[Tatoo-System | Tatooine | Mos Eisley Raumhafen | Marktstände] Nen-Axa
Nach diesem ersten überraschenden Erfolg setzte Nen-Axa seine Befragung der örtlichen Händer fort. Es stellte sich heraus, dass viele von ihnen schon von Jack Skyvold gehört hatten. All denen, die sich für Podrennen interessierten und schon seit einigen Jahren hier lebten, war der zwölfjährige Menschenjunge, der ein erfahrenes Fahrerfeld hinter sich gelassen hatte, in guter Erinnerung geblieben. Je öfter der Jedi die Geschichte hörte und je mehr er über den Podsport an sich erfuhr, um so sicherer wurde er, dass sich schon damals die Macht in dem Jungen gezeigt haben musste. Wenn die Rennen tatsächlich so schnell und riskant waren, wie ihm erzählt wurde, dann benötigte man außergewöhnliche, über das normalerweise Menschenmögliche deutlich hinausgehende Reflexe dafür, die an die Vorsehung grenzten. Es war bedauerlich, dass er nicht die Gelegenheit erhalten hatte, diese Begabung auszubauen. Die grundsätzliche Befähigung zum Jediritter hätte Jack bestimmt gehabt. Und auch im Rennsport hätte er es weit bringen können, wie viele Einheimische bescheinigten. Doch aus irgendeinem Grund war er nach seinem ersten Sieg nicht wieder angetreten und hatte auf die Chance verzichtet, auf diesem Weg nach Ruhm und Reichtum zu streben. Womöglich wegen der Gefahr, stattdessen einen schnellen Tod zu finden. Umso tragischer, dass dieser ihn dann unweit der Jedibasis im scheinbar sicheren Lola Curich ereilt hatte.
Weit schwieriger war es jedoch, etwas über ihn in Erfahrung zu bringen, das nichts mit dem Podrennen zu tun hatte. Über seine Herkunft, seine Familienverhältnisse und seine Lebensumstände schien niemand viel zu wissen. Auch das hing vermutlich damit zusammen, dass er so schnell wieder in der Versenkung verschwunden und sein Stern rasch verblasst war.
»Er stammte aus Mos Eisley« schnarrte ein arachnoides Wesen. »Aus einem der Arbeiterviertel, soviel ich weiß.«
»Wer könnte Genaueres wissen?« fragte Nen-Axa weiter.
»Weiß nicht«, antwortete der Händler und packte mit flinken Scherenhänden die katzengroße, froschartige Kreatur ein, die der Arconier gekauft hatte, um ihn in Plauderstimmung zu versetzen. Der Jedi hatte auf diesem Weg schon einige Waren erstanden, die er eigentlich überhaupt nicht haben wollte. »Vielleicht gibt es im Westquartier Leute, die sich an ihn erinnern. Eine Berühmtheit aus der Gegend vergisst man nicht so schnell.«
Nen-Axa bedankte sich für den guten Rat und wandte sich zum Gehen. Doch das spinnenartige Wesen rief ihm noch nach:
»Warten Sie damit lieber bis morgen!«
Der Jediritter wusste, was er (oder sie oder es...) damit meinte. Er befand sich nun schon seit mehreren Stunden hier. Die Sonne begann zu sinken. Es war sicherlich ein guter und befolgenswerter Ratschlag, die Straßen bei Nacht zu meiden. Der Arconier beschloss, sich daran zu halten, und zwar nicht nur in Bezug auf die Arbeiterbezirke. Der sicherste Ort schien ihm sein Schiff zu sein - das er auf diese Weise zugleich im Auge behalten konnte. Die Stunden auf dem Marktplatz hatten ihn viel gelehrt über diese fremde Welt und ihre Bewohner, vor allem, dass man hier mit vielem rechnen musste. Im bunten Völkergemisch von Mos Eisley zählte Erfolg wohl mehr als Gesetz und Moral, so zumindest sein erster Eindruck, der sich durchaus mit den gelesenen Berichten deckte.
