelchen Rebellengruppen oder einer Imperiums-internen Sache.“ Kurz ertönte nur rauschende Statik aus dem Kom, während Rayland überlegte. „Oder es handelt sich einfach um irgendein riesen Ding. Aber das passt für mich alles nicht zu einer normalen Drogenrazzia.“ Wieder kurzes Schweigen. „Was ich aber auf jeden Fall weiß: Das Ganze stinkt wie ein riesen Haufen Huttdreck. Vergiss die Sache lieber und wir suchen noch ein wenig länger nach einem Teampartner für dich.“

Hinter Gavin ertönte ein animalisches Grunzen und er wurde leicht beiseitegeschoben, als der gewaltige Houk aus der Bar drängte.

Gavin antwortete seinem Bruder: „Nein. Ich werde versuchen, noch ein wenig mehr herauszufinden.“

„Na gut.“, drang knisternd Raylands Stimme aus dem Lautsprecher. „Ähm, also, soll ich nach Bilbousa kommen und dir dabei helfen?“

Gavin schüttelte den Kopf, obwohl es sein Bruder ja gar nicht sehen konnte. „Nein, ich denke ich komme klar. Wüsste nicht, wie du mir hierbei helfen könntest, großer Bruder. Und wenn doch, dann ruf ich dich an.“

Gavin war es, als höre er ein erleichtertes Seufzen am anderen Ende der Verbindung. „Alles klar. Ich denke auch, dass ich dir keine besondere Hilfe wäre. In solchen Angelegenheiten bist du eindeutig der Begabtere, wenn man glauben will, was einem Naven Vuin so erzählt.“

Gavin musste schmunzeln. „Alles klar, bis später.“ Er beendete die Verbindung.

Wenigstens hatte sich der beißende Wind gelegt. Er trat auf die Straße hinaus und schlenderte ziellos weiter ins Zentrum, während er seine Gedanken schweifen ließ. Lina und Meylir waren vor drei Tagen festgenommen worden. Es war also durchaus möglich, dass sie längst an Bord einer imperialen Fähre den Planeten oder gar das System verlassen hatten. Wäre doch nur Naven noch hier. Er wüsste bestimmt, wo man nach einer Spur suchen sollte. Die Überlegung mit der Fähre war schon einmal nicht abwegig und ließ sich vielleicht leicht bestätigen. Er schlug den Weg in Richtung Raumhafen ein, dessen hoher Turm sich über die restlichen Gebäude erhob.


Gavin betrat das Hauptterminal des Bilbousa Raumhafens und trat an einen Schalter. Der Angestellte, ein alter Twi’lek mit blassroter Hautfarbe und gekleidet in der Uniform des Raumhafenpersonals, saß in der kleinen Kabine mit dem Rücken zum Schalter und hatte die Füße auf den Tisch hochgelegt. Auf dem Schreibtisch vor ihm flimmerte eine Holoserie.

„Entschuldigen Sie.“, machte Gavin auf sich aufmerksam. Keine Reaktion. Er klopfte mit den Knöcheln an die Glasscheibe. Brummelnd drehte sich der Twi’lek auf dem Stuhl herum.

„Ja?“ Der quittierende Tonfall der kratzigen Stimme ließ die Frage eher wie ein Bellen wirken.

Gavin ließ sich davon jedoch nicht beirren. „Können Sie mir sagen, ob innerhalb der letzten drei Tage eine imperiale Landefähre oder ein ähnliches Schiff von hier gestartet ist?“

Der Angestellte warf ihm einen skeptischen Blick zu, so als sei er sich nicht ganz sicher, ob die Frage ernst gemeint sei. Dann drehte er sich, mit den Worten „Kann ich Ihnen nicht sagen.“ wieder seiner Holoserie zu. Gavin trat einige Schritte zurück und betrachtete noch einmal das Leuchtschild über dem Schalter.

„Ich bin aber doch hier offensichtlich bei der Raumhafeninformation. Nach meinem Verständnis fallen Flugauskünfte eindeutig in diesen Bereich.“

Der Beamte drehte sich mit widerwilliger Langsamkeit zu Gavin herum. Er schien kurz zu überlegen, während die Spitzen seiner Kopfschwänze leicht zuckten.

„Informationen dieser Art, besonders wenn sie das Imperium betreffen, sind streng vertraulich! Ich habe nicht die… Befugnis, sie Ihnen zu geben.“, schnarrte er.

Gavin trat wieder näher und lehnte sich auf den Tresen. „Tatsächlich?“, meinte er in vertraulichem Ton. „Vielleicht könnte man die Regeln ja ein bisschen lockern, wenn es auch in Ihrem Interesse ist. Sagen wir, 50 Credits?“

Selbst zu Hause auf Ord Mantell hatte Gavin sehr früh gelernt, dass man oft nur mit genügend Credits das bekam, was man wollte. Besonders im Zusammenhang mit Beamten.

Der Twi’lek reagierte mit gespielter Entrüstung. „Sie denken wohl, ich wäre bestechlich, wie ein beliebiger Viehhändler aus der Provinz!“

„Keineswegs.“, versicherte Gavin mit ernstem Ton. „Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ein Raumhafenbeamter keinen anständigen Lohn für die entbehrliche Arbeit erhält, die er täglich leistet. Von all dem widerlichen Gesindel, das einen so oft belästigt, gar nicht erst zu reden.“, schmeichelte er. „Da ist es nur gerecht, selbst eine einfache Auskunft mit einem entsprechenden Trinkgeld zu entschädigen.“ Mit diesen Worten fischte er einen fünfzig Credit Chip aus seiner Westentasche und legte ihn einladend auf den Schalter, in der Hoffnung, dass die Selbstachtung des Beamten gering genug war, sich mit einer so oberflächlichen Rede zu begnügen.

Der Blick des Twi’lek blieb ruhig, aber ein kurzes Zucken seiner Hand verriet unterdrückte Gier. „Wie Recht Sie doch haben, werter Herr. Und doch“, jammerte er mit verschlagenem Blick, „wird mir mein gemeines Weib die fünfzig Credits sofort abnehmen, wenn ich nach Hause komme. Mit weiteren fünfzig wäre mir aber in der Tat geholfen, da würde mir die Hälfte bleiben, nachdem sie ihre scheußliche Gier befriedigt hätte!“ Er machte ein leidendes Gesicht und Gavin verfluchte innerlich diesen alten Raffzahn.

Äußerlich lächelte er jedoch verständnisvoll und holte einen weiteren Chip aus der Tasche, den er neben den ersten legte. Der Alte wischte die 100 Credits mit einer flinken Bewegung vom Schalter in seine andere Hand und schob sie in die Hosentasche.

„Nun?“, fragte er freundlicher und schaute wieder zu Gavin auf.

„Eine imperiale Fähre. Lambda-Klasse oder so etwas in der Richtung. Ist so etwas in den letzten Tagen hier gelandet oder gestartet?“

„Ah ja.“ Der Twi’lek tippte einige Befehle in ein Terminal ein, das außerhalb von Gavins Sichtfeld war. Er ließ sich einige Zeit, was Gavin zufrieden stellte, da er anscheinend gründlich suchte. Dann aber schaut er wieder hoch und schüttelte den Kopf. „Auf diesem Raumhafen nicht, werter Herr.“

„Und… haben Sie irgendwelche Sturmtruppen gesehen? Innerhalb der letzten drei, vier Tage?“

„Nein. Es kommt äußerst selten vor, dass sich die imperiale Polizei in Bilbousa blicken lässt. Das Auftauchen von Sturmtruppen wäre sicher aufgefallen.“

„Sithdreck“, fluchte Gavin und wandte sich grußlos von dem Schalter ab.

Zufrieden grinsend befingerte der Beamte die Credits in seiner Tasche und drehte sich wieder dem Holoschirm zu.
 
