hier wie angekündigt:
Was ich von dem neuen Star Wars Film halte
Episode 9 war der erste Star Wars Film, den ich gemeinsam mit meiner Tochter (14) im Kino geguckt habe. Sie hat die vorigen Filme auch gesehen (die Spin-offs noch nicht), halt zuhause bzw. bei Freundinnen, beginnend als sie 6 Jahre alt war mit Episode 4, und Episode 7 und 8 dann wenige Wochen vor dem Kinobesuch. Warum wir das über so viele Jahr hinweg gezogen haben? Weil es mir wichtig war, dass sie ein positives Erlebnis damit hat und nicht zu früh alles auf einmal schaut ohne wirklich zu begreifen. Ich hab die Star Wars Trilogie auf Video gesehen als ich 13 war, damals in 1998. Das war für mich der perfekte Einstiegspunkt. Gleichzeitig macht es aber in einem Haushalt wie in meinem und in einer Lebenswelt wie unserer keinen Sinn, mit den Star Wars Filmen zu warten, bis mein Kind 13 Jahre alt ist. Also haben wir das in Etappen gemacht. Die einzelnen Filme als einen jeweils besonderen Filmabend gestaltet gemeinsam mit Freundinnen, mit denen ich durch das gemeinsame Fandom verbunden bin. Begleitet von Gesprächen und Diskussionen, aber nie als etwas, das ich meiner Tochter aufdränge. Immer nur als Angebot.
Mir war dabei vor allem wichtig, dass sie begreifen kann, was es für eine Geschichte ist, die mich in meiner Jugend so geprägt hat, dass ich heute ein völlig anderer Mensch an einem ganz anderen Ort wäre, wenn ich nicht damals diese Videos geguckt hätte. Was das für eine Welt ist, in der ich so viel Zeit verbracht habe, und die mir meinen wichtigsten Freundeskreis beschert hat.
Und das ist es, was ich mir für sie immer gewünscht habe: dass sie FreundInnen findet, mit denen sie Interessen teilt und sich in eine Welt vertiefen kann, ihre eigenen Geschichten erfinden, daraus lernen, wachsen und sich ausprobieren in der echten Welt. Das hat sie inzwischen auch, in vielen verschiedenen Aspekten, und was mich besonders freut, ist dass sie sowohl langjährige enge Freundschaften pflegt, als auch immer wieder neue Leute aufnimmt und sich in Gruppen unterschiedlicher Zusammensetzung wohl fühlt. Aus diesen Erfahrungen ist bei ihr ein großes Gefühl für Gerechtigkeit gewachsen, eine starke Empathie und auch ein Sinn dafür, dass sie ihre Zeit und ihren Grips einsetzen muss, um etwas zu erreichen. Wenn ich sie scherzend-schmeichelnd Hermine nenne, dann weiß sie, dass das ihre Einsatzbereitschaft anerkennt und ihr gleichzeitig den Hinweis gibt, auch weiterhin Kind sein zu dürfen und nicht alles zu ernst zu nehmen.
Aber zurück zu Star Wars. Als ich im Alter meiner Tochter war, kamen gerade die Prequels ins Kino, und ich bin parallel dazu erwachsen geworden. Ich hab mich kreuz und quer durchs EU gelesen. Als wir in der Mitternachts-Premiere von Episode 3 saßen, war ich gerade schwanger. Die drei, vier Jahre zuvor habe ich damit verbracht, einen Freundeskreis aufzubauen und zu pflegen, in dem ich mich vollkommen akzeptiert, sicher und stark gefühlt habe. Wir haben Fan-Treffen mit Teilnehmenden aus drei verschiedenen Ländern organisiert, sind gemeinsam auf conventions gefahren, haben uns endlos ausgetauscht über Filme und Bücher und Comics und Games und Fanfiction und Fanfilme, haben selbst Fan-Art produziert, uns gnadenlos über den Tisch gezogen beim Trivial Pursuit, und ne verdammt gute Zeit gehabt. Und das bedeutet das Star Wars Fandom für mich heute noch: Gemeinschaft, füreinander da sein und sich stark machen für andere. Ich freu mich mit den Leuten in meiner timeline, die ihre neuen selbst gebauten cosplays und Kostüme zeigen, und damit zu Treffen gehen, zu öffentlichen Auftritten und Spenden sammeln für krebskranke Kinder. Die nach wie vor auf conventions gehen und dort Darstellende und Crew treffen, Fans aus aller Welt, und ne verdammt gute Zeit haben.