Auf dem Weg zum Dock verteilte Nen-Axa die vielen Kleinigkeiten und Lebensmittel, die er an den verschiedenen Ständen erstanden hatte, in die staubigen Hände von Straßenkindern. Dann zog er sich ins Innere der White Dwarf zurück, wo er zuerst ausgiebig trank und aß (denn dem Wasser von Tatooine vertraute er nicht und menschliche Lebensmittel konnten für ihn giftig sein), bevor er sich zur Ruhe begab.
Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, erwachte der Jedi. Obwohl die Heizung des Raumschiffs lief, fühlte er sich ein wenig steif. Seine Glieder wurden jedoch schnell beweglicher, als er hinaus in die Strahlen der beiden Sonnen trat, die schon so früh am Tag recht intensiv schienen. Er hatte für die Verhältnisse eines berufstätigen Familienvaters recht lange geschlafen, daher fühlte er sich erfrischt und war voller Tatendrang, die Suche zügig fortzusetzen. Die beste Spur, die er hatte, führte ihn in ein Arbeiterquartier im westlichen Teil der Stadt. Um schnell dorthin zu gelangen, benötigte er ein Transportmittel. Da er es nicht riskieren wollte, ein gemietetes Fahrzeug oder Tier in eine Gegend mit möglicherweise hoher Kriminalität mitzunehmen, entschied er sich für eine Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel.
Eine halbe Stunde später zahlte er den Rikschadroiden aus und setzte seinen Weg zu Fuß fort. Die Gassen in diesem Teil der Stadt waren enger, die Häuser wirkten ärmlicher und es war weniger moderne Technologie zu sehen. Die elektronischen Bauteile der mehrstöckigen, verschachtelten Häuser, die aus unterschiedlichsten Materialien, vorwiegend aber aus Lehm und Sandstein gebaut waren, wirkten veraltet. Fahrzeuge und Reittiere sah er eher selten. Die Leute, die auf der Straße unterwegs waren, trugen einfache Kleidung und schienen allesamt Einheimische zu sein, vorwiegend Menschen und Rodianer. Und natürlich wuselten auch hier, wie offenbar überall in Mos Eisley, die kleinen, in Kutten gehüllten Jawas herum.
Da er keinen Anhaltspunkt hatte, wer ihm am besten behilflich sein konnte, war es eigentlich egal, wen Nen-Axa ansprach. Er ergriff daher die nächstbeste Gelegenheit beim Schopf und wandte sich an eine Gruppe von Kindern - zwei Menschen, ein Nikto und eines, dessen Spezies er nicht kannte.
»Wir suchen jemanden namens Skyvold«, sagte er. »Kennt ihr jemanden der so heißt?«
Drei der Kinder schüttelten nur den Kopf. Der Nikto aber, der etwas vorlauter und vielleicht auch etwas klüger als seine Freunde zu sein schien, schaute sich mit skeptischem Blick um und stellte eine Gegenfrage:
»Wen meinst du mit ›wir‹?«
»Bei uns zuhause spricht man so«, erklärte der Arconier knapp. »Also kennt ihr keine Skyvolds?« Wieder war einhelliges Kopfschütteln die Antwort. »Gibt es hier jemanden, der ›mir‹ vielleicht helfen kann? Ein Einheimischer, der viele Leute kennt und vieles weiß?«
»Sashnar kennt alle Leute.« Abermals führte der kleine Nikto das Wort.
»Und könnt ihr uns sagen wo wir ihn finden können?«
Nun leuchteten die Augen des Jungen auf und sein Gesicht nahm einen berechnenden Ausdruck an.
»Hm, vielleicht...« sagte er vieldeutig.
Nen-Axa verstand. Er zog einen Wupiupi aus einer Tasche seines Gürtels und hielt ihn dem Knaben hin. Dieser griff blitzschnell zu, doch noch rascher hatte der Jedi seine Klauenhand mit der Münze zurückgezogen. »Wenn wir bei Sashnar sind«, stellte er seine Bedingung.
