Arkadi Duval
Necessary evil
[Ring von Kafrene | Raumstation | Stellarian Prime | Ebene 5O – Lager der Söldner | Lieutenant Commander Arkadi Duval, NRGD-Team, Bane, Charlie, Pumpkin, Ral
Die Blasterpistole in Arkadis rechter Hand blieb unerschütterlich und ruhig auf Pumpkin gerichtet, bei einem Killerdroiden, der möglicherweise von der „Königin“ von Kafrene korrumpiert worden war, wollte der blonde Agent kein Risiko eingehen. Falls sich die ockerfarbene Maschine in irgendeiner Form verdächtig verhalten sollte, würde er nicht zögern, abzudrücken und sie so schnell und gründlich wie möglich in Altmetall zu verwandeln. Viele unterschätzten Droiden, schenkten den allgegenwärtigen praktischen Helfern im Alltag kaum Beachtung, aber das war ein fataler Fehler, wie man beim Geheimdienst rasch lernte. Es musste nicht mal ein Attentätermodell sein, ein mit unauffälligen Abhörgeräten versehener Reinigungsdroide zur richtigen Zeit am richtigen Ort konnte für verheerende Schäden sorgen. Als Soldat an der unsichtbaren Front lernte man, dass Paranoia gerade genügend Vorsicht war, nicht umsonst hatte Arkadi von Anfang an Bedenken gehabt, was Pumpkin anging. Immerhin hatten sie es auf Kafrene mit einer ebenso fortschrittlichen wie größenwahnsinnigen KI zu tun, technische Geräte vom Datapad bis hin zum Droiden waren damit besonders gefährdet und mussten entsprechend wachsam und misstrauisch behandelt werden. Sollte Pumpkin ihm irgendeinen Grund geben – irgendeinen - würde Arkadi schießen, aber der schlanke Mann mit den kühlen blauen Augen wollte auch nicht voreilig handeln, schließlich war der Killerdroide ein nützlicher Helfer und Arkadi konnte es sich nicht leisten, in dieser kritischen Situation kurz vor dem Sturmangriff eine wertvolle Ressource auf bloßen Verdacht hin zu eliminieren. Davon abgesehen würde eine Schießerei hier mitten im Lager ohne Zweifel unerwünschte Aufmerksamkeit erregen, noch etwas, das er und sein Team nicht gebrauchen konnten. Also entschied sich der Geheimdienstler, erst einmal abzuwarten und sich einen besseren Überblick über die Lage zu verschaffen, so konnte er auch Zeit schinden, bis seine Verstärkung eintraf. Den Blaster weiterhin auf Pumpkin gerichtet gab Arkadi dem Droiden also die Gelegenheit, sein Vorgehen zu erklären. Es sollte um seinetwillen besser eine gute Erklärung werden, dachte sich der blonde Mensch grimmig und sein Finger rückte kaum merklich näher an den Abzug.
Man musste Pumpkin zugute halten, dass er zumindest nicht so dumm war, eine offenkundig feindselige Aktion zu versuchen, dennoch spannte sich Arkadi etwas an, als die ockerfarbene Maschine ihren linken Arm und zeigte, dass er sich bereits ausgestöpselt hatte. Schon mal ein Anfang, aber kaum mehr als das. Die Stimme des Geheimdienstlers war eisig, bar jeder überflüssigen Höflichkeit.
„Langsam. Ganz langsam.“
Andere, weniger erfahrene und kaltblütige Angehörige von Sicherheitskräften hätten jetzt schon abgedrückt, nicht bereit, das Risiko zu akzeptieren, aber Arkadi wusste, dass Risiken in seinem Beruf unvermeidbar waren. Man konnte ihnen nicht aus dem Weg, sondern musste lernen, sie zu managen, sie zu kontrollieren, soweit das möglich war. Die ganze Haltung des ehemaligen Soldaten glich einem zu Sprung bereiten Nexu, Adrenalin brachte seine Aufmerksamkeit und Reflexe auf Höchstleistung. Es war eine seltsame Mischung aus demonstrativer Ruhe und fiebriger Erwartung, die er nur zu gut aus Gefahrensituationen kannte. Ein Teil von ihm schrie förmlich, dass er schießen sollte, die Gefahr eliminieren, aber noch war es nicht so weit. Noch nicht. Und statt zu feuern hörte der Agent also zu, lauschte aufmerksam und suchte nach Zeichen von Verrat oder Fremdkontrolle. Das war bei einem Droiden deutlich schwieriger als die bei einem Lebewesen, man konnte sich nicht an Gestik, Mimik und verräterischen Zeichen wie zuckenden Mundwinkeln und nervösen Seitenblicken orientieren. Arkadi blieb im Grunde nicht viel mehr übrig, als seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Pumpkin setzte zu einer beschwichtigenden Erklärung an und behauptete, dass der Agent bereits tot wäre, wenn Arianna Trallok die Kontrolle hätte. Ein durchaus einleuchtendes Argument, aber dennoch zeigte er keine Ansätze, seinen Blaster zu senken.
