[Mirial-System | unterwegs zu Mirials Mond | Y-Wing Gelb 8] Beleny Phoss, Adam Mount und R3-J0 mit Staffel Gelb
In Keilformation stiegen die zwölf Bomber vom Typ BTL-S3 in den Himmel Mirials hinauf, durchstießen eine Dichte graue Wolkendecke und steuerten dann auf die schmale Sichel des Mondes zu, den Beleny Phossschon am Vortag bewundert hatte. Er war ein karger, nichts desto trotz in ihren Augen aber schöner Himmelskörper mit einer einzigartigen Zeichnung von Schluchten und Kratern. Verworfene Gesteinsschichten bildeten dazwischen ein graues und rötliches Muster. Sie hatte nichts dagegen, den Mond aus der Nähe zu sehen. Seine Schönheit und die Tatsache, dass die Staffel Gelb gleich Bomben auf seine Oberfläche werfen würde, widersprachen sich nach ihrem Empfinden nicht. Immerhin würden sie nur einen winzigen Teil des Trabanten umgestalten, ein Eingriff, der niemandem schadete und das Gesicht des Mondes nicht tiefgreifend verändern würde. Und für sie und ihre Kameraden war es eine Gelegenheit, ihre Fähigkeiten im Umgang mit den Waffensystemen, die ihnen anvertraut waren, zu verbessern. Dass es da noch einiges zu lernen und üben gab, hatte sie während des gemeinsamen Manövers mit den Mirialanern begriffen.
Bisher war es nicht oft vorgekommen, dass man sie mit scharfer Munition hatte üben lassen. Protonenbomben und -torpedos waren überaus kostspielig und wurden selten zu reinen Übungszwecken vergeudet, während man sie doch an der Front benötigte. Vielleicht waren durch den Friedensvertrag von Umbara und das Ende der Kampfhandlungen mit dem Imperium nun ein paar Sprengköpfe übrig, so dass sie doch in den seltenen Genuss kamen. Vielleicht sollte man die Bomben lieber aufheben, bis der Konflikt aufs Neue ausbrach, denn ebenso wie Dove traute kaum jemand in ihrer Einheit dem Frieden wirklich und alle rechneten damit, dass er nicht von langer Dauer sein würde. Aber keiner von ihnen murrte darüber, dass sie nun die Möglichkeit haben würden, etwas in die Luft zu jagen. Auch wenn es nur ein wenig Mondgestein war. Jeder würde genau eine Gelegenheit bekommen: Jedem Y-Wing standen ein Torpedo und eine Bombe für diese Übung zur Verfügung - also würden sowohl Pilot als auch Bordschütze jeweils einmal auf das rote Knöpfchen drücken dürfen.
»Wir nähern uns dem Zielgebiet«, sagte Captain Eshnich, der die Staffel nun in die kaum vorhandene Atmosphäre des Mondes führte. »Es liegt jetzt hundertzehn Kilometer vor uns. Unser erstes Ziel ist eine Bergflanke, die ungefähr die Form und Größe eines imperialen Sternenzerstörers hat. Wir werden einen Standard-Torpedoangriff auf diese Felsformation fliegen.«
Das bedeutete, sie würden sich dem Ziel in mehr oder weniger gerader Linie nähern - unter normalen Umständen würden Abwehrfeuer und feindliche Jäger sie zu einigen Manövern zwingen, doch das war hier natürlich nicht zu erwarten. Wenn sie einen gewissen Abstand erreichten würden sie alle beinahe zeitgleich ihre Torpedos abfeuern. Je dichter beieinander und in je kürzerem zeitlichen Abstand die Geschosse aufschlugen, um so geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die Schilde (über die das Bergmassiv natürlich nicht verfügte) halten würden. In der Vergangenheit waren schon Großkampfschiffe durch solche Angriffe vollkommen zerstört worden, auch wenn sie mittlerweile eher von X-, H-, B- oder K-Wings durchgeführt wurden und nur noch selten von den alten BTLs. Aber wenn man trotz der veralteten Technik und der geringen Geschwindigkeit und Wendigkeit einmal nah genug an ein feindliches Schiff herangekommen war, um seine Torpedos auf Kurs zu bringen, konnte auch ein Y-Wing oder ein noch älteres Modell ausreichend Schaden anrichten. Die Staffel Gelb war gerade erst neu zusammengestellt worden und bis auf den Captain sowie die Lieutenants Sinclair und Harrison hatte bisher niemand einen echten Kampfeinsatz erlebt. Doch sie hatten Angriffe dieser Art, die zum Standardrepertoire der Jäger- und Bomberstaffeln gehörten, vielfach am Simulator und auch schon in Natura, aber mit Übungsmunition geprobt. Gestern waren sie daran gescheitert, eine solche Attacke gegen die Angriffsfregatte Flail durchzuführen. Deren Schild aus Jägern hatte den Versuch schon im Ansatz vereitelt. Diesmal gab es aber keine X-Wings, Torrents und Uglies, die sie von dem Versuch abhalten würden. Und auch keinen Howlrunner der Staffel Braun, der Gelb Acht während eines Ausweichmanövers beinahe rammte und damit die harmlose Übung zu einer wirklich gefährlichen Situation machte. Eine Schrecksekunde, die Beleny und ihr Pilot so schnell nicht noch einmal erleben wollten. Sie hatte es nicht einmal in ihrem Brief an Fenten erwähnt, um ihn nicht zu beunruhigen.
