~~~ Lianna-System ~ Lianna ~ Lola Curich ~ Jedi-Basis ~ Trainingsraum ~ mit Nylia ~~~
Jibrielle nahm einen großen Schluck aus der Trainingsflasche und lauschte ihrer Schülerin. Nylia erzählte, dass sie sich inzwischen viel fitter fühlte und Fortschritte machte, doch noch immer traten ihre Selbstzweifel allzu sehr zu Tage. Jibrielle runzelte leicht die Stirn, lächelte jedoch weiterhin. Sie musste sich selbst wieder ermahnen, ihre Padawan nicht an willkürlichen, subjektiven Standards zu messen. Immerhin wusste sie: Nicht jeder konnte sich mit so blindem Enthusiasmus in die Ausbildung im Orden stürzen, wie sie selbst es einst getan hatte. Jener Tag, der ein halbes Leben her zu sein schien, an dem sie zum Orden gekommen war, trat ihr wieder so klar vor Augen, als wäre sie erst gestern ChesaraSyonette zum ersten Mal begegnet. Wie ihr makelloses, aus Alabaster geformtes Gesicht von dem goldenen, wellenförmigen Haar umfasst wurde. Wie ihre Stimme zu Jibrielle sprach, so voller Ruhe, Einsicht und Gutmütigkeit. Vieles hatte Jibrielle damals zu den Jedi gezogen, auch wenn sie nicht gleich alle Gründe erkannt hatte. "Weißt du, du hast eine Gabe... ein relativ seltenes Talent. Hast du jemals von der Macht gehört?" hatte Chesara gesagt und sie unaufdringlich aber forschend angesehen. "Und ich glaube, dass die Macht dich mit einer besonderen Absicht zu uns geführt hat. Du kannst die Macht spüren, so wie die Jedi es können... deshalb könntest du auch eine werden...wenn es wirklich das ist, was du möchtest, dann würde ich dich gerne als meine Padawan nehmen..." Jibrielle legte den Kopf schief, grinste Nylia an und legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Schülerin, die durchaus von der Aussicht auf eine Mission begeistert zu sein schien, und die jedoch auch aufmerksam Jibrielles Reaktion auf das Geräusch des Coms bemerkt hatte und zu ahnen schien, dass Jibrielle sich vielleicht nicht nur nach einer Nachricht vom Rat sehnte.
"Ich bin mir sicher, dass das nur die Bestätigung des Rates war. Vermutlich werden wir noch heute über die Einzelheiten der Mission sprechen können."
Nylia mochte gerne schon jetzt ein paar Einzelheiten wissen, doch wusste Jibrielle selbst noch zu wenige Details, um sich jetzt unnötigen Spekulationen hinzugeben. In wenigen Stunden würden sie es genauer wissen. Und vielleicht enthielt die Com-Nachricht noch ein paar Hintergrundinformationen.
"Lass uns nichts überstürzen, ich bin selbst noch etwas im Dunkel über den genauen Inhalt. Ort der Mission soll aber jedenfalls Lianna sein, also werden wir nicht schon wieder verreisen müssen. Was ich ganz gut finde."
Aus diversen Gründen.
"Ich würde vorschlagen, wir machen uns erstmal frisch und treffen uns in einer Stunde wieder. Komm doch zu mir ins Quartier. Wir können dann auch etwas essen. Und zieh bitte Ordenskleidung an - das mach ich auch. Damit wir richtig ordenhaftig aussehen, wenn wir die Ratsmission offiziell übertragen kriegen."
sagte Jibrielle und zwinkerte Nylia zu. Sowas war für Jibrielle auch noch immer aufregend, hatte sie doch nocht so wahnsinnig viele Missionen bekommen und meist hatte Chesara, die ja selbst Rätin war, die Aufträge erteilt. Nylia schien jedenfalls nichts gegen den Vorschlag zu haben und so räumten die Jedi ihre Trainingsausrüstung zusammen und hinterließen den Übungsraum relativ ordentlich, um sich vorerst in ihre privaten Räumlichkeiten zurück zu ziehen. Während Jibrielle sich eine Dusche gönnte, wanderten ihre Gedanken mal wieder zu Miranda und kurz überlegte Jibrielle, ob vielleicht das bevorstehende Essen der richtige Moment war, um ihrer Schülerin von der gewichtigen Veränderung in Jibrielles Privatleben zu berichten. Doch schnell verwarf die Jedi-Ritterin diesen Gedanken wieder. Sie wollte ihre Padawan gerade jetzt nicht mit soetwas ablenken - zudem hatte sie vorhin ein ganz anderes Gesprächsthema ersonnen.