„Ich entscheide, wann ich meine Waffe senke. Unsere Gegnerin ist clever – ihr sind auch langfristige Täuschungsmanöver und Spielchen zuzutrauen. Red weiter und keine hektischen Bewegungen.“
Nein, überzeugt war Arkadi noch lange nicht und er warf einen raschen Blick auf die erstaunlich große und komplexe Konstruktion, die Pumpkin mit vergleichsweise einfachen Mitteln erbaut hatte. Der Droide war talentiert, kein Zweifel, und unter anderen Umständen hätte er für seine Mühen vielleicht ein Lob kassiert, aber nicht jetzt. Mit mechanischer Nervosität und etwas, das Empörung ähnelte, fuhr Pumpkin fort, offenbar waren während der Verbindung von einem Unbekannten Daten gestohlen worden. Es musste nicht zwangsläufig Arianna Trallok gewesen sein, aber sie war die nahe liegenste Verdächtige. Hatte Pumpkin nicht damit gerechnet, dass seine Bemühungen auffallen würden? Eine schlichte Fehlentscheidung ohne böse Absichten? Möglich, aber genau so gut konnte der Droide sie alle verraten haben, der Versuch, die Kommunikation mit Nani wieder aufzubauen, bloß ein Vorwand. Momentan wollte Arkadi nichts ausschließen, also hörte er einfach aufmerksam weiter zu. Pumpkin schien für einige wenige Sekunden nach Worten zu suchen – ein erstaunlich organisches Verhalten – und gestand dann missmutig ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und denjenigen bestrafen wollte, der diesen Fehler ausgenutzt hatte. Es „klang“ ehrlich, aber das taten die meisten guten Lügen und Arkadis Augen wurden ein wenig schmaler, als der ockerfarbene Killer eher am Rande erwähnte, dass bei ihm keine Programme hochgeladen worden waren und sich der Schaden vermutlich in engen Grenzen hielt. Eine Beschwichtigung, ohne Zweifel, aber sie konnte durchaus wahr sein. Arkadi hielt inne und wägte nüchtern ab, er hatte keine Beweise, dass Pumpkin kompromittiert worden war, aber auch keine Möglichkeit, das ad hoc zu überprüfen. Dafür brauchte er Nani oder zumindest eine Verbindung zu ihr. Ein Moment verstrich, ein weiterer...dann nickte der Agent knapp und senkte betont langsam seine Waffe, verstaute sie aber noch nicht.
„Ihre Initiative wäre unter anderen Umständen lobenswert, aber Sie haben einen schweren Fehler gemacht, Pumpkin. Wir können nur hoffen, dass Ihre Einschätzung korrekt ist. Ich sage es ganz offen: Bis Nani eine gründliche Analyse durchgeführt hat, traue ich Ihnen nicht. Sie werden nochmal alle internen Diagnosen durchlaufen lassen und einen Neustart durchführen, und dann folgen Sie mir. Sollten ich etwas bemerken, dass mir verdächtig vorkommt...“
Arkadi musste den Satz nicht vollenden, denn just in diesem Moment wurde die Zeltplane hinter ihm zur Seite geschoben und das Geräusch von Stiefeln war zu hören, als sich der Rest seines Teams in Stellung begabt, die Waffen gezückt, aber ansonsten abwartend. Die Botschaft war klar: Von nun an stand der Droide unter Bewährung. Arkadi würde versuchen, so schnell wie möglich wieder Kontakt mit Nani zu bekommen, damit die Slicerin ihre eigenen Tests durchführen konnte, aber dafür blieb vielleicht keine Zeit mehr, denn wie auf Stichwort begann eine Sirene zu heulen, ein schrilles, unmöglich zu ignorierendes Geräusch, gefolgt von blechernen Befehlen aus Lautsprechern. Draußen vor dem Zelt kam Hektik auf, Waffen wurde aufgesammelt und geladen und Söldner eilten los, ihre Schritte hallten weit. Es fing also an – früher als erwartet. Arkadi unterdrückte einen leisen Fluch und warf stattdessen einen knappen Blick auf sein Chrono, bevor er sich umdrehte. Seine ruhige, autoritäre Stimme vermittelte in dieser kritischen Situation Sicherheit, half, Ordnung in das Chaos zu bringen. Der Agent beschönigte nichts, sprach sachlich und klar. Jetzt war nicht der Moment für Spielchen.