»Das da vorne muss es sein!« sagte Icy.
»Sieht wirklich ein Bisschen wie ein Sternenzerstörer aus«, gab die Kilmaulsi zu.
»Staffel Gelb, Angriffsformation einnehmen. Kein, ich wiederhole, kein Einsatz der Laser- und Ionengeschütze. Jede Maschine macht nur einen Torpedo scharf. Abschuss auf meinen Befehl bei einem Kilometer Abstand zum Ziel.«
Ein Kilometer, das klang viel, aber es war weniger, als das steinerne Dreieck lang und breit war. Es war auf diese Entfernung fast unmöglich, ein Objekt dieser Größe zu verfehlen, solange man nicht aus Versehen den Zielcomputer falsch programmierte und zum Beispiel ein davor oder dahinter liegendes Objekt markierte, ohne es zu merken. Beleny hoffte, dass ihnen so ein Fehler nicht unterlaufen würde. Immerhin hatten sie nicht den Stress eines echten Einsatzes, nicht einmal den einer Prüfung - das Ganze fühlte sich eher wie ein Zeitvertreib an, auch wenn zweifellos Punktstände vergeben und verglichen werden würden.
»Joe, erfasse das Ziel. Dove, mach einen Torpedo scharf«, wies Adam seine Schützin und den Astromech an, während er sich weiter auf die Steuerung des Y-Wings konzentrierte. Der größte Vorteil an der zweisitzigen Version war, dass man sich Aufgaben teilen konnte.
Auf den kleinen Bildschirm des Zielcomputers, die sowohl in Adams als auch in Belenys Sichtfeld angebracht waren, wurde nun die Silhouette des dreieckigen Tafelberges angezeigt und ein Fadenkreuz auf seine Mitte gelegt. R3-J0 zwitscherte die Bestätigung, dass er seine Aufgabe erfüllt hatte.
»Torpedo in Rohr zwei scharf und abschussbereit«, verkündete auch die Kilmaulsi.
Schön. Dann kann das Feuerwerk ja losgehen.
Sie näherten sich dem Ziel mit hoher Geschwindigkeit, so als würden sie sich tatsächlich in einem Gefecht befinden und müssten sich bemühen, ein möglichst schwieriges Ziel für feindliche Kanoniere und Sternenjägerpiloten darzustellen. Der Captain, der den anderen die Flugrichtung vorgab, flog auch zwei oder drei kleine Schlenker, so als müssten sie Hindernissen ausweichen. Dann waren sie auf einen Kilometer heran. Das Fadenkreuz auf dem Zieldisplay änderte seine Farbe.
»Torpedos abfeuern!« befahl der Jenet mit lauter Stimme.