Sofort setzten sich die Kinder in Bewegung. Auf nackten Füßen liefen über die staubigen Straßen, durch Höfe, unter Wäscheleinen hindurch und über niedrige Mauern hinweg. Der Jediritter folgte ihnen mit wehender Robe. Es dauerte ungefähr fünf Minuten und sie legten dabei eine ordentliche Strecke zurück, so dass Nen-Axa sich nicht ganz sicher war, ob er seinem Orientierungssinn noch vertrauen durfte. Dann standen sie vor einem niedrigen Haus, das sich äußerlich nicht von allen anderen unterschied. Es hatte orangerote Lehmwände mit einer niedrigen Tür und kleinen, weiß umrandeten Fenstern. Neben der Tür saß ein Mann auf der Straße. Er lehnte mit dem Rücken an der Hauswand, hatte einen zerfransten Basthut ins Gesicht gezogen und kaute auf etwas herum, das ein Zweig zu sein schein - womöglich irgendein Rauschmittel.
Nen-Axa hatte vermutet, dass es sich bei dem Fremden, der so vieles wusste, um einen Alten handelte, der schon lange hier lebte. Doch dieser Mann, bei dem es sich um besagten Sashnar handeln konnte, war noch jung, vielleicht Anfang Zwanzig, auch wenn sein schmales, sonnengegerbtes Gesicht abgehärmt wirkte und der ungepflegte schwarze Dreitagebart die Schätzung erschwerte. Für Nen-Axa, der sich ohnehin nicht sonderlich gut auf die Unterscheidung von Menschen verstand und noch dazu einen sehr schwachen Sehsinn hatte, war das Alter ein Buch mit sieben Siegeln, doch dass er nicht den erwarteten Greis vor sich hatte, war ihm klar. Der Mann machte keinen vertrauenerweckenden Eindruck auf ihn.
»Was habt ihr denn heute für mich?« fragte er die Kinder, und der Jedi wollte gar nicht wissen, was für Geschäfte sie normalerweise mit dem unsympathischen Kerl machten. Als dieser den Jedi bemerkte, erhob er sich. Seine Haltung wirkte angespannt. Auch er schien dem Frieden nicht zu trauen. »Wer ist das?« fragte er.
»Mein Name ist Nen-Axa«, stellte er sich vor. »Die Kinder waren so freundlich, mich zu Ihnen zu bringen.« Mit diesen Worten drückte er jedem der vier eine kleine Münze in die Hand, worauf hin sie übermütig lachend um die Ecke verschwanden. »Sie sagten, dass Sie uns vielleicht eine Auskunft geben können. Wir suchen Informationen über Jack Skyvold, den ehemaligen Pod-Piloten.«
»Verstehe«, antwortete Sashnar. »Das kostet Sie aber eine Kleinigkeit.«
Als der Mensch seinen Preis nannte, war Nen-Axa plötzlich froh, dass die beiden Kopfgeldjäger nicht mitgekommen waren und er sich die Credits für sie sparte. Schon jetzt wurde die Mission recht teuer und wenn auch künftig alle Hebel mit Geld in Bewegung gesetzt werden mussten, konnte seine Reisekasse nicht voll genug sein. Doch er feilschte nicht lange, sonder bezahlte dem Mann, was er verlangt hatte. Die Hoffnung, auf seiner Suche einen Schritt weiter zu kommen, überstieg die Befürchtung, übers Ohr gehauen zu werden.
Wenn er aber geglaubt hatte, jetzt die gewünschen Informationen zu bekommen, dann irrte er sich.
»Kommen Sie morgen wieder«, sagte Sashnar, lupfte kurz den Hut, wandte sich ab und verschwand in dem Haus.
Wie bestellt und nicht abgeholt stand der Jedi vor dem Loch in der Wand und überlegte, was er tun sollte. Er widerstand dem Drang, dem Menschen zu folgen und ihn wieder nach draußen zu zerren. Aber das führte mit Sicherheit zu nichts, außer zu Ärger, den er ja gerne vermeiden wollte. Ihm blieb also kaum etwas anderes übrig, als am nächsten Tag wiederzukommen und weiterhin zu hoffen, dass dieser seltsame Handel zu seinem Vorteil war.
Zu Fuß machte er sich auf den Rückweg ins Zentrum.
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