Verärgert trat Gavin wieder auf die staubigen Straßen hinaus. Nicht nur hatte er rein gar nichts herausgefunden, nein, er hatte dafür auch noch 100 Credits bezahlt. Eine scharfe Böe wehte ihm Sand ins Gesicht. Er verfluchte ihn, und der Vollständigkeit halber auch noch die Stadt und den ganzen Planeten mit dazu. Er wusste einfach nicht weiter und noch dazu hatte er Hunger.
Na gut, vielleicht fällt mir etwas ein, während ich mir etwas zu essen besorge.

In einer schmalen Straße, die von zwei- oder dreistöckigen Gebäuden gesäumt war, fand er eine Garküche. Auf der Straße war reger Betrieb und viele kleine Stände duckten sich in windgeschützte Nischen in den Erdgeschossen. Ein dreiäugiger Gran bot verschiedene Eintöpfe an, die in Kesseln köchelten und Gavin entschied sich nach einer Geruchsprobe für eine orange-grüne Suppe, die hauptsächlich aus Gemüse zu bestehen schien. Während er im Windschatten einer Wand lehnte und löffelte, beobachtete er das Treiben.

Gavin sah keinen einzigen Menschen und viele der Aliens hatten ihr Gesicht mit Tüchern verhüllt, um sich vor dem staubigen Wind zu schützen. Es schien sich hier um eine Marktstraße zu handeln und in jedem Haus war eine weite ebenerdige Öffnung, in der Platz für einen Laden, eine Bar oder einen Imbiss war. Ihm fielen zwei Weequays in dreckigen braunen Uniformen auf, die die Straße entlangschlenderten. Die anderen Passanten schienen den beiden kaum merklich aus dem Weg zu gehen. Das weckte Gavins Interesse vollends. Gerade traten die schäbig Uniformierten in ein kleines Geschäft ein und der Besitzer schien es sehr eilig zu haben, sie zu bedienen. Die Öffnung des Ladens erstreckte sich über die gesamte Hausfront und Gavin konnte beobachten, wie der Ladenbesitzer durch eine Tür tiefer ins Gebäude verschwand, nur um gleich wieder zurückzukommen. Er drückte einem der Weequays etwas in die Hand und dieser schien nachzuzählen. Credits!, dachte Gavin. Es musste sich um eine Art Schutzgeld handeln.

Und als ihm klar wurde, dass diese beiden eine Patrouille der Hutten-Mafia waren, wusste er plötzlich, wo er weitersuchen musste: Bei den Gangsterbossen. Es war einleuchtend, dass es die Hutts waren, die den Drogenhandel auf Nal Hutta kontrollierten. Auf irgendeine, wahrscheinlich indirekte Weise mussten Lina und Meylir für einen Hutten gearbeitet haben. Und sicherlich für einen der beiden, die hier in Bilbousa hauptsächlich agierten: Blebbor oder Karridan ‚der Derbe‘. Wie diese Sturmtruppen bei dem Ganzen ins Bild passten, wusste er nicht, aber vielleicht würde sich das noch zeigen.

Er stellte die leere Schüssel auf einen Tisch und tastete in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel von Wellards Schiff, das nun ihm gehörte. Es traf sich doch hervorragend, dass es in Karridans Stadtvilla für ihn zum Abholen bereit stand. Während die beiden Weequays in ihren alten Uniformen gerade gemütlich weiterschlenderten, machte Gavin sich in entgegengesetzter Richtung auf den Weg. Zur Residenz des Hutten.

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Gavin ging zielstrebig auf das tunnelartige Eingangstor der Stadtvilla zu. Auf der Straße herrschte reges Treiben und zwei bewaffnete Wachen in dunkler Kleidung standen vor dem Eingang. Sie schienen jeden zu kontrollieren, der hinein wollte und eine kleine Gruppe neugieriger Tagediebe hatte sich vor dem Tor gebildet. Er drängte sich hindurch und sprach die Wachen an.

„Ich komme um mein Schiff, die Strahl von Nubia abzuholen. Ich habe es im Handel mit Karridan dem Hutten erworben. Es müsste sich hier befinden.“

Die eine Wache, ein Twi’lek mit blassgrünem Teint, runzelte die hohe Stirn. „Du bist kein Kopfgeldjäger?“, fragte er mit öliger Stimme.

„Äh, nein.“, antwortete Gavin leicht überrascht.

Der Twi’lek zuckte die Achseln. „Ah, na gut. Folge mir. Meister Demil d’Nal wird dir weiterhelfen.“ Der Wächter bedeutete ihm zu folgen und ging durch das Tor. Gavin bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der andere Wächter ihn eingehend musterte und ignorierte ihn geflissentlich. Er folgte seinem grünhäutigen Führer in den Hof der Villa. Linkerhand befand sich eine Ladestation mit einigen Energiekonvertern und einem großen, runden Treibstofftank. Vor ihm erhob sich das Hauptgebäude, dessen Obergeschoss aus einer von Bögen überdachten Terrasse bestand. Zu seiner Rechten öffnete sich der Innenhof in einen weiten Bereich, auf dem einige kleine Raumschiffe standen. Die meisten von ihnen machten einen eher heruntergekommenen Eindruck.

Der Wächter lief geradewegs auf die große Eingangstür des Haupthauses zu und rief nach Meister d’Nal.

Ein weiterer Twi’lek in einem weiten Gewand trat aus der Tür. Seine Stimme war ein genervtes Krächzen. „Ja, was ist denn? Ich habe doch keine Zeit!“, beschwerte er sich. Seine Haut war grau und harmonierte mit seiner dunkellilanen Robe.

Der grüne Twi’lek verbeugte sich kurz vor d’Nal und erklärte die Belästigung entschuldigend: „Dieser junge Mensch hier, Herr äh -“, er blickte kurz fragend zu Gavin, der nun nähertrat.

„Gavin Kchron, Herr d’Nal.“, kam er der Wache zu Hilfe und nickte d’Nal zu.

Der blassgrüne Twi’lek wollte fortfahren, aber er wurde sogleich von d’Nal unterbrochen.

„Und was kann ich für Sie tun? Ich habe es sehr eilig.“, sagte er kurz angebunden.

„Ich bin hier um mein Schiff abzuholen, die Strahl von Nubia“, wiederholte Gavin. „Sie ist durch den Tauschhandel eines Sullustaners namens Naven Vuin an mich übergegangen. Ich habe den Schlüssel hier.“

Der Verwalter musste nur kurz überlegen. „Ah ja, dieser Schrotthaufen mit angeschweißten Triebwerken. Es steht da hinten auf Landeplatz C. Darl wird Sie hinführen.“ Mit diesen Worten drehte er sich wieder um und verschwand ins Innere der Villa. Die Wache nickte ihm schulterzuckend zu. „Hier entlang.“

Gavin befand, dass das Personal hier für eine eigentlich kriminelle Organisation verhältnismäßig zuvorkommend war. Er wurde zwischen zwei altgedienten Kleintransportern hindurchgeführt, hinter denen ein Schiff von herausragender Unförmigkeit stand. Der Wächter blieb stehen und wies in einer präsentierenden Geste mit dem Arm auf das Schiff. „Die Strahl von Nubia.“, kommentierte er spöttisch und wandte sich sogleich wieder ab, um in Richtung Eingangstor zu verschwinden.