„Das ist das Signal zum Sturmangriff. Wir mussten damit rechnen, dass unsere Vorbereitungen nicht abgeschlossen sein würden, aber das wird uns nicht daran hindern, den Plan umzusetzen. Kommunikation mit Ral und Nani ist derzeit nicht möglich, wir handeln also de facto auf eigene Faust, aber das Vorgehen bleibt gleich. Wir schließen uns der ersten Angriffswelle an, ganz die todesmutigen Freischaffenden, die wir vorgeben zu sein. Rechnen sie mit heftigstem Abwehrfeuer und Eigenbeschuss – die Freischaffenden und damit wir sind in den Augen der Söldner entbehrlich. Bleiben sie in Bewegung und unvorhersehbar, Stillstand bedeutet Tod. Egal, was passiert: Nicht anhalten. Nicht für eine Sekunde.“
Arkadi machte eine kurze Pause, blickte in die Gesichter der Anwesenden und nickte langsam, als er demonstrativ seine Blasterpistole hob und sie entsicherte. Das markante Geräusch machte mehr als deutlich, dass es kein Zurück gab.
„Ich weiß, dass dieser Moment schwierig ist. Und ich weiß, dass unsere Lage hoffnungslos scheinen mag. Aber wir haben ein Ass im Ärmel: Sobald wir nah genug am Stützpunkt des „Erzengels“ sind, wenden wir unsere Waffen gegen die Freischaffenden der ersten Welle. Sie werden nicht mit einem Angriff von hinten rechnen und leichte Beute sein – und unsere Ticket zur Basis. Machen sie sich bereit. Es geht los.“
Keine Plattitüden, keine Versprechungen von Ruhm und Ehre, kein Versuch, die Situation schön zu reden. Nur die reine Wahrheit, das wohl kostbarste Gut der Geheimdienste. Auch sie war eine Trumpfkarte, die man nur einmal ausspielen konnte. So oder so, die Schwelle war überschritten. Sie konnten nicht im Lager bleiben, ohne aufzufallen und entweder zum Kampf gezwungen oder als Deserteure hingerichtet werden, bei Drückebergern kannten die Söldner keine Gnade. Also setzte Arkadi sich an die Spitze des Trupps, schlug die Zeltplane zur Seite...und trat mitten hinein in das Chaos. Lautstark wurden Befehle gebrüllt, als Unterkommandanten ihre Einheiten vorwärts trieben, Dutzende, wenn nicht Hunderte von Stiefeln knallten auf den Boden, als Waffen, Munition und andere Ausrüstung verteilt wurden und sich die einzelnen Teams von Freischaffenden zusammenstellen. Letzte Inspektionen von Rüstungen und Blastern, hier und da ermutigende Worte, ein Schulterklopfen und das Versprechen von Credits, Ruhm und Huren im Überfluss, wenn man den Angriff überlebte. Lügen. Es war ein Himmelfahrtskommando und die Freischaffenden nicht mehr als Kanonenfutter, das für Ablenkungen sorgen sollte, während die wahren Angreifer in Stellung gingen. Die drei Söldnerteams hielten bewusst Abstand zu dem „verlorenen Haufen“, der ein oder andere ein wenig mitleidig, die meisten aber lediglich mit kühler Geringschätzung. Arkadi ignorierte sie und marschierte mit seinem Team entschlossen zum Sammelpunkt an der Barrikade, sie bahnten sich ihren Weg bis fast an die Spitze und reihten sich dann ein. Die fiebrige Nervosität vor einer Schlacht hing wie ein Gewitter in der Luft, Arkadi konnte sehen, wie einige Freischaffende leise Gebete und Beschwörungen murmelten, in zahlreichen verschiedenen Sprachen. Andere kippten kleine Fläschchen mit Kampfdrogen herunter, um sich auf naturwissenschaftliche Weise vor Furcht und Panik zu schützen, der ein oder andere begnügte sich wohl auch mit starkem Alkohol. Aufgeregte Frischlinge fummelten unsicher an ihren Waffen, führten zum wohl hundertsten Mal die Überprüfung durch, auch das ein Ritual mit zitternden Händen gegen die Angst. Bei manchen war der Druck zu groß, sie übergaben sich geräuschvoll und mussten von ihren nicht minder blassen Kameraden gestützt werden. Eine kleine Minderheit kollabierte völlig, versuchte, sich aus dem Pulk bunter Uniformen, Kleidungsstücke und Rüstungen zu lösen, wurde aber zurück in die Formation geschubst und gestoßen. Es gab kein Zurückweichen.
