"Das wird hart", sagt Bob, bevor er in der Karaoke-Bar Roxy Music's "More Than This" anstimmt. Er schaut zu Charlotte. Sie erwidert kurz seinen Blick, lächelt, scheint zu verstehen. Dass dieser Satz sich nicht nur auf die Intonation bezieht (die zwar nicht trivial ist, wie sich zeigt, aber wir haben Bob vorher schon recht anständig singen hören). Nein, das Lied scheint auszudrücken, in welcher Situation sich Charlotte und Bob befinden. Sie wissen nicht, wie es weitergehen kann - aber sie spüren, dass es nicht mehr viel besser werden wird.
Diese intensive Nacht des gemeinsamen Um-die-Häuser-ziehens erfährt eine kurze Zäsur, als beiden der Trubel des Tokioter Nachtlebens endgültig zuviel geworden ist. Auf dem Gang vor dem Karaokeraum, einem der unwahrscheinlichsten Orte um zu sich zu kommen, setzt sich Bob neben Charlotte, zieht an ihrer Zigarette, während sie den Kopf auf seine Schulter sinken lässt. Jedes Wort wäre jetzt zuviel.
Später wird Bob die schlafende Charlotte auf ihr Zimmer tragen, wird sie behutsam zudecken, sie wird kurz erwachen, um ihn anzulächeln und endgültig einzuschlafen. Sein Zögern beim Zuziehen ihrer Zimmertür benötigt keine Worte.
Drei fast sprachlose Momente aus diesem wunderbar atmosphärischen Film, die schon belegen, dass Sofia Coppola weiß, was sie will, und es auch umsetzen kann: Nämlich uns keine Geschichte erzählen, sondern sie uns fühlen und selbst erleben lassen. So soll Film sein. Eine dichte Atmosphäre schaffen, in die sich der Zuschauer mit seinen eigenen Gefühlen, Erfahrungen und Werten einbringen kann. Nicht das Was zählt, nur das Wie. Und in diesem kleinen Wunder gibt es fast nur das Wie.
Beide hat die Isolation in der für sie fremden Welt Tokios, die nur eine Steigerung des Gefühls der Isoliertheit in ihrem Alltag darstellt, zueinander geführt. Ein Blick im Fahrstuhl erst nur, mit einem reflex-artigen Lächeln erwidert, dann ein "Hallo" an der Hotelbar, als beide - nicht nur wegen des Jet-Lags - nicht schlafen können (während Charlottes Ehemann, dem die fremde Umgebung in seiner Geschäftigkeit nichts auszumachen scheint, schnarcht). Alles ganz normal. Doch dann passiert etwas Kostbares: Sie haben nicht nur jemanden gefunden, der endlich in ihrer Muttersprache mit ihnen spricht, sondern jemanden, der überhaupt mit ihnen spricht statt Smalltalk zu betreiben. Jemanden der zuhören kann. Der versteht.
Beide befinden sich in schwierigen Phasen ihres Lebens: Charlotte, Mitte 20, hat grade ihr Philosophiestudium in Yale abgeschlossen und sieht sich nun, noch völlig unentschlossen in der Berufswahl, an der Seite ihres Mannes einem Leben ausgeliefert, das sie für oberflächlich hält und das ihr keine Perspektiven bietet. Sie sucht Geborgenheit, Halt und Orientierung.
Bob, mindestens drei Jahrzehnte älter, steht eigentlich schon im Leben, sollte man meinen. Zumindest war das mal so sehr der Fall, dass er nun als ehemaliger Filmstar für zwei Millionen Dollar Whisky-Werbespots in Japan dreht. Aber genau das ist sein Problem. Er würde viel lieber zuhause für eine bescheidene Gage Theater spielen. Stattdessen muss er in der Fremde schuften, damit seine Frau daheim das zusätzliche Geld für ein neues Haus ausgeben kann. Der einzige Kontakt in die Heimat ist logistischer Natur: Da hat er lediglich Schränke und Teppichmuster auszuwählen, die per Fax und FedEx geschickt werden. Dabei hat Bob mehrere Kinder. "Es geht ihnen gut. Sie vermissen Dich, aber sie gewöhnen sich daran, dass Du nie da bist", lässt seine Frau ihn wissen. Bob aber möchte gebraucht werden. Und zwar nicht nur für die Werbung von Suntori-Whisky.