Die Gelben reagierten nicht alle gleich schnell. Manche waren schon etwas voreilig und schossen bereits bei ›Torpedos‹ (was ihnen kein Lob einbringen würde, denn es hätte ja ein ›nicht‹ oder etwas derartiges folgen können), andere erst kurz nach dem zweiten Wort. Dennoch bildeten die Flugkörper einen dichten Haufen und ihre Schweife aus roten und magentafarbenen Funken waren kaum voneinander zu unterscheiden. Sie waren deutlich schneller als die Bomber und überbrückten die Distanz sehr schnell, doch wie meist in solchen Situationen war es den Piloten und Bordschützen nicht vergönnt, sich die Auswirkung ihres Bombardements in Ruhe anzusehen. Sobald sie die Torpedos losgeworden waren, drehten sie scharf bei: Rotte Eins direkt nach oben, Rotte Zwei nach links und Rotte Drei nach rechts. Sie würden eine Schleife fliegen, sich dabei ein Stück vom Ziel entfernen und sich dann wieder vereinigen, um gegebenenfalls einen zweiten Angriff zu starten. Während Adam sich darauf konzentrieren musste, die Formation zu halten und den vorgegebenen Kurs möglichst genau zu verfolgen, konnte Beleny sich den Luxus gönnen, mit den Kameras der Zielvorrichtung die Torpedos weiter zu beobachten. Die ersten veringen in einem weißen Lichtblitz und einem Feuerball, der durch die Detonation der nachfolgenden Geschosse rasch anwuchs. Die Explosion war so hell, dass sie die ganze Umgebung in gelblich weißes Leuchten tauchte, das einige Sekunden lang anhielt. Mit bloßem Auge hätte man sich den Vorgang gar nciht ansehen können, schon gar nicht Dove mit ihren empfindlichen Albino-Augen, aber die Kameras gaben das Bild mit reduzierter Helligkeit wieder. Fasziniert beobachtete Dove, wie ein Teil der Klippe abbrach und als mächtiger Felssturz in die Tiefe polterte. Durch die geringe Fallbeschleunigung des Trabanten sah es wie eine Zeitlupenaufnahme aus.
»Wow!« entfuhr es ihr.
Dann wurden sie von der Schockwelle eingeholt und ein wenig durchgeschüttelt. In der dichten Atmosphäre eines Planeten wäre das ein gefährlicher Moment gewesen, bei dem man Gefahr lief, die Kontrolle über den Bomber zu verlieren. So jedoch war es nicht viel mehr als eine starke Vibration, die aber dennoch deutlich machte, welche immensen Energien freigesetzt worden waren.
»Ziel getroffen«, verkündete der Captain. »Alle Torpedos detoniert. Ein echter Sternenzerstörer würde nach so einem Treffer und ein paar inneren Folgeexplosionen mit etwas Glück in zwei Hälften brechen. Gut gemacht, Staffel. Formation wieder einnehmen.«
Bevor sie Gelegenheit erhielten, auch ihre Protonenbomben abzuwerfen, mussten die Piloten sich zunächst einigen Flugübungen stellen. Sie übten das Einhalten und Wechseln verschiedener Formationen, was teilweise gar nicht so einfach war. Einen Keil aufzulösen und binnen weniger Sekunden eine Linie, eine Kugel oder ein Kreuz zu bilden, ohne sich dabei ins Gehege zu kommen, war eine Herausforderung und konnte gar nicht oft genug trainiert werden. Aber es stellte vor allem die Fähigkeiten der Piloten auf die Probe, die Schützen hatten dabei wenig zu tun. Nach einer Weile begann Beleny sich zu langweilen. Ihre Hoffnung, dass Eshnich vielleicht auch eine Zielübung vorgesehen hatte und gleich ein paar Drohnen oder etwas ähnliches für sie aus dem Hut zaubern würde, erfüllte sich nicht. Aber dann kam endlich der Zeitpunkt, an dem auch sie zum Einsatz kommen durfte.
Staffel Gelb kehrte zu dem steinernen Schlachtschiff zurück, an dessen Seite man nun eine dichte Staubwolke sehen konnte, die fast bewegungslos über der Mondoberfläche schwebte. Dahinter musste sich eine gewaltige Bresche und darunter ein ebenso mächtiger Schutthaufen befinden, die erahnen ließen, wie fatal sich die Explosion der zwölf Torpedos auf einen echten Sternenzerstörer ausgewirkt hätte. Nun jedoch wollten die Y-Wings ihrem simulierten Ziel den Rest geben.