Frisch gereinigt und erquickt trocknete Jibrielle ihre Haare, ließ die Erinnerung an das Haaretrocknen im Hotel auf Mon Calamari im Bad zurück und suchte sich aus ihrer Garderobe saubere Kleider heraus. Sie entschied sich wie üblich für eine helle, beige Tunika, hellbraune Hosen, dunkle Stiefel und eine Robe in einem satten aber warmen Orange-Rot. Beim Überstreifen des Stoffes fiel Jibrielle auf, wie lang gewachsen ihr Haar mittlerweile wieder geworden war und dass es sie fast störte beim Ankleiden. Sie wollte ihre Mähne etwas bändigen, doch ein bloßer Pferdeschwanz schien nicht zum Anlass zu passen. Jibrielle wollte auch deshalb so hochoffiziell gekleidet mit Nylia vor den Rat oder einen der Räte treten, damit Nylia umso stärker die Zugehörigkeit zum Orden spüren konnte. Also entschloss sich die Jedi-Ritterin kurzerhand einen einfachen aber ordentlichen Zopf zu flechten, der durch seinen seitlichen Einschlag über Jibrielles rechte Schulter fiel. Nun blieb für Jibrielle nur noch das Essen vorzubereiten, bevor Nylia kam. So huschte sie geschwinden Schrittes in die Caféteria und kam nach fünf Minuten mit zwei Tabletts zurück, auf dem kein edles, aber ein reichhaltiges, schmackhaftes und abwechslungsreiches Essen darauf warte, verspeist zu werden. Als die blonde Padawan schließlich da war und ihren Lockenkopf - der dem Chesaras gar nicht so unähnlich war - durch die Tür steckte, bot Jibrielle ihr erfreut einen Stuhl an und sogleich wurde gegessen. Einen gesegneten Hunger schienen beide an den Tag zu legen. Die Gesprächsthemen zu Tisch waren Meditationstechniken, die Schwierigkeiten der Levitation und ein virales Holovideo, in dem ein Banthababy Akkordeon zu spielen schien.
"Bevor ich es vergesse: In der Nachricht vorhin waren tatsächlich ein paar mehr Infos. Offenbar werden wir für den Senat oder einen Senator unterwegs sein. Es soll keine sonderlich hohe Risikostufe bestehen, aber da es in der Politik ja hier und da sensible Themen vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen gilt, waren noch keine konkreteren Zusammenhänge erklärt. Noch nicht. Naja egal, in Kürze werden wir ja voll und ganz ins Bild gesetzt. Aber eines wollte ich noch mit dir besprechen, bevor wir losgehen ..."
sagte Jibrielle schließlich, als sie den letzten Bissen heruntergeschlungen und mit soviel Würde, wie sie aufbringen konnte, den Teller von sich schob. Ein prüfender, unauffälliger Blick bestätigte ihr, dass sie ihre Ordenskleidung nicht beschmutzt hatte. Dann lächelte sie ihre Padawan an, versuchte die leichte Fressnarkose wegzublinzeln und konzentrierte sich auf das, worüber sie vorhin nachgegrübelt hatte. Diese eine Frage.
"Puh, wo kann ich ansetzen, ohne wie ein sprechenden Lehrbuch zu klingen. Hmm, okay, ich probiers so. Wie du weißt, streben wir Jedi nach der Balance in der Macht. Die Balance der Macht in der Welt, die Balance in uns. Und niemals hören wir damit auf, danach zu streben, denn immer wieder kommt da das Leben mit seinen Widerfahrnissen und gibt uns einen Schubser."
sagte Jibrielle und grinste, versuchte sich die Verlegenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Wäre sie bei solchen Dingen doch nur so leichtfüßig mit den Worten, so entspannt mit der Zunge tanzend wie Chesara oder Robijn.