"Die gute Nachricht ist: Der Whisky wirkt", schließt er sarkastisch, und fragt dann Charlotte, die ganz perplex ob seiner offen eingestandenen Probleme ist, was sie mache: "Ich habe mich noch nicht entschieden".
Wie lang er verheiratet sei, will sie wissen. "25 Jahre". Etwa so lang wie sie alt ist und eine Ewigkeit gegen ihre 2 Jahre. Aber davon könne man 1/3 Schlaf abziehen, also wäre er grade 16 Jahre verheiratet, da wäre man ehemäßig also noch ein Teenager, könne zwar schon fahren, aber es könne noch leicht zu Unfällen kommen. Eine charmante Art, beim ersten Flirt mit einer offenbar nicht abgeneigten attraktiven jungen Frau, die einen an der Hotelbar angesprochen hat, einen Seitensprung zumindest als Option anzudeuten. Doch der Flirt und dann immer stärker das Gespräch genießen ganz offenbar bei beiden höhere Priorität. Und wer einmal selbst aus beruflichen Gründen dieses Hotelleben geführt hat, die tristen Abende vor dem Fernseher kennt, die einsamen Essen im vollbesetzten Restaurant, die oberflächliche Höflichkeit der Hotelangestellten, der kann verstehen, was eine solche echte Begegnung mitten in der Einöde bedeuten kann.
Die beiden sind nicht auf ein sexuelles Abenteuer aus, auch wenn die Option stets im Raum schwebt. Sie versuchen lediglich ihr Leben im Griff zu behalten bzw. in den Griff zu kriegen. Dazu müssen sie raus aus dem oberflächlichen Trubel, der sie vom Wesentlichen, von sich selbst und voneinander, abzuhalten scheint.
"Wissen Sie was?" sagt Bob, "ich plane einen Gefängnisausbruch und kann noch eine Komplizin gebrauchen. Hier ist mein Plan: Zuerst müssen wir aus dieser Bar raus, dann aus dem Hotel, der Stadt und dann aus diesem Land. Sind Sie dabei?" - "Überredet, ich packe meine Sachen" - "Der Mantel genügt"
Schon ganz zu Beginn ein sanfter Hinweis auf die Grenzen dieses Abenteuers. Denn alles wäre möglich, alle Optionen sind offen. Bob weiß das oder spürt es intuitiv. Charlotte sehnt sich offenbar so sehr nach jemandem, mit dem sie ihr Leben gestalten kann, dass er sie leicht verführen könnte; sicher zu einer gemeinsamen Nacht, vielleicht -und das macht ihm Angst- zu der Illusion von einem gemeinsamen Leben. Aber er ist auch erfahren genug zu wissen, dass es keine wirklichen Optionen für beide gibt - außer diese kostbaren Augenblicke der intensiven Zweisamkeit, der romantischen Utopie zu genießen. Zu leicht könnte er sie verletzen, zu leicht sein ganzes Leben aufs Spiel setzen. Bob hat bereits gelernt, Utopien zu misstrauen und mit Kompromissen zu leben - eine Lektion, die Charlotte grade durchmacht, was ihr von ihrem Ehemann den Rüffel einträgt, sie sei hochnäsig. Sie hatte sich nämlich über ein mit ihm bekanntes oberflächliches schauspielerndes Fotomodell lustig gemacht, der sie sich gleichzeitig unter- und überlegen fühlte, wie ihre verräterisch befremdet musternden Blicke offenbarten.
