Krieg als der Vater aller Dinge – diese vielzitierte Denkfigur des griechischen Philosophen Heraklit hat für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik zweifelsohne ihre Berechtigung. Von Archimedes über Leonardo da Vinci bis Fritz Haber und Frank Oppenheimer zieht sich eine lange Reihe herausragender Wissenschaftler und Ingenieure, deren weichenstellende Entdeckungen und Erfindungen wir vor allem einem Umstand verdanken: der Förderung ihrer Arbeiten durch die jeweiligen Herrscher und das Interesse der Staaten, Kriege durch militärische Nutzung technischer Neuerungen gewinnen zu können. Der amerikanische Historiker Ian Morris hat jüngst gar das Fazit gezogen, dass Kriege zu allen Zeiten Leben vernichtet, aber auch Innovationen und Fortschritt gebracht und Gesellschaften verändert, kurzum die Welt letztlich sicherer und reicher gemacht haben – der Krieg als Innovationsmotor. Stimmt das Bild vom Krieg als Innovationsmotor auch für das 20. Jahrhundert, das von industrialisierten Kriegen mit Abermillionen Toten und einem wahnwitzigen Rüstungswettlauf im Kalten Krieg geprägt war? Vielfach ist bezweifelt worden, ob militärische Forschung und Entwicklung bei gleichem Einsatz von Mitteln jemals mehr zu leisten vermocht hat als zivile Technikförderung. Noch deutlicher hat die UNO in einer groß angelegten Untersuchung die Rolle des Militärs als technische Triebfeder in Abrede gestellt: Zivile Technikentwicklung werde durch militärische Forschung und Entwicklung nicht nur nicht gefördert, sondern sogar erheblich behindert – der Krieg als Fortschrittsbremse. Für den Ersten Weltkrieg gilt das Spannungsfeld von Innovationsmotor und Fortschrittsbremse in besonderem Maße, wie dieses Themenheft zum Jubiläum des Kriegsausbruchs anhand vieler konkreter Beispiele zeigt. Von Helmuth Trischler