Skeptisch musterte Gavin das… was auch immer das sein soll. Seinen Namen, den Gavin langweilig fand, würde es sicher nicht mehr lange behalten, denn er war auch gänzlich unpassend: Die Außenhülle des Fahrzeugs wäre der Beschreibung „mintgrün mit rostbraunen Sprenkeln“ nicht gerecht geworden - das Verhältnis war definitiv umgekehrt. Er umrundete sein neues Eigentum prüfend. Der Bug mit dem Cockpit hatte eine recht schneidige Form, die dem Schiff sogar Stil verliehen hätte, wenn sich daran nicht eine klobige Heckpartie mit einem Dreieck aus eng aneinander liegenden Triebwerken angeschlossen, die mit dem schlanken Bug in lächerlichem Kontrast stand. Gavin, der sich ja doch mit kleineren Fahrzeugen aller Art gut auskannte, erkannte die Vorderpartie sofort als die eines dieser greifvogelartigen HWK-290. Teil welchen Modells jedoch die Heckpartie mit den Triebwerken einst gewesen sein mochte, konnte er beim besten Willen nicht feststellen. Nun, es würde sich zeigen, wie sehr sich vom Äußeren auf das Innere des kleinen Frachters schließen ließ. Und schließlich hatte er ja keinen Credit dafür bezahlt. Auf Knopfdruck des kleinen Schlüsselsenders, den er gestern von Naven Vuin bekommen hatte, gab die Einstiegsluke zuerst ein ächzendes Geräusch von sich, bevor sie sich zögerlich aufschob. Eine kurze Rampe fuhr herab, kam aber, bevor sie den Boden berührte, mit einem Krachen zum Sillstand.
Na wunderbar. Da kann ich ja froh sein, wenn ich das Ding überhaupt von hier wegbekomme, ohne dass das Landegestell stehenbleibt.
Mit einem kleinen Satz hüpfte er auf die Rampe und stieg ins Innere. Im Lukenraum befanden sich zwei weitere Luken: Eine linkerhand, die zum Frachtraum im Heck führte, die rechte ins Cockpit. Der Laderaum war recht überschaubar, dämmrig und vor allem leer. Die Ladeluke schien sich im Boden zu befinden. Gavin verriegelte die Luke wieder hinter sich und betrat das Cockpit. Wobei steigen das bessere Wort dafür war, denn die Verhältnisse waren beengt. Pilot- und Copilotensitz waren hintereinander angebracht und man musste sich an den Sitzen von hinten her vorbeizwängen. Er ließ sich in den Pilotensitz fallen und musste feststellen, dass er sehr bequem war. Er glich den Sportsitzen in einem dieser teuren Flitzern. Auch sonst waren die Armaturen zwar verdreckt und abgenutzt, schienen aber durchwegs Qualitätsarbeit zu sein. Er startete den Bordcomputer und vor ihm erwachte ein Bildschirm zum Leben. Zu seiner Überraschung meldete sich das Schiff mit dem Namen Goldstaub, und nicht mit Strahl von Nubia. Er überlegte kurz. Vielleicht hatte Wellard diesen Namen nur als Deckname genutzt. Aber warum? Nun, es würde jedenfalls einen so unpassenden Namen erklären. Goldstaub gefiel Gavin schon besser. Vielleicht sollte er ihn gar beibehalten, sozusagen als kleines Zugeständnis an seinen gnädigen Vorbesitzer, der es ihm so selbstlos geschenkt hatte.
Während der Bordcomputer einen Checkup durchführte, schaute Gavin durch die Sichtluken nach draußen auf den Hof. Gerade spazierte ein schwer bewaffneter Humanoide in einem Kampfanzug zur Villa, eskortiert von den beiden Wachen. Dann eilte ein Bediensteter über den Hof und verschwand in einem Nebengebäude. Überhaupt herrschte rege Betriebsamkeit und auch der Verwalter des Hutten, dieser Kerl namens d’Nal hatte es auffällig eilig gehabt. Irgendetwas war heute los in der Stadtvilla Karridans. Das mit dem Schiff war zwar keine Schwierigkeit gewesen. Aber er war auch hierhergekommen, um etwas über das Schicksal von Lina Task herauszufinden. Vielleicht konnte er das allgemeine Durcheinander nutzen. Er schaltete die Systeme der Goldstaub ab und verließ das Schiff. Er hatte eine Idee, wie er zumindest ins Innere der Villa kommen konnte.
 
„Du schon wieder!“, schnauzte d’Nal schon wesentlich unfreundlicher. „Ich sagte doch schon, dass ich beschäftigt bin. Hat dieser Nichtsnutz Baril’dan dir das Schiff nicht gezeigt?“

„Doch, hat er –“

„Na also dann verschwinde mit dieser Schrottmühle, damit ich wieder mehr Platz auf dem Hof habe.“ Unterbrach ihn der Twi’lek und bleckte bösartig die spitzen Zähne.

Gavin ließ sich nicht beirren. „Ich würde gerne mit dem Vorbesitzer des Schiffes sprechen, einem gewissen Wellard. Er sitzt in einer der Zellen hier.“

Der knochige Kopf des Verwalters ruckte hoch, dass seine Kopfschwänze, fleischige Fortsätze an der Hinterseite seines Schädels, zuckten. „Ausgeschlossen! Die Gäste des Hauses wollen nicht belästigt werden.“ Mit diesen Worten wollte er sich umdrehen, aber Gavin hielt ihn mit der Hand am Ärmel zurück.

„Ich will ihm nur ein paar Fragen zum Schiff stellen. Das kostet Sie nichts und schon gehe ich Ihnen nicht mehr auf die Nerven.“

D’Nal riss seinen Ärmel ungehalten los und musterte den jungen Menschen mit einem bohrenden Blick. Dann drehte er sich schwungvoll um und knurrte entnervt: „Hier entlang.“

Gavin eilte ihm hinterher. Der Verwalter schritt mit wehender Robe einen düsteren Gang entlang. Gleich nach dem Eingang kamen sie an einer prächtigen zweiflügligen Tür vorbei, die offenstand. Dem kurzen Blick nach zu urteilen, den er hineinwerfen konnte, handelte es sich um den großen Saal der Villa und darin herrschte reges Treiben. Gavin vernahm die mächtig tiefe und polternde Stimme des Hutten, aber er sprach Huttisch und Gavin verstand kein Wort. Auch die aufgeregten Stimmen vieler anderer Spezies drangen auf den Gang heraus. Er ging weiter und beschleunigte seine Schritte. D’Nal war schon fast im Zwielicht der schummrig gelben Lampen verschwunden, die den Korridor nur unzureichend ausleuchteten. Dann verschwand er um eine Biegung. Als Gavin um die Ecke trat, stand der Hofmeister bereits an einer Türkonsole und tippte einen Befehl ein. Zwei rote Lampen an der Durastahltür erloschen kurz und leuchteten dann im selben Gelb wie die Korridorbeleuchtung, als die Tür entriegelt wurde. D’Nal wies einladend auf die Zellentür, dann drehte er sich halb herum und bellte einen Befehl in einer Gavin unbekannten Sprache in die Tiefe des Korridors. Gavin trat an die Tür heran und sie schob sich langsam zur Seite. Aus dem Korridor drangen eilige Schritte und er sah sich zu dem Twi’lek um.

„Brog bringt dich wieder hinaus. Für solche Nebensächlichkeiten ist meine Zeit heute zu kostbar.“, grummelte er und verschwand in Richtung Saal. Seinen Platz nahm ein schweinegesichtiger Gamorreaner ein. Er musterte Gavin einige Augenblicke, während ihm ein kleiner Speicheltropfen von der wulstigen Unterlippe tropfte. Der Mensch nickte der Wache freundlich zu. Gamorreaner waren bekannt für ihre mentale Schlichtheit und man hatte nicht viel von ihnen zu befürchten, solange man sie nicht wütend machte. Auch wenn sie, wie bei diesem Exemplar der Fall, eine wuchtige Vibro-Lanze führten. Einen Moment noch zögerte die Wache misstrauisch, dann blinzelten die kleinen Schweinsäuglein einmal und er lehnte sich mit einem brummigen Grunzen zurück. Gavin trat in die kleine Zelle, die nicht mehr beinhaltete als eine Pritsche, einen kleinen Wasserhahn und ein rundes Loch in einer Ecke. Auf der Pritsche saß ein Mensch mittleren Alters der nun aufstand und Gavin mit einer Mischung aus Neugierde, Feindseligkeit und Hoffnung anstarrte. Seine Kleidung war fleckig und seine fettigen blonden Haare standen wirr vom Kopf ab. Er war unrasiert und die Fältchen um seine Augen und im Gesicht waren schwärzlich vor Dreck.

