@Ben
Erstmal Entschuldigung für die späte Antwort

. Ich es nicht, eine Diskussion so offen im Raum stehen zu lassen, aber leider hatte ich a.) noch keine Zeit für einen ausführlichen Beitrag und b.) ist mir die Word-Datei abhanden gekommen, in der ich die Hälfte meiner Antworten schon mal festgehalten habe.
Und wo steht die materielle und personelle Überlegenheit der Russen? Versteh' mich nicht falsch, aber inwieweit die ganzen Modernisierungen innerhalb der russischen Streitkräfte nach 2008 Früchte getragen haben, lässt sich doch gar nicht sagen. Da wurden 100 Milliarden Euro (oder waren's Dollar, das weiß ich nicht genau

) reingepumpt, aber wie viel davon tatsächlich im Sold der Soldaten oder in Ausrüstung investiert wurde, dass lässt sich nicht sagen - und wenn, dann sicher nicht von uns.
Ich sehe die russischen Streitkräfte immer noch als weitestgehend korrupten Sauhaufen, der es nicht schafft, die Misshandlungen von Vorgesetzten an den unteren Dienstgraden in den Griff zu bekommen. Und das alleine spricht schon für sich.
Natürlich kann ich nicht bewerten, wie effizient das Budget der russischen Streitkräfte eingesetzt wird, zumindest nicht abschließend mit dem notwendigen Detail-Wissen; dafür fehlt es der russischen Verteidigungspolitik an der Transparenz. Was ich aber weiß, ist dass die Föderation teilweise recht ambitionierte Projekte ins Leben gerufen hat, angefangen von PAK FA bis hin zu französischen LHD (die im Übrigens bestens für Interventionen auf der Krim geeignet wären und weiterhin bereitwillig von Hollande geliefert werden). Auch im Bereich C4I versucht man, seine Lehren aus dem 6-Tage-Krieg zu ziehen, obwohl gerade hier schwierig zu bewerten ist, wie weit man damit gekommen ist. Dergleichen kann ich, und damit meine ich in Relation und nicht absolut, in der Ukraine nicht erkennen.
Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, zu glauben, dass mit ein paar mehr oder weniger beachtlichen Projekten (und das sind sie im Vergleich zu dem, was die Russen 20 Jahre nach dem Kalten Krieg militärisch sonst so zustande gebracht haben) alles zugunsten der Streitkräfte Russlands gesagt ist, denn Defizite gibt es dort sicher zuhauf. Fakt ist aber, dass nach aktuellen Zahlen dem ukrainischen Etat von ca. 2 Mrd. $ ein unbestreitbar größerer Topf von 90 Mrd. $ gegenübersteht, aus welchem Putin Geld schöpfen kann, um seine Streitkräfte zu modernisieren. Selbst bei aller Korruption glaube ich nicht, dass die Regierung in Kiew auch nur annähernd die eine Möglichkeit hat, seine konventionellen Kräfte auf Augenhöhe zu bringen - und sehe da auch kein entkräftendes Gegenargument. Darüber hinaus als kleine Randnotiz: die Ukraine liegt im Corruption Perceptions Index von Transparency International gute 17 Plätze hinter ihrem großen, invasiven Nachbarn (
Quelle).
Scheinbar hat das Budget aber immer noch ausgereicht, um sich an friedenserhaltenden Missionen zu beteiligen und der Koalition der Willigen beizutreten.
Also zum einen werden Friedensmissionen mit Mitteln aus dem UN-Etat mitfinanziert, zum anderen ist das für sich genommen ein zweifelhafter Indikator, wenn es selbst Staaten der Dritten Welt schaffen, Kontingente zu entsenden.
Mit ehrlichem Interesse: ich würden den Artikel gerne lesen. Ich lasse mich nämlich gerne eines besseren belehren und ich muss hier in der Ukraine vs. Russland Debatte sicherlich nicht als
Gewinner herausgehen.