„Sechzig Sekunden! Sterbt anständig, Freischaffende!“
Brüllte ein bulliger Söldner über den Lärm hinweg und jetzt wurde auch dem Letzten klar, was bevorstand. Manch einer fing an, zu knurren oder die Zähne zu fletschen, sich gegen die Brust zu klopfen, um in Kampfstimmung zu kommen. Blaster wurden angelegt, Köpfe gesenkt, Muskeln spannten sich an. Zwanzig....zehn...Ein schrilles Pfeifen erklang und die Barrikade öffnete sich, entfesselte die nur mühsam gebündelte Energie und mit einem Schrei, einem ohrenbetäubenden Kriegsgebrüll aus Dutzenden Kehlen, stürmten die Freischaffenden vorwärts auf die Brücke, eine lebende Welle. Das erste Opfer schaffte gerade einmal zwei Schritte, bis ihn ein Schuss aus einem Präzisionsblaster wie ein Spielzeug zurückschleuderte, aber so dicht gepackt waren die Angreifer, dass er einfach mitgetragen wurde. Ein Inferno begann, als Blasterfeuer einem tödlichen Hagelschauer gleich auf die Freischaffenden einprasselte. Arkadi verlor völlig die Übersicht, er taumelte, rannte, stolperte, weite, einfach nur. Ein Schuss fällte den Söldner neben ihm, einen Trandoshaner, dessen Fauchen einfach verstummte, ein weiterer Schuss raste nur knapp an dem Agenten vorbei und brannte sich in den Brustpanzer eines menschlichen Freischaffenden. Arkadi packte den taumelnden Mann und riss ihn vor sich, als lebenden Schild, gerade noch rechtzeitig. Zwei Schüsse, wie Faustschläge, ließen den Agenten stolpern, aber nicht fallen. Jetzt setzte das Gegenfeuer ein, sowohl der Freischaffenden als auch der professionellen Söldner mit schweren Waffen, und die Schüsse aus der Festung des „Erzengels“ wurden ein wenig schwächer. Rasch nutzte der blonde Mann die Gelegenheit, ließ seinen toten Schild fallen, kletterte über drei Tote und rannte weiter. Die Reihen waren dezimiert worden, besonders hinter ihm, aber die Spitze der Angriffswelle kam voran. Jeder Schritt wurde mit Blut bezahlt, aber sie kam voran und würde vielleicht sogar zum „Erzengel“ durchkommen, wider aller Erwartungen. Natürlich nur, solange keine weitere Partei in den Kampf eingriff...
Arkadi versuchte, das Pfeifen in seinen Ohren und die Schmerzensschreie zu ignorieren, und sah sich rasch um. Seine Leute waren noch am Leben, jedenfalls soweit er das sehen konnte, und über den Lärm und das Chaos aktivierte der blonde Mann die Komlink-Verbindung zu allen, während er seine Blasterpistole anwinkelte und zielte.
„JETZT!“
Ein einziges Wort, in dem Kampf so beliebig wie jedes andere, aber es genügte. Sein Team wusste, was zu tun war. Und Arkadi wusste es auch. Vor ihm rannten drei Freischaffende in lockerer Formation, feuernd rückten sie vor, gänzlich auf den „Erzengel“ konzentriert und nicht auf das achtend, was hinter ihnen passierte. Sie waren tot, bevor sie in dem Lärm auch nur gemerkt hatte, dass Arkadi ihnen in den Rücken schoss, polternd fielen sie zu Boden und gaben den Blick auf ihren Mörder frei, der sich ohne Zögern oder Skrupel nach neuen Opfern umsah und sie auch fand. Die Speerspitze des Angriffs bekam es mit einem neuen Feind zu tun...und der „Erzengel“ mit einem neuen Verbündeten.