„Wer bist du? Was willst du von mir?“ Seine raue Stimme hatte etwas gehetztes, aber sein abstoßendes Äußeres half Gavin dabei, kein Mitleid zu empfinden.

Da es sowieso keinen Sinn machte, lange herumzureden, sagte er: „Ich bin auf der Suche nach einer Freundin. Ihr Name ist Lina Task. Sie ist vor drei oder vier Tagen verschwunden, hier in Bilbousa.“

Während Gavin sprach verschloss sich die Mine des Gefangenen und er verschränkte die Arme vor der Brust.

Gavin fuhr fort. „Ich vermute, dass sie von einem der drei Hutten, die hier in der Region tätig sind …“ Er warf einen kurzen Blick über die Schulter zu der gamorreanischen Wache, die desinteressiert auf dem Korridor stand und sprach etwas leiser. „… nun, dass sie deren Gastfreundschaft genießen darf.“ Mit einer bedeutenden Geste wies er auf die Pritsche.

„Ich habe niemanden gesehen, außer den Wachen. Und von denen war keine weiblich.“, antwortete Wellard grimmig.

Die Tatsache, dass er ohne zu zögern und ohne eine Gegenleistung zu verlangen geantwortet hatte, überzeugte Gavin, dass er wirklich nichts wusste. Es machte ja auch Sinn. Den Gefangenen nach nützlichen Dingen über die Goldstaub zu fragen, wäre sicher auch keine besonders fruchtvolle Idee. Also zuckte er leicht enttäuscht die Schultern und trat durch die Zellentür wieder hinaus. „Hm. Na dann, viel Glück noch.“, wünschte er und die Wache schloss die Zellentür und schlurfte in Richtung Ausgang. Das war nicht gerade aufschlussreich. Aber was habe ich mir auch erwartet? Er warf einen Blick zurück über die Schulter in den schummrigen Zellentrakt. Könnte er die Wache loswerden, würde er die restlichen Zellen einfach über die Kameras überprüfen, die von den Türterminals aufgerufen werden konnten. Er hatte nichts davon gesehen, dass D’Nal einen Zugangscode dafür gebraucht hätte. Als sie an der großen Tür des Saals vorbeikamen, tippte er, einer Eingebung folgend, dem Wächter auf die fleischige Schulter. Mit einem fragenden Grollen drehte der sich um und Gavin deutete zum Saal.

„Ich muss auch hinein.“, sagte er und deutete dann mit dem Zeigefinger an seine Brust. „Kopfgeldjäger.“, fügte er selbstbewusst hinzu.

Sein Gegenüber zog kurz die Lefzen hoch, nickte aber dann und schob ihn geschäftig mit der schmierigen Pranke durch die Türe. Nach dem düsteren Zwielicht des Korridors überraschte Gavin die helle Atmosphäre des Saals. Die Decke war durch eine kreisrunde Fensteröffnung durchbrochen, durch die der fahlgrüne Himmel zu sehen war. Der große Raum war halbrund, mit der Tür, durch die Gavin eben geschoben worden war an der Flachen Seite und einer Art Bühne an der runden, gegenüberliegenden Wand. Die Bühne selbst befand sich wiederum in einer runden Nische und auf ihr thronte ein widerliches Geschöpf: Ein brauner Wurmkörper mit plumpem Mondgesicht, dessen riesige Augen von schweren, fleischigen Lidern halb bedeckt, über einem breiten, lippenlosen und doch schleimigen Mund glänzten. Auf seiner rechten Wange wucherte ein gewaltiges Geschwür von der ekelerregenden Art, wie man sie nicht anstarren wollte und doch den Blick nicht davon wenden konnte. Kleine Stummelarme komplettierten Karridan, der sich nicht zu Unrecht, wie Gavin gestehen musste, ‚Der Derbe‘ nannte. Soeben lauschte er den Ausführungen seines Protokolldroiden, der scheinbar für einen Noghri übersetzte, der in respektvoller Haltung und Abstand vor dem Hutten stand. Gavin identifizierte den blauhäutigen Humanoiden anhand der martialischen Aufmachung aus Munitionsgürtel und teilweiser Panzerung als einen Kopfgeldjäger. Er sah sich weiter um und bemerkte, dass scheinbar der ganze Saal gefüllt war von Gesellen dieser ungemütlichen Profession. Der Raum war zusätzlich von gelben Lichtern erhellt, die in Säulen am Rand eingebaut waren. Gavin schob sich durch die Wartenden, vorbei an einem stark riechenden Wookiee, der mit allerlei Ledergurten und Federschmuck behangen war und einem Kopfjäger in verschlissenem Raumanzug, der wohl schon so oft modifiziert worden war, dass er nicht mehr zu zehn Prozent aus Originalteilen bestand. Er suchte sich einen Platz an der Wand, um nicht unnötig aufzufallen. Der Noghri, der noch immer vor dem Gangsterboss ausharrte, erhielt nun Antwort vom Protokolldroiden.

„Seine Fettleibigkeit, Karridan der Derbe erteilt Ihnen gnädigst den Auftrag Walley Denwar, werter Herr Brakhim.“

Bei diesen Worten warf der Hutt dem Kopfgeldjäger einen kleinen Datenwürfel zu, den dieser auffing und sich dann mit einer Verbeugung umdrehte und in Gavins Richtung ging um sich unter Seinesgleichen zu mischen. Er postierte sich direkt vor Gavin, mit dem Rücken zu ihm. Gavin hatte nicht gewusst, dass Noghri tatsächlich von so kleinem Wuchs waren. Dieser hier ging ihm allenfalls bis zur Schulter. Über seinen Kopf hinweg verfolgte er das Schauspiel weiter. Ein Mensch in recht unauffälliger Kleidung trat vor den Gangsterboss und deutete eine Verbeugung an. Seinem Äußeren nach zu urteilen hätte man ihn eher für einen Ober in einem mittelklassigen Restaurant halten können, wäre da nicht der ungewöhnlich lange Laserkarabiner gewesen, den er auf den Rücken geschnallt hatte. Er sprach in Basic, aber da er von Gavin weg sprach konnte dieser durch das allgemeine Getuschel in unterschiedlichsten Sprachen, das von den Anwesenden ausging, fast nichts verstehen. Auch er schien sich jedenfalls um einen Auftrag zu bewerben.

„…bin in jedem Fall der geeignetste Kandidat für den Auftrag Melvin Fork, Eure Fettleibigkeit. Corellia ist meine Heimatwelt und ich kenne den Planeten wie meine Westentasche, es wird mir also ein leichtes sein, diesen nutzlosen Wicht aufzuspüren und für Euch zu liquidieren.“, drang es zu Gavin durch.

Er sah sich erneut um und entdeckte einen weiteren, kleineren Ausgang aus dem Raum zu seiner Rechten. Karridan schien eine Kopfgeldliste ausgegeben zu haben, und all diese Kreaturen waren hier, um um die besten Aufträge zu buhlen. Das war eine ideale Ablenkung um in der Villa herumzuschnüffeln. Möglichst gelassen näherte er sich dem zweiten Ausgang und verschwand durch den offenen Durchlass. Aus dem Saal hörte er gerade noch den Menschen.