Ich finde den Original-Artikel nicht mehr, allerdings ein Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung (
Quelle), welches das Thema ebenfalls behandelt. In den letzten Tagen und Wochen tauchen aus gegebenen Anlass aber immer mehr Publikationen auf, die in mehr oder weniger guter Qualität die beiden Streitkräfte miteinander vergleichen; da findet man durch die Bank keine Optimisten auf Seiten der Ukraine. Ich denke, diese Suche kannst du selbst bestreiten, zu den besseren Ergebnissen gehört m.E. aber dieses hier (
Quelle), unter Einbeziehung von Einschätzungen der Strategic Forecast Inc.
Meinst du wirklich, es gibt nicht auch Waffen-, Munition- und Treibstoffbestände für den Fall eines Krieges? In der Zeit der Sowjetunion wurden bspw. an der russisch-chinesischen Grenze noch riesige unterirdische Treibstoffbunker angelegt.
Die Streitkräfte haben nach dem Kalten Krieg zwei Jahrzehnte der totalen Unterfinanzierung aushalten müssen, und die Orange Revolution hat nicht gerade dazu geführt, dass man dieses Problem priorisiert hat. Sicherlich gibt es das ein oder andere Depot mit Vorräten für den Ernstfall, und zynischerweise unter Janukowitsch gab es Anstrengungen, diese 20 Jahre militärischen Verfalls zu bremsen, aber eine breite Mobilisierung bei einem so geringen Etat pro Kopf ist schon rein rechnerisch nicht möglich.
..und die Lagerbestände zur Zeit des Kalten Krieges wurden wohl unter etwas anderen Prämissen (politisch, finanziell) angelegt.
Das tatsächlich alle potentiellen Reservisten einberufen werden können und dann auch wirklich einrücken, halte ich selber auch für illusorisch, keine Frage. Ich halte es aber auch für illusorisch, dass die Ukraine inzwischen derart zerrüttet ist, dass sie sich kampflos ergeben würde. Dafür gibt es sicherlich auch zu viele Nationalisten.
Ich habe nie gesagt, dass man sich kampflos ergibt, und den Eindruck wollte ich erst recht nicht erwecken. Wenn man sich aber den Zustand der Streikräfte zu Gemüte führt, und dann auch noch berücksichtigt, dass die Flotte im Hafen der Krim blockiert wird, etliche Stützpunkte besetzt wurden und man einem sehr bedrohlichem Feind gegenübersteht, gibt es wenig, was die Moral fördern dürfte. Dass Nationalisten, die sich momentan weitab der Krim in Uniformen hüllen und Parolen skandieren, ins Gefecht werfen würden, glaube ich ebenso; ob beim großen Rest der Bevölkerung aber so viel Kriegswill herrscht, geht derzeit nicht aus den Medien hervor, die uns zur Verfügung stehen.
Aus dem, was ich in den letzten Tagen und Wochen gelesen habe, ergibt sich für mich ein Bild, nach dem eine Mehrheit der Ukrainer ohne identitären Bezug zur Russischen Föderation bzw. der Sowjetunion die Invasion auf der Krim missbilligt, einen Krieg aber noch weniger wünschen und die militante Haltung der rechten Gruppierungen
nicht teilen.
Wenn ich mich nicht irre, dann stehen der ukrainische Luftwaffe, Luftfahrzeuge von genau der Güte zur Verfügung, über die auch Russland verfügt. MIG-29 und Su-25 bzw. 27.
Die Version, Einsatzbereitschaft und Ausbildung der Crew spielen da schon mit ein.
Darum schrieb ich ja auch, dass das nicht 1:1 übertragbar ist. Du stellst hier die materielle Überlegenheit der Russen in den Mittelpunkt - ich halte dagegen, dass auch primitive Waffensysteme einer hochgerüsteten Armee (für die ich die Russen übrigens ausdrücklich nicht halte) sehr gefährlich werden können.
Die gesellschaftlichen Bedingungen für einen langen, blutigen Guerilla-Krieg waren sowohl in Vietnam als auch in Afghanistan (sowohl bei den Sowjets, als auch bei den Amerikanern) gegeben. Anzeichen oder Tendenzen für eine solche Auseinandersetzung auf der Krim nicht zu finden.