Eine spätere lustig-traurige Spiegelung der Karaoke-Szene mit eben diesem Fotomodell wird deutlich machen, wie die wirklichen Kräfteverhältnisse sind, wenn es darum geht, im Leben zu stehen. Denn während ebenjene Kelly Gemeinsamkeiten darin erschöpft sieht, zwei Hunde zu haben und in L.A. zu leben, und bei Tisch nur Themen wie Anorexia und Darmspülungen kennt, bemüht sich Charlotte mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Sie interessiert sich für die fremde Umgebung, für Menschen und Kultur, auch wenn sie wie Bob immer wieder über Sprachbarrieren stolpert. Die wirkliche Bedeutung von Sprache wird ihr eines Tages nach einem Tempelbesuch bewusst. Verstört und unter Tränen erzählt sie ihrer Mutter am Telefon: "Ich habe einen Tempel besucht, aber ich habe die Mönche nicht verstanden. Mom, ich war überhaupt nicht berührt! Und John? Es ist, als ob wir nie miteinander sprechen. Ich weiß gar nicht, mit wem ich verheiratet bin" - "Warte einen Moment, Schätzchen! ... So, was hast Du gesagt?" - "Ach, vergiss es, es war nicht so wichtig" - "Ich muss jetzt auch los. Ruf mich später noch mal an. Du kannst jederzeit anrufen, um mit mir zu sprechen"
Dieses Telefon"gespräch" gleicht gespenstisch denen, die Bob mit seiner Frau führt. Überhaupt ist allgegenwärtige Kommunikation ein Dauerthema: nervige Handygespräche, Faxe um 4:20 nachts, all das meistens ohne relevanten Inhalt. Da gleicht eine unter der Zimmertür hindurch geschobene Nachricht "Bist Du noch wach?" als Einladung zum Gespräch fast einem Relikt aus der guten alten Zeit, in der die Menschen vermutlich auch nicht mehr relevante Gespräche geführt haben, dafür aber deutlich weniger irrelevante.
Also folgt die Nacht, in der es üblicherweise in romantischen Filmen "funkt". Nicht so hier. Zum einen sind beide bereits längst auf einer Wellenlänge, zum anderen geht es hier von Anfang an weder um Liebe auf den ersten Blick noch um ewiges Zusammensein. Stattdessen gibt es hier noch viel zu lernen. Für Charlotte. Für Bob. Und für den gebannten - und hoffentlich längst schwebenden - Zuschauer.
Ob es einfacher werde, will Charlotte wissen. Wenn man wisse, was man wolle und wozu man stehe, lasse man nicht mehr alles an sich ran, erwidert Bob. Aha! "Und in der Ehe, wird es da einfacher?" - "Das ist hart", sagt er mit den gleichen Worten wie zuvor beim Karaoke. "Wenn man Kinder hat, wird das Leben komplizierter" - "Und niemand sagt einem das vorher" - "Richtig! Der erschreckendste Tag ist der, an dem Dein erstes Kind geboren wird. Dein ganzes Leben, wie Du es kanntest, ist vorbei, für immer verloren". Sie sieht ihn empathisch an. Klingt so ein Mann, der im Begriff ist, seine Familie zu verlassen? "Doch dann - fangen sie an laufen und sprechen zu lernen, und Du willst jeden Moment bei ihnen sein. Sie werden zu den zauberhaftesten Wesen, mit denen Du zusammen sein kannst". Er sieht sie an. Sie erwidert seinen Blick und versteht. Er kann auf ein Leben blicken, das sie erst noch führen muss. Ein solches Leben, so vergleichsweise bescheiden es im Moment auch aussehen mag, will erst gelebt sein, mit allen Höhen und Tiefen, mit der nötigen Kontinuität. Man wirft es nicht einfach weg für eine flüchtige Idee von Glück, die man ohnehin zerstört, wenn man versucht sie festzuhalten. Charlotte, selbst noch auf der Suche, muss erkennen, dass Bob als Option für sie ausscheidet.
Plötzlich sehen wir die Beziehung der beiden mit anderen Augen: Sieht er sich vielleicht eher als väterlichen Freund denn als potentiellen Geliebten? Das würde eine gewisse Schieflage in der Beziehung erklären, aber auch diese wundervoll-zarte, auf Behutsamkeit bedachte Vertrautheit. Endlich hat er wieder jemanden gefunden, der ihn zu brauchen scheint. Er will Charlotte auf die Füße helfen (ob mit oder ohne verstauchte Zehen), will ihr Mut machen ihren Weg zu verfolgen. Mehr kann und wird er nicht für sie tun. Und das beginnt jetzt auch sie zu realisieren.
Gewiss, er will bei ihr sein, er genießt jede Sekunde, jeden Blick, jedes Lächeln ihrer zwischen Kindlichkeit und Sinnlichkeit schwankenden Lippen. Aber viel Zeit bleibt ihnen nicht, das hat Bob viel früher realisiert als Charlotte, die noch im Meer der jugendlichen Freiheit zu treiben scheint. Bei ihm hat sie die vermisste Nestwärme gefunden. Doch bald wird er sie aus dem Nest stoßen müssen, damit sie zurück in ihr Leben kann und er in seins - zu seiner eigentlichen Verantwortung, die wieder zu übernehmen diese Begegnung ihm vielleicht Kraft verliehen hat.