„Ich danke Euch, werter Karridan.“

Anscheinend hatte der den Auftrag bekommen. Der kleine Raum, den Gavin betrat, war wieder wesentlich schlechter beleuchtet, also konnte er nicht viel erkennen. In den Ecken stapelten sich irgendwelche Kisten, es schien sich um eine Abstellkammer zu handeln. Aber auf der anderen Seite befand sich eine Tür, durch die er auf einen Gang hinaustrat. Seiner Orientierung nach sollten sich die Zellen irgendwo rechts von ihm befinden. Und tatsächlich erreichte er schon nach einigen Schritten und nachdem er an zwei weiteren Türen vorbeigekommen war, eine gepanzerte Zellentür mit einem Terminal, wie es bei Wellards Zelle gewesen war. Gavin sah sich verstohlen um, aber der spärlich erhellte Korridor war leer. Dann trat er ans Terminal und drückte den Knopf für die Kamerasteuerung. Der kleine Monitor erwachte zum Leben und zeigte das Zelleninnere, das der Wellards glich, aber leer war. Er deaktivierte die Kamera und überprüfte die zweite Zelle, in der sich ein echsenartiger Zweibeiner befand, den Gavin als Trandoshaner erkannte. In der dritten befanden sich zwei Pritschen auf denen je ein Mensch saß.

„Bei der Macht.“, entfuhr es Gavin, obwohl er eigentlich nicht an derlei abergläubischen Schwachsinn glaubte. Rechts im Bild war ein massiger Mann zu erkennen und links eine Frau mit schwarzem Pferdeschwanz. Das Kamerabild war zwar nicht sehr hochauflösend, aber er war sich ziemlich sicher, Meylir und Lina Task gefunden zu haben. Sie schienen sich zu unterhalten, Meylir gestikulierte herum, Lina aber war auf der Pritsche zusammengesunken und bewegte sich kaum.

Gavin konnte sein Glück kaum fassen. Das war ja fast zu einfach. Jetzt muss ich nur noch irgendwie einen Weg finden, wie ich sie da herausbekomme. Das dürfte wohl nicht zu einfach werden und Gavin konnte auch nicht riskieren, ewig hier herumzustehen. Wenn die Wachen ihn hier fänden, hätten sie wohl einige unangenehme Fragen an ihn. Und es war schließlich nicht sein Ziel, hier selbst eine Zelle zu füllen, denn jetzt hatte er keinen kleinwüchsigen Schmuggler mehr, um ihn rauszuhauen. Bei dem Gedanken schaute er rechts, weiter den Korridor entlang. Die nächste Zelle war die von Wellard, bemerkte er, denn es war die vorletzte. Auf halbem Weg zu seiner Tür war eine der gelben Lampen in der Wand eingelassen und Gavin fiel ein seltsamer Schatten direkt über der Lampe am Übergang von Wand zu Korridordecke auf. Er trat näher und erkannte eine unscheinbare Leitung. Er schritt den Korridor weiter entlang. Die Leitung war im Schatten des Ganges praktisch unsichtbar, nur innerhalb des Lichtkreises zu erkennen. Bei der nächsten Lampe, nach Wellards Tür, war sie immer noch da. Er ging zurück zur Wellards Tür, weil ihm eine Idee kam, aber vom Terminal führte keine Leitung nach oben weg. Vielleicht könnte ich die Verriegelung der Türen deaktivieren, wenn ich die Stromversorgung des Terminals unterbreche. Er aktivierte kurzerhand das Terminal und der Monitor erstrahlte. Das brachte gerade genügend Licht, dass er die Leitung an der Decke sehen konnte. Und direkt über dem Terminal war dort eine kleine kugelige Verdickung angebracht. Ein Verteiler! Er deaktivierte den Monitor und eilte zu Linas und Meylirs Zelle und suchte im schwachen Schein des Monitors den Verteiler. Auch hier fand er die kleine Verdickung. So muss es gehen. Gavin überlegte kurz und versuchte sich, den Grundriss der Villa vorzustellen, nach den wenigen Räumen die er bereits gesehen hatte. Ein Gebäude dieser Größe verfügte normalerweise über eine eigene Energieversorgung. Und Wirtschaftsräume wie Generatorkammern befanden sich wahrscheinlich eher im hinteren Teil der Villa. Gavin ging zurück, an der Zelle des Trandoshaners und der leeren Zelle vorbei. Hier zweigte der dunkle Gang ab, aus dem er gekommen war. Leise drangen die Geräusche der versammelten Kopfgeldjäger vom Saal her. Gavin ging geradeaus, weiter ins Innere der Villa. Generatoren waren in der Regel laut und sicher nicht in nächster Nähe des Saals, in dem der Hutt seine Gäste empfing. Eigentlich bräuchte ich ja nur der Leitung zu folgen. Aber das war bei dem schummrigen Licht gar nicht so einfach. Einige Meter weiter jedoch erübrigte sich das Suchen an der Korridordecke. Hinter einer schweren Metalltür hörte man deutlich ein elektrisierendes Summen. Nach betätigen des Türschalters schob sich die Tür kreischend zur Seite. Erschrocken blickte sich Gavin um, aber das fürchterlich laute Geräusch verhallte und der Gang lag wieder still. Er huschte in die Kammer und ein flimmerndes Licht schaltete sich ein. In dem kleinen Raum war allerdings noch kein Generator, sondern nur eine weitere, schwere Tür, diesmal mit einer Sicherheitskonsole. Die Sicherheitsvorkehrungen waren wohl doch nicht so lasch. Wenn ich solche Sachen noch öfter machen muss, würde es sich vielleicht lohnen, meine äußerst bescheidenen Hackerkenntnisse auszubauen. Aber bei diesem Schloss war nichts zu machen. Der Generator summte hinter der Tür fröhlich weiter, genauso wie die flimmernde Beleuchtung in der Kammer. Er sah sich um. Links und rechts an den Seitenwänden befanden sich vergitterte Wartungsschränke, in denen ein paar Lichtlein blinkten. Gavin öffnete sie. Es gab einige kleine Leitungen und zwei große Leitungsbündel. Irgendeine von den kleinen Leitungen musste die für die Zellenterminals sein! Er fand einen Schaltplan an der Innenseite der Schranktür. Die Leitungen schienen durchnummeriert, aber zu Gavins Überraschung war der Plan auf Huttisch. Er hatte in seinem ganzen Leben noch keine technische Beschriftung gesehen, die nicht auf Basic war. Stirnrunzelnd musterte er wieder die vielen Kabel und kratzte sich am Kopf. Bei einem kurzen Blick an die Decke im Gang draußen entdeckte er die dünne Leitung. Sie verschwand in der Wand wo sich auf der anderen Seite der Wartungsschrank befand. Wenn Gavin den Kopf halb in den Schrank zwängte, konnte er erfreulicherweise die Leitung erkennen, wie sie einzeln von oben in den Schrank mündete, um sich dann weiter unten im Kabelgewirr zu verlieren. Seinen Rucksack mit seiner Ausrüstung hatte er in der Goldstaub liegengelassen und selbst wenn er den Rucksack dabei hätte, wäre darin nichts, mit dem er eine Stromleitung kappen könnte. Also blieb ihm nur der Blaster. Er zog die Waffe, die er unter der Weste an einem Ledergurt trug und stellte die Ladung auf das Minimum. Der Macht sei Dank hatte er sich von dem Händler auf Nar Shaddaa einen so vielseitigen Blaster aufschwatzen lassen. Dann nahm er so viel Abstand von seinem Ziel, wie es ihm in der kleinen Wartungskammer möglich war. Er kauerte sich in der gegenüberliegenden Ecke auf den Boden und gab einen Schuss auf die dünne Leitung ab. Sofort überschüttete ihn ein zischender Funkenschauer und gleich darauf fing die halbwegs zerschmolzene Leitung Feuer. Und noch ehe Gavin die Tür des Wartungsschranks zustoßen konnte, entzündete sich zu seinem Schrecken das Isoliermaterial von mehreren anderen Kabeln. Er überlegte kurz, ob er das Feuer, das sich qualmend ausbreitete, löschen sollte. Aber er sah nirgends einen Feuerlöscher, also schloss er schnell den Wartungsschrank und trat auf den Gang hinaus. Noch während er vorsichtig zu den Zellen zurückeilte, erlosch plötzlich die Korridorbeleuchtung. Gavin murmelte einen Fluch. Der Kabelbrand musste sich auf die Beleuchtung ausgebreitet haben. Ganz am Ende des Zellentraktes erwachte ein schwaches Notlicht zum Leben, aber die Wände und Zellentüren waren kaum zu erkennen. Gavin verfluchte die fensterlose Bauweise dieser Gangstervilla und versuchte fieberhaft Linas Zellentür zu finden. Es konnte nicht lange dauern, bis der Stromausfall bemerkt würde. Während er den Trakt hinabrannte, streifte er mit der Hand an der linken Wand entlang und zählte die Einbuchtungen der Zellentüren mit. Erste Tür, die leere Zelle. Die Zweite Tür, die Zelle des Trandoshaners. Gavin wurde langsamer. Hier war die dritte Tür, hinter der Lina und Meylir eingesperrt waren. Er tastete mit den Händen nach irgendeinem Griff oder einem mechanischen Riegel. In diesem Moment erklang ein scharrendes Geräusch, wie von Metall, das schwer über Stein schleift und er erkannte, wie sich die Zellentür ein paar Meter links von ihm langsam aufschob. Eine große, kantige Gestalt trat vorsichtig auf den Gang, von der Gavin in der Dunkelheit nur das leichte Glänzen in den Augen wirklich sehen konnte. Der Trandoshaner!