[Ring von Kafrene | Raumstation | Stellarian Prime | Ebene 5O – Brücke zum Stützpunkt des „Erzengels“ | Lieutenant Commander Arkadi Duval, NRGD-Team, Bane, Charlie, Pumpkin, Ral, viele Freischaffende (tot und lebendig)
Die Blasterpistole in Arkadis rechter Hand blieb unerschütterlich und ruhig auf Pumpkin gerichtet, bei einem Killerdroiden, der möglicherweise von der „Königin“ von Kafrene korrumpiert worden war, wollte der blonde Agent kein Risiko eingehen. Falls sich die ockerfarbene Maschine in irgendeiner Form verdächtig verhalten sollte, würde er nicht zögern, abzudrücken und sie so schnell und gründlich wie möglich in Altmetall zu verwandeln. Viele unterschätzten Droiden, schenkten den allgegenwärtigen praktischen Helfern im Alltag kaum Beachtung, aber das war ein fataler Fehler, wie man beim Geheimdienst rasch lernte. Es musste nicht mal ein Attentätermodell sein, ein mit unauffälligen Abhörgeräten versehener Reinigungsdroide zur richtigen Zeit am richtigen Ort konnte für verheerende Schäden sorgen. Als Soldat an der unsichtbaren Front lernte man, dass Paranoia gerade genügend Vorsicht war, nicht umsonst hatte Arkadi von Anfang an Bedenken gehabt, was Pumpkin anging. Immerhin hatten sie es auf Kafrene mit einer ebenso fortschrittlichen wie größenwahnsinnigen KI zu tun, technische Geräte vom Datapad bis hin zum Droiden waren damit besonders gefährdet und mussten entsprechend wachsam und misstrauisch behandelt werden. Sollte Pumpkin ihm irgendeinen Grund geben – irgendeinen - würde Arkadi schießen, aber der schlanke Mann mit den kühlen blauen Augen wollte auch nicht voreilig handeln, schließlich war der Killerdroide ein nützlicher Helfer und Arkadi konnte es sich nicht leisten, in dieser kritischen Situation kurz vor dem Sturmangriff eine wertvolle Ressource auf bloßen Verdacht hin zu eliminieren. Davon abgesehen würde eine Schießerei hier mitten im Lager ohne Zweifel unerwünschte Aufmerksamkeit erregen, noch etwas, das er und sein Team nicht gebrauchen konnten. Also entschied sich der Geheimdienstler, erst einmal abzuwarten und sich einen besseren Überblick über die Lage zu verschaffen, so konnte er auch Zeit schinden, bis seine Verstärkung eintraf. Den Blaster weiterhin auf Pumpkin gerichtet gab Arkadi dem Droiden also die Gelegenheit, sein Vorgehen zu erklären. Es sollte um seinetwillen besser eine gute Erklärung werden, dachte sich der blonde Mensch grimmig und sein Finger rückte kaum merklich näher an den Abzug.
Man musste Pumpkin zugute halten, dass er zumindest nicht so dumm war, eine offenkundig feindselige Aktion zu versuchen, dennoch spannte sich Arkadi etwas an, als die ockerfarbene Maschine ihren linken Arm und zeigte, dass er sich bereits ausgestöpselt hatte. Schon mal ein Anfang, aber kaum mehr als das. Die Stimme des Geheimdienstlers war eisig, bar jeder überflüssigen Höflichkeit.
„Langsam. Ganz langsam.“
Andere, weniger erfahrene und kaltblütige Angehörige von Sicherheitskräften hätten jetzt schon abgedrückt, nicht bereit, das Risiko zu akzeptieren, aber Arkadi wusste, dass Risiken in seinem Beruf unvermeidbar waren. Man konnte ihnen nicht aus dem Weg, sondern musste lernen, sie zu managen, sie zu kontrollieren, soweit das möglich war. Die ganze Haltung des ehemaligen Soldaten glich einem zu Sprung bereiten Nexu, Adrenalin brachte seine Aufmerksamkeit und Reflexe auf Höchstleistung. Es war eine seltsame Mischung aus demonstrativer Ruhe und fiebriger Erwartung, die er nur zu gut aus Gefahrensituationen kannte. Ein Teil von ihm schrie förmlich, dass er schießen sollte, die Gefahr eliminieren, aber noch war es nicht so weit. Noch nicht. Und statt zu feuern hörte der Agent also zu, lauschte aufmerksam und suchte nach Zeichen von Verrat oder Fremdkontrolle. Das war bei einem Droiden deutlich schwieriger als die bei einem Lebewesen, man konnte sich nicht an Gestik, Mimik und verräterischen Zeichen wie zuckenden Mundwinkeln und nervösen Seitenblicken orientieren. Arkadi blieb im Grunde nicht viel mehr übrig, als seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Pumpkin setzte zu einer beschwichtigenden Erklärung an und behauptete, dass der Agent bereits tot wäre, wenn Arianna Trallok die Kontrolle hätte. Ein durchaus einleuchtendes Argument, aber dennoch zeigte er keine Ansätze, seinen Blaster zu senken.