Nebeneinander auf dem Bett liegend, sie fast in Fötushaltung, dämmern sie langsam weg, ermattet von der Schlaflosigkeit und von ihren Gefühlen. Ob sie wirklich hochnäsig sei, will sie im Halbschlaf wissen. Er lacht, legt seine Hand wie zum Trost und zur Rückversicherung sanft auf ihren Fuß. Nach einer halben Ewigkeit sagt er: "Grade noch zu ertragen".
Nach dieser Nacht kann die Beziehung nicht mehr dieselbe sein. Da hilft auch nicht, dass sie den nächsten Tag aus Termingründen getrennt verbringen. Möge Charlotte helfen, was sie nach der Beobachtung einer Hochzeitszeremonie einem Baum voller Wunschzettel anvertraut (was wohl auch eine kleine Reverenz an Wong Kar-Wais IN THE MOOD FOR LOVE ist, in der sich der unglücklich liebende Mann endlich gegenüber einem Baum in einer Tempelanlage seine Seele erleichtert).
Am Abend jedenfalls wartet Bob in der Bar vergebens auf Charlotte. Ihr kommt die Barsängerin zuvor, die selbst wie eine Gestrandete wirkt, was besonders ihr Vortrag von "Scarborough Fair" zeigte, der mittendrin durch Klatschen unterbrochen wurde - Versagen der Kommunikation in der doch gemeinhin für international gehaltenen Musik. Erschrocken und über sich verärgert findet Bob sich am nächsten Morgen mit ihr auf dem Zimmer - und wird prompt von Charlotte "ertappt". Die anschließende "Eifersuchtsszene" in einer Sushi-Bar, bei der beide sich mit ihren Problemen brüskieren (sie ihn mit seinem Alter, er sie damit, dass er in ihrer Einsamkeit nur ein Notnagel sei) zeigt die Verbitterung beider Seiten über die Situation. Es wirkt aber auch schon ein klein wenig wie ein Schutzreflex des trotzigen Wegstoßens vor dem endgültigen Abschied. Dann setzt ein Schweigen ein, das weniger den Anschein stiller Übereinkunft macht als vielmehr das Gefühl vermittelt, den Bogen überspannt, den Moment überreizt zu haben. War doch mehr als der Mantel im Spiel?
Die zufällige Begegnung in der letzten Nacht am Rande eines Feueralarms zeigt erschreckend deutlich, wie die beiden sich schon voneinander gelöst zu haben scheinen, jedoch wirkt ihre Beziehung eher abgebrochen denn abgeschlossen. Sie blickt auf seine alten Männer-Füße in den Hotel-Badelatschen und lächelt in sich hinein. Gute-Nacht-Küsse im Fahrstuhl. Verlegen und eher dem schlechten Gewissen als dem Gefühl geschuldet. Es ist zu spät.
Eine Mischung aus Trauer und sprachlosem Zorn prägt den halbherzigen Abschied am nächsten Morgen, bei dem übrigens um ein Haar die sonst allgegenwärtige Telekommunikation versagt. Er nimmt eine geliehene Jacke als Vorwand, sie zum Abschied noch einmal sehen zu wollen. In seinem auf ihre Voicebox gesprochen Satz "Enjoy the jacket that you stole from me" kann man nach Belieben auch "heart" oder "life" einsetzen.
"Willst Du mir nicht einen guten Flug oder so wünschen?" - "Okay". So traurig verläuft der Abschied dieser beiden Menschen, die über die gemeinsame Sprache zueinander fanden und zwischendurch so wunderbar auch ohne Worte kommunizierten.
Wunderbar die Einstellung, als Bob Charlotte aus der Lobby entschwinden sieht und die Spiegeltüren des Lifts sein Reisegepäck an ihre Stelle setzen. Was die Begegnung ermöglichte, erzwingt jetzt ihr Ende.