„Schnell, helfen Sie mir die anderen Zellen zu öffnen!“, sagte Gavin gedämpft aber energisch. Der Trandoshaner nickte nur und trat an die grifflose Metalltür. Gavin konnte nicht genau erkennen, was er tat, aber Trandoshaner waren für ihre übermenschliche Kraft bekannt und er schien die Tür mithilfe seiner scharfen Fingernägel einfach aufzuschieben. Dann trat er etwas zur Seite und Gavin spähte in die dunkle Zelle.

„Lina, Meylir! Kommt heraus, wir verschwinden aus diesem Rattenbau.“

Einen Augenblick war es still, und Gavin dachte schon, die Zelle sei doch leer gewesen, als plötzlich die dunkle Stimme von Lina Task erklang.

„Gavin, bist du das?“

Ihr Umriss erschien in der Zellentür, nur wenige Zentimeter vor Gavin.

„Ja. Los, beeilt euch. Hier wird es jeden Moment von Karridans Leuten wimmeln!“

Wie um seine Worte zu unterstreichen drang lauterwerdendes Stimmengewirr aus der Richtung des Saals.

„Komm, Meylir!“, zischte Lina hinter sich und trat schnell auf den Gang heraus. Während sie geredet hatten, hatte der Trandoshaner bereits die nächste Zellentür geöffnet und rannte zur letzten und vordersten. Gavin folgte ihm. Die Stimmen aus dem Gang, der weiter vor ihm um die Ecke bog, wurden lauter und er zog seinen Blaster. Gerade in dem Moment, da die beiden Rodianer aufgeregt quäkend aus der Zelle kamen, wetzte der gamorreanische Wächter, der Gavin zuvor beaufsichtigt hatte, zehn Meter vor ihnen schnaufend um die Ecke. Er hatte einen Glühstab in der einen und seine Vibro-Lanze in der anderen Hand. Als er die Flüchtigen entdeckte stieß er ein alarmiertes Quieken aus und machte Anstalten, auf sie zuzustürmen. Gavin gab einen hastigen, schlecht gezielten Schuss auf ihn ab, der an seiner Brustpanzerung verpuffte und ihn dazu brachte, unter lautem Gequieke umzudrehen. Aber schon rannten mehrere Kopfgeldjäger mit gezogenen Waffen verschiedenster Art um die Ecke und stießen mit dem massigen Leib des erschrockenen Wächters zusammen.
 
„Folgen mir!“, zischte der Trandoshaner in gebrochenem Basic und rannte den Weg zurück, den Gavin gekommen war. Gavin packte Lina, die hinter ihm stand, am Arm und zog sie mit sich, dem echsenähnlichen Trandoshaner hinterher, der schon fast in der Dunkelheit des Ganges verschwunden war. Meylir rannte vor ihnen und Gavin wunderte sich insgeheim, wie agil er trotz seinem mächtigen Körperbau war. Sie rannten an Wellard vorbei, der verwirrt aus seiner Zelle getreten war und einen geschwächten Eindruck machte. Aber auch er begann zu rennen. Hintendrein kamen die beiden Rodianer, die angsterfüllt kreischten, als der einzige Kopfgeldjäger, der nicht mit dem Gamorreaner zusammengestoßen war, das Feuer eröffnete. Gavin rannte so schnell er konnte und überholte den keuchenden Wellard. Der erste Schuss war anscheinend danebengegangen, aber das laute Explosionsgeräusch ließ auf eine schwerere Waffe als einen Handblaster schließen. Und der zweite Schuss war besser gezielt. Gavin hörte, wie einer der Rodianer kreischend aufschrie und zu Boden fiel. Im Laufen drehte er sich halb um und hob den Blaser um auf die Kopfgeldjäger zu schießen, als plötzlich die Beleuchtung des Palasts wiedererwachte. Gavin sah den Rodianer, der sich in den Rücken getroffen am Boden wand. Am anderen Ende des Ganges hatten mehrere Kopfgeldjäger Stellung bezogen und begannen nun, da sie ihre Ziele deutlich sahen, wie wild zu feuern. Gavin konnte sich vorstellen, dass ein jeder von ihnen heiß darauf war, sich durch das Aufhalten der fliehenden Gefangenen und vor allem deren verräterischen Befreiers beim Hutten Karridan beweisen zu können. Er lief geduckt hinter Lina her und feuerte ununterbrochen an Wellard und dem zweiten Rodianer vorbei, aber seine Schüsse schienen irgendwie wirkungslos abzuprallen oder zu verpuffen. Die Laser seiner Feinde waren im Gegensatz dazu keinesfalls harmlos. Der zweite Rodianer wurde hilflos niedergemäht und ein Schuss von dem schlichtgekleideten Corellianer, der vorhin im Saal vorgesprochen hatte, hätte Gavin getroffen, wäre nicht Wellard direkt hinter ihm gewesen, dem der rote Blitz zischend in den Oberschenkel fuhr. Mit einem heiseren Schmerzensschrei ging er zu Boden und blieb liegen. Lina bog vor ihm um die Ecke und zog Gavin mit sich. Dank der wieder eingeschalteten Beleuchtung sah Gavin wie der Trandoshaner vor ihm zielstrebig eine weitere Abzweigung nahm und die drei Menschen folgten ihm hastig. Ihre Verfolger schienen sich in dem Labyrinth aus Gängen nicht so gut auszukennen. Gavin konnte zwar deren aufgeregtes Geschrei hören, aber es klang uneinig und durcheinander. Anscheinend hatten sie sie abgehängt – vorerst. Gavin hatte nämlich selbst keine Ahnung, wohin ihr unverhoffter Helfer sie führte. Doch schon nach der nächsten Abzweigung erreichten sie heftig schnaufend eine Tür, die ihr Führer durch Eingabe eines Zahlencodes öffnen konnte, und das rötliche Licht von Nal Huttas Sonne drang blendend herein. Sie traten auf einen umfriedeten Innenhof hinaus. Gavin betätigte eilig den Schalter hinter sich und die Metalltür schob sich zischend wieder zu. Dann sah er sich um. Rechterhand befand sich ein Gebäudeflügel der Villa in der zwei große Tore und eine kleinere Tür eingelassen waren. Eines der Tore stand offen. Gegenüber dem Gebäudeteil, aus dem sie gekommen waren, erhob sich eine offene Lagerhalle, vor der eine Tankstation mit mehreren Tanks stand. Nach links hin abgeschlossen wurde der Innenhof von einer vier Meter hohen Mauer, wie Gavin sie auch im Vorhof der Villa durchschritten hatte. Der Trandoshaner und Meylir machten sich gerade daran, das geschlossene Tor zu öffnen, das sich in dieser Mauer befand.