Heute für mich persönlich nimmt in meinem Alltag Star Wars keine so große Rolle mehr ein. Ich lese das eine oder andere Buch, trage mal ein T-Shirt, amüsiere mich über tweets von Mark Hamill, fan art von Leuten die künstlerisch begabter sind als ich
Für mich ist die Meta-Ebene wichtiger geworden als das Konsumieren der Inhalte. Mir ist wichtiger geworden, unter welchen Bedingungen die Star Wars Filme und Inhalte produziert werden und wie das Fandom die Darstellenden behandelt. Wie die Debatte über neue Filme läuft und welche Botschaften die Zuschauenden mitnehmen daraus. Ich habe in den vergangenen paar Jahren sämtliche biografischen Texte von Carrie Fisher gelesen bzw. die von ihr eingesprochenen Hörbücher gehört, und das gibt nochmal einen völlig neuen Blickwinkel. Was sie erlebt hat, unter anderem durch ihre Rolle in Star Wars, das darf sich so nicht wiederholen. Was Kelly Marie Tran erlebt hat geht überhaupt nicht. Die unsinnigen Hate-Pseudo-Debatten über Rey – arrgh!
Als ich dann so im Kino saß bei Episode 9, in einer Reihe mit meiner Freundin und meiner Tochter und noch drei weiteren meiner FreundInnen, da fiel mir manches auf und manches gefiel mir und manches nicht. Was mir gefiel, das waren vor allem einzelne Momente. (Wedge!!!) Insgesamt kann ich sagen, dass der Film im ganzen nicht meinen Ansprüchen genügt, die ich an so große Produktionen inzwischen stelle. Je nachdem, ob ich die medienpädagogische oder die feministische oder die cineastische Brille aufsetze, gibt es andere Knackpunkte.
Knackpunkt Nummer eins: DAS soll Romantik sein? Star Wars kann offenbar keine ausgeglichenen und gesunden Liebesbeziehungen darstellen. Mich hat das richtig getriggert, weil in meinem nahen Umfeld gerade jemand nicht loskommt aus einer Gewaltbeziehung und ich Jahre meiner pädagogischen Arbeit damit verbracht habe, Prävention in dem Bereich zu machen gerade für die junge Generation und dann kriegt ausgerechnet Reylo die screen time ? ganz schlecht.
Knackpunkt Nummer eineinhalb: Bösewicht-Recycling ist ganz armseliges Drehbuchschreiben. Ihr hattet 150 Expanded Universe Romane und drölfundneunzigtausend Comics mit Fieslingen und dann ausgerechnet der Klon-Imperator taucht nochmal auf? Lame. In den Comics war er allerdings noch widerlicher, kann sich jemand erinnern?
Knackpunkt Nummer zwei: representation. War schon besser. Da haben sie ordentlich gekniffen und sich rausgeredet mit Einzel-Bildern, die weniger als sekundenlang zu sehen sind. Das Star Wars Fandom ist so divers und so umfassend wie wenige, und die lautesten Stimmen einzelner Grüppchen von Unzufriedenen wurden am Ende am meisten gehört.
Knackpunkt Nummer drei: Raum und Zeit spielen keine Rolle mehr, ok. Weil ja alle Welten und Orte die sich jemals jemand ausgedacht hat alle in dem Film noch verwendet werden müssen. Weil damit mehr Spielzeug verkauft werden kann.
Star Wars ist nicht mehr die Geschichten-Welt, die mir am nächsten liegt. Mein Bedarf zur Diskussion darüber ist minimal. Meine freie Zeit fülle ich mit Filmen und Büchern und Serien aus unterschiedlichen Geschichten-Welten, und bei manchen davon betrachte ich mich als Teil der Fan-Community, aber längst nicht so intensiv wie in meiner PSW-Zeit. Die habe ich in sehr guter Erinnerung und ich bin froh über all das, was ich in dieser Zeit gelernt und erlebt habe. Gemeinschaft gestalten, Beziehungen pflegen auf Entfernung, virtuell Kontakte knüpfen und über den eigenen Tellerrand denken. Das brauche ich tagtäglich bei meiner Arbeit, von den Computerskills ganz zu schweigen (ein schöner Nebeneffekt vom ewigen im-Chat-rumhängen und Lichtschwerter in alles rein photoshoppen).