„Ich entscheide, wann ich meine Waffe senke. Unsere Gegnerin ist clever – ihr sind auch langfristige Täuschungsmanöver und Spielchen zuzutrauen. Red weiter und keine hektischen Bewegungen.“
Nein, überzeugt war Arkadi noch lange nicht und er warf einen raschen Blick auf die erstaunlich große und komplexe Konstruktion, die Pumpkin mit vergleichsweise einfachen Mitteln erbaut hatte. Der Droide war talentiert, kein Zweifel, und unter anderen Umständen hätte er für seine Mühen vielleicht ein Lob kassiert, aber nicht jetzt. Mit mechanischer Nervosität und etwas, das Empörung ähnelte, fuhr Pumpkin fort, offenbar waren während der Verbindung von einem Unbekannten Daten gestohlen worden. Es musste nicht zwangsläufig Arianna Trallok gewesen sein, aber sie war die nahe liegenste Verdächtige. Hatte Pumpkin nicht damit gerechnet, dass seine Bemühungen auffallen würden? Eine schlichte Fehlentscheidung ohne böse Absichten? Möglich, aber genau so gut konnte der Droide sie alle verraten haben, der Versuch, die Kommunikation mit Nani wieder aufzubauen, bloß ein Vorwand. Momentan wollte Arkadi nichts ausschließen, also hörte er einfach aufmerksam weiter zu. Pumpkin schien für einige wenige Sekunden nach Worten zu suchen – ein erstaunlich organisches Verhalten – und gestand dann missmutig ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und denjenigen bestrafen wollte, der diesen Fehler ausgenutzt hatte. Es „klang“ ehrlich, aber das taten die meisten guten Lügen und Arkadis Augen wurden ein wenig schmaler, als der ockerfarbene Killer eher am Rande erwähnte, dass bei ihm keine Programme hochgeladen worden waren und sich der Schaden vermutlich in engen Grenzen hielt. Eine Beschwichtigung, ohne Zweifel, aber sie konnte durchaus wahr sein. Arkadi hielt inne und wägte nüchtern ab, er hatte keine Beweise, dass Pumpkin kompromittiert worden war, aber auch keine Möglichkeit, das ad hoc zu überprüfen. Dafür brauchte er Nani oder zumindest eine Verbindung zu ihr. Ein Moment verstrich, ein weiterer...dann nickte der Agent knapp und senkte betont langsam seine Waffe, verstaute sie aber noch nicht.
„Ihre Initiative wäre unter anderen Umständen lobenswert, aber Sie haben einen schweren Fehler gemacht, Pumpkin. Wir können nur hoffen, dass Ihre Einschätzung korrekt ist. Ich sage es ganz offen: Bis Nani eine gründliche Analyse durchgeführt hat, traue ich Ihnen nicht. Sie werden nochmal alle internen Diagnosen durchlaufen lassen und einen Neustart durchführen, und dann folgen Sie mir. Sollten ich etwas bemerken, dass mir verdächtig vorkommt...“
Arkadi musste den Satz nicht vollenden, denn just in diesem Moment wurde die Zeltplane hinter ihm zur Seite geschoben und das Geräusch von Stiefeln war zu hören, als sich der Rest seines Teams in Stellung begabt, die Waffen gezückt, aber ansonsten abwartend. Die Botschaft war klar: Von nun an stand der Droide unter Bewährung. Arkadi würde versuchen, so schnell wie möglich wieder Kontakt mit Nani zu bekommen, damit die Slicerin ihre eigenen Tests durchführen konnte, aber dafür blieb vielleicht keine Zeit mehr, denn wie auf Stichwort begann eine Sirene zu heulen, ein schrilles, unmöglich zu ignorierendes Geräusch, gefolgt von blechernen Befehlen aus Lautsprechern. Draußen vor dem Zelt kam Hektik auf, Waffen wurde aufgesammelt und geladen und Söldner eilten los, ihre Schritte hallten weit. Es fing also an – früher als erwartet. Arkadi unterdrückte einen leisen Fluch und warf stattdessen einen knappen Blick auf sein Chrono, bevor er sich umdrehte. Seine ruhige, autoritäre Stimme vermittelte in dieser kritischen Situation Sicherheit, half, Ordnung in das Chaos zu bringen. Der Agent beschönigte nichts, sprach sachlich und klar. Jetzt war nicht der Moment für Spielchen.
