Review
(Mit Spoilern)
Tja, ich hab vorgestern nun auch mein Glück mit „Stirb Langsam 4“ versucht und nach den grauenvollen Trailern und dem fürchterlichen Special von „Pro 7“ war ich auf das Schlimmste vorbereitet und glaubte, dass ich von dem Film eigentlich nur enttäuscht werden könnte.
Was soll ich sagen: Der Film ist fast das Gegenteil von dem, was die Trailer „versprechen“.
In den Trailern wirkt alles furchtbar künstlich, übertrieben und überzogen, - eben der typische seelenlose Action-Müll, wie er in den letzten Jahren üblich geworden ist.
Klar sind das im eigentlichen Film immer noch die gleichen Szenen, aber sie wirken hier ganz anders: Irgendwie überzeugender, glaubwürdiger und weniger durchgestylt. Als Beispiel sei hier die Nummer mit dem Auto genannt, das auf McClane und Matt zufliegt. Im Trailer wirkt dies wie ein erzwungener Actionhöhepunkt. Im Film selbst könnte man die Szene hingegen fast schon übersehen, wenn man nicht wüßte das sie da ist, was sehr gut ist, denn Autos die um die eigene Längsachse rotierend auf die Kamera zufliegen hat man wirklich häufig genug gesehen.
Im Endergebnis ergibt sich ein in sich überzeugendes Action-Erlebnis, welches sich trotz aller Modernität erfreulich klassisch anfühlt.
Da will ich auch garnicht allzuviel über einige Actionszenen meckern, da es sich alles zusammengenommen zu einen stimmigen Bild verbindet. Dies gilt selbst für die häufig kritisierte F 35 – Szene, die am Ende des Films ganz gut hinnehmbar ist, - allerdings hätte man auch gerne darauf verzichten können.
McClane auf seiner Truckfahrt und die Zerstörung des Hubschraubers wirken seltsam vertraut (Terminator?).
Ein relativ neuer Trend hingegen sind die Spidermänner in Actionfilmen (ja, ich kenne die diesbezüglichen Hintergründe und Belehrungen sind nicht notwendig). Glücklicherweise wird einem das ganze hier nicht so krampfhaft als cool, wie bei "James Bond", verkauft und McClane hat natürlich nur einen verächtlichen Kommentar für die Artistik übrig. Auch gelingt es dem Franzosen nicht den beiden nebeneinander drehenden Walzen (was genau war das?) auszuweichen und daher sind sie dann sein Ende, - sehr schön, aber auch die einzige Stelle im Film wo mich das fehlende Blut etwas stört.
Nachdem bereits viele „Stirb langsam“ – Elemente in Teil 3 keine Berücksichtigung gefunden haben, nimmt Teil 4 nochmal ein wenig mehr weg (Stichpunkt: Weißes Unterhemd). Teilweise jedoch ist der Film auch wieder näher an den ersten „Stirb Langsam“, als es der dritte Teil war. So leidet McClane in diesen Film imo wieder erheblich mehr und auch die Sprüche sind absolut genial.
Nach meinen Empfinden ist es vom dritten zum vierten Teil auf jeden Fall ein kleinerer Schritt als vom ersten zum dritten Teil.
Das Szenario um die Cyber-Terroristen mag Geschmackssache sein, aber nach Simon Grubers sehr groß angelegten Plan in Teil 3 war es imo der nächste logische Schritt. Ein derartiger Angriff gehört wohl ohnehin zu den größten Ängsten einer so computerisierten Gesellschaft und bei „Stirb Langsam 4“ ist dieses Szenario imo sehr gut umgesetzt.
Besonders gefällt mir in diesem Zusammenhang die Videobotschaft mit den Zusammenschnitten von den ganzen Präsidenten, sowie die scheinbare Zerstörung des Capitols (man muß bedenken, dass die meisten Amerikaner den ganzen Tag davon ausgehen mussten, dass dies wirklich passiert ist).
Die Sprüche sind wie bereits gesagt, wieder erstklassig und bringen einen den ganzen Film hindurch kontinuierlich zum Lachen. Ob irgendeiner dieser Sprüche ein ähnliches Kultpotential hat wie „Now I have a machine gun, ho, ho, ho“ ist sehr zweifelhaft, aber im Film unterhalten sie einfach großartig. Auf das „Yippie ka yeah, Schweinebacke“ muß man zwar lange warten (wenn ich es nicht überhört hab), aber es ist zumindest drin.
Was den Vorwurf des übermäßig im Film dargestellten Patriotismus angeht, so habe ich davon nichts gemerkt, - vielleicht handelt es sich da einfach um eine Überempfindlichkeit gewisser Zuschauergruppen. Ich jedenfalls kann nichts schlimmes daran erkennen, wenn McClane den ihn begleitenden Hacker daran erinnert, dass die gerade stattfindenden Ereignisse eben kein tolles Spiel sind, sondern Millionen von Menschen in Angst und Schrecken versetzen.
Bruce Willis ist als John McClane imo in Topform und da muß man dann auch garnicht mehr viel zu sagen. Besonders gefällt er mir als strenger Vater, dem kein Typ gut genug für seine Tochter ist.
