Ich habe eine Katze, die wir im Urlaub auf einem polnischen Bauernhof von den Besitzern als eines von drei Kätzchen mitnehmen dürften. Es sah am interessantesten aus mit dem ungewöhnlichen hellen, fast weißen Fell, das am Rücken und zu den Pfoten hin in einzelnen Brauntönen immer dunkler wird. War eine ganz schöne Tortur, das laute Kätzchen den ganzen Weg im Auto nach Hause zu bringen. Umso süßer war wie das Kätzchen die Wohnung erkundete und diese ganze Welt als Abenteuer begriff. Meine Familie und ich haben sie Mimi getauft. Sie wuchs zu einer kleinen Katzendame heran. Ganz schön lebendig und nicht immer zum Schmusen geneigt, Katzen können sehr eigenwillig sein.
Mit einem Jahr hat sie dann sogar selbst einen Wurf von Drillingen bekommen, die wir an Bekannte verschenkt haben. Mimi begleitete mich meine ganze Schulzeit hindurch. Sie war ja immer da und wurde mit der Zeit zu einem Quasi-Familienmitglied. Sie hat mich in so manchen Stimmungen erlebt, auch da wo ich nicht immer die Fröhlichkeit höchstselbst war, hat mich mit ihren runden blassblauen Augen still angeschaut und ist sogar dann manchmal zu mir gekommen. Ab und zu lassen wir sie in den Hof des Mietshauses, wo wir wohnen. Und sie war sogar mal ein paar Wochen verschwunden, wo wir uns große Sorgen gemacht haben und dann Steckbriefe aufgehangen haben. Eigentlich hatten wir sie dann irgendwann angesichts der Gefahren der Großstadt schon für verloren gegeben. Eines Tages war sie dann wieder da, als wäre nichts gewesen. Ich kann mich noch an die helle Freude und Zuneigung erinnern, die ich damals verspürt habe. Unvergesslich die Episode, wo wir an meiner Erstkommunionsfeier im Wohnzimmer ein langes Buffet aufgebaut hatten und sich eine einzige wild tastende Katzenfote vor aller Augen eine Hähnchenkeule angelte. Sehr amüsant. Nach der Schule bin ich ein knappes Jahr zum Bund und danach sogar für drei Jahre in eine etwas weiter entfernte Stadt zum Studieren gezogen. Wie das eben so ist: Das Leben geht seinen Lauf. Danach kam ich vor einem Jahr wieder nach Hause, wo ich seitdem wegen einer Zwischenphase meiner Lebensplanung wieder lebe. Da habe ich schon gemerkt, wie Mimi mit der Zeit gealtert ist. Sie bewegte sich langsamer, schlief noch mehr als gewöhnlich (Katzen schlafen und dösen ja ohnehin viel). Aber ab und zu kam der alte wilde Geist dann doch wieder zum Vorschein, wenn sie denn wollte. Dann wurde sie im Dezember sichtlich immer kränker.
Ich habe eine Katze. Nein.
Ich hatte eine Katze. Mimi ist vor ein paar Stunden eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht.
Sie wurde fünfzehn Jahre alt.
Ich kam nach Hause, und mein Vater hatte sie bereits auf die Seite liegend behutsam in einen ausgepolsterten Schuhkarton gelegt. Es war Mimi. Aber es war einfach kein Leben mehr in ihren halbgeöffneten Pupillen. Und auch ihr Bäuchlein senkte sich nicht mehr. Da war ich selbst wieder der kleine Junge von vor fünfzehn Jahren und musste aus Mitleid und Schmerz weinen. Ich bin über mich selbst überrascht, mein Verstand sagt ja: "Eine übertriebene Reaktion. Es ist ja kein Mensch gewesen!" Aber so ist das nunmal. Das werden gewiss nur andere Katzen- und Tierfreunde verstehen. So ein Abschied verursacht Schmerzen. Es tut einfach in der Seele richtig weh.
Ruhe in Frieden, Mimi. Du warst so lange ein Teil meines Lebens. Du warst eine schöne und liebe Katze. Ich werde dich nie vergessen.