"Oder ... wir laufen eben eine ganze Zeit lang mit einer gewissen Schieflage herum. Übermut zum Beispiel. Oder eben Selbstzweifel. Der Fehlende Glaube an sich selbst."
meinte Jibrielle und merkte, wie sie selbst gerade ein bisschen mit der Balance kämpfte. Aber nein, sie brauchte sich nicht so haben. Und sie wollte Nylia auch nicht schon wieder mit der Nase darauf stoßen, wo sie den größten Verbesserungsbedarf offenbarte. Sie wollte auf einen bestimmten Punkt heraus. Auf eine bestimmte Art Frage. Sie musste innerlich etwas grinsen, als sie wie von selbst einige Worte zu benutzen schien, die Chesara damals zu ihr gesprochen hatte.
"Weißt du, du hast eine Gabe. Ein seltenes Talent. Wir alle hier teilen diese Gabe. Diese Gabe definiert uns aber nicht und gibt uns nicht unser Schicksal vor. Sie ist nur die Möglichkeit. Sie ist nicht der Grund, dass wir hier sind."
Irgendwie glaubte Jibrielle, dass dieses Gespräch viel zu spät kam. Aber wann wäre denn der bessere Zeitpunkt gewesen? Und erinnere dich, gemahnte sich Jibrielle, lass dich nicht von deinen eigenen Erfahrungen mit Scheuklappen belegen.
"Ich glaube, dass dich die Macht nicht zufällig zum Orden geführt hat. Zu mir. Wir haben schon viel erlebt und wer weiß schon was passiert wäre, wenn wir diesen Chip in deinem Arm nicht entfernt hätten."
Jibrielle lächelte Nylia aus vollem Herzen an. Bei all den Zweifeln die in Nylias Brust sitzen mochten hoffte Jibrielle doch, dass ihre Padawan sich immerhin der Zuneigung ihrer Freundin und Meisterin ganz sicher war.
"Du weißt wie gerne ich dich hier habe und bevor du glaubst, ich will dir irgendwelche Zweifel einreden - diesen Spuk schlag dir gleich aus dem Kopf."
sagte Jibrielle und zwinkerte Nylia zu, die wohl noch nicht so recht wusste, was sie sagen sollte, und eher auf konzentriertes Zuhören setzte. Jibrielle dachte an ihre erste Begegnung mit Chesara, wie sie von ihrer Zeit im Heim und ihre nicht vorhandene Familie erzählt hatte, von den Aufgaben der Jedi erfahren und in die Ausbildung beim Orden eingewilligt hatte. Sie dachte auch daran, wie wenig sie noch über Nylia oder ihre Familie wusste, wie schwer es war, die Verantwortung und die Gefahren im Leben eines Jedi angemessen zu erzählen und wie holprig und schlangenlienienförmig Nylias Einkunft beim Orden und bei Jibrielle gewesen war. Sie dachte auch an die Frage, die zwischen all dem gelegen hatte, was Chesara ihr an jenem Tag gesagt hatte. Eine unausgesprochene Frage, wie Jibrielle ohne es zu wissen zwischen den Zeilen beantwortet hatte. Vermutlich. Erst viel später war Jibrielle klar geworden, was ihr Beitritt damals wirklich bedeutet hatte. Doch wer wusste schon, was sie gesagt hätte, wenn die Frage laut ausgesprochen worden wäre?
"Ich wünsche mir sehr, dass du dein Wesen und deine Talente im Orden erblühen lässt und sie in den Dienst der Werte der Jedi stellst - doch ich will auch ehrlich zu dir sein. Die Wahrheit ist, Jedi zu sein ist ... gefährlich und anstrengend ... Wir setzen uns für die Armen und Schwachen ein und kämpfen für jeden, der in Not ist. Ein Jedi stellt sich selbst ans Ende der wartenden Schlange. Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit sind nur zwei wichtige Attribute. Deswegen möchte ich dir jetzt eine Frage stellen. Das ist kein Test. Ich möchte nur deine Antwort hören und dass du wirklich darüber nachdenkst. Weil deine Gabe eben nicht der Grund dafür sein kann, im Orden zu sein. Doch einen Grund muss es geben."
Jibrielle sah Nylia mit forschenden, aber unaufdringlichem Blick an.
"Warum willst du eine Jedi sein, Lia? Ist es wirklich das, was du möchtest?"
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