Lina drehte sich zu ihm um und machte ein fragendes Gesicht. „Hattest du einen genaueren Fluchtplan im Sinn, bevor du uns aus diesen verdammten Zellen befreit hast?“, fragte sie skeptisch aber mit angespannter Mine. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihre rabenschwarzen Haare waren ziemlich zerzaust. Gavin wischte sich unbewusst den eigenen Schweiß von der Stirn und nickte dann.

„Ich wollte mit meinem Schiff fliehen. Aber durch den Vordereingang rauszukommen war uns ja nicht vergönnt und das Schiff steht im Vorhof der Villa.“

„Das als Plan zu bezeichnen ist schon etwas übertrieben.“, meinte sie und sah sich weiter um.

„Da ist nichts zu machen!“, rief Meylir vom Tor her. „Man braucht einen Code und dieser Trandoshaner kennt den nicht.“

Besagter Trandoshaner blickte hektisch im Hof herum und auch wenn Gavin die begrenzte Mimik dieser Spezies nicht wirklich deuten konnte, so erkannte er doch, wie verängstigt er war. Er selbst hatte auch Angst, aber immerhin einen Blaster. Er winkte die beiden am Tor zu sich und überprüfte die Ladung seiner Waffe. Um keinen Preis wollte er die Goldstaub hier zurücklassen. Die Energiezelle zeigte fast volle Ladung, aber jetzt fiel ihm auf, dass die Feuerkraft von seinem Schuss auf den Stromwartungskasten noch immer auf Minimum gestellt war. Deshalb haben meine Schüsse auf diese Kopfgeldjäger also keinen Eindruck gemacht. Er drehte die Feuerkraft auf Standard hoch und wandte sich an den Trandoshaner, der zusammen mit Meylir nun bei ihnen stand.

„Du scheinst dich hier auszukennen. Gibt es noch einen anderen Weg in den vorderen Hof? Wenn wir mein Schiff erreichen, können wir von hier fliehen.“ Vorausgesetzt, sie sind nicht auf die Idee gekommen, es zu bewachen.

Sein Gegenüber schien kurz zu überlegen, doch dann hörte man einen dumpfen Schlag gegen die Tür hinter ihnen. Der Macht sei Dank schienen ihre Verfolger den Code der Tür nicht zu kennen. Aber es konnte nur Augenblicke dauern, bis sich ein Bediensteter Karridans nach vorne drängte und öffnete. Gavin und die anderen wichen langsam von der Tür zurück und er richtete den Blaster auf sie.

„Durch Gleiterwerkstatt!“, schnaubte der Trandoshaner und stieß ein Krächzen aus, das wohl bedeutete, ihm zu folgen. Sie rannten zu dem offenen Tor im anderen Gebäudeflügel, Gavin hintendrein. Er konnte nicht sagen, ob dies die richtige Richtung zu seinem neuen Schiff war, denn in dem Gewirr von Gängen der Villa hatte er jegliche Orientierung verloren. Sie verteilten sich in der Werkstadt, in der ein großer A-A5 Lastgleiter und ein XP-38A standen, den Gavin dank seiner Erfahrung mit Gleitern aller Art als nagelneu und sonderausgestattet erkannte.

„Die werden gleich die Tür aufbekommen.“, rief Lina. „Gavin, schieß auf diese Treibstofftanks. Das dürfte einige Verwirrung stiften, sobald sie auf den Hof kommen.“ Sie wies mit ausgestrecktem Arm auf die Tanks vor der Lagerhalle.

Gavin zuckte die Schultern. Einen Versuch war es wert. Er gab einen sorgfältig gezielten Schuss auf die Ventile an der Seite des einen Tanks ab, die in einer Stichflamme explodierten, dicht gefolgt von einer gewaltigen Explosion, als der gesamte Inhalt des Tanks in die Luft flog. Reflexartig schirmte er die Augen mit dem Unterarm vor dem blendenden Licht ab, während einige Stahlfetzen brennend sogar bis in die Werkstatt geschleudert wurden.

„Das wird in der Tat für Ablenkung sorgen.“, stellte Gavin mit zusammengekniffenen Augen fest und mit Blick auf die beiden Gleiter erwog er kurz weitere Sabotagemaßnahmen vorzunehmen, aber Meylir und der Trandoshaner hatten bereits eine offene Tür in der Werkstatt gefunden, also folgten er und Lina ihnen.

Er schloss die Tür hinter ihnen. „Hoffentlich brauchen die eine Weile, bis sie darauf kommen, dass das hier unser einzig möglicher Fluchtweg war. Falls wir zu meinem Schiff kommen, können wir jede Sekunde gebrauchen. Ich habe den Kahn nämlich noch kein einziges Mal geflogen.“

Im Laufen drehte sich Lina halb herum. „Eine wirklich durchdachte Rettungsaktion, das muss ich dir lassen.“

Sie folgten den beiden anderen durch einen Raum voller Gerätschaften und Werkzeuge.

„Oh, nicht der Rede wert. Du brauchst dich wirklich nicht dafür zu bedanken, dass ich dich hier raushole. Vielleicht wärst du ja lieber mit Meylir in diesem Loch vergammelt, er scheint ja fabelhafte Gesellschaft zu sein!“

„Das nicht, aber ich könnte jetzt auch von einem schweinegesichtigen Hausmeister des Hutten vom Flurboden gekratzt werden, wie diese beiden Rodianer.“, stichelte sie.

Über einen kurzen Gang hatten sie eine halboffene Tür erreicht, die der Trandoshaner im Lauf aufstieß.

Sofort erklang eine aufgebrachte Stimme. „He! Was soll das werden.“

Der Trandoshaner zögerte. Vor ihnen war ein dicker Mensch in einem Mechanikeroverall vom Kartentisch aufgestanden. Sein Kollege saß noch, mit den Sabacc-Karten in der Hand und fragendem Blick auf die Flüchtenden gerichtet, von denen jetzt einer nach dem anderen den kleinen Aufenthaltsraum betrat. Bis Gavin hereinkam, den gezückten Blaster in der Hand.

Erschrocken hob der noch Sitzende die Hände und ließ die Karten fallen und auch der andere sah ein, dass angesichts einer Übermacht und einem Blaster nichts zu machen war.

Gavin sah den zu Boden segelnden Karten zu und grinste leicht. „Wo geht es zum vorderen Hof?“

Der Dicke zeigte langsam auf die andere Tür im Raum. Gavin hielt sich nicht weiter mit den beiden auf und stürmte in den nächsten Raum. Hinter sich hörte er noch die Stimme des Dicken: „Ihr werdet nicht davonkommen. Die Wachen sind euch bestimmt schon auf den Fersen!“, drohte er aufgebracht. Nun, das war Gavin nichts Neues. Er drosch mit der flachen Hand auf den Türöffner der Tür und sie waren draußen. Vorsichtig spähte er hinaus und überblickte den weitläufigen Hof. Kurz glaubte er, der Hof wäre bis auf zwei Wachen am Eingangstor verlassen, aber als er zur Goldstaub hinüberschaute, die links von ihm stand, entdeckte er eine kleine Gestalt im Schatten der vorderen Landestütze kauern. Der Noghri! Der Kopfgeldjäger verstand anscheinend sein Handwerk. Gavin unterdrückte einen Fluch und streckte gleichzeitig seine Hand nach hinten, um den anderen zu bedeuten, sich ruhig zu verhalten und hinter ihm zu warten. Er besah sich das Kontrolldisplay seines Blasters und erhöhte die Schussenergie. Dann ließ er sich auf ein Knie niedersinken und stützte die Arme auf das andere, um ruhig anhalten zu können. Sie hatten Glück, denn der Noghri dachte anscheinend, sie würden vom Haupteingang her kommen, der rechts von ihnen lag. Deshalb war er von Gavins Standpunkt aus kaum von der Landestütze gedeckt und sah ihn auch nicht, als er sorgfältig zielte und einen einzelnen Schuss abgab. Der Knall war ohrenbetäubend und Gavin erschrak, weil er gar nicht daran gedacht hatte, dass er damit eine Menge Aufmerksamkeit auf sie ziehen würde. Lina beugte sich über seine Schulter und spähte zum rauchenden Leichnam des Noghri hinüber.