„Das ist das Signal zum Sturmangriff. Wir mussten damit rechnen, dass unsere Vorbereitungen nicht abgeschlossen sein würden, aber das wird uns nicht daran hindern, den Plan umzusetzen. Kommunikation mit Ral und Nani ist derzeit nicht möglich, wir handeln also de facto auf eigene Faust, aber das Vorgehen bleibt gleich. Wir schließen uns der ersten Angriffswelle an, ganz die todesmutigen Freischaffenden, die wir vorgeben zu sein. Rechnen sie mit heftigstem Abwehrfeuer und Eigenbeschuss – die Freischaffenden und damit wir sind in den Augen der Söldner entbehrlich. Bleiben sie in Bewegung und unvorhersehbar, Stillstand bedeutet Tod. Egal, was passiert: Nicht anhalten. Nicht für eine Sekunde.“
Arkadi machte eine kurze Pause, blickte in die Gesichter der Anwesenden und nickte langsam, als er demonstrativ seine Blasterpistole hob und sie entsicherte. Das markante Geräusch machte mehr als deutlich, dass es kein Zurück gab.
„Ich weiß, dass dieser Moment schwierig ist. Und ich weiß, dass unsere Lage hoffnungslos scheinen mag. Aber wir haben ein Ass im Ärmel: Sobald wir nah genug am Stützpunkt des „Erzengels“ sind, wenden wir unsere Waffen gegen die Freischaffenden der ersten Welle. Sie werden nicht mit einem Angriff von hinten rechnen und leichte Beute sein – und unsere Ticket zur Basis. Machen sie sich bereit. Es geht los.“
Keine Plattitüden, keine Versprechungen von Ruhm und Ehre, kein Versuch, die Situation schön zu reden. Nur die reine Wahrheit, das wohl kostbarste Gut der Geheimdienste. Auch sie war eine Trumpfkarte, die man nur einmal ausspielen konnte. So oder so, die Schwelle war überschritten. Sie konnten nicht im Lager bleiben, ohne aufzufallen und entweder zum Kampf gezwungen oder als Deserteure hingerichtet werden, bei Drückebergern kannten die Söldner keine Gnade. Also setzte Arkadi sich an die Spitze des Trupps, schlug die Zeltplane zur Seite...und trat mitten hinein in das Chaos. Lautstark wurden Befehle gebrüllt, als Unterkommandanten ihre Einheiten vorwärts trieben, Dutzende, wenn nicht Hunderte von Stiefeln knallten auf den Boden, als Waffen, Munition und andere Ausrüstung verteilt wurden und sich die einzelnen Teams von Freischaffenden zusammenstellen. Letzte Inspektionen von Rüstungen und Blastern, hier und da ermutigende Worte, ein Schulterklopfen und das Versprechen von Credits, Ruhm und Huren im Überfluss, wenn man den Angriff überlebte. Lügen. Es war ein Himmelfahrtskommando und die Freischaffenden nicht mehr als Kanonenfutter, das für Ablenkungen sorgen sollte, während die wahren Angreifer in Stellung gingen. Die drei Söldnerteams hielten bewusst Abstand zu dem „verlorenen Haufen“, der ein oder andere ein wenig mitleidig, die meisten aber lediglich mit kühler Geringschätzung. Arkadi ignorierte sie und marschierte mit seinem Team entschlossen zum Sammelpunkt an der Barrikade, sie bahnten sich ihren Weg bis fast an die Spitze und reihten sich dann ein. Die fiebrige Nervosität vor einer Schlacht hing wie ein Gewitter in der Luft, Arkadi konnte sehen, wie einige Freischaffende leise Gebete und Beschwörungen murmelten, in zahlreichen verschiedenen Sprachen. Andere kippten kleine Fläschchen mit Kampfdrogen herunter, um sich auf naturwissenschaftliche Weise vor Furcht und Panik zu schützen, der ein oder andere begnügte sich wohl auch mit starkem Alkohol. Aufgeregte Frischlinge fummelten unsicher an ihren Waffen, führten zum wohl hundertsten Mal die Überprüfung durch, auch das ein Ritual mit zitternden Händen gegen die Angst. Bei manchen war der Druck zu groß, sie übergaben sich geräuschvoll und mussten von ihren nicht minder blassen Kameraden gestützt werden. Eine kleine Minderheit kollabierte völlig, versuchte, sich aus dem Pulk bunter Uniformen, Kleidungsstücke und Rüstungen zu lösen, wurde aber zurück in die Formation geschubst und gestoßen. Es gab kein Zurückweichen.
