Das Thema Raubgut bzw. Rückgabe ist insofern kompliziert, als dass es nicht immer leicht ist, festzulegen, wer jetzt eigentlich genau Anspruch und ein Recht darauf hat. Im Streit um Kulturgüter aus Namibia z. B. gab es wiederholt Beschwerden, dass bestimmte Stämme bevorzugt werden würden, sich selbst gewaltsam Gegenstände von anderen Einheimischen angeeignet und kein Recht hätten, für andere zu sprechen. Umso wichtiger ist Respekt und Abwägung und der genuine Wille zur Aussöhnung.
https://www.dw.com/de/volk-der-nama...tänden-aus-kolonialzeit-an-namibia/a-47564146
Zu Thema Sunak und dessen Rezeption in Indien sei gesagt, dass sich darin auch die komplexen Machtverhältnisse auf dem Subkontinent widerspiegeln. So mancher Hindu-Nationalist (unter der Regierung Modi hat sich gegenüber anderen Ethnien und Religionen ein sehr intolerantes Klima breitgemacht) kaschiert mit entsprechend scharfer Rhetorik vielleicht auch die Tatsache, dass seine eigenen Vorfahren sehr auskömmlich mit den Kolonialherren zurecht kamen (ein Vorwurf, der gerne zur Mobilisierung gegen Pakistan und Muslime genutzt wurde und wird). Nirgendwo waren Europäer so zahlreich vertreten, dass sie auf eine Zusammenarbeit mit lokalen Eliten gänzlich verzichten konnten oder wollten.
Entschädigungen und Rückgaben und eine kritische Aufarbeitung der Kolonialgeschichte (ganz besonders jener Ereignisse, die selbst von Zeitgenossen als brutal und ausbeuterisch kritisiert wurden) sind richtig und notwendig. Auch eine Auseinandersetzung mit dem modernen Verhältnis zwischen Nord und Süd tut dringend not.
Aus historischer Perspektive sollte man dabei allerdings aufpassen, dass sich bestimmte Narrative nicht festsetzen, die - wie in Indien - Hass schüren und den Blick darauf versperren, wer sich alles die Hände schmutzig gemacht hat. Die Azteken waren brutale Imperialisten, die aufgrund ihrer expansiven Politik bei ihren Nachbarvölkern bitter verhasst waren - da sind Verklärungen unangebracht. Das Königreich Dahomey (das heutige Benin), das erst kürzlich einen mehr als befremdlichen Film spendiert bekam ("The Woman King"), war DAS Drehkreuz für den internen und externen Sklavenhandel in Afrika und errichtete seinen Wohlstand mit dem Einsatz und dem Verkauf von Sklaven (und das lange vor der Ankunft der ersten Europäer). Die Gewinne wurden unter anderem genutzt, um Eroberungskriege gegen ihre Nachbarn zu führen. Selbst Zeitgenossen kritisierten die Verhältnisse dort als außergewöhnlich hart und viele Afroamerikaner, die teils nachverfolgen können, dass ihre Vorfahren durch Dahomey versklavt und verkauft wurden, störten sich mit Recht an der Verklärung dieses Staates. Und eines der Ziele des sogenannten Mahdi-Aufstands im Sudan 1881 war die Wiedereinführung der von den Briten abgeschafften Sklaverei (und die "Säuberung" aller Ungläubigen, weshalb unter anderem das schon seit der Antike christliche Äthiopien angegriffen wurde). Noch heute betreibt die Diktatur im Sudan unter anderem in Berufung auf diese Ereignisse eine Vernichtungspolitik gegenüber unerwünschten Gruppen.
Gegen die Versuchungen von Rassismus und Imperialismus war und ist niemand immun - umso wichtiger, dass man gegen diese Übel überall antritt.