„Wir sollten schnellstens von hier verschwinden.“, bemerkte sie und lief die kurze Strecke zur Goldstaub hinüber.

„Was du nicht sagst.“, brachte Gavin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und begann ebenfalls zu rennen, als der die beiden alarmierten Wachen vom Eingangstor herübereilen sah. Er betätigte den Schlüsselsender des Schiffs und die pneumatischen Kolben der Einstiegsrampe zischten pfeifend. Diese elende Rampe lasse ich als Allererstes überholen! Die Mechanik bewegte sich mit einer lächerlichen Langsamkeit und die Einstiegsrampe ruckelte gefühlt nur Zentimeterweise herunter. Der Trandoshaner erreichte soeben als Dritter das Schiff, als die beiden vom Tor herbeistürmenden Wachen das Feuer eröffneten. Meylir, der das größte Ziel bot und ohne Deckung herüberrannte, schrie jaulend auf, als er von einem Blasterschuss an der Schulter gestreift wurde. Er strauchelte, fiel aber nicht, sondern rannte weiter. Gavin übernahm die Deckung des Noghri-Kopfgeldjägers, der sie wohl nicht mehr brauchen würde, stellte die Energie seines Blasters schwächer ein und schickte mehrere schnelle Schüsse in die Richtung der Angreifer. Er traf zwar keinen der beiden, aber sie hechteten sich in die Deckung einer Klima-Anlage, die die Mauer der Villa säumte. Gavin blickte über die Schulter und sah, dass Lina sich an die Rampe gehängt hatte, um sie schneller zum Herabsinken zu bringen. Stattdessen kam das Ding mit einem Geräusch von überbelastetem Metall ächzend zum Stehen, eineinhalb Meter über dem Boden. Gavin fluchte derb.

„Los, rein mit euch!“, schrie er und wurde jäh an die beiden Verfolger erinnert, als ein Blasterstrahl knallend in die Landestütze einschlug, und eine solche Hitze freisetzte, dass Gavin dachte, seine Weste würde gleich in Flammen aufgehen. Er erwiderte das Feuer, aber seine Feinde waren jetzt zu gut gedeckt und die Schüsse schlugen wirkungslos in die Klima-Anlage ein. Er machte sich bereit, ins Schiff zu klettern. Gerade half der kräftige Trandoshaner Meylir, die Rampe zu erklimmen.

Plötzlich gellte ein Schrei von der Werkstatt her. „Da sind sie!“ Ein hässlicher Mensch erschien in der Tür, aus der sie gekommen waren und hob seine Waffe.

Kopfgeldjäger! Dieses räudige Pack verfolgt mich, obwohl nicht einmal ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt ist. In letzter Zeit mache ich eindeutig etwas falsch! Er presste sich hinter die Landestütze und merkte, dass es ihm gleich so ergehen würde, wie dem Noghri vor ihm. Er konnte nicht gleichzeitig vor den Wachen hinter der Klima-Anlage und den Kopfgeldjägern an der Tür in Deckung gehen. Also schoss er einfach wild auf die Tür, um die Kopfgeldjäger daran zu hindern, auf den Hof zu strömen. Nach ein paar Schuss gab die Waffe nur noch ein metallisches Klicken von sich und er rannte zur Rampe. Ein Schuss zerschmolz den Sand neben seinem Stiefel zu Glas, ein anderer zischte hinter ihm vorbei, dann ergriff er die schuppige Hand der Trandoshaners, der auf der Rampe kniete und ihn mit überwältigender Kraft hochzog. Ein weiterer Blasterstrahl fuhr in einen der pneumatischen Kolben der Rampe und zerfetzte ihn. Jetzt ist sie definitiv Schrott, dachte er und rannte gebückt ins Innere des Schiffs. Im Lukenraum fand er den verletzen Meylir, der in der Ecke kauerte und mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Arm hielt. Der ekelhafte Geruch von verbranntem Fleisch hing in der Luft. Lina und der Trandoshaner sahen ihn mit großen Augen erwartungsvoll an. Gavin warf dem Trandoshaner seinen Blaster hin und fügte mit einem Schulterzucken grinsend hinzu: „Leider leer.“ Dann stürzte er ins Cockpit und kletterte in den Pilotensitz. Die Energieversorgung des Schiffes war bereits hochgefahren. Während er hektisch nach der Bedienung für den Deflektorschild suchte, rief er nach hinten in den Lukenraum. „Hat jemand von euch Erfahrung als Copilot?“ Er fand die gesuchte Kontrolle und aktivierte den Schild, der sie vor dem Beschuss durch die Blaster der Kopfgeldjäger und Wachen schützen sollte – vorausgesetzt, die Schildgeneratoren waren nicht in einer ähnlichen Verfassung wie die Landerampenmechanik. Aber nein, die Kontrollen zeigten eine Deflektorleistung von neunundsiebzig Prozent. Für diese Schrottkiste so gut wie voll.

Lina schwang sich in den Sitz hinter ihm. „Skatt hat gesagt, er hat keine Ahnung von sowas.“, rief sie.

„Aber du schon? Ok.“ Gavin aktivierte die Repulsoren, um das Schiff schnellstmöglich vom Boden zu lösen.

„Ähm, also, ich eigentlich auch nicht.“, gab Lina hinter ihm zu.

Gavin brummte missmutig. Und umfasste den Repulsorsteuerhebel. Die Kontrollen schienen wesentlich altmodischer als die der Händlerbeute, aber funktionierten - der Macht sei Dank - gleich. Er hob den Hebel leicht an und die Goldstaub machte einen kräftigen Satz in die Luft.

„Oha!“ Gavin bewegte den Hebel wieder etwas zurück und das Schiff setzte ächzend wieder auf dem Boden auf, nur um sofort wieder in die Höhe zu hüpfen.

Vom Lukenraum war ein Fluch zu hören. „Was treibt der Idiot da?“, ließ sich Meylir wütend vernehmen.

„Immer mit der Ruhe, ich fliege diese Kiste zum ersten Mal!“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Im Augenwinkel bemerkte er die Kopfgeldjäger, wie sie auf das Schiff zuliefen. Dann reduzierte er die Repulsorleistung und hob die Hebel mit größtmöglichem Gefühl an. Sanft hob die Goldstaub vom Boden ab, wie eine Feder, die von einem warmen Windhauch in die Luft getragen wird. Ein kurzer Blick auf die Schildkontrollen sagte Gavin, dass es Zeit war, von hier zu verschwinden. Er gab leicht Schub und als die Triebwerke spürbar zum Leben erwachten, erhöhte er zügig auf volle Leistung. Das Schiff bockte ein paar Mal, aber sie waren schon über das Anwesen des Hutts hinaus. Gavin zog den Steuerknüppel nach hinten, um an Höhe zu gewinnen, als ein unmenschlicher Aufschrei von hinten aus dem Lukenraum ertönte.

„Was zum...!“, ließ sich Lina hinter ihm vernehmen. Dann steckte Skatt, der Trandoshaner den schuppigen, braunen Kopf durch die Luke und erklärte in gebrochenem Basic: „Kopfgeldjäger mitgeflogen. Haben rausgeschmissen.“ Der Kopf verschwand wieder.

Gavin verzog das Gesicht. Bei mittlerweile zwanzig Metern Flughöhe blieb ihm nur noch, dem armen Kerl eine angenehme Bekanntschaft mit dem Boden zu wünschen. Er zog die Nase des Schiffs weiter hoch und die Goldstaub, deren Äußeres so gar nicht diesem Namen entsprach, raste in den dunkler werdenden Himmel über Bilbousa.
 
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