Doch der unsere Leben prägende Zufall schenkt ihnen noch eine Chance, dieser wunderbaren Beziehung, für die die Zeit still zu stehen schien, um dann umso gnadenloser voranzuschreiten, einen würdigen Abschluss zu geben. In einer Masse fremder Menschen entdeckt Bob Charlottes Silhouette. Er lässt den Wagen halten und läuft ihr nach. Endlich einmal traut er sich sie zu umarmen. Er flüstert ihr etwas ins Ohr, das nicht für uns bestimmt ist. Wir schnappen nur die letzten Worte auf: "I'm sure".
Langsam sieht sie den erlöst winkenden Bob entschwinden. Sie haben ein winziges Stück gemeinsamen Lebensweges zurückgelegt. Es hat keinen Zweck, sich an der Gabelung aneinander zu krallen. Jeder muss seinen Weg weitergehen. Aber wenn beide einst darauf zurückblicken, werden diese sprachlosen Tage in Tokio mehr sein als eine beliebige Reiseepisode.
Was auch immer Bob ihr gesagt haben mag, ich bin mir ebenfalls sicher. Charlotte wird es umsetzen können. Sicher wird sie noch oft verletzt werden, schon weil sie nicht immer auf so behutsame Partner wie Bob treffen wird. Doch wie uns das Sprichwort lehrt: "Ein Schiff ist am sichersten im Hafen, aber dafür sind Schiffe nicht gebaut" (oder wie die Tagline des Films es plakativer ausdrückt: "Manchmal muss man um die halbe Welt reisen, um an seinen Ausgangspunkt zu kommen"). Hoffen wir also mit Bob, dass er für sie - und sie für ihn - ein positiver Impuls war und eher eine schöne Erinnerung denn Trauer hinterlässt. Und dass sie, statt sich zum Schutz ebenfalls in die Hülle der Geschwätzigkeit zu begeben, weiter mit Vertrauen und offenen Augen durch das Leben geht. Im Film findet das seinen wunderbaren Höhepunkt bei einem japanischen Ikebana-Kurs, wo sie sich verblüfft und dankbar an der Hand nehmen und zeigen lässt, wie sie die Blüten zu stecken habe. "Okay" sagt sie immer wieder zart, das einzige Wort, von dessen Verständlichkeit sie ausgehen kann. Dabei reden ihre Augen so viel mehr, erzählen ihrer Lehrerin von Aufmerksamkeit und Dankbarkeit. Und von leiser Enttäuschung und Orientierungslosigkeit, als diese sich anderen Schülern zuwendet. Doch einen Moment später fasst Charlotte sich ein Herz und greift einen weiteren Zweig...
Fazit:
In LOST IN TRANSLATION scheint die Zeit still zu stehen, während man den Protagonisten zurufen möchte, dass sie unaufhaltsam verrinnt. Für diese desperate bis melancholische Atmosphäre, braucht man kein Dogma und keine Handkamera, sondern einen wirklich begabten Regisseur und Akteure, die auch ohne große Handlung dem Zuschauer jeden Moment das Gefühl geben können, er verstünde, was in ihnen vorgeht. Bill Murray ist zu einem Charakterdarsteller gereift, der nur noch in wenigen und überhaupt nicht deplaziert wirkenden Momenten an den Clown früherer Tage erinnert. Und er hat hier mit Scarlett Johannson eine Partnerin, die schafft, was für diese Rolle essentiell ist: Man möchte sie fast in jeder Sekunde, in der sie auf der Leinwand ist, in den Arm nehmen und trösten. Beide erzeugen Momente von wunderbarer Intensität und Melancholie.
Sofia Coppola ist mit ihrer zweiten Regie ein Film von solcher Wahrhaftigkeit gelungen, dass es schon fast schmerzt, sich an ihn zu erinnern. Ihr kommt dabei entgegen, dass ihre bravourösen Hauptdarsteller ihren stets dem Moment gewidmeten Inszenierungsstil kongenial unterstützen. Hervorragende Kamera, Schnitt und ein passender Soundtrack tun ihr übriges. Während uns sonst im Kino überwiegend fantastische Geschichten aufgetischt werden, mag der eine oder andere hier mit dem Gefühl hinausgehen, das könnte ein Teil seines Lebens gewesen sein - oder noch werden. Sicher nicht das schlechteste, was man von einem Film sagen kann.