»Überflug von Bug nach Heck in fünfhundert Metern Höhe«, ordnete der Staffelführer an. »Bomben mittschiffs in der Nähe der ersten Einschlagstelle abwerfen und dann sofort nach oben abdrehen. Rotte Drei beginnt!«
Über den Staffelkanal konnten sie nun zuhören, wie Josh Sinclair seinen beiden Untergebenen noch ein paar Anweisungen gab. Während sie in einigen Kilometern Entfernung kreisten, flogen die vier Maschinen eng beieinander auf das Ziel zu. Sie beschrieben einen Bogen, um sich dem Felsplateau von der vorderen Spitze her zu nähern. Aus dieser Distanz waren sie nur kleine weiße Punkte, aber man konnte ihrem Kurs mit dem bloßen Auge folgen. Die Bomben, die sie abwarfen, konnte man nicht beobachten, aber die dreifache Explosion war wirklich nicht zu übersehen. Die Sprengkraft von Protonenbomben war noch größer als die der Torpedos und sie hinterließen sicherlich Krater in der felsigen Oberfläche des Berges. Als Rotte Drei unversehrt zurückkehrte, befal der Captain:
»Nun Rotte Zwei!«
»Bleibt an meinen Flügeln!« Das war Zephram Harrison, der Anführer der Rotte. Sein Bomber schnellte nach vorne und Sechs, Sieben und Acht mussten stark beschleunigen, um ihm zu folgen. Sie flogen den gleichen Kurs wie die dritte Rotte vor ihnen, aber in höherer Geschwindigkeit. Es passte zum Ego des Lieutenant, dass er das Bedürfnis hatte, die Vorgänger in irgendeiner Weise zu übertreffen.
»Zielt genau auf den Bombenkrater der Dritten!« sagte er. »Ich will vier Volltreffer sehen!«
In diesem Fall gab es keine dichte Staubwolke. Die hatte an der Flanke des Berges der Felssturz ausgelöst, den es hier nicht gegeben hatte. Im Gegenteil: Die Druckwelle der Explosionen hatte allen Staub beiseite gefegt und nur nackten, graubraunen Fels hinterlassen, in dem deutlich die Spuren der ersten Protonenbomben zu sehen waren. Während Adam auf diesen Ort zusteuerte, half der Atromech Beleny beim Anvisieren des Ziels.
»Bombe ist bereit«, sagte sie.
»Dann viel Vergnügen!« kommentierte der rothaarige Mensch.
Diesmal gab es keinen Befehl zum Abwurf der Bomben. Jeder Schütze musste für sich selbst den richtigen Zeitpunkt bestimmen, abhängig von Position, Geschwindigkeit und Flugrichtung des jeweiligen Bombers, um das Ziel exakt zu treffen. Beleny drückte auf den Knopf, als der Zielcomputer, ihr Gefühl und das Quäken des R3 ihr mitteilten, dass der richtige Moment gekommen war. Eine spürbare Vibration ging durch den Bomber, als aus dessen Unterseite eine der schweren Bomben ausgeklinkt wurde. Die vier Maschinen der Rotte beschleunigten und zogen steil nach oben, um Distanz zwischen sich und die Geschosse zu bringen, die kurz darauf hinter ihnen explodierten. Wieder wurden sie von einer Welle aus weißem Licht überholt und dann von einer Druckwelle leicht durchgeschüttelt. Nachdem auch Captain Eshnichs Rotte Eins ihre Bombenlast abgeworfen hatte, flog die ganze Staffel noch einmal geschlossen über das Zielgebiet hinweg, um das Trefferbild zu begutachten. Sie konnten mit ihrer Zielgenauigkeit zufrieden sein. Der zerklüftete Mond hatte unterdessen ein paar neue Krater erhalten, die unter den anderen zwar nicht auffielen, mangels Erosion durch Wind und Niederschlag aber vielleicht für Jahrtausende von dieser erfolgreichen Übung künden würden.
Staffel Gelb flog nach Mirial zurück. Dort gab es eine gründliche Nachbesprechung des ganzen Fluges und den Teilnehmern wurden Punktstände zugewiesen. Diese errechneten sich bei den Piloten aus den gezeigten fliegerischen Leistungen sowie Timing und Zielgenauigkeit beim Abschuss der Torpedos, bei den Schützen lediglich aus dem Bombenabwurf, denn viel mehr hatten sie nicht zu tun gehabt. Der Captain kündigte jedoch an, dass auch sie in kommenden Übungen stärker gefordert werden sollten. Anschließend wurden sie in die Hangars geschickt, um ihre Maschinen und Astromechs zu versorgen. Es war Brauch im 114. Bombergeschwader, dass jeder ein gewisses Maß an Verantwortung für die Instandhaltung der Gerätschaften trug, anstatt das lediglich dem Bodenpersonal zu überlassen. Als dann der Dienstschluss näherrückte, blickten sie alle auf einen ereignis- und abwechslungsreichen Tag zurück. Der größte Teil der Staffel - ausgenommen nur diejenigen, die kein sehr geselliges Wesen hatten - verabredete sich auch für diesen Abend wieder in der Kneipe des Stützpunkts. Diesmal freute sich auch Beleny auf ein starkes, kühles Bier.
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