„Sechzig Sekunden! Sterbt anständig, Freischaffende!“
Brüllte ein bulliger Söldner über den Lärm hinweg und jetzt wurde auch dem Letzten klar, was bevorstand. Manch einer fing an, zu knurren oder die Zähne zu fletschen, sich gegen die Brust zu klopfen, um in Kampfstimmung zu kommen. Blaster wurden angelegt, Köpfe gesenkt, Muskeln spannten sich an. Zwanzig....zehn...Ein schrilles Pfeifen erklang und die Barrikade öffnete sich, entfesselte die nur mühsam gebündelte Energie und mit einem Schrei, einem ohrenbetäubenden Kriegsgebrüll aus Dutzenden Kehlen, stürmten die Freischaffenden vorwärts auf die Brücke, eine lebende Welle. Das erste Opfer schaffte gerade einmal zwei Schritte, bis ihn ein Schuss aus einem Präzisionsblaster wie ein Spielzeug zurückschleuderte, aber so dicht gepackt waren die Angreifer, dass er einfach mitgetragen wurde. Ein Inferno begann, als Blasterfeuer einem tödlichen Hagelschauer gleich auf die Freischaffenden einprasselte. Arkadi verlor völlig die Übersicht, er taumelte, rannte, stolperte, weite, einfach nur. Ein Schuss fällte den Söldner neben ihm, einen Trandoshaner, dessen Fauchen einfach verstummte, ein weiterer Schuss raste nur knapp an dem Agenten vorbei und brannte sich in den Brustpanzer eines menschlichen Freischaffenden. Arkadi packte den taumelnden Mann und riss ihn vor sich, als lebenden Schild, gerade noch rechtzeitig. Zwei Schüsse, wie Faustschläge, ließen den Agenten stolpern, aber nicht fallen. Jetzt setzte das Gegenfeuer ein, sowohl der Freischaffenden als auch der professionellen Söldner mit schweren Waffen, und die Schüsse aus der Festung des „Erzengels“ wurden ein wenig schwächer. Rasch nutzte der blonde Mann die Gelegenheit, ließ seinen toten Schild fallen, kletterte über drei Tote und rannte weiter. Die Reihen waren dezimiert worden, besonders hinter ihm, aber die Spitze der Angriffswelle kam voran. Jeder Schritt wurde mit Blut bezahlt, aber sie kam voran und würde vielleicht sogar zum „Erzengel“ durchkommen, wider aller Erwartungen. Natürlich nur, solange keine weitere Partei in den Kampf eingriff...
Arkadi versuchte, das Pfeifen in seinen Ohren und die Schmerzensschreie zu ignorieren, und sah sich rasch um. Seine Leute waren noch am Leben, jedenfalls soweit er das sehen konnte, und über den Lärm und das Chaos aktivierte der blonde Mann die Komlink-Verbindung zu allen, während er seine Blasterpistole anwinkelte und zielte.
„JETZT!“
Ein einziges Wort, in dem Kampf so beliebig wie jedes andere, aber es genügte. Sein Team wusste, was zu tun war. Und Arkadi wusste es auch. Vor ihm rannten drei Freischaffende in lockerer Formation, feuernd rückten sie vor, gänzlich auf den „Erzengel“ konzentriert und nicht auf das achtend, was hinter ihnen passierte. Sie waren tot, bevor sie in dem Lärm auch nur gemerkt hatte, dass Arkadi ihnen in den Rücken schoss, polternd fielen sie zu Boden und gaben den Blick auf ihren Mörder frei, der sich ohne Zögern oder Skrupel nach neuen Opfern umsah und sie auch fand. Die Speerspitze des Angriffs bekam es mit einem neuen Feind zu tun...und der „Erzengel“ mit einem neuen Verbündeten.
[Ring von Kafrene | Raumstation | Stellarian Prime | Ebene 5O – Brücke zum Stützpunkt des „Erzengels“ | Lieutenant Commander Arkadi Duval, NRGD-Team, Bane, Charlie, Pumpkin, Ral, viele Freischaffende (tot und lebendig)