Seine Tochter hat dann auch eine kleine aber feine Rolle in dem Film und ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie noch ein wenig mehr zu tun gehabt hätte. Schön ist natürlich auch, dass Lucy nicht einfach für den Film erfunden wurde, sondern schon im ersten Film als kleines Kind zu sehen war. Die neue Schauspielerin hatte auch beinahe das richtige Alter.
Beste Szene von Lucy war imo, wo Gabriel entnervt aufgibt mit McClane zu sprechen und sie das übernehmen soll --> „Jetzt sind es nur noch Fünf!“
Als Übersetzer für McClane zur Computerwelt, fungiert ein junger Hacker, namens Matt Farell. McClane hat ja immer seine Kumpels gehabt, die ihn unterstützt haben (manchmal aus der Ferne) und natürlich ist der Junge hier kein Samuel L. Jackson, aber seine Aufgabe meistert er wirklich gut.
Toll ist der Besuch bei dem großen Computer-Jedi Warlock (den Sithlord Gabriel zwar zuerst ziemlich alt aussehen läßt, aber dann doch von ihn überrumpelt wird) --> „Das ist keine Kommandozentrale, sondern ein Kellerloch!“
Der Star Wars-Gag mit Boba Fett geht zwar ziemlich daneben, aber dafür waren die Gags mit den Actionfiguren gelungen --> „Du spielst noch mit Puppen?...Den Arm kann man doch sicher abnehmen?“
Unerwarteter- und erfreulicherweise fällt Computerterrorist Thomas Gabriel gegenüber den Grubers kaum ab (Wobei das nur für die deutsche Version gelten soll, da Alan Rickman im Original imo nochmal ein bis zwei Klassen besser ist als in der Übersetzung). Wenn man die Schurken miteinander vergleicht, sollte man imo auch bedenken, dass sowohl Alan Rickman als auch Jeremy Irons (auch wenn dieser bereits einen Oscar hatte) ja erst durch die „Stirb Langsam“-Filme wirklich einem großen Publikum bekannt geworden sind; insofern kann man sich über Herrn Olyphant (den Namen hat er sich doch bestimmt selbst ausgedacht, oder?) ja nochmal in 10 Jahren unterhalten.
Hier hat er auf jeden Fall einen guten Job gemacht und die Chemie zwischen ihm und Willis/McClane stimmt. Auch der Hintergrund von Gabriel war imo recht interessant.
Lustig fand ich die Stelle, wo Gabriel sich damit brüstet, was er alles über McClane weiß: Scheint so als wären ihn die wirklich wichtigen Dinge entgangen, denn sonst wäre er wohl etwas weniger selbstsicher gewesen.
Noch interessanter auf der Seite der Bösen ist Mai Lihn, - Maggie Q war hier wirklich großartig.
In „Stirb Langsam 4“ wird erfreulicherweise nachgeholt, was die Autoren und der Regisseur von Teil 3 noch in einen Anfall von geistiger Umnachtung versäumten: McClane kämpft gegen die Killerlady.
Und obwohl er sie nach harten Kampf verhältnismäßig früh im Film ausschalten kann, scheint es ihm die "0800er Asia Schlampe"
D) doch irgendwie angetan zu haben, jedenfalls baut er sie immer wieder in seine Sprüche ein um Gabriel zu ärgern.
Noch ein kurzes Wort zu den Nebendarstellern: Tim Russ ist seit dem Ende von „Voyager“ wirklich erschreckend alt geworden.
Die Musik ging imo voll in Ordnung, - auch wenn ein wirkliches Highlight, wie in Teil 1 oder Teil 3 fehlte.
Fazit:
Eigentlich wollte ich hier eine getrennte „Stirb Langsam“- und eine Actionfilm-Wertung durchführen, aber da der Film alle meine Vorurteile widerlegen konnte, ist dies nicht mehr nötig. Die Diskussion, ob es sich noch um „Stirb Langsam“ handelt hab ich ohnehin schon bei Teil 3 hinter mir und deswegen kann ich hier einfach nur noch sagen: Wenn schon Teil 3 „Stirb Langsam“ ist, dann Teil 4 natürlich auch.
Teil 1 bleibt die „Stirb Langsam“-Referenz aber mit Teil 3 kann sich Teil 4 imo durchaus messen [wobei ich glaube, dass Teil 3 seinen zweiten Platz trotz seiner Schwächen (die in Teil 4 nicht vorhanden sind) vor allem wegen Jeremy Irons und Samuel L. Jackson verteidigen wird]. Über Teil 2 würde ich gerne den Mantel des Schweigens breiten.
„Stirb Langsam 4“ hat es imo wirklich gut verstanden das Konzept in die heutige Zeit zu übertragen; das Ergebnis ist ein moderner Film, der sich aber in weiten Teil doch ziemlich klassisch anfühlt und sich damit wohltuend vom weit verbreiteten Action-Müll der 2000er abhebt.
Mich hat der Film auf jeden Fall begeistert: Der beste Actionfilm, den ich seit langer Zeit gesehen habe.
9 von
10 Schweinebacken